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  1. 5 StR 71/04
  2. BUNDESGERICHTSHOF
  3. BESCHLUSS
  4. vom 7. Juli 2004
  5. in der Strafsache
  6. gegen
  7. 1.
  8. 2.
  9. 3.
  10. 4.
  11. wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
  12. geringer Menge u. a.
  13. -2-
  14. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Juli 2004
  15. beschlossen:
  16. 1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des
  17. Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 18. Juni 2003 nach
  18. § 349 Abs. 4 StPO in den gesamten Strafaussprüchen
  19. mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
  20. 2. Die weitergehenden Revisionen werden nach § 349
  21. Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
  22. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der
  23. Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  24. G r ü n d e
  25. Das Landgericht hat den Angeklagten D
  26. wegen bandenmäßi-
  27. gen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei
  28. Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt, die Angeklagten
  29. V
  30. und S
  31. wegen desselben Delikts in einem Fall zu
  32. Freiheitsstrafen von acht Jahren bzw. von sieben Jahren und sechs Monaten
  33. sowie den Angeklagten G
  34. wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Be-
  35. täubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem
  36. Jahr und neun Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung. Zusätzlich
  37. hat es sichergestellte Betäubungsmittel sowie Laborgeräte nebst Zubehör
  38. eingezogen und bei den nach § 30a BtMG verurteilten Angeklagten Geldbeträge für verfallen erklärt.
  39. -3-
  40. Nach den Feststellungen des Landgerichts errichtete und betrieb der
  41. Angeklagte D
  42. mit den gesondert verfolgen Ge
  43. und Ga
  44. von
  45. Ende 2000 bis Frühjahr 2001 ein Drogenlabor zur Herstellung von Methylendioxymethamphetamin (MDMA = „Ecstasy“) in Hoppegarten (Fall 1), anschließend im Herbst 2001 mit den Angeklagten
  46. V
  47. und S
  48. – unter Mithilfe des Angeklagten Giesen – ein weiteres solches Labor in
  49. Kevelaer (Fall 2).
  50. Die Revisionen der Angeklagten führen jeweils mit der Sachrüge zur
  51. Aufhebung der Strafaussprüche; im übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
  52. 1. Die Verfahrensrügen und die Sachrügen, soweit diese den Schuldspruch betreffen, bleiben durchweg erfolglos. Zwar begegnet die Begründung
  53. der Beweiswürdigung des Landgerichts zu Fall 1 sachlichrechtlichen Bedenken. Der Senat gelangt aber zu dem Ergebnis, daß das angefochtene Urteil
  54. im Blick auf die gesamte – sonst ausreichend dargelegte und rechtsfehlerfrei
  55. ausgewertete – Beweislage auf solchen Mängeln nicht beruht.
  56. a) Hauptbelastungszeuge im Fall des Drogenlabors Hoppegarten ist
  57. der als Bandenmitglied wegen Beteiligung an dieser Tat in einem Vorprozeß
  58. rechtskräftig verurteilte Ga
  59. . Dessen Aussage würdigt das Landgericht
  60. als glaubhaft, weil er sich selbst schwer belastet habe und seine Aussage in
  61. Teilbereichen durch andere Beweismittel gestützt werde. Dies greift indes zu
  62. kurz. Das Landgericht hätte sich mit solch knappen Erwägungen grundsätzlich nicht begnügen dürfen, sondern hätte entscheidend auch darauf Bedacht
  63. nehmen müssen, daß Ga
  64. gerade in einem gegen ihn selbst gerichte-
  65. ten Strafverfahren den Angeklagten D
  66. als Mit-Bandenmitglied schwer
  67. belastet hatte und wegen seiner – allerdings wesentlich geringer bewerteten – Mitwirkung an derselben Tat bereits rechtskräftig verurteilt worden war.
  68. Danach liegt nämlich mehr als nahe, daß Ga
  69. sich durch diese – die
  70. Merkmale des § 31 Nr. 1 BtMG offensichtlich erfüllende – schwerwiegende
  71. -4-
  72. Belastung von D
  73. als „Aufklärungsgehilfe“ Vorteile hinsichtlich der ei-
  74. genen Bestrafung verschafft hat.
  75. Für die Glaubhaftigkeitsbeurteilung gerade bei Aussagen im Bereich
  76. des Betäubungsmittelstrafrechts ist es regelmäßig ein wesentlicher Gesichtspunkt, ob sich der Zeuge durch seine Aussage in dem gegen ihn selbst
  77. gerichteten Verfahren im Hinblick auf § 31 BtMG entlasten wollte; für diesen
  78. Fall besteht nämlich die nicht fernliegende Gefahr, daß der „Aufklärungsgehilfe", der sich durch seine Aussage Vorteile verspricht, den Nichtgeständigen zu Unrecht belastet (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 245). Ist ein geständiger
  79. Mitbeschuldigter, auf dessen belastende Aussage die Überführung des Angeklagten entscheidend gestützt wird, bereits wegen seiner Beteiligung an
  80. derselben Betäubungsmittelstraftat verurteilt worden, muß die Beweiswürdigung deshalb erkennen lassen, ob sich der Betreffende eine Strafmilderung
  81. als Aufklärungsgehilfe verdient hat oder nicht. Im Anschluß daran hat der
  82. Tatrichter zu würdigen, ob sich der geständige Mitbeschuldigte nicht nur
  83. durch die wahrheitsgemäße Belastung eines anderen eigene Vorteile verschafft hat, sondern sich möglicherweise darüber hinaus in bedenklicher
  84. Weise zu Lasten des nicht geständigen Angeklagten eingelassen haben
  85. kann, so durch übertriebene Darstellung von dessen Tatbeteiligung – etwa
  86. zur partiellen eigenen Entlastung oder zu der eines weiteren Tatbeteiligten –
  87. oder durch andere wahrheitswidrige Bekundungen – etwa auch zur Vertuschung der Beteiligung eines Dritten. Fehlen Darlegungen hierzu in den Urteilsgründen, so kann dies als durchgreifender Erörterungsmangel ein sachlichrechtlicher Fehler sein (vgl. auch BGHSt 48, 161, 168). Tatsächlich geht
  88. das Landgericht an keiner Stelle der Beweiswürdigung auch nur ansatzweise
  89. darauf ein, daß die Aussage Ga
  90. Tatbeitrag, D
  91. s, wonach er einen untergeordneten
  92. aber einen der Haupttatbeiträge geleistet habe, ange-
  93. sichts der in § 31 BtMG für Aufklärungsgehilfen vorgesehenen Milderungsmöglichkeiten mit der bei einer solchen Motivlage gebotenen besonderen
  94. Vorsicht zu würdigen ist.
  95. -5-
  96. Zu kurz kommt zudem folgendes: Das Landgericht hat aufgrund der
  97. Zubilligung eines verdichteten Auskunftsverweigerungsrechts nach § 55
  98. StPO seine Überzeugung weitestgehend nicht etwa unmittelbar auf eigene
  99. Angaben des Ga
  100. in der Hauptverhandlung gestützt, die kritisch von
  101. allen Seiten hätten hinterfragt werden können, sondern nur mittelbar auf solche Aussagen, die er in seinen polizeilichen Vernehmungen und in der gegen ihn zuvor durchgeführten Hauptverhandlung getätigt hatte. Kann der Angeklagte aber sein durch Art. 6 Abs. 3 lit. d MRK garantiertes Recht, Fragen
  102. an den Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen, nicht ausüben,
  103. weil diesem ein weitgehendes oder umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht zugestanden wird, muß dieser Umstand schon deshalb bei der Beweiswürdigung hinreichend bedacht werden, weil die durch Vernehmung der
  104. Verhörsperson eingeführte Aussage bei Fehlen eines kontradiktorischen
  105. Verhörs (§ 69 Abs. 2 StPO) nur beschränkt hinterfragt und vervollständigt
  106. werden kann (vgl. BGHSt 46, 93, 106).
  107. b) Im Zusammenhang mit diesen sachlichrechtlichen Beweiswürdigungsmängeln merkt der Senat noch zu zwei Verfahrensrügen folgendes an:
  108. Beweisanträge zur Frage einer Absprache mit Ga
  109. in dem Vorverfah-
  110. ren sind mit durchgreifend bedenklicher Begründung als unbeachtlich abgelehnt worden. Das Landgericht hat dabei verkannt, daß es für die Beurteilung
  111. der Glaubwürdigkeit eines Hauptbelastungszeugen gerade entscheidend
  112. darauf ankommen kann, ob er sich geständig im Rahmen einer verfahrensbeendenden Absprache durch die Belastung von Mittätern – womöglich unter
  113. Verringerung des eigenen Tatbeitrags – einen erheblichen Vorteil versprechen konnte oder nicht (vgl. BGHSt 48, 161, 168). Erheblichen Bedenken
  114. unterliegt auch die Begründung, mit der das Landgericht Anträge auf Vernehmung des dritten Bandenmitglieds im Fall 1, des gesondert Verfolgten
  115. Ge
  116. , wegen dessen Unerreichbarkeit abgelehnt hat. Es blieb unbeachtet,
  117. daß ein Zeuge auch dann erreichbar sein kann, wenn er im Ausland im Wege der Videokonferenz nach § 247a StPO aus der Hauptverhandlung heraus
  118. -6-
  119. mittels einer zeitgleichen Bild-Ton-Übertragung vernommen werden kann
  120. (BGHSt 45, 188, 190).
  121. Die zugehörigen Beweisantrags- und Aufklärungsrügen scheitern freilich sämtlich an der Unzulänglichkeit des Revisionsvorbringens (§ 344 Abs. 2
  122. Satz 2 StPO). Dem Beweisantrag zur Frage einer Verständigung im Vorverfahren gegen Ga
  123. mangelt es bereits an einer hinreichend konkreten
  124. Beweisbehauptung. Zudem fehlt für die zugehörigen Rügen unerläßlicher
  125. Begleitvortrag;
  126. dies
  127. betrifft
  128. sowohl
  129. die
  130. Aussageberechtigung
  131. und
  132. -bereitschaft des als Zeugen benannten anwaltlichen Beistands des Hauptbelastungszeugen Ga
  133. als auch die schriftlichen Gründe des gegen
  134. diesen ergangenen Urteils, deren Kenntnis zur sachlichen Überprüfung des
  135. Rügevorbringens unerläßlich wäre. Die den Mittäter Ge
  136. betreffenden Be-
  137. weisantragsrügen scheitern, abgesehen von einer kaum zulänglichen Beweisbehauptung, am Fehlen des erforderlichen vollständigen Vortrags der
  138. die Unerreichbarkeit des Zeugen betreffenden Verfahrensvorgänge.
  139. c) Trotz der sachlichrechtlichen Beweiswürdigungsmängel kann der
  140. Senat ein Beruhen der die Schuldsprüche – namentlich den zu Fall 1 – tragenden Urteilsfeststellungen auf der unzulänglich abgehandelten Beweiswürdigung hier ausschließen. Dies ergibt sich aus der weiteren ungewöhnlich
  141. dichten Beweislage zum Nachteil des Angeklagten D
  142. im Fall 1; die
  143. hierzu getroffenen Feststellungen stützen die rechtsfehlerfrei und im wesentlichen unabhängig davon getroffenen Feststellungen zu Fall 2 ohnehin nur
  144. peripher.
  145. Die Angaben des Hauptbelastungszeugen Ga
  146. werden durch
  147. mehrere andere Zeugen in verschiedenen für den gesamten Tatablauf markanten Punkten bestätigend gestützt; die Annahme von deren Glaubwürdigkeit begegnet keinen wesentlichen Bedenken. Ga
  148. s Angaben werden
  149. ferner in ebenfalls markanten Details durch Sachbeweis und Erkenntnisse
  150. aus Telefonüberwachungen bestätigt. Zudem hat der Angeklagte D
  151. -7-
  152. selbst in seiner schließlich abgegebenen Einlassung eine Tatbeteiligung keineswegs gänzlich in Abrede gestellt. Seine eigene verharmlosende Version
  153. wird schließlich durch die festgestellten Begleitumstände seiner einschlägigen Vorbelastung und sein unabhängig von den Erkenntnissen zu Fall 1
  154. festgestelltes gesamtes Tatverhalten im Fall 2 durchgreifend in Zweifel gezogen.
  155. Im Blick auf die Gesamtheit dieser hochgradig belastenden Beweislage schließt der Senat aus, daß das Landgericht durch die gebotene vorsichtige und kritischere Bewertung der Angaben des Hauptbelastungszeugen
  156. Ga
  157. D
  158. im Ergebnis zu abweichenden Erkenntnissen zur Täterschaft
  159. s im Fall 1 und zu dem ihm angelasteten Schuldumfang gelangt wä-
  160. re. Dieses Ergebnis ist insbesondere deshalb zu verantworten, weil das
  161. Landgericht in angemessen kritischer Anwendung des Zweifelssatzes bei
  162. dem Angeklagten D
  163. im Fall 1 – und gleichermaßen bei allen drei als
  164. Bandenmitgliedern abgeurteilten Angeklagten im Fall 2 – nur die Mindestfeststellung zugrunde gelegt hat, daß sie aus ihrer jeweiligen Tatbeteiligung
  165. nicht mehr als einen Monatsverdienst von 2.000 DM erlöst hätten, mithin
  166. nicht als zentrale Gestalter und Nutznießer des jeweiligen Tatgeschehens
  167. anzusehen sind.
  168. 2. Sämtliche Strafaussprüche halten sachlichrechtlicher Nachprüfung
  169. nicht stand.
  170. a) Namentlich aus dem letztgenannten Umstand erwächst ein die
  171. Strafzumessung berührender Erörterungsmangel, der dem Senat Anlaß zur
  172. Beanstandung der Strafaussprüche gegen die drei Hauptangeklagten gibt,
  173. selbst wenn die Bemessung der gegen sie erkannten Strafen für sich angesichts des Gewichts der Taten dem Ergebnis nach noch keinen Grund zur
  174. Beanstandung gäbe.
  175. -8-
  176. Das Landgericht hat zwar zutreffend die hohe Professionalität der Taten gewichtig erschwerend gewertet. Es hat indes – jenseits einer Erwähnung bei der Gesamtstrafbemessung gegen D
  177. (UA S. 80) – davon
  178. abgesehen, in diesem Zusammenhang den jene Strafschärfung relativierenden Umstand ausdrücklich heranzuziehen, daß – wie ausgeführt – zugunsten
  179. eines jeden als Bandenmitglied verurteilten Angeklagten vor dem Hintergrund nicht übermäßig hoher monatlicher Entlohnung seine nicht führende
  180. Rolle innerhalb der Bandenstruktur anzunehmen war. Diesem Umstand wäre
  181. bei der gegebenen Sachlage ausdrücklich Beachtung zu schenken gewesen.
  182. b) Der Angeklagte G
  183. , der lediglich als nicht der Bande angehö-
  184. render Gehilfe abgeurteilt worden ist, beanstandet mit seiner Revision zutreffend, daß das Landgericht die Voraussetzungen einer Strafmilderung
  185. nach § 31 BtMG fehlerhaft unerörtert gelassen hat, obwohl dieser Angeklagte
  186. nach den Urteilsfeststellungen frühzeitig belastende Angaben zu M
  187. R
  188. gemacht hat, den die Strafkammer auch aufgrund dieser Angaben
  189. als einen der hauptverantwortlichen Hintermänner in diesem Fall ansieht. Im
  190. Hinblick auf die in diesem Zusammenhang getroffenen Urteilsfeststellungen
  191. liegt die Annahme eines Aufklärungserfolgs durchaus nahe und bedurfte der
  192. Erörterung (vgl. hierzu BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Prüfungspflicht 1; Körner,
  193. BtMG 5. Aufl. § 31 Rdn. 32 ff. m.w.N.).
  194. c) Bei allen vier Angeklagten kommt im Fall 2 hinzu, daß ein nicht unwesentlicher Strafmilderungsfaktor unerörtert geblieben ist. Das Drogenlabor
  195. in Kevelaer war von den Ermittlungsbehörden schon so frühzeitig entdeckt
  196. -9-
  197. worden, daß die gesamte Produktion von MDMA unter den Augen der Polizei
  198. stattfand (vgl. BGH StV 2000, 555; BGH, Urteil vom 25. Oktober 1983
  199. – 5 StR 600/83; Beschluß vom 12. Juni 2002 – 5 StR 207/02).
  200. Harms
  201. Häger
  202. Gerhardt
  203. Basdorf
  204. Raum