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  1. 5 StR 507/08
  2. BUNDESGERICHTSHOF
  3. BESCHLUSS
  4. vom 13. November 2008
  5. in der Strafsache
  6. gegen
  7. wegen Totschlags u. a.
  8. -2-
  9. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. November 2008
  10. beschlossen:
  11. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 19. Mai 2008 gemäß § 349 Abs. 4
  12. StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung zur Unterbringung des Angeklagten
  13. in der Entziehungsanstalt unterblieben ist. Seine weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
  14. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  15. G r ü n d e
  16. 1
  17. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags in Tateinheit
  18. mit schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Der Angeklagte wendet sich mit der nicht ausgeführten Sachrüge gegen seine Verurteilung; sein Rechtsmittel hat nur in dem aus dem
  19. Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
  20. 2
  21. Nach den Feststellungen des Landgerichts tötete der Angeklagte seinen 85 Jahre alten Großvater aus Wut über dessen Beschimpfungen durch
  22. mehrere Messerstiche, nachdem er ihn zuvor unter Vorhalt eines Messers
  23. zur Herausgabe von Geld genötigt hatte. Das Rechtsmittel ist gemäß § 349
  24. Abs. 2 StPO unbegründet, soweit es sich gegen den Schuld- und Strafausspruch richtet.
  25. -3-
  26. 3
  27. Das Urteil kann jedoch keinen Bestand haben, soweit eine Entscheidung zur Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Nach den Feststellungen drängte sich eine Prüfung, ob
  28. eine Maßregel nach § 64 StGB anzuordnen ist, auf. Danach liegt bei dem
  29. 1985 geborenen Angeklagten ein chronisches Alkoholmissbrauchsverhalten
  30. vor, „die Beschaffung von Alkohol stellt ein zentrales Thema in seinem Leben
  31. dar“ (UA S. 3). Seit seiner Umsiedlung nach Deutschland im Jahre 2004
  32. trank der Angeklagte viel Alkohol. Die von ihm begonnene Ausbildungsmaßnahme wurde wegen Fehlzeiten abgebrochen. Da er in der elterlichen Wohnung keinen Alkohol trinken durfte, hielt sich der Angeklagte zunehmend bei
  33. einem alkoholkranken Freund auf. Die abgeurteilte Tat beging der Angeklagte im Zustand alkoholbedingt verminderter Steuerungsfähigkeit. Mit dem erbeuteten Geld wollte er Alkohol kaufen.
  34. 4
  35. Diese festgestellten Umstände legen nahe, dass die Tat auf einen
  36. Hang des Angeklagten zurückgeht, berauschende Mittel im Übermaß zu sich
  37. zu nehmen. Dem steht nicht entgegen, dass die Strafkammer eine Alkoholabhängigkeit nicht festzustellen vermochte. Denn für die Annahme eines
  38. Hangs im Sinne des § 64 StGB ist dies nicht Voraussetzung; vielmehr genügt
  39. eine eingewurzelte, aufgrund psychischer Disposition bestehende oder durch
  40. Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen (BGH NStZ-RR 2004, 39, 40; BGHR StGB § 64
  41. Abs. 1 Hang 4, 5). Zudem ist nicht ersichtlich, dass eine Suchtbehandlung
  42. des therapieunerfahrenen Angeklagten keine hinreichend konkrete Aussicht
  43. auf Erfolg im Sinne des § 64 Satz 2 StGB bietet.
  44. 5
  45. Der Teilaufhebung steht nicht entgegen, dass § 64 StGB durch das
  46. Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl I, 1327) von
  47. einer Muss- in eine Sollvorschrift umgestaltet worden ist. Dies macht die Prüfung des § 64 StGB durch den Tatrichter nicht entbehrlich. Dieser muss vielmehr das Ermessen tatsächlich ausüben und die Ermessensentscheidung
  48. -4-
  49. für das Revisionsgericht nachprüfbar machen (vgl. BGH NStZ-RR 2008,
  50. 73 f.).
  51. 6
  52. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (BGHSt 37, 5). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht nicht von
  53. seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen.
  54. 7
  55. Der Senat kann hier ausschließen, dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung eine geringere Strafe verhängt hätte.
  56. 8
  57. Die Frage nach der Anordnung der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB bedarf mithin unter Hinzuziehung
  58. eines Sachverständigen (§ 246a StPO) der Prüfung und Entscheidung durch
  59. ein neues Tatgericht.
  60. Brause
  61. Schneider
  62. Raum
  63. Schaal
  64. Dölp