|
|
- BUNDESGERICHTSHOF
- IM NAMEN DES VOLKES
- Urteil
- 4 StR 402/10
- vom
- 28. Oktober 2010
- in der Strafsache
- gegen
-
- wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung u.a.
-
- Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Oktober
- 2010, an der teilgenommen haben:
-
- -2-
-
- Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
- Dr. Ernemann,
- Richterin am Bundesgerichtshof
- Solin-Stojanovic,
- Richter am Bundesgerichtshof
- Cierniak,
- Dr. Franke,
- Dr. Mutzbauer
- als beisitzende Richter,
- Staatsanwältin
- als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
- Rechtsanwalt
- als Verteidiger,
- Justizangestellte
- als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
-
- für Recht erkannt:
-
- -3-
-
- Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Münster vom 12. Februar 2010 wird verworfen.
- Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
- Von Rechts wegen
-
- Gründe:
-
- 1
-
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und
- ferner ausgesprochen, dass von der Freiheitsstrafe drei Monate als verbüßt
- gelten. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der nicht näher
- ausgeführten Sachrüge. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
-
- I.
-
- 2
-
- Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Geschädigte wegen
- eines längere Zeit zurückliegenden Besuchs in einer vom Angeklagten betriebenen Bar Zechschulden in Höhe von etwa 570 €. Nachdem er in den frühen
- Morgenstunden des 29. Februar 2008 erneut die Bar des Angeklagten aufgesucht und im weiteren Verlauf erklärt hatte, die während dieses Besuchs aufgelaufene Getränkerechnung in Höhe von 100 € ebenfalls nicht bezahlen zu können, entschloss sich der in der Bar anwesende Angeklagte, ihn nicht gehen zu
- lassen, ohne ihm zuvor Geld und Wertsachen abgenommen zu haben. In Ausführung dieses Entschlusses bedrohte er ihn mit einer Pistole und schlug ihn
- sodann mit der Waffe mehrfach wuchtig auf den Kopf und ins Gesicht. Der Ge-
-
- -4-
-
- schädigte erlitt dadurch u.a. Frakturen der linken Augen- und Kieferhöhle. Daraufhin befahl der Angeklagte dem Geschädigten in Anwesenheit des nicht revidierenden Mitangeklagten G.
-
- , ihm sein ganzes Geld sowie andere, mögli-
-
- cherweise vorhandene Wertgegenstände ohne Rücksicht darauf, wem sie gehörten, unverzüglich auszuhändigen. Wie vom Angeklagten vorausgesehen,
- kam der Geschädigte diesem Verlangen unter dem Eindruck der zuvor erlittenen Misshandlungen ohne Zögern nach und legte u.a. 30 € Bargeld sowie die
- EC-Karte seiner Freundin K.
-
- samt Zettel mit zugehöriger PIN auf den
-
- Tisch. Die EC-Karte mit dem Zettel hatte er vor Verlassen der Wohnung ohne
- Wissen und Erlaubnis seiner Freundin mitgenommen, um Geld von ihrem Girokonto abheben und damit die für den Abend geplanten Gaststätten- und Barbesuche finanzieren zu können. Mangels Kontodeckung war dieses Vorhaben jedoch fehlgeschlagen. Trotz Hinweises des Geschädigten darauf, dass die Berechtigte der EC-Karte seine Freundin sei, ging der Angeklagte davon aus, dass
- dieser die Karte samt Zettel mit PIN einem Dritten gestohlen hatte, was er auch
- äußerte. Er vermutete weitere versteckte Wertgegenstände oder gestohlene
- EC-Karten in der Kleidung des Geschädigten und durchsuchte diese mit dem
- Mitangeklagten G.
-
- , allerdings ohne Erfolg. Sodann beauftragte er G.
-
- , an
-
- einem Geldautomat mit der EC-Karte eine Abhebung vorzunehmen, was jedoch
- wegen der fehlenden Kontodeckung nicht gelang. Der Angeklagte, dem bewusst war, dass er keine Berechtigung zur Geldabhebung von dem fremden
- Konto hatte, ließ den Geschädigten nach Rückkehr des Mitangeklagten G.
- gehen, behielt aber die EC-Karte mit der auf dem Zettel vermerkten PIN für
- sich, um später nochmals eine Geldabhebung zu versuchen.
-
- -5-
-
- II.
-
- 3
-
- Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge hat
- einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben.
-
- 4
-
- Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch.
- Dies gilt auch, soweit das Landgericht angenommen hat, der Angeklagte habe
- sich wegen versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit versuchter schwerer
- räuberischer Erpressung strafbar gemacht. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts fehlt es weder an der Absicht der rechtswidrigen Zueignung
- noch an der der unrechtmäßigen Bereicherung.
-
- 5
-
- 1. Bei der Erpressung ist die Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils normatives Tatbestandsmerkmal, auf das sich der zumindest bedingte Vorsatz des Täters erstrecken muss (Senatsbeschluss vom 17. Juni
- 1999 – 4 StR 12/99, StV 2000, 79). Der Täter will sich dann zu Unrecht bereichern, wenn er einen Vermögensvorteil erstrebt, auf den er keinen rechtlich begründeten Anspruch hat (BGH, Beschluss vom 21. Dezember 1998 – 3 StR
- 434/98). Allein der Umstand, dass ein fälliger Anspruch mit Nötigungsmitteln
- durchgesetzt werden soll, macht den begehrten Vorteil nicht rechtswidrig
- (BGHSt 20, 136, 137). Entsprechendes gilt für das Tatbestandsmerkmal der
- Rechtswidrigkeit der Zueignung beim Tatbestand des Raubes im Sinne des
- § 249 StGB (BGH, Beschluss vom 15. Mai 2001 – 3 StR 153/01).
-
- 6
-
- 2. a) Gemessen daran ist die Würdigung des Landgerichts, der Angeklagte habe sich zu Unrecht bereichern wollen, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
-
- -6-
-
- 7
-
- Zwar hatte der Angeklagte gegenüber dem Geschädigten nach den
- Feststellungen zwei fällige und einredefreie Forderungen in Höhe von insgesamt etwa 670 € aus Zechschulden. Auch blieb der vom Angeklagten unter
- dem Druck der Misshandlungen herausgegebene Geldbetrag mit 30 € deutlich
- unter der im Ergebnis berechtigten Gesamtforderung. Die Strafkammer hat jedoch ferner festgestellt, dass sich der Angeklagte von dem Geschädigten die
- EC-Karte sowie die auf einem Zettel vermerkte PIN der Zeugin K.
- aushändigen ließ, um sie zur Abhebung von Geldbeträgen in nicht näher festgestellter Höhe einzusetzen, und dabei in der Vorstellung handelte, der Geschädigte habe diese Karte einer unbekannten Berechtigten zuvor entwendet.
- Damit ist die Absicht rechtswidriger Bereicherung hinreichend dargetan, da der
- Angeklagte, wie das Landgericht weiter ausgeführt hat, sich darüber im Klaren
- war, dass er keine Berechtigung hatte, sich durch Abhebung von einem nicht
- dem Angeklagten gehörenden Konto im Hinblick auf seine Forderungen gegen
- diesen schadlos zu halten.
-
- 8
-
- b) Auch die subjektive Seite des Raubtatbestandes ist ausreichend belegt. Der Angeklagte hatte die erforderliche Absicht der rechtswidrigen Zueignung. Das Landgericht hat insoweit festgestellt, dass der Angeklagte, der nicht
- glaubte, dass der Geschädigte seine Taschen vollständig entleert hatte, unter
- Mitwirkung des Mitangeklagten G.
-
- dessen Kleidung – im Ergebnis ohne
-
- Erfolg – nach weiteren, möglicherweise versteckten Wertgegenständen und
- anderen EC-Karten durchsuchte, um sich diese zur Verwertung ohne Rücksicht
- darauf zuzueignen, in wessen Eigentum sie standen. Dabei ging der Angeklagten insbesondere davon aus, dass die weiteren EC-Karten, nach denen er
- suchte, vom Geschädigten den jeweils Berechtigten zuvor entwendet worden
- waren.
-
- -7-
-
- 9
-
- 3. Auch die Annahme von Tateinheit zwischen dem Tatbestand des versuchten Raubes und dem der versuchten schweren räuberischen Erpressung
- lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Es trifft zwar zu, dass für die Abgrenzung des Raubes von der räuberischen Erpressung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allein das äußere Erscheinungsbild des
- vermögensschädigenden Verhaltens des Verletzten maßgeblich ist (vgl. nur
- BGHSt 7, 252, 254; BGH, Beschluss vom 19. Januar 1999 - 4 StR 663/98,
- BGHR StGB § 255 Konkurrenzen 4 m.w.N.) und der Tatbestand des (versuchten) Raubes hinter dem der vollendeten räuberischen Erpressung zurücktreten
- kann, wenn die erzwungene Herausgabe der verlangten Sache und nicht die
- Duldung ihrer Wegnahme das Tatbild prägt (so Senatsbeschluss vom 21. Oktober 1997 – 4 StR 464/97). Das Landgericht hat indes im vorliegenden Fall ein –
- rechtsfehlerfrei als Tateinheit bewertetes – zweiaktiges Geschehen festgestellt,
- bei dem der Geschädigte zunächst unter dem Eindruck von erheblichen Misshandlungen verlangte Sachen herausgab und im Anschluss (zusätzlich)
-
- -8-
-
- die – erfolglose – Durchsuchung seiner Kleidung nach weiteren Wertgegenständen durch den Angeklagten und den Mittäter G.
-
- Ernemann
-
- dulden musste.
-
- Solin-Stojanović
-
- Franke
-
- Cierniak
-
- Mutzbauer
-
|