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8.9 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 3 StR 502/09
  4. vom
  5. 21. Januar 2010
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. 1.
  9. 2.
  10. wegen zu 1.: Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
  11. zu 2.: Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
  12. -2-
  13. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts - zu I. 2. und II. 2. auf dessen Antrag am 21. Januar 2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
  14. I. 1. Auf die Revision des Angeklagten
  15. T.
  16. wird
  17. das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 12. Juni 2009,
  18. soweit es ihn betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen
  19. aufgehoben, soweit die Anordnung der Unterbringung des
  20. Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt worden ist.
  21. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
  22. Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  23. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
  24. II. 1. Auf die Revision des Angeklagten A.
  25. Ö.
  26. wird das
  27. vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft,
  28. a) in den Einzelstrafen der Fälle B. VI. 14. bis 16. der Urteilsgründe
  29. und
  30. -3-
  31. b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
  32. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  33. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
  34. Gründe:
  35. 1
  36. Das Landgericht hat den Angeklagten T.
  37. wegen bandenmäßigen
  38. Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 13 Fällen zu
  39. der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und acht Monaten verurteilt. Den
  40. Angeklagten Ö.
  41. hat es wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäu-
  42. bungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen, Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 3 Fällen sowie wegen schweren Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung in Tateinheit mit schwerem Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung zur Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und acht Monaten verurteilt. Ferner hat das
  43. Landgericht die Unterbringung des Angeklagten Ö.
  44. in einer Entziehungs-
  45. anstalt angeordnet und bestimmt, dass die Freiheitsstrafe für die Dauer von
  46. einem Jahr und zehn Monaten vor der Unterbringung zu vollziehen ist.
  47. -4-
  48. 2
  49. Die Revision des Angeklagten Ö.
  50. teriellen Rechts. Der Angeklagte T.
  51. rügt allgemein die Verletzung mawendet sich ebenfalls mit der auf die
  52. Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision gegen seine Verurteilung und beanstandet im Einzelnen, dass das Landgericht die Anwendung
  53. des § 31 Nr. 1 BtMG abgelehnt hat. Die Rechtsmittel haben die aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolge.
  54. 3
  55. I. Revision des Angeklagten T.
  56. 4
  57. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum
  58. Nachteil des Beschwerdeführers erbracht (§ 349 Abs. 2 StPO). Das Urteil hat
  59. indes keinen Bestand, soweit das Landgericht die Anordnung der Unterbringung
  60. des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgelehnt hat. Die
  61. Begründung der Strafkammer, sie sehe "eine Unterbringung zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedenfalls als nicht viel versprechend" an, da bei dem Angeklagten "nicht die notwendige Einsichtsfähigkeit in eine Therapiebedürftigkeit festzustellen" sei, vermag die Ablehnung der Maßregelanordnung nicht zu tragen.
  62. 5
  63. 1. Fehlender Therapiewille allein hindert die Unterbringung nach § 64
  64. StGB grundsätzlich nicht. Zwar kann dieser Umstand ein gegen die Erfolgsaussicht der Entwöhnungsbehandlung sprechendes Indiz sein. Ob der Mangel an
  65. Therapiebereitschaft den Schluss auf das Fehlen einer hinreichend konkreten
  66. Erfolgsaussicht der Maßregel rechtfertigt, lässt sich aber nur aufgrund einer
  67. - vom Landgericht hier nicht vorgenommenen - Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und aller sonstigen maßgeblichen Umstände beurteilen (BGH
  68. NJW 2000, 3015, 3016; Beschl. vom 24. März 2005 - 3 StR 71/05). Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hängt nicht vom Therapiewillen des Betroffenen ab (BTDrucks. 16/1110 S. 13). Ziel einer Behandlung im Maßregelvollzug
  69. -5-
  70. kann es vielmehr gerade sein, die Therapiebereitschaft beim Angeklagten erst
  71. zu wecken (BGH NStZ-RR 1997, 34 f.). Das Gericht hat daher gegebenenfalls
  72. zu prüfen, ob die konkrete Aussicht besteht, dass die Therapiebereitschaft für
  73. eine Erfolg versprechende Behandlung in der Maßregel geweckt werden kann
  74. (vgl. Fischer, StGB 57. Aufl. § 64 Rdn. 19 f. m. w. N.).
  75. 6
  76. 2. Über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt muss somit - unter Hinzuziehung eines Sachverständigen
  77. (§ 246 a StPO) - neu verhandelt und entschieden werden. Anhaltspunkte dafür,
  78. dass der Angeklagte nicht gefährlich im Sinne dieser Vorschrift ist oder keine
  79. hinreichend konkrete Aussicht besteht, ihn durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt von seinem Hang zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor
  80. dem Rückfall in den Hang zu bewahren (§ 64 Satz 2 StGB), sind - abgesehen
  81. von seiner Therapieunwilligkeit - nicht ersichtlich. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht
  82. (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; BGHSt 37, 5; BGH NStZ-RR 2009, 48; NStZ 2009,
  83. 261). Er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch
  84. nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362 f.).
  85. 7
  86. 3. Der Senat kann ausschließen, dass der Tatrichter bei Anordnung der
  87. Unterbringung auf niedrigere Einzelstrafen erkannt oder eine mildere Gesamtstrafe verhängt hätte. Der Strafausspruch kann deshalb bestehen bleiben.
  88. 8
  89. 4. Der neue Tatrichter wird im Falle der Anordnung der Unterbringung
  90. des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3,
  91. Abs. 5 Satz 1 StGB über die Reihenfolge der Vollstreckung von Strafe und
  92. Maßregel zu befinden haben (vgl. BGH NStZ 2008, 28; NStZ-RR 2008, 74). Bei
  93. -6-
  94. Vorwegvollzug eines Teils der verhängten Freiheitsstrafe wird es für dessen
  95. Berechnung notwendig sein, die für den Angeklagten voraussichtlich erforderliche Therapiedauer zu bestimmen.
  96. 9
  97. II. Revision des Angeklagten Ö.
  98. 10
  99. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch und zum Maßregelausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Beschwerdeführers erbracht. Dies gilt auch für die
  100. Nachprüfung der in den Fällen B. VI. 1. bis 8. und C. der Urteilsgründe zugemessenen Einzelstrafen. Indes können die Einzelstrafen in den Fällen B. VI. 14.
  101. bis 16. der Urteilsgründe nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat insoweit
  102. rechtfehlerhaft nicht erörtert, ob die Voraussetzungen des § 31 Nr. 1 BtMG vorliegen und deshalb in diesen drei Fällen die angewendeten Strafrahmen zu mildern sind, obwohl die festgestellten Umstände dazu drängten.
  103. 11
  104. 1. Danach hat der Angeklagte in den Fällen B. VI. 14. bis 16. der Urteilsgründe gemeinschaftlich mit seinem Bruder K.
  105. Ö.
  106. jeweils mit Betäu-
  107. bungsmitteln (Kokain) in nicht geringer Menge Handel getrieben. Das Landgericht hat im Rahmen der Strafzumessung festgestellt, dass sich der Angeklagte
  108. "im Hinblick auf sämtliche von ihm begangene BtM-Delikte umfassend geständig eingelassen und sämtliche Fragen der Kammer freimütig beantwortet" und
  109. "dabei auch seinen Bruder K.
  110. Ö.
  111. bereits umfassend belastet" hat (UA S.
  112. 130) sowie, dass "die geständige Einlassung des A.
  113. Ö.
  114. , mit der er
  115. zugleich auch seinen Bruder überführt hat, von besonderer Freimütigkeit getragen" gewesen ist (UA S. 154). Deshalb liegt es nahe, dass der Angeklagte dazu
  116. beigetragen hat, die Taten über seinen Tatbeitrag hinaus aufzuklären. Die ge-
  117. -7-
  118. troffenen Feststellungen hätten daher für das Landgericht Anlass sein müssen,
  119. die Milderungsmöglichkeit des § 31 Nr. 1 BtMG zu erörtern (vgl. BGH NStZ
  120. 2009, 394, 395). Dies lässt das Urteil vermissen.
  121. 12
  122. 2. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht in den betroffenen Einzelfällen bei rechtsfehlerfreier Prüfung § 31 Nr. 1 BtMG i. V. m.
  123. § 49 Abs. 2 StGB angewendet und mildere Einzelstrafen zugemessen hätte.
  124. Die festgesetzten Strafen können daher nicht bestehen bleiben. Dies zieht die
  125. Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich. Die zu diesen Einzelstrafen
  126. und der Gesamtfreiheitsstrafe rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen werden von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht berührt und können deshalb bestehen bleiben.
  127. 13
  128. 3. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass die am 1. September
  129. 2009 durch das 43. StrÄndG vom 29. Juli 2009 (BGBl I 2288 ff.) in Kraft getretene Änderung des § 31 BtMG gemäß Art. 316 d des Einführungsgesetzes zum
  130. -8-
  131. Strafgesetzbuch nicht auf Verfahren anzuwenden ist, in denen vor dem
  132. 1. September 2009 die Eröffnung des Hauptverfahrens beschlossen wurde (vgl.
  133. BGH NStZ-RR 2010, 25).
  134. Becker
  135. von Lienen
  136. RiBGH Pfister befindet sich
  137. im Urlaub und ist daher
  138. gehindert zu unterschreiben.
  139. Becker
  140. Hubert
  141. Schäfer