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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 3 StR 214/05
  4. vom
  5. 20. September 2005
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen Vergewaltigung u. a.
  9. -2-
  10. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 20. September 2005
  11. einstimmig beschlossen:
  12. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
  13. Düsseldorf vom 22. Dezember 2004 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten
  14. ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
  15. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Eine Erstattung der notwendigen Auslagen der Nebenklägerin im Revisionsverfahren findet wegen der gleichfalls erfolglosen
  16. Revision der Nebenklägerin nicht statt (vgl. Meyer-Goßner, StPO
  17. 48. Aufl. § 473 Rdn. 10).
  18. Zu der Rüge, das Landgericht habe in mehrfacher Hinsicht den Grundsatz der
  19. Öffentlichkeit der Hauptverhandlung verletzt, bemerkt der Senat ergänzend:
  20. 1. Soweit das Landgericht zu Beginn des Hauptverhandlungstermins
  21. vom 11. Oktober 2004 verschiedene Asservate in Augenschein genommen sowie die Zeugin S.
  22. angehört hat, ist dies entgegen dem Sachvortrag
  23. der Revision nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit geschehen. Der Sitzungsniederschrift ist zu entnehmen, dass die Hauptverhandlung am 1. Oktober 2004 während der Vernehmung der Zeugin M.
  24. , für deren Dauer das
  25. Gericht zuvor die Öffentlichkeit ausgeschlossen hatte, unterbrochen sowie
  26. Termin zur Fortsetzung der Hauptverhandlung und der Vernehmung dieser
  27. -3-
  28. Zeugin auf den 11. Oktober 2004 bestimmt worden war. Das Teilprotokoll für
  29. den Termin vom 11. Oktober 2004 stellt zwar nicht fest, dass die Öffentlichkeit
  30. wieder hergestellt wurde, als das Landgericht die Hauptverhandlung wegen der
  31. mitgeteilten Verspätung der Zeugin M.
  32. zunächst mit den genannten weite-
  33. ren Beweiserhebungen fortsetzte. Damit ist hier jedoch nicht festgestellt (§ 274
  34. StPO), dass dieser Teil der Hauptverhandlung unzulässig unter Ausschluss der
  35. Öffentlichkeit statt fand; denn das Hauptverhandlungsprotokoll ist insoweit offensichtlich unklar und in sich widersprüchlich, so dass die ihm durch § 274
  36. StPO grundsätzlich beigelegte Beweiskraft für die wesentlichen Förmlichkeiten
  37. des Verfahrens (hier: § 272 Nr. 5 StPO) entfallen ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO
  38. 48. Aufl. § 274 Rdn. 17 m. w. N.). Es kann dahinstehen, ob dies allein schon
  39. daraus folgt, dass das Protokoll nach dem Eintreffen der Zeugin M.
  40. und vor
  41. deren weiterer Einvernahme nunmehr ausdrücklich vermerkt, die Hauptverhandlung werde nicht öffentlich fortgesetzt. Die Unklarheit bzw. Widersprüchlichkeit der Sitzungsniederschrift ergibt sich jedenfalls in Verbindung damit,
  42. dass erst nunmehr der Stationsreferendarin St.
  43. ausdrücklich die Anwesen-
  44. heit während des nicht öffentlichen Teils der Hauptverhandlung gestattet wurde
  45. (§ 175 Abs. 2 GVG), obwohl die Referendarin ausweislich des Protokolls bereits seit Beginn dieses Fortsetzungstermins anwesend war und ihr daher
  46. schon zu diesem Zeitpunkt das Verbleiben im Sitzungssaal hätte gestattet werden müssen, wenn unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt worden wäre.
  47. Wegen des Wegfalls der Beweiskraft des Protokolls konnte der Senat
  48. die erforderlichen Feststellungen zum Verfahrensgeschehen im Wege des
  49. Freibeweises treffen. Dieser ergibt aufgrund der übereinstimmenden dienstlichen Erklärungen der Vorsitzenden Richterin der Strafkammer und des Proto-
  50. -4-
  51. kollführers, dass die Hauptverhandlung im Termin vom 11. Oktober 2004 bis
  52. zur Fortsetzung der Vernehmung der Zeugin M.
  53. öffentlich geführt wurde.
  54. Es kann daher dahinstehen, ob der Revisionsrüge schon deswegen der
  55. Boden entzogen war, weil das Hauptverhandlungsprotokoll nachträglich in diesem Sinne berichtigt wurde, wie der Generalbundesanwalt im Anschluss an die
  56. nicht tragenden, von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
  57. abweichenden Erwägungen im Urteil des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 12. Januar 2005 (2 StR 138/04 = NStZ 2005, 281) meint.
  58. 2. Für die Anberaumung des Fortsetzungstermins auf den 11. Oktober
  59. 2004 musste im Termin vom 1. Oktober 2004 die Öffentlichkeit nicht wieder
  60. hergestellt werden (BGH bei Becker NStZ-RR 2002, 261 Nr. 17).
  61. 3. Zu den Verfahrensvorgängen, die mit der Vernehmung der Zeugin
  62. M.
  63. in enger Verbindung standen und auf die sich daher der Ausschluss der
  64. Öffentlichkeit ebenfalls erstreckte, zählen neben den durch die Angaben der
  65. Zeugin veranlassten Augenscheinseinnahmen (BGH NStZ 1988, 190) auch die
  66. Erklärungen des Angeklagten nach § 257 StPO (Meyer-Goßner aaO § 172
  67. GVG Rdn. 17; Diemer in KK 5. Aufl. § 172 GVG Rdn. 3). Entsprechend musste
  68. -5-
  69. die Öffentlichkeit auch nicht wieder hergestellt werden, als sich der Angeklagte
  70. im Hauptverhandlungstermin vom 30. November 2004 zu den in nicht öffentlicher Sitzung vorgeführten Videofilmen erklärte.
  71. Winkler
  72. Miebach
  73. Becker
  74. von Lienen
  75. Hubert