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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. 5 StR 444/99
  4. URTEIL
  5. vom 11. Januar 2000
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. 1.
  9. 2.
  10. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
  11. nicht geringer Menge
  12. -2-
  13. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Januar 2000, an der teilgenommen haben:
  14. Vorsitzende Richterin Harms,
  15. Richter Häger,
  16. Richter Basdorf,
  17. Richterin Dr. Tepperwien,
  18. Richter Dr. Raum
  19. als beisitzende Richter,
  20. Staatsanwalt
  21. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  22. Rechtsanwältin Z
  23. als Verteidigerin des Angeklagten H
  24. Rechtsanwalt
  25. ,
  26. Sch
  27. als Verteidiger des Angeklagten O
  28. ,
  29. Justizobersekretärin
  30. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  31. -3-
  32. für Recht erkannt:
  33. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil
  34. des Landgerichts Berlin vom 15. April 1999 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
  35. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
  36. auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  37. - Von Rechts wegen -
  38. Gründe
  39. Das Landgericht hat die Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge jeweils zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die hiergegen von der Staatsanwaltschaft eingelegten
  40. – vom Generalbundesanwalt vertretenen – Revisionen haben mit der Sachrüge Erfolg.
  41. I. Nach den Feststellungen des Landgerichts haben die Angeklagten
  42. im Herbst 1997 gemeinsam den Entschluß gefaßt, durch den gewinnbringenden Verkauf von Cannabis sich das Startkapital für den Betrieb einer
  43. Holz- und Bautenschutzfirma zu verschaffen. Von Ende Oktober 1997 bis
  44. Anfang Februar 1998 erwarben sie von dem anderweitig verfolgten
  45. B
  46. insgesamt fünf bis sechs kg Cannabis mit einem Wirkstoffgehalt von 7 %
  47. THC. Das Cannabis bestand je zur Hälfte aus Haschisch und Marihuana. Die
  48. Lieferung erfolgte in dem genannten Zeitraum in mindestens 26 Teilmengen,
  49. -4-
  50. wobei sich der Lieferumfang von anfangs 50 bis 200 g pro Einheit zum Ende
  51. des Tatzeitraumes auf Einzellieferungen von 500 g bis zu 1 kg steigerte,
  52. während gleichzeitig sich der Bezugspreis für die Angeklagten verringerte.
  53. Die Angeklagten orderten jeweils Nachlieferungen, bevor der Vorrat im Keller
  54. des von ihnen gemeinsam bewohnten Hauses zur Neige ging. Das Rauschgift veräußerten die Angeklagten im Dezember 1997 und am 13. Februar 1998 unter anderem an den am 21. Februar 1980 geborenen
  55. W
  56. , ohne allerdings damit zu rechnen, daß dieser das 18. Lebensjahr
  57. noch nicht vollendet haben könnte. Am 13. Februar 1998 lieferte der anderweitig verfolgte
  58. wobei
  59. er
  60. einen
  61. Bo
  62. neun
  63. 200 g Cannabis aus dem Gesamtvorrat aus,
  64. Monate
  65. alten
  66. Pitbullterrier
  67. und
  68. eine
  69. „CO2-
  70. Luftdruckpistole“ mit sich führte. Diese sowie eine weitere gleichartige Waffe
  71. hatten die Angeklagten wenige Tage zuvor erworben.
  72. II. Das angefochtene Urteil hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
  73. 1. Das Urteil unterliegt der Aufhebung, weil das Landgericht den Verbrechenstatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG nicht ausreichend geprüft
  74. und damit seiner Kognitionspflicht nicht genügt hat.
  75. a) Das Landgericht hat offen gelassen, ob der gesondert verfolgte Bo
  76. die Luftdruckpistole auf Anweisung der Angeklagten bei der Auslieferung von 200 g Cannabis aus dem Gesamtvorrat mit sich führte. Eine mittäterschaftliche Verurteilung wegen Handeltreibens mit Waffen gemäß § 30a
  77. Abs. 2 Nr. 2 BtMG komme nach seiner Auffassung nicht in Betracht, weil die
  78. Angeklagten keine Sachherrschaft über die Waffe gehabt hätten. Eine Verurteilung der Angeklagten wegen Anstiftung würde aber nicht zu einer höheren Strafe führen. In diesem Falle wäre im Hinblick auf die dargestellten Milderungsgründe von einem minder schweren Fall auszugehen und dieselbe
  79. Strafe festzusetzen.
  80. -5-
  81. b) Diese Erwägungen sind nicht geeignet, die Prüfung einer Strafbarkeit nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG entbehrlich zu machen.
  82. aa) Grundsätzlich stellt eine funktionsfähige Luftdruckpistole – ebenso
  83. wie eine CO2-Pistole – eine Schußwaffe im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2
  84. BtMG dar (Weber, BtMG, § 30a Rdn. 114). Maßgeblich ist dabei, daß die
  85. jeweiligen Geschosse – entsprechend der gesetzlichen Definition in § 1
  86. Abs. 1 WaffG – durch einen Lauf getrieben werden (BGHSt 24, 136). Dies ist
  87. bei Luftpistolen grundsätzlich der Fall (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1974, 547
  88. hinsichtlich des wortgleichen Tatbestandsmerkmals in § 244 Abs. 1 Nr. 1
  89. StGB a.F.).
  90. bb) Zwar trifft zu, daß als Täter nur derjenige bestraft werden kann,
  91. der die Waffe gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, daß er sich ihrer
  92. jeder Zeit bedienen kann (BGHSt 42, 368). Auch wenn diese Voraussetzung
  93. bei den während der Rauschgiftauslieferung ortsabwesenden Angeklagten
  94. im vorliegenden Fall nicht gegeben ist, schließt dies eine Verurteilung wegen
  95. Anstiftung nicht aus (BGHSt 42, 368, 371). Sowohl das Rauschgift als auch
  96. die Luftdruckpistole stammten aus dem Besitz der Angeklagten. Bei dieser
  97. Sachverhaltskonstellation hätte die Prüfung nahegelegen, ob der anderweitig
  98. verfolgte Bo
  99. nicht nur Cannabis, sondern auch die Luftdruckpistole auf
  100. Veranlassung der Angeklagten an sich genommen hat.
  101. cc) Zudem läge ein Verbrechen des bewaffneten Handeltreibens mit
  102. Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG
  103. nicht nur vor, wenn bei der Auslieferung der Betäubungsmittel der Täter einen entsprechenden Gegenstand mit sich führt. Zur Tatbestandserfüllung
  104. reicht ein Mitsichführen bei jedem Teil des Handeltreibens aus, mithin auch
  105. während der Besitzausübung an dem zum Verkauf bereit gehaltenen
  106. Rauschgift (BGHSt 43, 8, 11). Hier lagerten die Angeklagten das Cannabis in
  107. dem von ihnen bewohnten Haus. Nach dem Gesamtzusammenhang liegt
  108. nahe, daß sie gleichzeitig die beiden Luftdruckpistolen dort aufbewahrten
  109. -6-
  110. und sie zudem teilweise das Rauschgift aus dem Haus heraus unmittelbar
  111. verkauften. Abhängig von den räumlichen Verhältnissen kann dies genügen,
  112. um in dieser Tatphase eine gleichzeitige Verfügbarkeit der Waffe anzunehmen (vgl. BGHSt 43, 8, 14 auch zu den Anforderungen an die subjektive
  113. Tatseite).
  114. c) Das Landgericht konnte das Vorliegen des Qualifikationstatbestandes, aus dessen Strafrahmen möglicherweise die zu verhängende Strafe
  115. hätte gebildet werden müssen, nicht dahin stehen lassen. Insoweit hat es
  116. den grundsätzlichen Vorrang des Schuldspruches vor dem Sanktionsausspruch (vgl. BGH NJW 1997, 1455) hintangestellt. Regelmäßig kann aber die
  117. Strafzumessung erst nach der Entscheidung, welcher Straftatbestand verwirklicht ist, erfolgen. Hier hat der Tatrichter zudem die mögliche Erfüllung
  118. des Qualifikationstatbestands nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG nicht erschöpfend gewürdigt (vgl. oben b, cc).
  119. 2. Hinsichtlich der von der Staatsanwaltschaft ebenfalls beanstandeten Konkurrenzfrage, deren Beurteilung („Silotheorie”) zwischen den Senaten
  120. des Bundesgerichtshofs nicht im einzelnen geklärt ist (vgl. nur BGHR BtMG
  121. § 29 – Bewertungseinheit 3 und 9 einerseits, 10 andererseits), beschränkt
  122. sich der Senat auf folgenden Hinweis: es besteht jedenfalls insoweit Einigkeit, daß allein der gleichzeitige Besitz zum Handel bestimmter Betäubungsmittelmengen aus verschiedenen Liefervorgängen nicht geeignet ist, mehrere
  123. selbständige Taten des Handeltreibens zu einer Bewertungseinheit zu verbinden (BGHR aaO 9 und 10). Insbesondere weist der Senat aber darauf hin,
  124. daß bei feststehendem Gesamtschuldumfang eine Zusammenfassung von
  125. Einzelakten zu Tateinheit oder deren tatmehrheitliche Aburteilung regelmäßig
  126. ohne Einfluß auf die für das gesamte Tatgeschehen im Ergebnis zu verhängende Sanktion zu bleiben hat (BGHR aaO 9 m.w.N.).
  127. Der neue Tatrichter wird Gelegenheit zur Prüfung haben, ob der Pitbullterrier als sonstiger Gegenstand im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG
  128. einzuordnen ist. Dies ist dann der Fall, wenn er seiner Art nach zur Verlet-
  129. -7-
  130. zung von Personen geeignet und bestimmt ist. Da es sich bei einem Pitbullterrier nicht um eine Waffe im technischen Sinne handelt, bedarf es für die
  131. Tatbestandsverwirklichung einer konkreten Zweckbestimmung durch den
  132. Täter (BGHSt 43, 266). Diese könnte dann gegeben sein, wenn der Hund
  133. speziell abgerichtet und „scharf“ gemacht worden wäre. Selbst wenn im Hinblick auf den Pitbullterrier oder die Luftdruckpistole der Tatbestand des § 30a
  134. Abs. 2 Nr. 2 BtMG erfüllt sein sollte, muß dies – insbesondere wegen des
  135. mittlerweile eingetretenen weiteren Zeitablaufes – allerdings nicht notwendig
  136. zu einer anderen Sanktion führen.
  137. Harms
  138. Häger
  139. Tepperwien
  140. Basdorf
  141. Raum