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  1. Nachschlagewerk: ja
  2. BGHSt:
  3. ja
  4. Veröffentlichung:
  5. ja
  6. nur II. 2. der Gründe
  7. _____________________________________
  8. StGB § 13 Abs. 1
  9. Die strafrechtliche Garantenpflicht unter Eheleuten endet, wenn sich ein Ehegatte
  10. vom anderen in der ernsthaften Absicht getrennt hat, die eheliche Lebensgemeinschaft nicht wieder herzustellen.
  11. BGH, Urt. vom 24. Juli 2003 - 3 StR 153/03 - LG Oldenburg
  12. BUNDESGERICHTSHOF
  13. IM NAMEN DES VOLKES
  14. URTEIL
  15. 3 StR 153/03
  16. vom
  17. 24. Juli 2003
  18. in der Strafsache
  19. gegen
  20. -21.
  21. 2.
  22. wegen schwerer Brandstiftung u. a.
  23. -3-
  24. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. Juli 2003,
  25. an der teilgenommen haben:
  26. Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
  27. Prof. Dr. Tolksdorf,
  28. die Richter am Bundesgerichtshof
  29. Winkler,
  30. Pfister,
  31. Becker,
  32. Hubert
  33. als beisitzende Richter,
  34. Bundesanwalt
  35. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  36. Rechtsanwalt
  37. als Verteidiger der Angeklagten S.
  38. ,
  39. Justizamtsinspektorin
  40. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  41. für Recht erkannt:
  42. -4-
  43. 1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 27. Juni 2002 wird verworfen.
  44. 2. Auf die Revision der Angeklagten S.
  45. wird das vorbezeich-
  46. nete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
  47. a) soweit die Beschwerdeführerin wegen Beihilfe zur Körperverletzung durch Unterlassen verurteilt worden ist,
  48. b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
  49. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
  50. und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der
  51. Angeklagten, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  52. Die weitergehende Revision der Angeklagten S.
  53. wird ver-
  54. worfen.
  55. 3. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die den Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
  56. Von Rechts wegen
  57. -5-
  58. Gründe:
  59. Das Landgericht hat den Angeklagten M.
  60. wegen schwerer Brandstif-
  61. tung unter Einbeziehung früherer Entscheidungen zu einer Jugendstrafe von
  62. vier Jahren und wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung früherer Strafen zu einer Gesamtstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt; es hat die Angeklagte S.
  63. wegen schwerer Brandstiftung und wegen
  64. durch Unterlassen begangener Beihilfe zur Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und einem Monat verurteilt. Von dem Vorwurf
  65. des gemeinschaftlich versuchten Mordes in zwei Fällen hat das Landgericht die
  66. Angeklagten freigesprochen. Gegen diesen Freispruch richtet sich die Revision
  67. der Staatsanwaltschaft mit sachlichrechtlichen Beanstandungen. Die Revision
  68. der Angeklagten S.
  69. rügt die Verletzung von Verfahrensrecht und erhebt
  70. materiellrechtliche Beanstandungen. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft
  71. bleibt ohne, das der Angeklagten hat nur teilweisen Erfolg.
  72. Zu den Verurteilungen hat das Landgericht festgestellt: Am Abend des
  73. 1. Juni 1996 drangen beide Angeklagte in das vom geschiedenen ersten Ehemann der Angeklagten S.
  74. hende Haus in O.
  75. ,
  76. J.
  77. ein. In Abwesenheit des geschiedenen ersten Ehe-
  78. manns legten der Angeklagte M.
  79. S.
  80. , bewohnte, in fremdem Eigentum ste-
  81. im Schlafzimmer und die Angeklagte
  82. im Bodenraum einen Brand, der das Haus vollständig zerstörte und
  83. einen Gebäudeschaden von mindestens 300.000 DM verursachte. Am 25. Januar 2001 würgte der Angeklagte M.
  84. helm S.
  85. den Ehemann der Angeklagten, Wil-
  86. , bis an die Grenze der Bewußtlosigkeit und schlug ihm mit der
  87. Faust in den Magen. Er war über sein Opfer verärgert, weil dieses ihn wegen
  88. eines Diebstahls bei der Polizei angezeigt hatte. Die Angeklagte S.
  89. kurz vor der Tat von dem Vorhaben des Angeklagten M.
  90. hatte
  91. Kenntnis erlangt,
  92. -6-
  93. unterließ es aber, ihren Ehemann, von dem sie sich etwa vier Wochen zuvor
  94. getrennt hatte, vor dem Angriff zu warnen. Auch unternahm sie keinerlei Bemühungen, den Angeklagten M.
  95. von seiner Tat abzuhalten.
  96. Über den Gegenstand der Verurteilung hinaus war beiden Angeklagten
  97. in der Anklage zur Last gelegt worden, zweimal versucht zu haben, Wilhelm
  98. S.
  99. heimtückisch zu töten. Sie sollen im Januar 1998 dem Opfer einen
  100. Grog zu trinken gegeben haben, in den sie ein zuvor von dem Angeklagten
  101. M.
  102. beim Tierarzt Dr. H.
  103. entwendetes Mittel zur Tötung von Tieren
  104. ("T 61") gemischt hatten. Wilhelm S.
  105. soll mit dem Bemerken, der Grog sei
  106. salzig, das Getränk sofort wieder ausgespuckt und den Rest in die Güllegrube
  107. geschüttet haben. Im Jahr 2000 soll die Angeklagte S.
  108. sy-Tabletten, die der Angeklagte M.
  109. ihrem Mann Ecsta-
  110. zuvor besorgt hatte, verabreicht haben.
  111. Anstelle des von beiden Angeklagten erstrebten Todes soll es beim Opfer nur
  112. zu Kreislaufproblemen gekommen sein. Obwohl der Angeklagte M.
  113. diese
  114. Tatvorwürfe in der Hauptverhandlung einräumte, hat sich das Landgericht von
  115. einem solchen Geschehensablauf nicht überzeugen können und nicht auszuschließen vermocht, daß zwischen den Angeklagten nur unverbindliche Gespräche über solche Tatmöglichkeiten geführt worden waren.
  116. I. Revision der Staatsanwaltschaft und Revision der Angeklagten S.
  117. , soweit sie sich gegen die Beweiswürdigung wendet
  118. Die Staatsanwaltschaft rügt, das Landgericht habe die Angeklagten aufgrund einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung vom Vorwurf des zweifach
  119. versuchten Mordes freigesprochen. Dabei hebt sie im wesentlichen darauf ab,
  120. -7-
  121. daß das Landgericht das Geständnis des Angeklagten M.
  122. insoweit nicht als
  123. ausreichend angesehen hatte, während es für die Verurteilung der Angeklagten wegen schwerer Brandstiftung und Körperverletzung ein Geständnis dieses
  124. Angeklagten hatte ausreichen lassen.
  125. Die Angeklagte S.
  126. rügt hingegen, das Landgericht habe sie auf-
  127. grund einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung wegen schwerer Brandstiftung
  128. verurteilt. Auf die Angaben des Angeklagten M.
  129. habe sich das Landgericht
  130. nicht stützen können, da es dessen Angaben zum Vorwurf des zweifach versuchten Mordes nicht als ausreichend für eine Überführung angesehen hatte.
  131. Beide Revisionen zeigen mit ihren Beanstandungen keinen Rechtsfehler
  132. auf. Wenn der Tatrichter einem Beweismittel zu einem Teil folgt und zu einem
  133. anderen Teil nicht zu folgen vermag, ist er nur zu einer näheren Darlegung der
  134. hierfür maßgeblichen Gründe in der Beweiswürdigung gehalten (st. Rspr., vgl.
  135. z. B. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, widersprüchliche 4 und Beweiswürdigung 13; BGH NJW 1993, 2451; BGHR StPO § 261 Zeuge 8; BGH, Beschl.
  136. vom 14. Juli 1998 - 4 StR 289/98). Diese Darlegung ist dem Urteil zu entnehmen.
  137. Von dem der Verurteilung wegen schwerer Brandstiftung zugrunde liegenden Geschehen hat sich das Landgericht aufgrund der geständigen Angaben des Angeklagten M.
  138. überzeugt, weil dessen Bekundungen durch weite-
  139. re Beweisergebnisse (die Ausführungen des Brandsachverständigen und die
  140. Bekundungen eines Feuerwehrmannes zum Brandverlauf sowie die Aussage
  141. einer Vollzugsbediensteten über das Eingeständnis der Tat durch die Angeklagte ihr gegenüber) Bestätigung gefunden haben. Gleiches gilt auch für das
  142. -8-
  143. Geständnis des Mitangeklagten M.
  144. Nachteil des Wilhelm S.
  145. betreffend die Körperverletzung zum
  146. .
  147. Bezüglich des Vorwurfs des zweifach versuchten Mordes hat das Landgericht zuerst die für eine Glaubhaftigkeit der Aussage des Angeklagten sprechenden Umstände (Selbstbelastung; kein nachvollziehbares Motiv für eine
  148. Falschbelastung der Mitangeklagten; Detailreichtum, Konstanz und Widerspruchsfreiheit der Aussage; Spontaneität der Aussageergänzungen; Lebensbeichte als Aussagemotivation) erörtert. Dem hat es Umstände entgegengestellt, die Zweifel an der Glaubhaftigkeit wecken konnten (Detailarmut gerade
  149. bei der Schilderung der entscheidenden Handlungsteile; Widerspruch zum
  150. Verhalten bei der Körperverletzung am 25. Januar 2001; Falschaussage des
  151. Angeklagten M.
  152. in einem Nebenpunkt). Insoweit enthält die Beweiswürdi-
  153. gung entgegen dem Revisionsvorbringen der Staatsanwaltschaft weder Lücken
  154. noch Widersprüche.
  155. Es ist auch nicht zu besorgen, daß sich das Landgericht bei dem Freispruch von der rechtsfehlerhaften Annahme hätte leiten lassen, auf ein von
  156. weiteren Beweisergebnissen nicht bestätigtes Geständnis könne eine Verurteilung nicht gestützt werden. Anlaß für verbleibende Zweifel der Strafkammer
  157. an der Richtigkeit des Geständnisses war nämlich nicht nur die Tatsache, daß
  158. das vermeintliche Opfer sich an die geschilderten Tatumstände nicht zu erinnern vermochte; vielmehr standen einzelne Beweisergebnisse dem Geständnis
  159. des Angeklagten M.
  160. direkt entgegen: So fand die erste Einschläferung eines
  161. Tieres auf dem Hof der S.
  162. s mit dem Mittel "T 61" nach den Bekundungen
  163. des Tierarztes Ende März 1998, also erst nach dem angeblichen Mordversuch,
  164. statt. Auch konnte der Tierarzt nicht bestätigen, daß das Mittel bei ihm entwen-
  165. -9-
  166. det worden war. Zudem haben die Ermittlungen zum Geschmack des Giftes
  167. nichts für den - nach Darstellung des Angeklagten M.
  168. - von Wilhelm S.
  169. bemerkten starken Salzgeschmack ergeben.
  170. Insgesamt ist das Landgericht der Verpflichtung nachgekommen, in der
  171. Beweiswürdigung näher darzulegen, warum es dem Mitangeklagten M.
  172. zu
  173. einem Teil gefolgt ist und ihm zu einem anderen Teil nicht zu folgen vermocht
  174. hat. Es stellt deshalb auch keinen Rechtsfehler dar, wenn die Strafkammer es
  175. nicht für ausgeschlossen erachtet, daß sich die Angeklagten möglicherweise
  176. nur im Gespräch und in im einzelnen nicht feststellbarer Weise mit dem Gedanken an eine Tötung des Wilhelm S.
  177. befaßt hatten. Ob auch eine ande-
  178. re, zur Verurteilung der Angeklagten führende Überzeugungsbildung rechtsfehlerfrei möglich gewesen wäre, ist für die Nachprüfung der vom Landgericht
  179. vorgenommenen Beweiswürdigung im Revisionsverfahren ohne Belang.
  180. II. Revision der Angeklagten S.
  181. im übrigen
  182. 1. Auf die Verfahrensrüge, das Landgericht habe gegen die Hinweispflicht nach § 265 Abs. 1 StPO verstoßen, kommt es nicht an, da die insoweit
  183. allein betroffene Verurteilung wegen Beihilfe zur Körperverletzung auf die
  184. Sachrüge hin aufgehoben werden muß.
  185. 2. Die Verurteilung der Angeklagten wegen durch Unterlassen begangener Beihilfe zur Körperverletzung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
  186. - 10 -
  187. a) Entgegen den Angriffen der Revision kann dem Urteil entnommen
  188. werden, daß die Tat des Angeklagten M.
  189. wenn die Angeklagte S.
  190. zumindest erschwert worden wäre,
  191. sich bemüht hätte, ihn von der Tat abzuhalten,
  192. oder wenn sie ihren Ehemann telefonisch gewarnt hätte. Dies ist ausreichend.
  193. Es ist für die Annahme einer Beihilfe durch Unterlassen nicht erforderlich, daß
  194. die unterlassene Handlung den Taterfolg verhindert hätte (vgl. BGH NJW
  195. 1953, 1838 m. w. N.).
  196. b) Die Feststellungen des Landgerichts ergeben jedoch nicht, daß die
  197. Angeklagte, wie es für ihre Verurteilung wegen durch Unterlassen begangener
  198. Beihilfe zur Körperverletzung erforderlich wäre, zum Tätigwerden zugunsten
  199. des Tatopfers verpflichtet gewesen ist. Nach ihnen ist es vielmehr möglich, daß
  200. die sich aus der Ehe ergebende Garantenpflicht hier dadurch weggefallen ist,
  201. daß sich die Angeklagte etwa vier Wochen vor der Tat von ihrem Ehemann
  202. getrennt und einem anderen Mann zugewandt hat.
  203. aa) Hinsichtlich der Garantenpflicht unter Ehegatten ist unstreitig, daß
  204. Ehegatten bei bestehender Lebensgemeinschaft einander als Garanten zum
  205. Schutz verpflichtet sind, also jeweils dafür im Sinne des § 13 StGB einzustehen
  206. haben, daß dem anderen Teil kein Schaden zugefügt wird, der sich als "Erfolg"
  207. eines Straftatbestands darstellt. Dementsprechend kann nicht zweifelhaft sein,
  208. daß die Angeklagte - hätte sie sich nicht von ihrem Ehemann getrennt - verpflichtet gewesen wäre, ihn vor der drohenden Körperverletzung durch den
  209. Mitangeklagten M.
  210. zu warnen bzw. zu versuchen, diesen von der beab-
  211. sichtigten Tat abzuhalten.
  212. - 11 -
  213. bb) Unterschiedlich beurteilt wird, worin die Grundlage für die Annahme
  214. der Garantenpflicht zu sehen ist und welche Bedeutung eine Trennung der
  215. Eheleute für sie hat.
  216. Insofern wird einerseits vertreten, daß sich die Garantenpflicht der Ehegatten, im Grundsatz ohne Rücksicht auf das tatsächliche Bestehen einer Lebensgemeinschaft, aus § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB ergebe (Jakobs, Strafrecht
  217. AT 2. Aufl. S. 823; Welzel, Strafrecht 11. Aufl. S. 217; Geilen FamRZ 1961,
  218. 148). Das tatsächliche Bestehen einer Gemeinschaft sei zwar nicht ohne jede
  219. Bedeutung. Ohne sie sei etwa eine Garantenpflicht für andere Rechtsgüter als
  220. Leib, Leben und Freiheit zu verneinen (Jescheck in LK 11. Aufl. § 13 Rdn. 23
  221. aE). Die Einstandspflicht zum Schutze der genannten Rechtsgüter sei aber
  222. schlicht an den Fortbestand der Ehe geknüpft und werde - mit der Folge, daß
  223. der Schuldspruch hier keinen Bedenken begegnete - nicht schon dadurch beendet, daß die Ehegatten ihre Lebensgemeinschaft aufgeben und getrennte
  224. Wege gehen.
  225. Nach anderer Auffassung findet die Garantenpflicht unter Eheleuten ihre
  226. Grundlage nicht in § 1353 BGB. Entscheidend für die Annahme einer Garantenstellung soll vielmehr allein das tatsächliche Bestehen eines gegenseitigen
  227. Vertrauens- und Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Ehegatten im Hinblick
  228. auf den Schutz der bedrohten Rechtsgüter sein (Rudolphi in SK-StGB § 13
  229. Rdn. 50 m. w. N.). Fehle es daran, wie z. B. in aller Regel bei tatsächlichem
  230. Getrenntleben der Ehegatten, so stehe das Unterlassen mangels eines Obhutsverhältnisses nicht dem aktiven Bewirken des tatbestandsmäßigen Unrechtserfolges gleich. Daran vermöge die sich aus § 1353 BGB ergebende
  231. Rechtspflicht zur Begründung der ehelichen Lebensgemeinschaft nichts zu än-
  232. - 12 -
  233. dern. Denn solange der Ehegatte diese Rechtspflicht nicht erfülle, es also an
  234. einem auf der tatsächlichen Lebensgemeinschaft basierenden gegenseitigen
  235. Vertrauens- und Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Ehegatten fehle, solange sei er auch nicht Garant, sondern lediglich verpflichtet, ein garantenpflichtiges Obhutsverhältnis zu begründen. Diese Pflicht stehe aber - mit der Folge,
  236. daß die Verurteilung der Angeklagten hier keinen Bestand haben könnte - der
  237. Garantenpflicht nicht gleich (Rudolphi aaO).
  238. Der Bundesgerichtshof hat zu der Frage der strafrechtlichen Garantenpflicht unter Ehegatten - soweit ersichtlich - noch nicht entscheidungserheblich
  239. Stellung genommen. Nach einer Entscheidung des 1. Strafsenats gründet die
  240. Verpflichtung der Ehegatten, sich gegenseitig zum Schutze beizustehen, auf
  241. die "enge, vom Treuegebot beherrschte Lebensgemeinschaft" (BGHSt 2, 150,
  242. 153), was in dem Sinne verstanden werden könnte, daß das Bestehen der
  243. Gemeinschaft das maßgebliche Kriterium ist. In der weiteren Begründung wird
  244. dann aber auf § 1353 BGB abgestellt und unter Berufung auf diese Norm die
  245. "Rechtspflicht" bejaht, "einander in Lebensgefahr nach Kräften zu schützen
  246. und zu helfen," wobei dieser Grundsatz allerdings wieder durch den Zusatz
  247. eingeschränkt wird, die Rechtspflicht bestehe "mindestens so lange, wie kein
  248. Teil das Recht zum Getrenntleben hat und beide Teile ... in Hausgemeinschaft
  249. leben (vgl. RGSt 71, 187, 189)" (BGHSt 2, 150, 153 f.). Ob das Getrenntleben
  250. die Garantenstellung entfallen läßt, brauchte in der Entscheidung BGHSt 2,
  251. 150 nicht entschieden zu werden, weil die Eheleute in dem zu beurteilenden
  252. Sachverhalt noch zusammenlebten. Eine weitere - in dem hier in Rede stehenden Zusammenhang gelegentlich zitierte - Entscheidung (BGHSt 6, 322) betrifft
  253. nicht die Frage der wechselseitigen Schutzverpflichtung, sondern die der
  254. Rechtspflicht zur Verhinderung von Straftaten des anderen Teils und damit -
  255. - 13 -
  256. ebenso wie die Entscheidung des Senats NStE Nr. 3 zu § 13 StGB - andere
  257. Fallgestaltungen.
  258. cc) Dem Senat erscheint im Ergebnis eine vermittelnde Betrachtung angezeigt:
  259. Ihren Ausgangspunkt muß die Beantwortung der Frage nach den strafrechtlichen Schutzpflichten unter Eheleuten bei § 1353 BGB nehmen. Es ist
  260. nicht ersichtlich, warum, wenn Ehegatten nach dieser Norm Verantwortung füreinander tragen (§ 1353 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. BGB), dies im Grundsatz nicht
  261. auch für die strafrechtliche Betrachtung gelten sollte. Dementsprechend kann
  262. die gegenseitige Beistandspflicht nicht etwa schon mit dem bloßen Auszug eines Ehegatten aus der Ehewohnung als solchem, also mit der bloßen räumlichen Trennung als beendet angesehen werden. Das Fehlen einer häuslichen
  263. Gemeinschaft muß - je nach den Umständen - nicht bedeuten, daß die eheliche
  264. Lebensgemeinschaft aufgegeben worden ist (Palandt/Brudermüller, BGB
  265. 62. Aufl. § 1565 Rdn. 2). Dadurch unterscheidet sich die Ehe von der bloßen,
  266. auf gegenseitige Hilfeleistung angelegten Gemeinschaftsbeziehung, wie sie
  267. etwa auch bei einer Wohngemeinschaft gegeben sein mag. Bei letzterer wird
  268. die strafrechtliche Garantenpflicht im allgemeinen mit dem tatsächlichen Ende
  269. der Beziehung enden.
  270. Andererseits würde es eine nicht zu rechtfertigende Überdehnung der
  271. strafrechtlichen Beistandspflicht unter Eheleuten bedeuten, wollte man annehmen, daß diese erst mit dem Ende der Ehe, ggf. also erst mit der Rechtskraft
  272. des Scheidungsurteils endet. Es sind zahlreiche Lebensgestaltungen denkbar,
  273. in denen - ungeachtet des formal fortbestehenden Ehebandes - keiner der bei-
  274. - 14 -
  275. den Ehegatten tatsächlich darauf vertraute oder auch nur Anlaß hätte, darauf
  276. zu vertrauen, der andere Teil würde ihm zum Schutze seiner Rechtsgüter beistehen. Das gilt besonders augenfällig etwa dann, wenn die Ehegatten bereits
  277. seit Jahren getrennt sind, dabei möglicherweise sogar mit anderen Partnern in
  278. einer Lebensgemeinschaft verbunden, wie auch dann, wenn sie - etwa aus rein
  279. wirtschaftlichen Gründen - nach schweren ein- oder beidseitigen Eheverfehlungen oder Zerwürfnissen in demselben Haus oder in derselben Wohnung
  280. getrennt voneinander leben.
  281. In solchen Fällen ist die Annahme einer die Strafbarkeit wegen eines
  282. Unterlassungsdelikts begründenden Beistandspflicht unter Ehegatten auch
  283. ausgehend davon, daß diese ihre Grundlage in § 1353 BGB hat, keineswegs
  284. geboten. Denn für die Bestimmung der Grenzen der strafrechtlichen Beistandspflicht dürfen bei diesem Ansatz die gesetzlichen Regelungen, aus denen sich Beschränkungen der Pflicht zu ehelicher Lebensgemeinschaft ergeben, nicht außer Betracht bleiben. Dementsprechend endet die strafrechtliche
  285. Garantenpflicht unter Eheleuten, wenn sich ein Ehegatte vom anderen in der
  286. ernsthaften Absicht getrennt hat, die eheliche Lebensgemeinschaft nicht wieder herzustellen. Das entspricht den Regelungen in § 1353 Abs. 2 und § 1565
  287. Abs. 1 BGB unter Berücksichtigung von § 1566 BGB.
  288. Nach § 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB ist die Ehe gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden
  289. kann, daß die Ehegatten sie wiederherstellen. Das Scheitern der Ehe hat nach
  290. § 1353 Abs. 2 BGB zur Folge, daß die Rechtspflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr besteht. Die danach erforderliche ernsthafte Aufgabe
  291. der ehelichen Lebensgemeinschaft, die auch der strafrechtlichen Beistands-
  292. - 15 -
  293. pflicht ihre rechtliche Grundlage entzieht, setzt dabei nicht voraus, daß die
  294. Ehegatten ein Jahr lang getrennt leben. Dieser Wertung steht § 1566 Abs. 1
  295. BGB nicht entgegen. Danach wird das Scheitern der Ehe zwar unwiderlegbar
  296. vermutet, wenn die Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und beide Ehegatten die Scheidung beantragen oder der Antragsgegner der Scheidung zustimmt. Bei dieser Vorschrift handelt es sich aber nur um eine zwingende Beweisregel für das Scheitern der Ehe, die das Gericht von der Feststellung der
  297. Zerrüttung entlastet (Palandt/Brudermüller, BGB 62. Aufl. § 1566 Rdn. 1). Sie
  298. schließt die Annahme eines früheren Scheiterns - mit Folgen ggf. auch für die
  299. Prüfung der strafrechtlichen Garantenpflicht - indes nicht aus.
  300. Diese vermittelnde Auffassung, die bereits in der Entscheidung BGHSt 2,
  301. 150, 153 f. angelegt ist, dürfte mit der Meinung, nach der die strafrechtliche
  302. Garantenpflicht unter Eheleuten in ihrem Grund und in ihrem Umfang allein aus
  303. dem tatsächlichen Bestehen eines gegenseitigen Vertrauensverhältnis abzuleiten ist, im Ergebnis weitgehend übereinstimmen. Wenn Vertreter dieser Meinung etwa ausführen, daß die Garantenpflicht "in aller Regel bei tatsächlichem
  304. Getrenntleben der Eheleute" entfallen wird (vgl. etwa Rudolphi in SK-StGB
  305. § 13 Rd. 50), so sind - wie zu vermuten steht - gerade die Fälle ausgenommen,
  306. in denen sich die Ehegatten getrennt haben, um zu prüfen, ob ihre Beziehung
  307. eine Chance hat, während in den Fällen, in denen die Trennung die endgültige
  308. Aufhebung der Gemeinschaft bedeuten soll, auch nach Auffassung des Senats
  309. eine Garantenpflicht nicht mehr besteht.
  310. dd) Auf der Grundlage dieser Auffassung kann die Verurteilung der Angeklagten wegen durch Unterlassen begangener Beihilfe zur Körperverletzung
  311. keinen Bestand haben. Nach den bisherigen Feststellungen ist es möglich, daß
  312. dem Auszug der Angeklagten S.
  313. ein ernsthafter Entschluß, die eheliche
  314. - 16 -
  315. Lebensgemeinschaft nicht mehr fortzusetzen, zugrunde gelegen hatte und damit die Garantenpflicht beendet war. Dafür könnte sprechen, daß sich die Angeklagte einem anderen Mann zugewandt hatte. Andererseits kann der zum
  316. Tatzeitpunkt erst kurze Zeit zurückliegende Auszug aus der Ehewohnung seinen Grund auch darin gehabt haben, daß sich die Angeklagte über die weitere
  317. Entwicklung der Ehe klar werden wollte. Feststellungen, die eine fortbestehende Garantenpflicht begründen, erscheinen insoweit nicht ausgeschlossen. Der
  318. Senat kann die Angeklagte deshalb von diesem Vorwurf nicht freisprechen.
  319. 3. Die Einzelstrafe wegen schwerer Brandstiftung wird von der Aufhebung der Verurteilung wegen Beihilfe zur Körperverletzung nicht berührt. Soweit die Revision im übrigen die Verneinung von § 21 StGB durch die Strafkammer sowie die Strafzumessung angreift, ist sie unbegründet im Sinne von
  320. § 349 Abs. 2 StPO.
  321. 4. Der neue Tatrichter wird das Augenmerk auch darauf zu richten haben, ob die Angeklagte S.
  322. dem Angeklagten M.
  323. bei der Körperverlet-
  324. zung nicht sogar durch positives Tun geholfen hat. Anlaß zu diesem Hinweis
  325. geben die bisherigen Feststellungen. Das Landgericht hat es für möglich
  326. gehalten, daß die Angeklagte S.
  327. in Kenntnis der vom Angeklagten M.
  328. beabsichtigten Körperverletzung zu diesem gesagt hatte, er solle es "ordentlich" machen. Es hat aber dahinstehen lassen, ob diese Worte tatsächlich gefallen sind, weil es ihnen für den Nachweis einer von der Angeklagten S.
  329. unternommenen, versuchten Anstiftung des Angeklagten M.
  330. zu einem Tö-
  331. tungsdelikt keine entscheidende Bedeutung beimessen wollte. Sollte sich der
  332. - 17 -
  333. neue Tatrichter von einer solchen Äußerung der Angeklagten S.
  334. überzeu-
  335. gen, läge eine psychische Beihilfe nahe.
  336. Tolksdorf
  337. Winkler
  338. Pfister
  339. RiBGH Hubert ist wegen
  340. Becker
  341. Urlaubs an der Unterschrift
  342. gehindert.
  343. VRiBGH Prof. Dr. Tolksdorf
  344. ist an der Unterzeichnung
  345. des Verhinderungsvermerks
  346. gehindert, da er zwischenzeitlich ebenfalls im Urlaub
  347. ist.
  348. Winkler