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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 3 ARs 3/00
  4. vom
  5. 16. August 2000
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. 1.
  9. 2.
  10. wegen schweren Bandendiebstahls u.a.
  11. hier: Anfrage des 4. Strafsenats vom 14. März 2000 - 4 StR 284/99
  12. -2-
  13. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. August 2000 gemäß
  14. § 132 Abs. 3 GVG beschlossen:
  15. Der Senat regt an, die im Anfragebeschluß aufgeworfenen
  16. Rechtsfragen dem Großen Senat für Strafsachen gemäß § 132
  17. Abs. 4 GVG zur Entscheidung vorzulegen.
  18. Gründe:
  19. Der 4. Strafsenat (Beschluß vom 14. März 2000 - 4 StR 284/99) beabsichtigt zu entscheiden:
  20. "Der Begriff der Bande setzt voraus, daß sich mehr als zwei Personen
  21. mit dem ernsthaften Willen zusammengeschlossen haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im einzelnen noch ungewisse Straftaten zu
  22. begehen.
  23. Der Tatbestand des Bandendiebstahls erfordert nicht, daß mindestens
  24. zwei Bandenmitglieder die Tat in zeitlichem und örtlichem Zusammenwirken
  25. begehen."
  26. Der 1. (Beschl. vom 27. Juni 2000 - 1 ARs 6/00) und der 2. Strafsenat
  27. (Beschl. vom 21. Juni 2000 - 2 ARs 76/00) haben an ihrer bisherigen, der beabsichtigten Entscheidung entgegenstehenden Rechtsprechung festgehalten,
  28. nach der für das Handeln "als Mitglied einer Bande" hinsichtlich der Zahl der
  29. Bandenmitglieder eine Verbindung von zwei Personen genügt und die Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds beim Bandendiebstahl die Tatbegehung
  30. -3-
  31. durch wenigstens zwei Bandenmitglieder voraussetzt, die zeitlich und örtlich,
  32. wenn auch nicht notwendig körperlich zusammenwirken müssen. Dagegen hat
  33. der 5. Strafsenat den vom 4. Strafsenat aufgestellten Rechtssätzen unter Aufgabe seiner entgegenstehenden Rechtsprechung zugestimmt bzw. ist der beabsichtigten Entscheidung nicht entgegengetreten (Beschl. vom 4. April 2000
  34. - 5 ARs 20/00; vgl. auch Beschl. vom 8. Februar 2000 - 5 ARs 3/00, ergangen
  35. auf den Anfragebeschluß des Senats vom 22. Dezember 1999 - 3 StR 339/99).
  36. Bei dieser Sachlage kann sich der Senat einer abschließenden Stellungnahme enthalten, da der 4. Strafsenat die Rechtsfragen nach § 132 Abs. 2,
  37. 3 GVG ohnehin dem Großen Senat für Strafsachen zur Entscheidung vorlegen
  38. muß, wenn er an der beabsichtigten Rechtsprechungsänderung festhält. Im
  39. Hinblick auf die weitreichende und grundsätzliche Bedeutung dieser Fragen für
  40. den Bereich der Bandendelikte, aber auch für die zahlreichen, an den Verdacht
  41. bestimmter Bandendelikte anknüpfenden strafprozessualen Eingriffsnormen,
  42. hält der Senat dies ohnehin gemäß § 132 Abs. 4 GVG zur Fortbildung des
  43. Rechts für angezeigt.
  44. 1. Der Senat neigt dazu, an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten, nach der bereits zwei Personen eine Bande bilden können.
  45. a) Diese Auslegung ist mit dem Wortsinn des Bandenbegriffs und damit
  46. auch dem Wortlaut sämtlicher Bandendelikte vereinbar. Gegen eine restriktivere Auslegung des Bandenbegriffs spricht der vom 1. und 2. Strafsenat zutreffend hervorgehobene Umstand, daß der Gesetzgeber die gefestigte Rechtsprechung aller Senate des Bundesgerichtshofs hinsichtlich der Mindestzahl
  47. der Bandenmitglieder zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt hat. Vielmehr hat er
  48. -4-
  49. bei bedeutsamen materiellrechtlichen Änderungen ausdrücklich auf die gefestigte Auslegung des Bandenbegriffs Bezug genommen. Für besonders bedenkenswert hält der Senat das weitere Argument des 1. Strafsenats, daß der
  50. Gesetzgeber im Bereich des strafverfahrensrechtlichen Instrumentariums gewichtige Eingriffe in die Rechtssphäre des Betroffenen vorgesehen hat, die
  51. auch an Bandendelikte anknüpfen. Auch diese eingriffsintensiven, im Gesetzgebungsverfahren nicht unumstrittenen Maßnahmen - wie die Überwachung
  52. der Telekommunikation nach § 100a S. 1 Nr. 2, 3 und 4 StPO, das Abhören mit
  53. technischen Mitteln nach § 100c Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 lit. a, b und c StPO und der
  54. Einsatz verdeckter Ermittler nach § 110a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StPO - haben dem
  55. Gesetzgeber keinen Grund gegeben, den Begriff der Bande restriktiver zu fassen (vgl. Antwortbeschluß des 1. Strafsenats, S. 10). Entgegen der Auffassung
  56. des anfragenden Senats kann auch aus der vom 3. Strafsenat geprägten
  57. Rechtsprechung zur kriminellen Vereinigung (vgl. nur BGHSt 28, 147) nicht
  58. hergeleitet werden, daß eine Bande ebenso wie eine kriminelle Vereinigung
  59. mindestens drei Mitglieder haben müßte. Den zutreffenden Ausführungen des
  60. 1. Strafsenats ist auch insoweit nichts hinzuzufügen (aaO S. 11, 12).
  61. b) Für die vom 4. Strafsenat beabsichtigte Erhöhung der Mindestzahl
  62. von zwei auf drei Bandenmitglieder spricht aber, daß die hinsichtlich der Abgrenzung von Mittäterschaft und Bandentäterschaft problematischen Fälle der
  63. Zweierbande, die noch verstärkt werden, wenn es sich um eheliche Lebensgemeinschaften, Wohngemeinschaften und ähnliche, ursprünglich zu rechtlich
  64. nicht mißbilligten Zwecken eingegangene Gemeinschaften handelt, von vornherein aus dem Anwendungsbereich der Bandendelikte ausgeschieden würden. Diese Abgrenzung fällt bei einer Bande mit mindestens drei Mitgliedern
  65. leichter, da bei wachsender Zahl der Mitglieder die Notwendigkeit einer Struk-
  66. -5-
  67. turierung der Bande und zu Absprachen hinsichtlich der Arbeits- und Erlösteilung steigt. Der Senat teilt die Auffassung des 2. Strafsenats, daß die bisher
  68. von der Rechtsprechung zur Abgrenzung der Mittäterschaft von der Bandentäterschaft entwickelten Kriterien nicht zu größerer Rechtsklarheit, sondern zu
  69. einer - vor allem für den Tatrichter - schwer überschaubaren Kasuistik geführt
  70. haben.
  71. 2. Dagegen neigt der Senat dazu, der beabsichtigten Entscheidung insoweit zuzustimmen, als der 4. Strafsenat über das Urteil des Senats vom
  72. 9. August 2000 - 3 StR 339/99 (zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) - hinausgehend für den Tatbestand des Bandendiebstahls nicht mehr fordern will,
  73. daß mindestens zwei Bandenmitglieder die Tat in zeitlichem und örtlichem Zusammenwirken begehen.
  74. a) Zur Klarstellung wird zunächst auf folgendes hingewiesen:
  75. Der Senat hat mit Urteil vom 9. August 2000 - 3 StR 339/99 - nach Anfrage bei den übrigen Strafsenaten entschieden, daß ein Mitglied einer Bande
  76. auch dann Täter eines Bandendiebstahls sein kann, wenn es nicht am Tatort
  77. an der Ausführung des Bandendiebstahls unmittelbar beteiligt ist. Es reicht
  78. aus, daß der Diebstahl von mindestens zwei weiteren Bandenmitgliedern in
  79. örtlichem und zeitlichem Zusammenwirken begangen wird und dies dem nicht
  80. am Tatort befindlichen Bandenmitglied nach den Grundsätzen der Mittäterschaft zugerechnet werden kann. Diese Rechtsprechungsänderung beruht
  81. darauf, daß das Merkmal "unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds"
  82. ein tatbezogenes, die Tatausführung näher kennzeichnendes Tatbestandsmerkmal ist, das akzessorisch zu behandeln und deshalb nach § 25 Abs. 2
  83. -6-
  84. StGB dem nicht am Tatort agierenden Bandenmitglied zuzurechnen ist. Am
  85. Erfordernis des räumlichen und zeitlichen Zusammenwirkens von mindestens
  86. zwei Bandenmitgliedern am Tatort hat der Senat in dieser Entscheidung (noch)
  87. festgehalten. Er hat damit nicht die Ansicht aufgegeben, daß die besondere
  88. Gefährlichkeit des Bandendiebstahls auch auf der Anwesenheit mindestens
  89. zweier Bandenmitgliedern am Tatort beruhe. Darauf, daß der 4. Strafsenat den
  90. Anfragebeschluß des Senats vom 22. Dezember 1999 (NStZ 2000, 255) insoweit mißverstanden hat, haben bereits der 1. und 2. Strafsenat zutreffend hingewiesen (vgl. auch Engländer JZ 2000, 630, 631 f).
  91. b) In Fortführung des Urteils vom 9. August 2000 - 3 StR 339/99 - neigt
  92. der Senat im Ergebnis aber dazu, zumindest für den Tatbestand des Bandendiebstahls das Handeln eines Bandenmitglieds am Tatort genügen zu lassen,
  93. wenn ein weiteres, nicht am Tatort anwesendes Bandenmitglied bei der Tat
  94. mitwirkt. Hierfür sprechen folgende Erwägungen:
  95. Nach bisheriger gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
  96. wird das Tatbestandsmerkmal des § 244 Abs.1 Nr. 2 StGB "als Mitglied einer
  97. Bande ... unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds stiehlt" dahin ausgelegt, daß mindestens zwei Bandenmitglieder bei der Tatausführung örtlich
  98. und zeitlich, wenn auch nicht notwendig körperlich zusammenwirken, sich mithin am Tatort oder in dessen unmittelbarer Nähe aufhalten müssen. Der Grund
  99. der Strafschärfung des Bandendiebstahls und der Bandendelikte der § 250
  100. Abs. 1 Nr. 2 StGB, § 370 Abs. 2 Nr. 3 AO, § 52a Abs. 2 S. 2 WaffG, § 19
  101. Abs. 2 Nr. 1, § 22a Abs. 2 S. 2 KWKG wird nicht - wie bei den Bandendelikten,
  102. bei denen der Gesetzgeber auf das Mitwirkungserfordernis verzichtet hat - allein in der besonderen Gefährlichkeit der Verbrechensverabredung gesehen.
  103. -7-
  104. Kumulativ wird eine gesteigerte Aktions- oder Ausführungsgefahr verlangt. Neben der Steigerung der Effizienz der Tathandlung soll ein qualifizierendes Element aber auch darin liegen, daß durch die örtlich gemeinsame Tatbegehung
  105. durch mehrere Bandenmitglieder die Durchsetzungsmacht gegenüber potentiellen Tatopfern erhöht werde; das Opfer sehe sich in "geteilter Abwehrkraft
  106. gefährlicher Übermacht" gegenüber; die Verteidigung der bedrohten Rechtsgüter sei infolgedessen erschwert (vgl. Senat in BGHSt 8, 205, 209; Antwortbeschluß des 1. Strafsenats S. 14 f m.w.Nachw.; ähnlich auch der 2. Strafsenat
  107. S. 13). Der zuletzt genannte Gesichtspunkt trifft für den Tatbestand des Bandenraubs nach § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB zu. Die Täter-Opfer-Konfrontation ergibt sich beim Raub zwingend aus der Art der Tatbestandserfüllung. Dagegen
  108. ist für die Erfüllung des Tatbestandes des § 242 StGB eine Konfrontation des
  109. Opfers mit dem Täter oder den Tätern nicht erforderlich.
  110. Es liegt deshalb nahe, daß der Grund der Strafschärfung beim Bandendiebstahl die gesteigerte Gefährdung der von § 242 StGB geschützten Rechtsgüter Eigentum und Gewahrsam ist (Hohmann NStZ 2000, 258). Versteht man
  111. die Ausführungs- und Aktionsgefahr rechtsgutbezogen, genügt dem Mitwirkungserfordernis jedes arbeitsteilige Zusammenwirken, das die Effizienz der
  112. Wegnahme erhöht. Dabei ist - wie der Senat bereits in seinem Anfragebeschluß vom 22. Dezember 1999 (NStZ 2000, 255, 258) dargelegt hat - die vertikale Arbeitsteilung von der Planung der Tat bis zur Verwertung der Beute
  113. letztlich ebenso gefährlich wie die horizontale Arbeitsteilung (Jakobs JR 1985,
  114. 342, 343; Hohmann NStZ 2000, 258 f). Die Effizienz der Wegnahme wird demnach nicht nur dadurch erhöht, daß zwei Bandenmitglieder am Tatort arbeitsteilig zusammenwirken. Sie steigt auch dann, wenn sich ein Team von Spezialisten dergestalt die Arbeit teilt, daß z.B. ein Bandenmitglied den Tatort aus-
  115. -8-
  116. kundschaftet, ein anderes die Transportmittel besorgt, das dritte allein am Tatort die Sache wegnimmt und ein weiteres, nicht in unmittelbarer Tatortnähe
  117. befindliches Bandenmitglied die Sache in Sicherheit bringt.
  118. Ein rechtsgutbezogenes Verständnis der Aktionsgefahr und damit der
  119. Verzicht auf das räumliche und zeitliche Zusammenwirken zweier Bandenmitglieder am Tatort beim Bandendiebstahl ist mit dem Wortlaut des § 244 Abs. 1
  120. Nr. 2 StGB vereinbar, der gerade nicht darauf abstellt, daß ein Bandenmitglied
  121. mit einem anderen am Tatort räumlich und zeitlich zusammenwirkt. Diese Auslegung hat erst die Rechtsprechung dem Merkmal "unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds stiehlt" gegeben. Sie wäre nach Auffassung des Senats
  122. nicht gehindert, diesem Tatbestandsmerkmal eine Auslegung zu geben, die es
  123. ermöglicht, auch andere Formen des Zusammenwirkens von mindestens zwei
  124. Bandenmitgliedern zu erfassen, wenn dieses Zusammenwirken der Wegnahme
  125. der Sache dient und dadurch deren Effizienz steigert.
  126. Rissing-van Saan
  127. Miebach
  128. von Lienen
  129. Winkler
  130. Becker