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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 5 StR 606/17
  4. vom
  5. 24. April 2018
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen besonders schweren Raubes u.a.
  9. ECLI:DE:BGH:2018:240418B5STR606.17.0
  10. -2-
  11. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 24. April 2018 gemäß § 154
  12. Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO beschlossen:
  13. 1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 25. August 2017 wird
  14. a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall 3
  15. der Anklage vom 20. April 2017 wegen Leistungserschleichung (Fahrt vom 16. Juni 2016) verurteilt worden ist; im
  16. Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens
  17. und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der
  18. Staatskasse zur Last;
  19. b) das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert,
  20. dass der Angeklagte
  21. aa) im Tatkomplex II.4 der Urteilsgründe der Leistungserschleichung in sieben Fällen und
  22. bb) im Fall II.2 der Urteilsgründe des besonders schweren
  23. Raubes in Tateinheit mit Diebstahl schuldig ist.
  24. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
  25. 3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines
  26. Rechtsmittels zu tragen.
  27. -3-
  28. Gründe:
  29. 1
  30. Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen
  31. wegen räuberischer Erpressung, vorsätzlicher Körperverletzung und wegen
  32. Leistungserschleichung in fünf Fällen unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus
  33. einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und
  34. sieben Monaten sowie wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit
  35. Nötigung, wegen Diebstahls und wegen Leistungserschleichung in drei Fällen
  36. zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten
  37. verurteilt. Zudem hat es die Einziehung von Wertersatz angeordnet. Die gegen
  38. seine Verurteilung gerichtete, auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision
  39. des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
  40. I.
  41. 2
  42. 1. Das Verfahren ist im Fall 3 der Anklage vom 20. April 2017 auf Antrag
  43. der Staatsanwaltschaft nach § 154 Abs. 2 StPO einzustellen, weil die für diese
  44. Tat zu verhängende Strafe neben den Strafen, die gegen den Angeklagten im
  45. Übrigen verhängt worden sind, nicht ins Gewicht fallen würde. Hinsichtlich der
  46. in der Strafzumessung erwähnten vierten Tat einer Beförderungserschleichung
  47. vom 16. Juni 2016 sind konkretisierende Feststellungen in dem acht Fälle der
  48. Leistungserschleichung umfassenden Tatkomplex II.4 der Urteilsgründe unterblieben.
  49. 3
  50. Die Schuldspruchänderung hinsichtlich der Anzahl der abgeurteilten Taten der Leistungserschleichung gemäß § 265a Abs. 1 StGB ergibt sich aus der
  51. vorgenommenen Teileinstellung.
  52. -4-
  53. 4
  54. 2. Der Ausspruch der vom Entfallen der diesbezüglichen Einzelstrafe betroffenen ersten Gesamtfreiheitsstrafe kann bestehen bleiben. Angesichts der
  55. Höhe der Einsatzstrafe von einem Jahr und fünf Monaten und der Zahl und
  56. Höhe der verbleibenden Einzelstrafen schließt der Senat aus, dass die Strafkammer ohne die wegfallende Geldstrafe von 30 Tagessätzen eine mildere
  57. Gesamtfreiheitsstrafe festgesetzt hätte.
  58. II.
  59. 5
  60. Die weitergehende Revision führt lediglich zu der weiteren, den Fall II.2
  61. der Urteilsgründe betreffenden Abänderung des Schuldspruchs und bleibt im
  62. Übrigen ohne Erfolg.
  63. 6
  64. 1. Nach den Feststellungen zu Fall II.2 trafen der Angeklagte und der
  65. ihm körperlich unterlegene und geistig behinderte später Geschädigte M.
  66. als Gäste der Zeugen B.
  67. schüchterte M.
  68. in deren Wohnung aufeinander. Der Angeklagte
  69. zunächst verbal ein und forderte ihn sodann zu einem pro-
  70. beweisen Tausch ihrer „Base-Caps“ auf. Der Zusicherung des Angeklagten, er
  71. werde seine Kappe umgehend wieder zurückerhalten, misstrauend, stimmte
  72. M.
  73. nur aus Angst vor einem körperlichen Übergriff zu. Unter dem Vorwand,
  74. im dortigen Spiegel das Aussehen ihrer Kappen zu betrachten, begab sich der
  75. Angeklagte mit ihm in das Badezimmer. Hier zog er aus einer Hosentasche ein
  76. Messer mit einer feststehenden Klinge, hielt es vor den Geschädigten und verlangte von ihm mit der Drohung, ihm andernfalls einen Stich zu versetzen, seine Umhängetasche. Er ließ, nachdem er das Messer wieder eingesteckt hatte,
  77. den Geschädigten noch persönliche Sachen aus der Tasche räumen, der sie
  78. ihm anschließend aufforderungsgemäß auf eine Waschmaschine legte. Der
  79. Angeklagte nahm sie an sich und überließ im Gegenzug seine eigene Tasche
  80. dem Geschädigten. Währenddessen steckte der Angeklagte auch seine eigene
  81. -5-
  82. Kappe ein, behielt indes die des Geschädigten auf. Anschließend kehrten beide
  83. in das Wohnzimmer zurück, wo sich der Angeklagte verabschiedete und danach die Wohnung verließ. Dabei stand der Geschädigte weiterhin unter dem
  84. Eindruck der vorhergehenden Drohung mit dem Messer und nahm es hin, dass
  85. der Angeklagte mit seiner Kappe und seiner Tasche wegging.
  86. 7
  87. 2. Das Landgericht hat das Tatgeschehen im Fall II.2 als besonders
  88. schweren Raub in Tateinheit mit Nötigung bewertet. Abweichend von dem die
  89. Erlangung beider Beutestücke als einheitliche Tat erfassenden Anklagevorwurf
  90. einer (besonders) schweren räuberischen Erpressung hat es hinsichtlich der
  91. Umhängetasche lediglich den Tatbestand der Nötigung gemäß § 240 Abs. 1
  92. StGB als erfüllt erachtet. Angesichts des Umstands, dass der Wert der vom
  93. Angeklagten erbeuteten Tasche nicht ausschließbar dem Wert der dem Geschädigten im Gegenzug überlassenen Tasche entsprochen habe, liege ein
  94. Vermögensnachteil nicht vor. In Bezug auf die durch die vorausgegangene
  95. Drohung des Angeklagten später ermöglichte Mitnahme der Kappe des Geschädigten, dessen Gewahrsam zuvor nur gelockert, aber noch nicht aufgegeben gewesen sei, hat es den Tatbestand des besonders schweren Raubes
  96. gemäß §§ 249, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB verwirklicht gesehen.
  97. 8
  98. 3. Dieser Schuldspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
  99. 9
  100. a) Die Feststellungen zur Entwendung der Kappe des Geschädigten tragen den Schuldspruch wegen besonders schweren Raubes nicht.
  101. 10
  102. Nach ständiger Rechtsprechung muss zwischen der Drohung mit oder
  103. dem Einsatz von Gewalt und der Wegnahme beim Raub eine finale Verknüpfung bestehen; Gewalt oder Drohung müssen das Mittel zur Ermöglichung der
  104. Wegnahme sein. An einer solchen Verknüpfung fehlt es, wenn eine Nötigungs-
  105. -6-
  106. handlung nicht zum Zwecke der Wegnahme vorgenommen wird, sondern der
  107. Täter den Entschluss zur Wegnahme erst nach Abschluss dieser Handlung
  108. fasst (BGH, Urteile vom 22. September 1983 – 4 StR 376/83, BGHSt 32, 88,
  109. 92; vom 20. April 1995 – 4 StR 27/95, BGHSt 41, 123, 124; Beschluss vom
  110. 24. Februar 2009 – 5 StR 39/09, NStZ 2009, 325).
  111. 11
  112. Hier hatte der Angeklagte bereits vor seiner nur auf die Erlangung der
  113. Tasche gerichteten Gewaltdrohung bewirkt, dass der eingeschüchterte Geschädigte seinen Gewahrsam an der Kappe gelockert hatte. Zum Bruch dieses
  114. weiterhin bestehenden Gewahrsams kam es wiederum erst, als der Angeklagte
  115. die Wohnung nach der gemeinsamen Rückkehr ins Wohnzimmer und seiner
  116. Verabschiedung verließ. Eine Äußerung oder sonstige Handlung des Angeklagten bei diesem weiteren Geschehen, die eine – eventuell konkludent auf die
  117. vorausgehende Gewaltdrohung Bezug nehmende – weitere Drohung beinhaltet
  118. haben könnte, ist ebenso wenig festgestellt wie eine schon zum Zeitpunkt seiner Gewaltdrohung bestehende Absicht des Angeklagten, auch die Kappe des
  119. Geschädigten für sich zu behalten. Allein der Umstand, dass die Wirkungen
  120. einer Drohung, die ohne (umfassende) Wegnahmeabsicht ausgesprochen wurde, beim Tatopfer noch andauern und der Täter dies bei der späteren Wegnahme ausnutzt, genügt für die Annahme eines Raubes nicht (vgl. auch Beschluss vom 18. Februar 2014 – 5 StR 41/14, NStZ 2015, 156, 157 mwN).
  121. Nach den Feststellungen liegt hinsichtlich der vom Angeklagten entwendeten
  122. Kappe somit lediglich ein Diebstahl gemäß § 242 Abs. 1 StGB vor.
  123. -7-
  124. 12
  125. b) Auch die tateinheitliche Verurteilung wegen Nötigung hinsichtlich der
  126. Entwendung der Umhängetasche erweist sich als rechtsfehlerhaft. Denn der
  127. Angeklagte hat insoweit einen besonders schweren Raub gemäß §§ 249, 250
  128. Abs. 2 Nr. 1 StGB begangen.
  129. 13
  130. Die Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung erfolgt nach
  131. ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach dem äußeren Erscheinungsbild des vermögensschädigenden Verhaltens des Verletzten, nämlich danach, ob der Täter eine fremde bewegliche Sache wegnimmt oder das
  132. Opfer sie ihm übergibt (BGH, Urteil vom 22. Oktober 2009 – 3 StR 372/09,
  133. NStZ-RR 2010, 46, 48; Beschlüsse vom 19. Januar 1999 – 4 StR 663/98,
  134. BGHR StGB § 255 Konkurrenzen 4; vom 2. Dezember 2010 – 4 StR 476/10,
  135. NStZ-RR 2011, 80, und vom 18. August 2011 – 3 StR 251/11; MüKoStGB/Sander, 3. Aufl., § 253 Rn. 21 mwN). Vorliegend hat der Angeklagte nach
  136. den Feststellungen die Tasche selbst weggenommen, nachdem deren zuvor
  137. erzwungene Ablage durch den Geschädigten auf der Waschmaschine noch zu
  138. keiner Gewahrsamsübertragung geführt hatte, sondern lediglich die Möglichkeit
  139. zum anschließenden eigenen Zugriff eröffnete. Für die Verwirklichung des
  140. Raubtatbestandes spielen der Wert seiner eigenen dem Geschädigten überlassenen und der von diesem erlangten Tasche keine Rolle, da §§ 249, 250 StGB
  141. neben der persönlichen Freiheit das Eigentum schützen; ein Vermögensschaden muss bei diesen Straftatbeständen nicht eintreten.
  142. 14
  143. 4. Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung weitergehende Feststellungen getroffen werden könnten. Deshalb ändert er den
  144. Schuldspruch dahingehend ab, dass der Angeklagte des besonders schweren
  145. Raubes in Tateinheit mit Diebstahl schuldig ist. § 265 StPO steht im Hinblick
  146. darauf nicht entgegen, dass ihm – bei unveränderten Tatumständen (vgl. hierzu
  147. -8-
  148. etwa BGH, Beschluss vom 23. April 2002 – 3 StR 505/01, BGHR StPO § 265
  149. Abs. 1 Hinweispflicht 16) – mit der Anklage das umfassende Verbrechen einer
  150. (besonders schweren) räuberischen Erpressung zur Last gelegt worden war.
  151. 15
  152. Die abweichende rechtliche Bewertung lässt den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat des Angeklagten unberührt. Der Strafausspruch hat deshalb Bestand. Der Senat kann angesichts des hier zugrunde gelegten Strafrahmens
  153. eines minder schweren Falls gemäß § 250 Abs. 3 StGB ausschließen, dass
  154. das Tatgericht auf der Grundlage einer zutreffenden rechtlichen Bewertung auf
  155. eine mildere Einzelstrafe im Fall II.2 erkannt oder eine niedrigere (zweite) Gesamtstrafe gebildet hätte.
  156. 16
  157. 5. Der nur geringfügige Erfolg des Rechtsmittels rechtfertigt keine Kostenermäßigung (§ 473 Abs. 4 StPO).
  158. Mutzbauer
  159. Schneider
  160. Berger
  161. König
  162. Mosbacher