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5.9 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. AnwZ (B) 93/08
  4. vom
  5. 9. November 2009
  6. in dem Verfahren
  7. wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
  8. -2-
  9. Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Präsidenten
  10. des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Tolksdorf, den Richter Dr. Ernemann, die
  11. Richterin
  12. Roggenbuck
  13. sowie
  14. die
  15. Rechtsanwälte
  16. Prof. Dr. Stüer
  17. Prof. Dr. Quaas
  18. nach mündlicher Verhandlung
  19. am 9. November 2009 beschlossen:
  20. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss
  21. des II. Senats des Anwaltsgerichtshofs Berlin vom 21. Mai 2008
  22. wird zurückgewiesen.
  23. Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und
  24. der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
  25. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 €
  26. festgesetzt.
  27. und
  28. -3-
  29. Gründe:
  30. I.
  31. 1
  32. Der Antragsteller ist seit 1972 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Die
  33. Antragsgegnerin widerrief mit Verfügung vom 12. September 2007 seine Zulassung gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls.
  34. 2
  35. Den hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der
  36. Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Antragsteller
  37. mit seiner sofortigen Beschwerde.
  38. II.
  39. 3
  40. Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO a.F., § 215
  41. Abs. 3 BRAO), hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft ist mit Recht widerrufen worden.
  42. 4
  43. 1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist,
  44. es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet
  45. sind. Diese Voraussetzungen für den Widerruf waren bei Erlass der angegriffenen Verfügung erfüllt.
  46. 5
  47. a) Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht
  48. ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen.
  49. Beweisanzeichen für einen Vermögensverfall sind die Erwirkung von Schuldtiteln und fruchtlose Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt
  50. (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschl. vom 25. März 1991 - AnwZ (B) 73/90, BRAK-
  51. -4-
  52. Mitt. 1991, 102; Beschl. vom 21. November 1994 - AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt.
  53. 1995, 126). Der Vermögensverfall wird nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO vermutet,
  54. wenn der Rechtsanwalt in das vom Insolvenzgericht oder Vollstreckungsgericht
  55. zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO, § 915 ZPO) eingetragen ist. Zum
  56. Zeitpunkt des Widerrufs war der Antragsteller mit neun Haftbefehlsanordnungen
  57. im zentralen Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts S.
  58. eingetragen,
  59. so dass der Vermutungstatbestand gegeben war. Nach einer Forderungsaufstellung der Antragsgegnerin beliefen sich seine Verbindlichkeiten auf
  60. 118.426,44 €. Den Aufforderungen der Antragsgegnerin zu einer konkreten
  61. Darlegung seiner Vermögensverhältnisse war der Antragsteller nicht nachgekommen. Dies ging zu seinen Lasten.
  62. b) Der Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer Gefährdung der Inte-
  63. 6
  64. ressen der Rechtsuchenden, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des
  65. Rechtsanwalts mit Mandantengeldern und den darauf möglichen Zugriff seiner
  66. Gläubiger. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Ausnahmefalls waren nicht
  67. gegeben.
  68. 2. Ein nachträglicher Wegfall des Widerrufsgrundes, der im gerichtlichen
  69. 7
  70. Verfahren zu berücksichtigen wäre (BGHZ 75, 356, 357; 84, 149, 150), kann
  71. nicht festgestellt werden.
  72. Eine Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse hat der Antragsteller
  73. 8
  74. nicht dargetan. Zwar ist es ihm nach einem Schreiben des Amtsgerichts
  75. S.
  76. vom 28. Januar 2009 gelungen, die Löschungen der bis dahin im
  77. dortigen Schuldnerverzeichnis enthaltenen Eintragungen zu erwirken. Jedoch
  78. ist andererseits aufgrund einer Mitteilung des Finanzamts P.
  79. vom
  80. 20. Mai 2009 bekannt geworden, dass dort zum Stichtag 5. Mai 2009 Steuerrückstände des Antragstellers einschließlich Säumniszuschläge in Gesamthöhe
  81. -5-
  82. von 27.352,80 € bestanden. Insoweit hat allerdings der Antragsteller im Senatstermin einen Überweisungsträger der Sparkasse So.
  83. vom 4. November 2009
  84. vorgelegt, dem zufolge für ihn ein Betrag von 9.500 € zur Begleichung von Umsatzsteuer an das Finanzamt P.
  85. überwiesen worden ist. Auch
  86. unter Berücksichtigung dieser Zahlung würden sich seine Steuerrückstände
  87. jedoch weiterhin auf über 17.000 € belaufen.
  88. 9
  89. Vor allem reicht es zur Annahme einer Konsolidierung der Vermögensverhältnisse nicht aus, dass der Rechtsanwalt bezüglich einzelner bekannt gewordener Forderungen eine Schuldtilgung oder die Löschung aus dem Schuldnerverzeichnis nachweist. Vielmehr muss der Rechtsanwalt seine Einkommensund Vermögensverhältnisse umfassend darlegen. Insbesondere muss er eine
  90. Aufstellung sämtlicher gegen ihn erhobenen Forderungen vorlegen und im Einzelnen darlegen, ob und in welcher Höhe diese inzwischen erfüllt sind oder in
  91. welcher Weise er sie zu erfüllen gedenkt (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschluss
  92. vom 12. Januar 2004 - AnwZ (B) 26/03; Feuerich/Weyland, BRAO, 7. Aufl., § 14
  93. Rdn. 60 m.w.N.). Dem ist der Antragsteller trotz entsprechender Hinweise nicht
  94. nachgekommen. Auch die vom Antragsteller im Anschluss an den Senatstermin
  95. per Fax zu den Akten gereichte "vorläufige Vermögensübersicht" seines Steuerberaters wird mit ihren vagen Angaben den Anforderungen an eine aussagekräftige Vermögensübersicht nicht gerecht.
  96. 10
  97. 3. Es bestehen weiterhin keine Anhaltspunkte dafür, dass die Interessen
  98. der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall ausnahmsweise nicht (mehr)
  99. gefährdet sind.
  100. -6-
  101. 11
  102. 4. Der Senat konnte in der Besetzung nach § 106 Abs. 2 Satz 1 BRAO
  103. entscheiden (Senatsbeschluss vom 4. November 2009 - AnwZ (B) 16/09, zur
  104. Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
  105. Tolksdorf
  106. Ernemann
  107. Stüer
  108. Roggenbuck
  109. Quaas
  110. Vorinstanz:
  111. AGH Berlin, Entscheidung vom 21.05.2008 - II AGH 22/07 -