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27 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. Urteil
  4. 4 StR 430/13
  5. vom
  6. 22. Mai 2014
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHSt:
  10. nein
  11. Veröffentlichung:
  12. ja
  13. _______________________________
  14. StGB § 263 Abs. 1; StPO § 267 Abs. 1, § 261
  15. Zu den Anforderungen an die Feststellung und Darlegung des Irrtums beim Betrug im Zusammenhang mit routinemäßigen Massengeschäften (hier: Missbrauch des Einzugsermächtigungslastschriftverfahrens).
  16. BGH, Urteil vom 22. Mai 2014 - 4 StR 430/13 - LG Bielefeld
  17. in der Strafsache
  18. gegen
  19. 1.
  20. 2.
  21. 3.
  22. wegen Betrugs
  23. -2-
  24. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
  25. 24. April 2014 in der Sitzung vom 22. Mai 2014, an der teilgenommen haben:
  26. Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
  27. Sost-Scheible
  28. als Vorsitzende,
  29. Richterin am Bundesgerichtshof
  30. Roggenbuck,
  31. Richter am Bundesgerichtshof
  32. Dr. Franke,
  33. Dr. Mutzbauer,
  34. Dr. Quentin
  35. als beisitzende Richter,
  36. Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
  37. in der Verhandlung am 24. April 2014,
  38. bei der Verkündung am 22. Mai 2014
  39. als Vertreter des Generalbundesanwalts,
  40. Rechtsanwalt
  41. in der Verhandlung
  42. als Verteidiger des Angeklagten M.
  43. W.
  44. ,
  45. Rechtsanwalt
  46. in der Verhandlung
  47. als Verteidiger des Angeklagten T
  48. S.
  49. ,
  50. Rechtsanwältin
  51. in der Verhandlung
  52. als Verteidigerin der Angeklagten D.
  53. S.
  54. ,
  55. Justizangestellte
  56. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  57. für Recht erkannt:
  58. -3-
  59. 1. Auf die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des
  60. Landgerichts Bielefeld vom 12. September 2012 wird
  61. a) die Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 2 StPO mit Zustimmung des Generalbundesanwalts jeweils auf den Vorwurf des versuchten gewerbsmäßigen Bandenbetruges in
  62. 198.070 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen beschränkt,
  63. b) das Urteil in den Strafaussprüchen mit den zugehörigen
  64. Feststellungen aufgehoben.
  65. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  66. Von Rechts wegen
  67. Gründe:
  68. 1
  69. Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils des gewerbsmäßigen Bandenbetruges schuldig gesprochen. Den Angeklagten M.
  70. W.
  71. hat es
  72. zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten, den Angeklagten
  73. T.
  74. S.
  75. zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten
  76. und die Angeklagte D.
  77. S.
  78. zu einer solchen von vier Jahren verurteilt.
  79. -4-
  80. Ferner hat es eine Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO i.V.m. § 73 Abs. 1
  81. Satz 2 StGB getroffen, die sich gegen die
  82. 2
  83. AG richtet.
  84. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten jeweils mit der Rüge
  85. der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Revisionen haben den
  86. aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg.
  87. I.
  88. 3
  89. Die von allen Angeklagten erhobene Rüge der Verletzung von § 275
  90. Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 338 Nr. 7 StPO, mit der sie beanstanden, der Vorsitzende der erkennenden Strafkammer, Vorsitzender Richter am Landgericht H.
  91. , habe sich wegen seiner während des Laufs der Urteilsabsetzungsfrist in
  92. einem Parallelverfahren erfolgten Zeugenvernehmung zu Unrecht gehindert
  93. gesehen, das Urteil zu unterschreiben, weshalb es innerhalb dieser Frist nur
  94. unvollständig zu den Akten gelangt sei, ist bereits unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz
  95. 2 StPO); ob sie in der Sache Erfolg haben könnte, bedarf daher keiner Entscheidung.
  96. 4
  97. 1. Zur Begründung einer Verfahrensrüge sind die den Mangel begründenden Tatsachen gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO so vollständig und genau
  98. anzugeben, dass das Revisionsgericht allein auf Grund der Begründungsschrift
  99. prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die bezeichneten Tatsachen erwiesen werden (SSW-StPO/Momsen, § 344 Rn. 36; LR-StPO/Franke,
  100. 26. Aufl. § 344 Rn. 78, jeweils m.N. zur st. Rspr.).
  101. -5-
  102. 5
  103. 2. Gemessen daran vermag der Senat hier nicht zu prüfen, ob der Vorsitzende wegen seiner Vernehmung als Zeuge „in der Sache“ im Sinne von
  104. § 22 Nr. 5 StPO von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen war.
  105. 6
  106. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bedeutet
  107. Gleichheit der Sache gemäß § 22 Nr. 5 StPO nicht notwendig Verfahrensidentität; Sachgleichheit kann auch bei Vernehmung des Richters als Zeuge zu demselben Tatgeschehen in einem anderen Verfahren in Betracht kommen (BGH,
  108. Beschluss vom 22. Mai 2007 – 5 StR 530/06, BGHR StPO § 338 Nr. 2 Ausschluss 4, Tz. 6 mwN; vgl. auch LR-StPO/Siolek, 26. Aufl., § 22 Rn. 25; SSWStPO/Kudlich/Noltensmeier, § 22 Rn. 19). Insoweit fehlt es im Revisionsvortrag
  109. der Angeklagten T.
  110. und D.
  111. S.
  112. schon an der Mitteilung des
  113. Beweisthemas, zu dem der Strafkammervorsitzende in dem Verfahren gegen A.
  114. u.a. geladen und vernommen wurde. Aber auch dem Vortrag des Angeklagten
  115. W.
  116. kann das betreffende Beweisthema allenfalls mittelbar entnommen
  117. werden, da er das Schreiben des Präsidenten des Landgerichts Bielefeld vom
  118. 31. Oktober 2012 über die Erteilung einer Aussagegenehmigung für den Vorsitzenden Richter vorgelegt hat. Danach hatte der Angeklagte A. in der gegen ihn
  119. geführten Hauptverhandlung beantragt, den Vorsitzenden Richter am Landgericht H.
  120. dazu zu vernehmen, dass sich seine (des A.) in einer polizeili-
  121. chen Vernehmung getätigte Aussage in dem Verfahren gegen die hiesigen Angeklagten als wahr herausgestellt habe. Aber auch dieses Rügevorbringen genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht. Um dem Senat
  122. die Überprüfung der Sachgleichheit im Sinne von § 22 Nr. 5 StPO zu ermöglichen, hätte zumindest noch vorgetragen werden müssen, welchen Inhalt diese
  123. polizeiliche Aussage hatte, inwiefern sie im vorliegenden Verfahren Gegenstand
  124. der Hauptverhandlung war, was der als Zeuge benannte Vorsitzende Richter
  125. am Landgericht H.
  126. im dortigen Verfahren dazu bekundet hat und ferner,
  127. welchen Zusammenhang und welche Bedeutung dies für die gegen die Ange-
  128. -6-
  129. klagten des vorliegenden Verfahrens erhobenen Tatvorwürfe hatte (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Januar 2008 – 4 StR 507/07, StV 2008, 283, Tz. 5 f. m.
  130. Anm. Leu StV 2009, 507 zu den Voraussetzungen des § 22 Nr. 5 StPO in derartigen Fällen). Das ist hier jedoch nicht geschehen; auch aus den auf die
  131. Sachrüge heranzuziehenden Urteilsgründen ergeben sich dafür keine Anhaltspunkte.
  132. II.
  133. 7
  134. Der Senat beschränkt die Strafverfolgung mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß § 154a Abs. 2 StPO jeweils auf den Vorwurf des versuchten gewerbsmäßigen Bandenbetruges. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils in den Strafaussprüchen. Im verbleibenden Umfang hat die
  135. Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrügen keinen die
  136. Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
  137. 8
  138. 1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
  139. 9
  140. a) Die Angeklagten schlossen sich Anfang 2008 aufgrund einer zumindest stillschweigend getroffenen Vereinbarung zusammen, um spätestens ab
  141. Juli 2008 von einer Vielzahl von Personen unter Vorspiegelung eines tatsächlich nicht bestehenden Vertragsverhältnisses im Wege des Lastschriftverfahrens Geldbeträge einzuziehen. Das von den Angeklagten im arbeitsteiligen Zusammenwirken im Folgenden in die Tat umgesetzte Geschäftsmodell bestand
  142. in einer Variante darin, eine möglichst große Zahl von Personen durch entsprechend angeleitete Callcenter-Mitarbeiter anzurufen und bei diesen den Eindruck
  143. eines – tatsächlich nicht bestehenden – Vertragsverhältnisses über die Teilnahme an Gewinnspielen hervorzurufen. Auf diese Weise wollten die Angeklag-
  144. -7-
  145. ten an die Kontodaten der Angerufenen gelangen und von diesen Konten Lastschriften vornehmen, wobei sie davon ausgingen, dass die Angerufenen infolge
  146. der Annahme, es bestehe tatsächlich ein Vertragsverhältnis und die Lastschrift
  147. sei daher rechtmäßig erfolgt, den Lastschrifteinzügen nicht widersprechen würden. Bei einer weiteren Tatvariante, bei der die Kontodaten bereits bekannt und
  148. Telefonanrufe daher entbehrlich waren, sollte den Betroffenen allein durch die
  149. durchgeführte Lastschrift ein bestehendes Vertragsverhältnis vorgespiegelt
  150. werden, um diese von einem Widerspruch abzuhalten. Dabei nahmen die Angeklagten einerseits billigend in Kauf, dass die Kontoinhaber von den Lastschriftabbuchungen durch Lektüre ihrer Kontoauszüge Kenntnis erhalten, sich
  151. den Zugriff auf ihr Konto aber nicht anders erklären würden, als dass der jeweiligen Abbuchung ein wirksamer Vertrag zu Grunde lag, sei es auch nur in der
  152. Form, dass sie sich insoweit unsicher waren und/oder die Sache wegen des
  153. relativ geringen Betrages auf sich beruhen ließen. Andererseits handelten die
  154. Angeklagten auch in der Erwartung, die Betroffenen würden in zahlreichen Fällen mangels ausreichend sorgfältiger Kontrolle ihrer Kontoauszüge die Abbuchungen nicht bemerken oder einfach übersehen.
  155. 10
  156. Zur Verwirklichung des Tatplans bedienten sich die Angeklagten insbesondere der in der S.
  157. ansässigen
  158. AG, die vom Angeklagten W.
  159. vertreten wurde. Dieser schloss für die
  160. AG zahlreiche Verträge unter
  161. anderem mit Callcentern, Zahlungsdienstleistern sowie mit Banken ab, über die
  162. die Lastschrifteneinzüge erfolgen sollten und später auch tatsächlich erfolgten.
  163. Auch mit dem von der Angeklagte D.
  164. S.
  165. betriebenen Callcenter
  166. GmbH & Co KG, bei dem der Angeklagte T.
  167. S.
  168. angestellt war, schloss der Angeklagte W.
  169. sog. Vertriebs-
  170. partnerverträge ab. Insgesamt waren für die Angeklagten im Tatzeitraum mindestens 66 Callcenter mit etwa 400 bis 600 Mitarbeitern in der sog. Gewinn-
  171. -8-
  172. spielvermittlung tätig. Die Callcenter erhielten für jeden Fall, in dem sie die Kontodaten erlangten, einen Betrag in Höhe von 45 bis 60 Euro.
  173. 11
  174. Die zur Erschwerung von Nachforschungen meist unter falschen Namen
  175. handelnden Mitarbeiter der Callcenter gaben bei ihren Anrufen (1. Tatvariante)
  176. entsprechend den Vorgaben eines ihnen auf Veranlassung der Angeklagten
  177. ausgehändigten sog. Negativleitfadens für die Gesprächsführung vor, sie hätten
  178. die Möglichkeit, einen vermeintlich bestehenden Gewinnspielvertrag entweder
  179. unbefristet weiterlaufen zu lassen oder ihn zum Ablauf von drei Monaten zu beenden, wobei für die letzten drei Monate, sollten Gewinne ausbleiben, eine
  180. „Geld-zurück-Garantie“ bestehe. Tatsächlich war die Übernahme einer solchen
  181. Garantie zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt; in keinem Fall wurden zuvor abgebuchte Geldbeträge zurückerstattet. Der durch den Leitfaden im Einzelnen vorgegebene Erstanruf diente dazu, die Angerufenen jeweils zur Kündigung eines
  182. in Wirklichkeit nicht bestehenden Vertrages und – abwicklungshalber – zur Herausgabe ihrer Kontodaten zu veranlassen. Widersprachen die angerufenen
  183. Personen – wie in der weit überwiegenden Zahl der Fälle – der Behauptung an
  184. einem derartigen Gewinnspiel teilgenommen zu haben, bemühten sich die von
  185. den Angeklagten angewiesenen Callcenter-Mitarbeiter dies – wahrheitswidrig –
  186. zu widerlegen und behaupteten beispielsweise, auf die Kontodaten aus Datenschutzgründen keinen Zugriff zu haben, sie aber nun zu benötigen, etwa um
  187. den Betroffenen aus dem Vertrag „herauszuhelfen“.
  188. 12
  189. Im Anschluss an den Erstanruf erfolgte sodann ein Zweitanruf (sog. Quality Call), der zum Teil elektronisch aufgezeichnet wurde und dazu diente, mittels geschickter Gesprächsführung von den Betroffenen eine telefonisch erteilte
  190. Einzugsermächtigung zu erhalten, um die Betroffenen selbst, aber auch die beteiligten Banken oder im Fall von Nachforschungen die Strafverfolgungsbehörden über den auf diesem Weg dokumentierten angeblichen Vertragsschluss zu
  191. -9-
  192. täuschen. Im Anschluss daran erhielten die Angerufenen – auch diejenigen, die
  193. den vermeintlichen Vertrag gekündigt hatten – von der
  194. der
  195. GmbH, die von
  196. AG mit der „technischen Abwicklung“ beauftragt worden war, sog. Be-
  197. grüßungsschreiben, in denen behauptet wurde, die Empfänger hätten „die
  198. Chance, bei 200 Internet-Gewinnspielen monatlich eingetragen zu werden“;
  199. diese Leistung sei „ebenfalls in Ihrem Servicebetrag … enthalten, den wir wie
  200. besprochen jeden Monat im voraus automatisch von Ihrem Konto… abbuchen“.
  201. Tatsächlich war ab dem Jahr 2008 - wie die Angeklagten wussten – eine Eintragung in 200 Gewinnspiele monatlich je Kunde nicht mehr möglich, sondern
  202. erfolgte „in einem deutlich geringeren Umfang“.
  203. 13
  204. Der Einzug der vermeintlichen Forderungsbeträge in Höhe von jeweils
  205. zwischen 55 und 79,80 Euro erfolgte im Tatzeitraum vom 9. März 2009 bis zum
  206. 22. Januar 2010 mittels Einzugsermächtigungslastschriftverfahren. Die auf dem
  207. jeweiligen Kontoauszug der Betroffenen wiedergegebene Belastungsbuchung
  208. enthielt den Namen des Zahlungsdienstleisters, den Namen des „Produkts“,
  209. den abgebuchten Betrag sowie eine zwölfstellige ID-Nummer. Es wurden bei
  210. insgesamt 136.890 Betroffenen (teilweise mehrfach) Beträge im Lastschriftverfahren eingezogen, die im angefochtenen Urteil auf 4.885 Seiten im Einzelnen
  211. in Tabellenform aufgeführt sind. In 198.070 Fällen wurde die Lastschrift nicht
  212. zurückgegeben, so dass das Geld bei den Angeklagten verblieb. Dagegen erfolgte in 129.708 Fällen eine Rückgabe der Lastschriften. Die Angeklagten erzielten durch ihr Vorgehen einen Gewinn „im deutlich siebenstelligen Bereich“.
  213. 14
  214. b) Zur Beweiswürdigung hat das Landgericht lediglich mitgeteilt, dass die
  215. Angeklagten im Rahmen einer nach § 257c StPO durchgeführten Verständigung den Anklagevorwurf gestanden und weitere Fragen der Kammer glaubhaft, ausführlich und nachvollziehbar beantwortet hätten. Von der Richtigkeit
  216. der geständigen Einlassungen sei die Strafkammer überzeugt, da sie „mit dem
  217. - 10 -
  218. Ermittlungsergebnis sowie auch mit dem übrigen Ergebnis der nach Maßgabe
  219. des Hauptverhandlungsprotokolls durchgeführten umfassenden Beweisaufnahme im Einklang“ stünden. Weitere Ausführungen hierzu enthält das Urteil
  220. nicht.
  221. 15
  222. 2. Die Verurteilung der Angeklagten wegen vollendeten gewerbsmäßigen
  223. Bandenbetruges begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil offen
  224. bleibt, auf welche Weise sich die Strafkammer auch unter Berücksichtigung der
  225. umfassenden Geständnisse der Angeklagten die Überzeugung verschafft hat,
  226. die Betroffenen hätten die Lastschriften in den 198.070 festgestellten Fällen
  227. hingenommen, weil sie sich über das Bestehen einer Zahlungspflicht im Irrtum
  228. befanden.
  229. 16
  230. a) In welchem Umfang der Tatrichter seine Überzeugungsbildung in den
  231. Urteilsgründen mitzuteilen hat, hängt von den Gegebenheiten des jeweiligen
  232. Falles ab. Zwar sind, wenn sich die Angeklagten – wie hier – auf der Grundlage
  233. einer Absprache geständig einlassen, an die Überprüfung dieser Einlassungen
  234. und deren Darlegung im Urteil regelmäßig keine strengeren Anforderungen zu
  235. stellen als bei einem in herkömmlicher Verfahrensweise abgegebenen Geständnis (BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 u.a., NJW 2013,
  236. 1058, 1063, Tz. 71; BGH, Beschluss vom 25. Juni 2013 – 1 StR 163/13); es gibt
  237. auch keine forensische Erfahrung dahin, dass bei einem Geständnis im Rahmen einer Verständigung regelmäßig mit einer wahrheitswidrigen Selbstbelastung zu rechnen ist (BGH, Beschluss vom 23. Mai 2012 – 1 StR 208/12, NStZ
  238. 2012, 584). Aber auch in einem solchen Fall müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Würdigung der Beweise auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsichtigen Tatsachengrundlage beruht, die dem Revisionsgericht
  239. eine Überprüfung nach den Maßstäben rationaler Argumentation ermöglicht (st.
  240. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 24. November 1992 – 5 StR 456/92, BGHR
  241. - 11 -
  242. StPO § 261 Vermutung 11; Beschluss vom 15. September 1999 – 2 StR
  243. 373/99, BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 34; Beschluss vom 31. Januar 2012 – 3 StR 285/11, StV 2012, 653, Tz. 4, Beschluss vom 25. September
  244. 2012 – 5 StR 372/12, NStZ-RR 2012, 361; vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl.
  245. § 261 Rn. 2a).
  246. 17
  247. Da der Betrugstatbestand voraussetzt, dass die Vermögensverfügung
  248. durch den Irrtum des Getäuschten veranlasst worden ist, und das gänzliche
  249. Fehlen einer Vorstellung für sich allein keinen tatbestandsmäßigen Irrtum begründen kann, muss der Tatrichter insbesondere mitteilen, wie er sich die Überzeugung davon verschafft hat, dass der Verfügende einem Irrtum erlegen ist
  250. (BGH, Urteile vom 5. Dezember 2002 – 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198, 1199 f;
  251. vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215, Tz. 8; zu den Darlegungsanforderungen bei einem „uneigentlichen Organisationsdelikt“ vgl. BGH,
  252. Beschluss vom 31. Januar 2012 aaO, Tz. 6; Beschluss vom 29. Juli 2009
  253. – 2 StR 160/09, BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 15; Beschluss vom 2. November 2007 – 2 StR 384/07, NStZ 2008, 89, Tz. 5). In einfach gelagerten Fällen mag sich dies von selbst verstehen. Im Bereich gleichförmiger, massenhafter oder routinemäßiger Geschäfte, die von selbstverständlichen Erwartungen geprägt sind, kann der Tatrichter befugt sein, auf die täuschungsbedingte Fehlvorstellung auf der Grundlage eines „sachgedanklichen
  254. Mitbewusstseins“ indiziell zu schließen, wobei er dies im Urteil darzulegen hat.
  255. Ist das Vorstellungsbild des Verfügenden normativ geprägt, kann bei einem
  256. Tatvorwurf, dem zahlreiche Einzelfälle zu Grunde liegen, die Vernehmung weniger Zeugen ausreichen; wenn deren Angaben das Vorliegen eines Irrtums (in
  257. den sie betreffenden Fällen) belegen, kann auf die Erregung eines Irrtums auch
  258. bei anderen Verfügenden geschlossen werden (BGH, Urteil vom 22. November
  259. 2013 – 3 StR 162/13; Beschluss vom 6. Februar 2013 – 1 StR 263/12, NJW
  260. 2013, 1545, 1546; Beschluss vom 17. Juli 2009 – 5 StR 394/08, Tz. 15, inso-
  261. - 12 -
  262. weit in BGHSt 54, 44 nicht abgedruckt). In komplexeren Fällen wird es regelmäßig erforderlich sein, die betreffenden Personen über ihr tatrelevantes Vorstellungsbild als Zeugen zu vernehmen sowie deren Bekundungen im Urteil
  263. mitzuteilen und zu würdigen (BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 1 StR
  264. 263/12, NJW 2013, 1545, Tz. 15, Urteil vom 22. November 2013 – 3 StR
  265. 162/13, NStZ 2014, 215, Tz. 8 f.).
  266. 18
  267. b) Gemessen daran vermögen – jedenfalls im vorliegenden Fall – weder
  268. der Hinweis auf das „Ermittlungsergebnis“ noch die ebenfalls nicht näher belegte Bezugnahme auf die „umfassende Beweisaufnahme“ und die „umfassende
  269. geständige Einlassung der Angeklagten“ eine Irrtumserregung bei den von den
  270. Lastschrifteinzügen betroffenen Bankkunden zu belegen.
  271. 19
  272. aa) Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, dass die Strafkammer
  273. Geschädigte als Zeugen vernommen hat oder dass deren Angaben auf andere
  274. Weise in die Hauptverhandlung eingeführt worden sind.
  275. 20
  276. bb) Die Annahme eines täuschungsbedingten Irrtums und einer dadurch
  277. kausal hervorgerufenen Vermögensverfügung versteht sich hier auch nicht von
  278. selbst. Denn nach den Feststellungen der Strafkammer wurde bei den Betroffenen im Rahmen der Telefonanrufe durch die Callcenter-Mitarbeiter der Eindruck
  279. erweckt, sie hätten die Möglichkeit, einen bestehenden Vertrag entweder unbefristet weiterlaufen zu lassen oder ihn zum Ablauf von drei Monaten zu beenden. In der „weit überwiegenden Anzahl“ der Fälle hatten die Betroffenen jedoch der Behauptung widersprochen, sie hätten einen derartigen Vertrag abgeschlossen. Danach liegt es – auch soweit dem Bestehen eines Vertragsverhältnisses nicht ausdrücklich widersprochen wurde – nicht auf der Hand, dass die
  280. Betroffenen die Rückforderung der abgebuchten Beträge gerade aufgrund der
  281. irrtümlichen Annahme unterließen, sie seien aufgrund eines bestehenden Ver-
  282. - 13 -
  283. tragsverhältnisses verpflichtet, die Abbuchung dieser Beträge (dauerhaft) als
  284. rechtmäßig zu dulden.
  285. 21
  286. Was die Fälle betrifft, in denen die Täter bereits über die Bankdaten verfügten und Anrufe bei den jeweiligen Kontoinhabern daher entbehrlich waren,
  287. vermögen die Urteilsgründe ebenfalls nicht hinreichend zu vermitteln, auf welcher Grundlage sich das Landgericht die Überzeugung gebildet hat, die Bankkunden hätten sich gegen die Lastschriften nicht zur Wehr gesetzt, weil ihnen
  288. das Bestehen eines Vertragsverhältnisses oder die Erteilung einer Einzugsermächtigung vorgespiegelt wurde. Diese Annahme ist schon mit der von der
  289. Strafkammer festgestellten, ausweislich der Urteilsgründe aber nicht näher
  290. überprüften Erwartung der Angeklagten unvereinbar, die Kontoinhaber würden
  291. die Lastschriften gar nicht bemerken, möglicherweise also noch nicht einmal
  292. einer täuschungsbedingten Fehlvorstellung im Sinne eines sog. sachgedanklichen Mitbewusstseins unterliegen.
  293. 22
  294. 3. Der Senat nimmt deshalb gemäß § 154a Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1
  295. StPO mit Zustimmung des Generalbundesanwalts die aus der Urteilsformel ersichtliche Beschränkung vor.
  296. 23
  297. a) Die Feststellungen und die im Urteil mitgeteilte Beweiswürdigung belegen für beide Tatvarianten insbesondere, dass die Angeklagten nach ihrer
  298. Vorstellung als Mittäter im Wege eines uneigentlichen Organisationsdelikts Betrugshandlungen im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB in 198.070 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen zum Nachteil der Kontoinhaber begehen wollten und
  299. hierzu auch unmittelbar angesetzt haben (§ 22 StGB).
  300. - 14 -
  301. 24
  302. aa) In den sog. Anruffällen ging es den Angeklagten darum, bei den Telefonanrufen und durch die Übersendung der Begrüßungsschreiben den Empfängern das Bestehen eines Vertragsverhältnisses vorzuspiegeln, um sie auf
  303. diese Weise zu veranlassen, auf einen Widerspruch gegen die spätere Abbuchung zu verzichten. Hierin liegt ein versuchter Betrug (vgl. BGH, Urteil vom
  304. 22. Januar 2014 – 5 StR 468/12, Tz. 17).
  305. 25
  306. bb) Aber auch in den Fällen, in denen die Lastschrifteinzüge ohne vorherige telefonische Kontaktaufnahme erfolgten und die Übersendung von Begrüßungsschreiben unterblieb, ein direkter Kundenkontakt also nicht stattfand, war
  307. der Tatplan der Angeklagten auf die Begehung eines Betruges gerichtet.
  308. 26
  309. (1) Den Angeklagten war bewusst, dass die betroffenen Kunden von ihrer jeweiligen Bank einen Kontoauszug erhalten würden, in dem die von ihnen
  310. veranlasste Abbuchung ausgewiesen war. Nach den Feststellungen des Landgerichts enthielt die jeweilige Kontoinformation auf dem Auszug nicht nur den
  311. Namen des Zahlungsdienstleisters, den abgebuchten Betrag und eine sog. IDNummer, sondern auch einen Produktnamen. Dabei entsprach es der Vorstellung der Angeklagten, dass den betroffenen Bankkunden unter Berücksichtigung des insoweit maßgeblichen Empfängerhorizonts im Hinblick auf die Mitteilung einer derartigen Produktbezeichnung ein wirksames Kausalgeschäft vorgespiegelt werden sollte.
  312. 27
  313. (2) Der Ablauf des im Wesentlichen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen geregelten Einzugsermächtigungslastschriftverfahrens (vgl. Nr. 9 AGBBanken i.d. bis zum 30. Oktober 2009 gültigen Fassung sowie die Sonderbedingungen für den Lastschriftverkehr im Einzugsermächtigungsverfahren i.d.F.
  314. v. Oktober 2009 und die Bedingungen für den Lastschrifteinzug vom November
  315. 2009), dessen sich die Angeklagten hier zur Tatausführung bedienten, bestätigt
  316. - 15 -
  317. diese rechtliche Beurteilung. Dieses Verfahren wird durch die Übermittlung eines vom Zahlungsempfänger – hier also von den Angeklagten – mit den erforderlichen Informationen versehenen Lastschriftdatensatzes – regelmäßig in
  318. elektronischer Form – über dessen Bank an das Geldinstitut des Schuldners
  319. ohne dessen Einschaltung in Gang gesetzt. Dessen Institut belastet seinerseits
  320. ohne eigene Sachprüfung das Konto des Kunden mit dem genannten Betrag
  321. (vgl. Nr. 2.1.2 sowie 2.3.1 der Sonderbedingungen; vgl. dazu BGH, Urteil vom
  322. 24. Juni 1985 – II ZR 277/84, BGHZ 95, 103, 106). Der zahlungspflichtige
  323. Bankkunde erhält sodann von seiner Zahlstelle entsprechend dem vom Zahlungsempfänger an dessen Bank übermittelten Lastschriftdatensatz eine Mitteilung über die erfolgte Belastung auf seinem Kontoauszug (Lastschriftabkommen Abschnitt 1 Nr. 7 Abs. 1). Da dieses Verfahren den Zahlungsempfänger in
  324. die Lage versetzt, von sich aus ohne Mitwirkung des Zahlungspflichtigen den
  325. Zeitpunkt des Zahlungsflusses zu bestimmen (BGH, Urteil vom 29. Mai 2008 –
  326. IX ZR 42/07, ZIP 2008, 1241, Tz. 15), und der Schuldner auf die (nachträgliche)
  327. Verweigerung der Genehmigung verwiesen wird (Nr. 2.4 der Sonderbedingungen), muss der Zahlungsempfänger, um Forderungen einzuziehen, gegenüber
  328. seiner Bank versichern, dass ihm eine schriftliche Ermächtigung des Zahlungspflichtigen vorliegt (vgl. dazu Lastschriftabkommen Abschnitt I Nr. 3; Einzelheiten bei Ellenberger in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch,
  329. 4. Aufl., § 58 Rn. 11). Auch diese Erklärung über das Vorliegen einer Einzugsermächtigung gibt die Gläubigerbank über die Schuldnerbank als Boten an den
  330. vermeintlichen Schuldner weiter.
  331. 28
  332. (3) Danach war der Tatplan der Angeklagten darauf gerichtet, die betroffenen Bankkunden sowohl über das Bestehen eines Vertragsverhältnisses
  333. als auch über die Berechtigung zur Vornahme des Lastschrifteinzugs zu täuschen. Dies geschah mit dem Ziel, die Bankkunden bis zum endgültigen Eintritt
  334. der Genehmigungswirkung von der Geltendmachung von Einwendungen ge-
  335. - 16 -
  336. genüber der kontoführenden Bank und damit von der Möglichkeit der Rückbuchung der vereinnahmten Geldbeträge abzuhalten.
  337. 29
  338. (4) Die Angeklagten haben auch unmittelbar im Sinne des § 22 StGB zur
  339. Begehung dieser Tat angesetzt. Indem sie den Lastschrifteinzug bei ihrer Bank
  340. einreichten und damit das Einzugsermächtigungslastschriftverfahren in Gang
  341. setzten, gaben sie das Geschehen aus der Hand (vgl. Senatsurteil vom 26. Januar 1982 – 4 StR 631/81, BGHSt 30, 363, 365; vgl. auch SSW-StGB/
  342. Kudlich/Schuhr, 2. Aufl., § 22 Rn. 40).
  343. 30
  344. b) Auch die Voraussetzungen für eine Beschränkung der Strafverfolgung
  345. gemäß § 154a Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StPO liegen vor (vgl. BGH, Beschluss
  346. vom 22. Januar 2013 – 1 StR 416/12, BGHSt 58, 119, Tz. 13, 51, m. abl. Anm.
  347. Heghmanns ZJS 2013, 423; i.E. ebenso schon BGH, Beschluss vom 12. September 1990 – 3 StR 277/90, HFR 1991, 496). Schon im Hinblick auf die Vielzahl der Fälle und die Komplexität des Tatgeschehens würde die weitere Aufklärung mit dem Ziel der Feststellung eines vollendeten Delikts einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten.
  348. III.
  349. 31
  350. Die Beschränkung der Strafverfolgung führt zu der aus der Urteilsformel
  351. ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs für alle drei Angeklagten. § 265
  352. StPO steht nicht entgegen, da ausgeschlossen werden kann, dass sich die umfassend geständigen Angeklagten anders als geschehen verteidigt hätten.
  353. 32
  354. Die Strafaussprüche können jedoch nicht bestehen bleiben, da die Möglichkeit besteht, dass die Strafen auf der Grundlage des geänderten Schuldspruchs dem gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen
  355. entnommen worden wären. Über diese Frage wird der zu neuer Verhandlung
  356. - 17 -
  357. und Entscheidung berufene Tatrichter nunmehr auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeiten und der Tatumstände unter besonderer Berücksichtigung der versuchsbezogenen Gesichtspunkte, insbesondere
  358. der Vollendungsnähe, zu entscheiden haben (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 1 StR 263/12, NJW 2013, 1545, Tz. 21).
  359. IV.
  360. 33
  361. Ob die vom Landgericht gemäß § 111i Abs. 2 StPO i.V.m. § 73 Abs. 1
  362. Satz 2 StGB getroffene Entscheidung in der Sache durchgreifenden rechtlichen
  363. Bedenken begegnet, hat der Senat nicht zu entscheiden. Die Angeklagten sind
  364. von dieser Entscheidung weder betroffen noch durch sie beschwert.
  365. Sost-Scheible
  366. Roggenbuck
  367. Mutzbauer
  368. Franke
  369. Quentin