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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 5 StR 473/14
  4. vom
  5. 15. Januar 2015
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen Körperverletzung mit Todesfolge
  9. -2-
  10. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Januar 2015 beschlossen:
  11. 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 1. Juli 2014 nach § 349 Abs. 4 StPO im
  12. Ausspruch über den Vorwegvollzug aufgehoben.
  13. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
  14. Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des
  15. Landgerichts zurückverwiesen.
  16. 3. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO
  17. als unbegründet verworfen.
  18. Gründe:
  19. 1
  20. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt, die Unterbringung in
  21. einer Entziehungsanstalt und in der Sicherungsverwahrung angeordnet und
  22. bestimmt, dass ein Jahr und sechs Monate der Freiheitsstrafe vor der Unterbringung in der Entziehungsanstalt zu vollziehen sind. Die auf die Sachrüge
  23. gestützte Revision des Angeklagten hat lediglich in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
  24. 2
  25. 1. Das Rechtsmittel des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349
  26. Abs. 2 StPO, soweit es sich gegen den Schuld- und den Strafausspruch richtet;
  27. auch der Maßregelausspruch hat Bestand. Es beschwert den Angeklagten
  28. -3-
  29. nicht, dass das Landgericht der Anordnung von Sicherungsverwahrung eine
  30. strikte Verhältnismäßigkeitsprüfung im Sinne der vom Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 128, 326) für die Zeit der Weitergeltung des § 66 StGB bis zum
  31. Inkrafttreten einer verfassungskonformen gesetzlichen Neuregelung aufgestellten Anforderungen zu Grunde gelegt hat, obgleich die Anlasstat am 18./19. November 2013 begangen wurde, mithin nach Inkrafttreten des Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung vom 5. Dezember 2012 (BGBl. I, 2425; vgl. zur Anwendbarkeit des
  32. § 66 StGB nach Maßgabe einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung auch nach
  33. Inkrafttreten der Neuregelung für bis zum 31. Mai 2013 begangene Straftaten
  34. BGH, Urteil vom 11. März 2014 – 5 StR 563/13, BGHR StGB § 66 Strikte Verhältnismäßigkeit bei bis zum 31. Mai 2013 begangenen Anlasstaten 1; Beschluss vom 17. April 2014 – 3 StR 355/13, NStZ-RR 2014, 207).
  35. 3
  36. Es kann auch dahinstehen, ob das Landgericht bei der Prüfung des Eintritts von Rückfallverjährung nach der Verurteilung des Angeklagten wegen
  37. Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung vom 6. Oktober 2001 zu
  38. Recht auf die Fünfzehnjahresfrist des § 66 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 StGB abgestellt hat oder ob diese – wofür der Wortlaut der Vorschrift und die Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks. 17/3403, S. 25) sprechen – nur dann gilt, wenn
  39. sowohl die Vortat als auch die Anlasstat Sexualstraftaten sind. Denn jedenfalls
  40. ist auch bei Zugrundelegung der Fünfjahresfrist des § 66 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 1 StGB keine Rückfallverjährung eingetreten.
  41. 4
  42. 2. Die vom Landgericht vorgenommene Bestimmung der Dauer des
  43. Vorwegvollzugs der Maßregel ist jedoch rechtsfehlerhaft. Denn die Strafkammer hat es unterlassen, in dem Urteil mitzuteilen, wie lange die Unterbringung
  44. des Angeklagten voraussichtlich erforderlich sein wird (vgl. dazu etwa BGH,
  45. -4-
  46. Beschluss vom 4. Dezember 2012 – 4 StR 409/12). Die Dauer des Vorwegvollzugs ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB, also eine
  47. Entlassung zum Halbstrafenzeitpunkt, möglich ist. Das zur neuen Verhandlung
  48. und Entscheidung berufene Tatgericht wird – unter erneuter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a Abs. 1 Satz 2 StPO) – bei der Berechnung des
  49. vorweg zu vollstreckenden Teils der Freiheitsstrafe die voraussichtlich notwendige Therapiedauer feststellen und diese von den zwei Jahren und sechs Monaten – der Hälfte der (nunmehr rechtskräftig) erkannten Freiheitsstrafe – abziehen müssen.
  50. 5
  51. Es wird überdies § 72 Abs. 3 Satz 1 StGB zu beachten und die Reihenfolge der Vollstreckung der Maßregeln zu bestimmen haben (BGH, Beschluss
  52. vom 21. Dezember 1994 – 3 StR 347/94, NStZ 1995, 284). Dabei ist die Unterbringung in der Entziehungsanstalt im Zweifel grundsätzlich vor der Sicherungsverwahrung zu vollstrecken, weil eine erfolgreiche Entziehungskur die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung zur Bewährung (§ 67c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB) oder jedenfalls günstigere Voraussetzungen für die Resozialisierung in der Sicherungsverwahrung
  53. schaffen kann.
  54. 6
  55. Einer Aufhebung der Feststellungen bedarf es nicht. Bei der voraussichtlichen Therapiedauer handelt es sich um eine ergänzende Feststellung.
  56. Sander
  57. Schneider
  58. Berger
  59. Dölp
  60. Bellay