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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 2 StR 522/05
  4. vom
  5. 30. November 2005
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen Vergewaltigung u. a.
  9. -2-
  10. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 30. November 2005 beschlossen:
  11. 1. Es wird festgestellt, dass die Revision des Angeklagten gegen
  12. das Urteil des Landgerichts Bonn vom 7. Juni 2005 wirksam zurückgenommen worden ist.
  13. 2. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Revision gegen das vorgenannte Urteil werden als unzulässig verworfen.
  14. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seiner Revision zu tragen.
  15. Gründe:
  16. 1. Das Landgericht hat den Angeklagten am 7. Juni 2005 wegen Verge-
  17. 1
  18. waltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch eines Kindes und
  19. wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Kindes
  20. in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil legte der Pflichtverteidiger am 9. Juni 2005
  21. Revision ein. Am 17. Juni 2005 wurde ihm das Urteil zugestellt. Mit Schriftsatz
  22. vom 11. Juli 2005, bei Gericht eingegangen am 13. Juli 2005, nahm der Pflichtverteidiger die Revision zurück. Wie sich aus seinen anwaltlichen Erklärungen
  23. vom 7. September 2005 und vom 28. September 2005 ergibt, hat der Pflichtverteidiger den Angeklagten am 11. Juli 2005 in der Justizvollzugsanstalt
  24. R.
  25. besucht und die möglichen Folgen einer Revision und die Er-
  26. folgsaussichten mit ihm erörtert und der Angeklagte hat einer Rücknahme des
  27. -3-
  28. Rechtsmittels zugestimmt. Weiter heißt es in der Erklärung vom 28. September
  29. 2005 wörtlich: „Der Unterzeichner kann insofern nicht ausschließen, dass in
  30. Folge sprachlicher Probleme, - obwohl der Unterzeichner der englischen Sprache fließend mächtig ist - die Tragweite der Revisionsrücknahme durch Herrn
  31. O.
  32. nicht erkannt wurde. Eine ausdrückliche Zustimmung des Herrn
  33. O.
  34. zur Revisionsrücknahme kann daher nicht uneingeschränkt bestä-
  35. tigt werden, obwohl der Unterzeichner der Meinung war, dass Herr O.
  36. sich dem Vorschlag des Unterzeichners, die Revision zurück zu nehmen, angeschlossen hatte“.
  37. 2
  38. Mit am 22. Juli 2005 beim Landgericht eingegangenem Schreiben teilte
  39. der Angeklagte mit, dass er die Durchführung der Revision wünsche. Dies hat
  40. er in einem weiteren Schreiben, beim Gericht eingegangen am 3. August 2005,
  41. nochmals bekräftigt. Der Pflichtverteidiger hat daraufhin mit Schreiben vom
  42. 28. September 2005 Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt
  43. und erneut Revision eingelegt.
  44. 3
  45. 2. Danach ist eine feststellende Klärung der Wirksamkeit der Revisionsrücknahme durch förmliche Entscheidung des Rechtsmittelgerichts angezeigt
  46. (vgl. BGH NStZ 2001, 104 m.w.N.). Die Rücknahme der Revision durch den
  47. Pflichtverteidiger ist wirksam. Die hierzu gemäß § 302 Abs. 2 StPO erforderliche ausdrückliche Ermächtigung lag zum Zeitpunkt der Rücknahme vor. Für die
  48. Ermächtigung ist eine bestimmte Form nicht vorgeschrieben, so dass sie auch
  49. mündlich erteilt werden kann. Ihr Nachweis kann noch nach Abgabe der Rücknahmeerklärung geführt werden, auch durch anwaltliche Versicherung des Verteidigers.
  50. 4
  51. Aus den Erklärungen des Pflichtverteidigers vom 9. und 28. September
  52. 2005 ergibt sich, dass der Angeklagte ihn wirksam zur Rücknahme ermächtigt
  53. -4-
  54. hat. Seine bei der Besprechung mit dem Pflichtverteidiger mündlich erklärte
  55. Zustimmung reicht hierfür aus. Dass ihn der Pflichtverteidiger insoweit missverstanden haben könnte, ist dessen Erklärung nicht zu entnehmen und liegt angesichts dessen fließender Beherrschung der englischen Sprache auch nicht
  56. nahe. Ein vom Pflichtverteidiger nicht ausgeschlossener möglicher Irrtum des
  57. Angeklagten über die Tragweite einer Revisionsrücknahme führt hingegen nicht
  58. zur Unwirksamkeit der Ermächtigung.
  59. 5
  60. Durch sein am 22. Juli 2005 bei Gericht eingegangenes Schreiben hat
  61. der Angeklagte die Ermächtigung zwar widerrufen. Der Widerruf der Ermächtigung ist jederzeit zulässig und wird schon dann wirksam, wenn ihn der Angeklagte mündlich oder fernmündlich dem Gericht oder seinem Verteidiger gegenüber erklärt. Der Widerruf führt jedoch nur dann zur Unwirksamkeit der
  62. Rücknahmeerklärung, wenn er gegenüber dem Gericht oder dem Verteidiger
  63. erklärt worden ist, bevor die Rücknahmeerklärung bei dem Gericht eingegangen ist (vgl. BGHSt 10, 245, 246; BGH NStZ-RR 2005, 211; NStZ 1983, 469).
  64. Das ist hier nicht der Fall.
  65. 6
  66. Eine Anfechtbarkeit der Ermächtigung wegen des hier allein vorliegenden Motivirrtums des Angeklagten kommt nicht in Betracht. Zwar handelt es
  67. sich bei der Ermächtigung nicht um eine Prozesshandlung, die weder widerrufen noch wegen Irrtums angefochten werden kann. Dennoch kann auch sie im
  68. Interesse der Rechtssicherheit nicht wegen Irrtums angefochten werden (BGHR
  69. StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 8; OLG Düsseldorf MDR 1996,
  70. 1060; Hanack in LR-StPO 25. Aufl. § 302 Rdn. 73; Frisch in SK-StPO § 302
  71. Rdn. 74), jedenfalls dann nicht, wenn der Irrtum nicht auf einer unzulässigen
  72. Willensbeeinflussung beruht.
  73. -5-
  74. 7
  75. Ein Fall, in dem ausnahmsweise die Unwirksamkeit der von dem hierzu
  76. ermächtigten Verteidiger erklärten Rücknahme des Rechtsmittels angenommen
  77. werden könnte (vgl. BGHSt 45, 51, 53; Ruß in KK StPO 5. Aufl. § 302 Rdn. 13
  78. und 15), liegt ersichtlich nicht vor. In seinem am 3. August 2005 bei Gericht eingegangenen Schreiben trägt der Angeklagte zwar im Einzelnen vor, weshalb er
  79. sich nicht fair behandelt fühlt. Diese Umstände betreffen jedoch Vorgänge vor
  80. Erlass des Urteils und die Höhe der erkannten Strafe, nicht aber seine Zustimmung zur Rücknahme des Rechtsmittels. Sie belegen daher nur, dass der Angeklagte anderen Sinnes geworden ist, nicht aber, dass bei der Erteilung der
  81. Ermächtigung Willensmängel vorgelegen haben. Willensmängel, insbesondere
  82. Irrtümer im Beweggrund, führen ohnehin nur dann zur Unwirksamkeit der Ermächtigung oder der Revisionsrücknahme, wenn sie auf einer unzulässigen
  83. Willensbeeinflussung beruhen (vgl. BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 8). Hierfür ergeben sich aus den Schreiben des Angeklagten und
  84. seines Verteidigers erst recht keine Anhaltspunkte.
  85. 8
  86. 3. Die vom Verteidiger erneut eingelegte Revision und der Antrag auf
  87. Wiedereinsetzung sind unzulässig. Die Rücknahmeerklärung enthält regelmäßig den Verzicht auf die Wiederholung des Rechtsmittels (vgl. BGHSt 10, 245,
  88. 247; BGH NStZ-RR 2005, 211; BGH NJW 1984, 1974, 1975; NStZ 1984, 181;
  89. BGHR StPO § 302 Abs. 2 Rücknahme 2 und 7 jeweils m.w.N.). Zudem war
  90. -6-
  91. die zurückgenommene Revision zunächst form- und fristgerecht eingelegt worden. Ist aber keine Frist im Sinne des § 44 StPO versäumt, ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen.
  92. Rissing-van Saan
  93. Otten
  94. Roggenbuck
  95. Rothfuß
  96. Appl