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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 4 StR 102/17
  4. vom
  5. 5. Juli 2017
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen gefährlicher Körperverletzung
  9. ECLI:DE:BGH:2017:050717B4STR102.17.0
  10. -2-
  11. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 5. Juli 2017 gemäß
  12. § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
  13. 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 14. Dezember 2016 im Rechtsfolgenausspruch dahin geändert, dass
  14. a) die Freiheitsstrafe für die gefährliche Körperverletzung
  15. auf zwei Jahre und zehn Monate herabgesetzt und
  16. b) der Angeklagte unter Einbeziehung der Strafe aus dem
  17. Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 12. November 2015 zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren
  18. und elf Monaten verurteilt wird.
  19. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
  20. 3. Der Angeklagte trägt die Kosten des Rechtsmittels.
  21. Gründe:
  22. 1
  23. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der Geldstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts
  24. Gelsenkirchen vom 12. November 2015 und dem Strafbefehl des Amtsgerichts
  25. Essen vom 30. Juni 2016 zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und
  26. zwei Monaten verurteilt und die im Strafbefehl des Amtsgerichts Essen ange-
  27. -3-
  28. ordnete Sperrfrist aufrechterhalten. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der
  29. Verletzung materiellen Rechts sowie eine Verfahrensbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel
  30. ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349
  31. Abs. 2 StPO.
  32. 2
  33. 1. Der Gesamtstrafenausspruch des angefochtenen Urteils begegnet insoweit durchgreifenden rechtlichen Bedenken, als die Strafkammer auch die
  34. beiden Einzelstrafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Essen vom 30. Juni
  35. 2016 nach Auflösung der dortigen Gesamtgeldstrafe in die nach § 55 Abs. 1
  36. StGB gebildete nachträgliche Gesamtstrafe einbezogen hat.
  37. 3
  38. Die vom Landgericht neu abgeurteilte gefährliche Körperverletzung beging der Angeklagte am 18. März 2015, mithin vor den jeweils noch nicht erledigten Ahndungen durch das Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom
  39. 12. November 2015 und den Strafbefehl des Amtsgerichts Essen vom 30. Juni
  40. 2016. Da die dem Strafbefehl des Amtsgerichts Essen vom 30. Juni 2016 zugrundeliegenden Taten vom Angeklagten am 22. Mai 2016 und damit zeitlich
  41. nach der hinsichtlich des Urteils des Amtsgerichts Gelsenkirchen am 28. April
  42. 2016 ergangenen Berufungsentscheidung verübt wurden, sind die beiden Verurteilungen untereinander nicht gesamtstrafenfähig. Ist eine neu abgeurteilte
  43. Tat zeitlich vor mehreren unerledigten Verurteilungen begangen worden, die
  44. untereinander nicht auf eine Gesamtstrafe zurückgeführt werden können, ist
  45. eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung nach § 55 Abs. 1 StGB nur mit
  46. den Strafen aus der zeitlich ersten Verurteilung möglich (st. Rspr.; vgl. nur
  47. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1983 – 1 StR 148/83, BGHSt 32, 190, 193;
  48. Rissing-van Saan in LK-StGB, 12. Aufl., § 55 Rn. 15). Das Landgericht hätte
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  50. daher lediglich mit der Geldstrafe von 50 Tagessätzen aus dem Urteil des
  51. Amtsgerichts Gelsenkirchen eine nachträgliche Gesamtstrafe bilden dürfen.
  52. 4
  53. 2. Die Festsetzung der neu zu bildenden Gesamtstrafe kann der Senat in
  54. entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst vornehmen.
  55. 5
  56. Das bei alleiniger Revision des Angeklagten zu beachtende verfahrensrechtliche Verbot der reformatio in peius aus § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO hat im
  57. Falle einer fehlerhaften nachträglichen Gesamtstrafenbildung zur Folge, dass
  58. dem Angeklagten ein durch die fehlerhafte Anwendung des § 55 StGB erlangter
  59. Vorteil nicht mehr genommen werden darf (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom
  60. 8. Juni 2016 – 4 StR 73/16, StraFo 2016, 348, 349; vom 11. Februar 1988
  61. – 4 StR 516/87, BGHSt 35, 208, 212; Urteil vom 3. November 1955 – 3 StR
  62. 369/55, BGHSt 8, 203, 205). Hat eine aus Freiheitsstrafe und Geldstrafe gebildete Gesamtstrafe keinen Bestand und wird nunmehr auf beide Strafarten nebeneinander erkannt, darf die Summe aus der Freiheitsstrafe und den Tagessätzen der Geldstrafe die frühere Gesamtfreiheitsstrafe nicht übersteigen (vgl.
  63. BGH, Beschluss vom 7. Mai 2013 – 4 StR 111/13, BGHR StPO § 358 Abs. 2
  64. Nachteil 14 mwN). Da die Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen aus dem
  65. Strafbefehl des Amtsgerichts Essen vom 30. Juni 2016 gesondert bestehen
  66. bleibt, darf die neue Gesamtstrafe zwei Jahre und elf Monate nicht übersteigen.
  67. Auf diese durch das Verbot der Schlechterstellung vorgegebene Strafe kann
  68. der Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst erkennen. Um jedwede Benachteiligung des Angeklagten auszuschließen, ermäßigt
  69. er entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts zugleich die Einzelstrafe für die gefährliche Körperverletzung auf zwei Jahre und zehn Monate.
  70. -5-
  71. 6
  72. 3. Der geringfügige Teilerfolg des Rechtsmittels rechtfertigt es nicht, den
  73. Angeklagten teilweise von den durch die Revision veranlassten Kosten und
  74. Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
  75. Sost-Scheible
  76. Cierniak
  77. Bender
  78. Franke
  79. Quentin