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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 2 StR 442/12
  4. vom
  5. 11. April 2013
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen Mordes u.a.
  9. -2-
  10. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 11. April 2013 gemäß
  11. § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
  12. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
  13. Frankfurt am Main vom 19. März 2012 im Ausspruch über die
  14. Unterbringung in einer Entziehungsanstalt mit den zugehörigen
  15. Feststellungen aufgehoben.
  16. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung
  17. an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts, auch
  18. über die Kosten des Rechtsmittels, zurückverwiesen.
  19. Die weitergehende Revision wird verworfen.
  20. Gründe:
  21. 1
  22. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit
  23. Raub mit Todesfolge zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und seine
  24. Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet.
  25. 2
  26. Schuld- und Strafausspruch weisen keine Rechtsfehler zum Nachteil des
  27. Angeklagten auf. Die Verfahrensrügen, die sich mit den Anträgen der Verteidigung beschäftigen, das Fehlen einer (weiteren) Röntgenuntersuchung an dem
  28. Tatopfer zu beweisen, sind jedenfalls unbegründet. Bei dem Geschehen, das
  29. letztlich zum Tod des Geschädigten führte, handelte es sich, wie das Land-
  30. -3-
  31. gericht rechtsfehlerfrei dargelegt hat, um eine im Rahmen des Erwartbaren
  32. liegende, aber stets spontan auftretende Komplikation nach Intubierung älterer
  33. Patienten. Eine prophylaktische Behandlung ist nicht möglich; eine Röntgendiagnostik könnte den Eintritt der Komplikation weder verhindern noch vorab
  34. anzeigen. Der Tod des 89jährigen Geschädigten in der Folge der erforderlichen
  35. Operation stellt keine erhebliche Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf dar und war dem Angeklagten daher zuzurechnen.
  36. 3
  37. Der Maßregelausspruch kann nicht bestehen bleiben. Das Landgericht
  38. hat zur Prognose im Sinne von § 64 StGB ausgeführt, die Behandlung sei
  39. "nicht völlig aussichtslos", auch der Sachverständige Dr. B.
  40. habe darauf
  41. hingewiesen, "dass von einer Aussichtslosigkeit nicht gesprochen werden könne".
  42. 4
  43. Das ist rechtsfehlerhaft. Bereits im Jahr 1994 hat das Bundesverfassungsgericht die damalige Regelung des § 64 Abs. 1 aF StGB für verfassungswidrig erklärt (BVerfGE 91, 1). In einer großen Vielzahl von Entscheidungen haben danach alle Strafsenate des Bundesgerichtshofs immer wieder
  44. Urteile aufgehoben, die auf einer Anwendung des verfassungswidrigen Kriteriums der "Aussichtslosigkeit" beruhten. Bei der ab 20. Juli 2007 geltenden Neufassung des § 64 StGB hat der Gesetzgeber auch den Wortlaut des § 64
  45. Satz 2 StGB angepasst und klargestellt, dass es einer "hinreichend konkreten
  46. Erfolgsaussicht" bedarf; dies ist mit dem Fehlen von "Aussichtslosigkeit" ersichtlich nicht gleichbedeutend. Wenn Tatgerichte beinahe 20 Jahre nach der
  47. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und mehr als fünf Jahre nach
  48. der Gesetzesänderung immer noch auf das vom Bundesgerichtshof vielfach
  49. bemängelte verfassungswidrige Kriterium abstellen, mag das auch darauf beruhen, dass fehlerhafte, ihrerseits uninformierte Sachverständigengutachten
  50. kritiklos übernommen werden. Dies zeigt zunächst - jedenfalls hier - eine die
  51. -4-
  52. Sachkunde in Frage stellende Unkenntnis des Sachverständigen von den normativen Grundlagen seines Gutachtensauftrags. Verantwortlich ist aber in jedem Fall das Gericht, das den Sachverständigen anzuleiten und Fehler seines
  53. Gutachtens kritisch zu hinterfragen hat.
  54. 5
  55. Vorliegend lässt sich auch aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe
  56. nicht entnehmen, dass das Landgericht inhaltlich den richtigen Prognosemaßstab angewendet hat. Über die Maßregelanordnung ist daher neu zu entscheiden.
  57. Becker
  58. Fischer
  59. Schmitt
  60. Appl
  61. Krehl