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- BUNDESGERICHTSHOF
- BESCHLUSS
- 4 StR 657/10
- vom
- 31. März 2011
- in der Strafsache
- gegen
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- wegen Bestechlichkeit u. a.
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- Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 31. März 2011 gemäß § 206a,
- § 357 Satz 1 StPO, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
- 1. Auf die Revision des Angeklagten R.
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- gegen das Urteil
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- des Landgerichts Bielefeld vom 13. Juli 2010 wird
- a) das Verfahren gegen ihn und den Angeklagten P.
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- in
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- den Fällen 1 bis 21 der Urteilsgründe eingestellt; im Umfang
- der Einstellung fallen die Verfahrenskosten und die notwendigen Auslagen der Angeklagten R.
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- und P.
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- der
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- Staatskasse zur Last;
- b) das genannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass
- der Angeklagte R.
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- der Bestechlichkeit in Tateinheit
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- mit Untreue in 54 Fällen und der Angeklagte P.
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- der
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- Bestechung in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue in 54 Fällen
- schuldig ist;
- c) das genannte Urteil im Gesamtstrafenausspruch gegen den
- Beschwerdeführer aufgehoben.
- 2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten R.
- wird als unbegründet verworfen.
- 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
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- Gründe:
- Das Landgericht hat den Angeklagten R.
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- wegen Bestechlich-
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- keit in Tateinheit mit Untreue in 75 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
- zwei Jahren und neun Monaten und den Angeklagten P.
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- wegen Beste-
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- chung in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue in 75 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der gegen den Angeklagten P.
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- verhängten Strafe hat das Landgericht zur Bewährung aus-
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- gesetzt. Die Revision des Angeklagten R.
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- , mit der er die Verletzung
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- formellen und materiellen Rechts rügt, hat den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Teilerfolg.
- Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils war der Angeklagte
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- R.
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- Leiter der Technischen Abteilung des Klinikums M.
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- , einer
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- Anstalt des Öffentlichen Rechts. Spätestens ab 1999 ließ er sich von dem Mitangeklagten P.
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- , der zwei Krankenhausservicefirmen betrieb, für die
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- Auftragserteilung 10 % des Umsatzes versprechen. P.
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- erhöhte die
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- Rechnungen der von ihm betriebenen Firmen, indem er die Anzahl der Stunden oder den Materialaufwand heraufsetzte, so dass außer dem Anteil für den
- Angeklagten R.
- R.
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- auch ein Anteil von 5 % für ihn selbst verblieb, was
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- nicht wusste. Der Angeklagte R.
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- durfte Rechnungen bis
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- 15.000 € als sachlich und rechnerisch richtig abzeichnen; die Rechnungen
- wurden dann ohne weitere Überprüfung zur Zahlung angewiesen. Auch soweit
- 15.000 € geringfügig überschritten wurden, fand eine Überprüfung der vom
- Angeklagten R.
- klagte P.
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- abgezeichneten Rechnungen nicht statt. Der Ange-
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- erstellte zwischen dem 26. Januar 2002 und dem 5. Oktober 2008
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- über 600 überhöhte Rechnungen mit einem Gesamtrechnungsbetrag von
- 2.383.444,56 €, die der Angeklagte R.
- wurden. Der Angeklagte R.
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- abzeichnete und die bezahlt
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- notierte sich die Rechnungen sowie die Zah-
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- lungen des Angeklagten P.
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- und hielt ihn zur Zahlung an, wenn 10 % des
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- Umsatzes nicht erreicht waren. Der Angeklagte R.
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- erhielt zwischen
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- dem 4. Februar 2002 und dem 25. September 2008 75 Zahlungen des Angeklagten P.
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- über insgesamt 248.929,20 €.
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- 1. Die Revision des Angeklagten R.
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- führt in den Fällen 1 bis
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- 21 der Urteilsgründe zur Einstellung des Verfahrens wegen Verjährung auch
- hinsichtlich des nicht revidierenden Mitangeklagten P.
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- und zur Aufhe-
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- bung des Gesamtstrafenausspruchs gegen den Beschwerdeführer. Im Übrigen
- ist die Revision des Angeklagten R.
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- aus den Gründen der Antrags-
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- schrift des Generalbundesanwalts vom 18. Januar 2011 unbegründet im Sinne
- des § 349 Abs. 2 StPO.
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- a) Das Landgericht hat zu Recht 75 Straftaten der Bestechlichkeit (§ 332
- Abs. 1 StGB) und der Bestechung (§ 334 Abs. 1 StGB) angenommen. Mehrere
- Vorteilsannahmen stehen untereinander grundsätzlich im Verhältnis der Tatmehrheit. Eine tatbestandliche Handlungseinheit hinsichtlich aller aus einer
- Unrechtsvereinbarung erlangten Vorteile hat der Bundesgerichtshof nur anerkannt, wenn die Annahme auf eine Unrechtsvereinbarung zurückgeht, die den
- zu leistenden Vorteil genau festlegt, mag er auch in bestimmten Teilleistungen
- zu erbringen sein (BGH, Urteile vom 18. Oktober 1995 – 3 StR 324/94, BGHSt
- 41, 292, 302; 11. Mai 2001 – 3 StR 549/00, BGHSt 47, 22, 30 und vom 20. August 2003 – 2 StR 160/03, wistra 2008, 29). Eine solche genaue Festlegung
- des Vorteils bei der Unrechtsvereinbarung ist hier nicht festgestellt. Bei ihrem
- Zustandekommen war lediglich der Prozentsatz vom Rechnungsbetrag vereinbart, den der Angeklagte R.
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- für die dem Angeklagten P.
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- künftig
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- erteilten Aufträge erhalten sollte. Das genaue Volumen der Aufträge lag noch
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- nicht fest. Dies reicht nicht aus, die späteren Zahlungsannahmen zu einer Tat
- zu verbinden.
- Rechtlich zutreffend hat das Landgericht Tateinheit zwischen der Un-
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- treue des Angeklagten R.
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- und der Bestechlichkeit bejaht. Die pflichtwid-
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- rige Abzeichnung der überhöhten Rechnungen als sachlich und rechnerisch
- richtig stellte sowohl den Missbrauch der Befugnis, über fremdes Vermögen zu
- verfügen bzw. bei den einen Betrag von 15.000 € überschreitenden Rechnungen den Treubruch gegenüber dem Klinikum M.
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- als auch die Vornah-
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- me der vereinbarten pflichtwidrigen Diensthandlung dar. Durch die Annahme
- von jeweils nur einer tateinheitlichen Untreuehandlung ist der Angeklagte
- R.
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- nicht beschwert.
- b) Nach den rechtsfehlerfrei vom Landgericht getroffenen Feststellungen
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- erhielt der Angeklagte R.
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- die Zahlungen in den Fällen 1 bis 21 bis
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- zum 25. März 2004 einschließlich. Die erste die Verjährung unterbrechende
- Handlung erfolgte am 31. März 2009 durch den Erlass von Haftbefehlen und
- Durchsuchungsbeschlüssen gegen die Angeklagten. Damit war hinsichtlich
- dieser Fälle die Verjährungsfrist gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB bereits vor den
- Unterbrechungshandlungen abgelaufen und Verfolgungsverjährung eingetreten.
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- Zugunsten der Angeklagten ist davon auszugehen, dass die Beendigung der 75 Einzeltaten der Bestechlichkeit jeweils mit der Empfangnahme der
- Zahlungen eintrat und diesen Zahlungen eine vorherige pflichtwidrige Abzeichnung überhöhter Rechnungen zugrunde lag (zur Anwendung des Zweifelssatzes auf die die Verjährung begründenden Tatsachen vgl. BGH, Urteil vom
- 15. März 2001 – 5 StR 454/00, BGHR StGB § 78a Satz 1 Betrug 3). Das Landgericht hat die über 600 pflichtwidrig abgezeichneten Rechnungen nicht den
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- einzelnen Zahlungsempfängen des Angeklagten R.
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- zugeordnet. Der
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- Senat schließt jedoch aus, dass sich noch konkrete Feststellungen dahingehend treffen lassen, dass der Angeklagte R.
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- als Gegenleistung für
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- die bis zum 25. März 2004 erhaltenen Zahlungen nach dem 1. April 2004
- Rechnungen abgezeichnet hat, so dass die Beendigung der Taten der Bestechlichkeit und der Untreue erst zu diesem Zeitpunkt in nicht verjährter Zeit
- eingetreten wäre (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 2008 – 3 StR 90/08, BGHSt 52,
- 300).
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- Für die Beendigung der 75 Taten ist jeweils auf die einzelne Tat, nicht
- auf die Entgegennahme der letzten Zahlung bzw. der Abzeichnung der letzten
- überhöhten Rechnung der Tatserie abzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 1995 – 3 StR 324/94, BGHSt 41, 292, 303). Jeweils für die einzelne konkrete Tat gilt, dass sie erst mit der vollständigen Umsetzung der Unrechtsvereinbarung (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2005 – 5 StR 119/05, NJW 2006,
- 925, 927 f.) beziehungsweise mit der vollständigen Realisierung des Schadens
- (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juli 2004 – 5 StR 412/03, BGHR StGB § 78a Satz
- 1 Untreue 3) ihren Abschluss findet, so dass es für den Verjährungsbeginn auf
- die letzte Handlung zur Erfüllung der Unrechtsvereinbarung beziehungsweise
- auf den Zeitpunkt des letzten den Schaden vertiefenden Ereignisses ankommt.
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- 2. Die Einstellung von 21 von 75 Taten hat die Aufhebung der Gesamtstrafe gegen den Beschwerdeführer zur Folge. Auch wenn die Einzelstrafen für
- die Taten des Angeklagten R.
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- milde bemessen sind, strafbares ver-
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- jährtes Vortatverhalten – wenngleich nicht in voller Schwere – strafschärfend
- berücksichtigt werden darf (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 1994 – 4 StR
- 117/94, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 24) und die Gesamtstrafe äußerst
- straff zusammen gezogen worden ist, kann der Senat letztlich nicht ausschlie-
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- ßen, dass der Tatrichter für nur 54 Fälle eine noch geringere Gesamtstrafe verhängt hätte.
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- 3. Die Einstellung des Verfahrens in den Fällen 1 bis 21 ist auf den Angeklagten P.
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- zu erstrecken. Es ist anerkannt, dass § 357 StPO auch
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- dann anzuwenden ist, wenn die Aufhebung des Urteils wegen Fehlens einer
- von Amts wegen zu beachtenden Verfahrensvoraussetzung oder des Vorliegens von Verfahrenshindernissen erfolgt (st. Rspr., vgl. BGH, Beschlüsse vom
- 23. Januar 1959 – 4 StR 428/58, BGHSt 12, 335, 340 f., vom 16. September
- 1971 – 1 StR 284/71, BGHSt 24, 208, 210 f., vom 29. November 1994 – 3 StR
- 221/94 und vom 29. Juli 1998 – 2 StR 197/98; KK-Kuckein, StPO, 6. Aufl.
- § 357 Rn. 7).
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- Der Senat hat davon abgesehen, auch beim Angeklagten P.
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- die Ge-
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- samtfreiheitsstrafe aufzuheben, da er ausschließen kann, dass eine neue Verhandlung zu einer milderen Bestrafung führen würde (vgl. BGH, Beschluss
- vom 22. Januar 2002 - 1 StR 564/01). Das Landgericht hat bei diesem Angeklagten lediglich für 19 Taten Einzelstrafen festgesetzt (UA S. 30). Durch die
- Einstellung entfallen zwar vier dieser Einzelstrafen. Bei einer Aufhebung des
- Gesamtstrafenausspruchs müssten aber Einzelstrafen für die Fälle 22 bis 24,
- 27, 28, 30 bis 37, 40 bis 53, 57 bis 63, 65, 66, 68, 69 und 72 neu festgesetzt
- werden. Das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO stünde dem
- nicht entgegen (st. Rspr., vgl. Urteile vom 22. September 1953 – 1 StR 726/52,
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- BGHSt 4, 346 und vom 26. Februar 1993 – 3 StR 207/92, BGHR StPO § 358
- Abs. 2 Satz 1 Einzelstrafe, fehlende 2.)
- Ernemann
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- Solin-Stojanović
- Franke
-
- Roggenbuck
- Bender
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