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  1. Nachschlagewerk:
  2. ja
  3. BGHSt:
  4. nein
  5. Veröffentlichung:
  6. ja
  7. StPO §§ 100 a, 100 b Abs. 1, Abs. 5, 100 c Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 100 d Abs. 1
  8. 1. Die Verwertung eines vom Beschuldigten mit Dritten in einem Kraftfahrzeug geführten Raumgesprächs kann auf eine schon bestehende, rechtsfehlerfrei ergangene Anordnung nach § 100 a StPO gestützt werden, wenn der Beschuldigte eine
  9. zuvor von ihm selbst hergestellte Telekommunikationsverbindung beenden wollte,
  10. diese jedoch aufgrund eines Bedienungsfehlers fortbesteht.
  11. 2. Ob § 100 a StPO in diesem Fall auch gegenüber einem am Raumgespräch beteiligten Dritten eine hinreichende Eingriffsgrundlage bietet, kann offen bleiben,
  12. wenn die Aufzeichnung jedenfalls auf eine Eilanordnung nach §§ 100 c Abs. 1
  13. Nr. 2, 100 d Abs. 1 StPO hätte gestützt werden können und die Abwägung im
  14. Einzelfall ergibt, daß die Persönlichkeitsinteressen des Betroffenen gegenüber
  15. dem staatlichen Interesse an der Verfolgung einer Katalogtat nach § 100 a Abs. 1
  16. StPO zurücktreten.
  17. BGH, Urteil vom 14. März 2003 - 2 StR 341/02 - Landgericht Köln
  18. BUNDESGERICHTSHOF
  19. -2-
  20. IM NAMEN DES VOLKES
  21. URTEIL
  22. 2 StR 341/02
  23. vom
  24. 14. März 2003
  25. in der Strafsache
  26. gegen
  27. 1.
  28. 2.
  29. wegen Verabredung eines schweren Raubes u. a.
  30. -3-
  31. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
  32. 12. März 2003 in der Sitzung vom 14. März 2003, an denen teilgenommen haben:
  33. Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
  34. Dr. Rissing-van Saan,
  35. die Richterin am Bundesgerichtshof
  36. Dr. Otten,
  37. die Richter am Bundesgerichtshof
  38. Rothfuß,
  39. Prof. Dr. Fischer,
  40. die Richterin am Bundesgerichtshof
  41. Roggenbuck,
  42. Staatsanwalt
  43. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  44. Rechtsanwältin
  45. für den Angeklagten
  46. - in der Verhandlung -
  47. Rechtsanwältin
  48. für den Angeklagten
  49. - in der Verhandlung -
  50. als Verteidigerinnen,
  51. Justizangestellte
  52. - in der Verhandlung -
  53. Justizhauptsekretärin
  54. - bei der Verkündung -
  55. als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
  56. für Recht erkannt:
  57. -4-
  58. 1. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 6. Februar 2002 werden verworfen.
  59. 2. Die Angeklagten haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
  60. Von Rechts wegen
  61. Gründe:
  62. Das Landgericht hat den Angeklagten O.
  63. wegen Verabredung zu in
  64. Tateinheit stehenden Verbrechen des schweren Raubs und der schweren räuberischen Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren, den Angeklagten Y.
  65. wegen Verabredung zu in Tateinheit stehenden Verbrechen des
  66. schweren Raubs und der schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit
  67. "einem Verstoß gegen das Waffengesetz" (gemeint: Führen einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe) zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.
  68. Die von den Angeklagten hiergegen eingelegten, auf Verfahrensrügen und die
  69. Sachrüge gestützten Revisionen haben keinen Erfolg.
  70. 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts verabredeten die Angeklagten sowie ein weiterer, nicht näher identifizierter Mittäter mit dem Namen
  71. oder Spitznamen "H. " spätestens in der Nacht vom 20./21. März 2001, gemeinsam unter Verwendung zweier einsatzbereiter, geladener Schußwaffen
  72. sowie weiterer gefährlicher Werkzeuge ein türkisches Vereinslokal in H.
  73. zu
  74. überfallen, in welchem zu diesem Zeitpunkt ein illegales Würfelspiel mit besonders hohen Einsätzen (eine sogenannte "Eröffnung") stattfinden sollte. Un-
  75. -5-
  76. ter Einsatz der mitgeführten Waffen sollte das auf dem Spieltisch liegende
  77. Geld weggenommen und sollten die Spieler zur Herausgabe weiteren mitgeführten Bargelds gezwungen werden.
  78. Die Angeklagten begaben sich unter Mitführung der Waffen und von
  79. Gegenständen zur Maskierung gegen 3.20 Uhr zu dem Lokal; in Sichtweite der
  80. Eingangstür warteten sie im Pkw des Angeklagten Y.
  81. auf einen günstigen
  82. Tatzeitpunkt. Als ihnen ein im Lokal anwesender Vertrauensmann des Angeklagten Y.
  83. gegen 3.50 Uhr telefonisch mitteilte, das Spiel sei abgebrochen
  84. worden, und als die Spieler das Lokal verließen, entfernten sich die Angeklagten und "H.
  85. ", weil sie erkannt hatten, daß die Durchführung des Tatvorha-
  86. bens unmöglich geworden war.
  87. 2. Die vom Angeklagten Y.
  88. erhobenen Verfahrensrügen eines Ver-
  89. stoßes gegen § 261 StPO und gegen § 265 StPO sind aus den vom Generalbundesanwalt ausgeführten Gründen unbegründet.
  90. 3. Die von beiden Angeklagten erhobene Rüge eines Verstoßes gegen
  91. das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch Verwertung eines von der Polizei
  92. abgehörten "Hintergrundgesprächs" greift nicht durch.
  93. a) Gegen den Angeklagten Y.
  94. war durch ermittlungsrichterlichen
  95. Beschluß vom 9. Februar 2001 wegen des Verdachts des bandenmäßigen
  96. Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 30 a BtMG) gemäß § 100 a Satz 1
  97. Nr. 4, § 100 b Abs. 1 Satz 1 StPO die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation mit einem von ihm regelmäßig benutzten Mobiltelefon für die
  98. Dauer von drei Monaten angeordnet worden. Seine Überzeugung von der abgeurteilten Verbrechensverabredung der Angeklagten hat das Landgericht unter anderem auf die Verwertung einer Aufzeichnung gestützt, die aufgrund ei-
  99. -6-
  100. nes Bedienungsfehlers des Angeklagten Y.
  101. zustande kam: Dieser rief von
  102. seinem Pkw aus mit Wissen der beiden anderen Fahrzeuginsassen um
  103. 3.23 Uhr den in dem Lokal anwesenden Vertrauensmann K. an, der das Gespräch aber nicht annahm, so daß sich die Mailbox seines Anschlusses einschaltete und die übliche Ansage erfolgte, der Anrufer könne eine Nachricht
  104. zur Aufzeichnung hinterlassen. Dies wollte der Angeklagte Y.
  105. nicht; er
  106. schloß daher die Tastaturklappe seines Mobiltelefons, um die Verbindung zu
  107. beenden, unterließ es aber aus Versehen, zuvor die Taste zur Gesprächstrennung zu drücken. Daher wurde für die Dauer von sieben Minuten bis zum automatischen Ende der Mailbox-Aufzeichnung das in dem Fahrzeug geführte
  108. Gespräch der Angeklagten und des "H. " übertragen und von der Polizei aufgezeichnet; die gleichzeitige Aufzeichnung auf der Mailbox des K. wurde später automatisch gelöscht. Nach den Feststellungen des Landgerichts ergaben
  109. sich aus dem in dem Pkw zwischen den Beteiligten geführten Gespräch, dessen Aufzeichnung in der Hauptverhandlung abgespielt und übersetzt wurde,
  110. gravierende Indizien für die Schuld der Angeklagten.
  111. b) Das Landgericht hat - gegen den Widerspruch der Verteidiger in der
  112. Hauptverhandlung - den Inhalt der Gesprächsaufzeichnung während der Dauer
  113. der Mailbox-Aufnahme als verwertbar angesehen und dies auf § 100 a StPO
  114. gestützt. Es ist dabei davon ausgegangen, daß die von der Herstellung der
  115. Verbindung bis zu deren Beendigung übermittelten Inhalte unabhängig von
  116. einer Zweckbestimmung durch den Angeklagten Y.
  117. dem Begriff der Te-
  118. lekommunikation im Sinne des § 85 Abs. 1 Satz 2 TKG unterfielen und daß die
  119. Übertragung daher als Nachrichtenübermittlungsvorgang dem Anwendungsbereich des § 100 a StPO unterfiel (UA S. 49 f.). Ein unverwertbares Raumgespräch im Sinne der Senatsentscheidung BGHSt 31, 296 habe nicht vorgelegen, da der Angeklagte Y.
  120. willentlich die Verbindung zur Mailbox des K.
  121. -7-
  122. hergestellt habe; es komme nicht darauf an, aus welchen Gründen er eine ordnungsgemäße Beendigung unterließ. Der Gesprächsinhalt sei daher, da er sich
  123. gleichfalls auf eine Katalogtat im Sinne des § 100 a StPO bezog, ein gemäß
  124. § 100 b Abs. 5 StPO verwertbarer Zufallsfund.
  125. Die Revisionen treten der Zuordnung der Übertragung zum Bereich der
  126. § 100 a StPO unterfallenden Telekommunikation entgegen; nach ihrer Auffassung lag, da ein willentlicher Kommunikationsvorgang nicht gegeben war, im
  127. Ergebnis ein Einsatz des Mobiltelefons als Abhörgerät vor, welcher von der
  128. Anordnung nach §§ 100 a, 100 b StPO nicht gedeckt war. Eine hypothetische
  129. Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs durch § 100 c StPO scheide schon
  130. deshalb aus, weil § 100 c Abs. 1 Nr. 2 StPO eine bereits begangene Straftat
  131. voraussetze; hier sei aber die geplante Tat nicht einmal versucht worden. Es
  132. habe sich bei der Aufzeichnung daher um einen nicht gerechtfertigten Eingriff
  133. in die grundrechtlich geschützte Privatsphäre gehandelt, der wie im Fall BGHSt
  134. 31, 296 zur Unverwertbarkeit der Aufzeichnung führen müsse.
  135. Der Generalbundesanwalt hat die Ansicht vertreten, die nur versehentliche Übermittlung des Gesprächs stehe ihrer Einordnung als Telekommunikation im Sinne des § 100 a StPO nicht entgegen. Selbst wenn dies der Fall
  136. wäre, so sei eine Verwertung hier jedenfalls nach den zum sogenannten hypothetischen Ersatzeingriff entwickelten Grundsätzen (vgl. BGHSt 34, 39, 53;
  137. BGH NStZ 1997, 294, 295; Gössel, LR 25. Aufl. Einleitung Abschnitt K
  138. Rdn. 101; Jähnke, Odersky-FS 1996 S. 427, 433) zulässig gewesen.
  139. c) Gegen die Verwertung bestehen im Ergebnis keine durchgreifenden
  140. Bedenken.
  141. -8-
  142. aa) Die Übertragung des Gesprächs unterfiel dem Begriff der Telekommunikation im Sinne von § 100 a StPO. Von dem dort früher verwendeten Begriff des "Fernmeldeverkehrs", der der Senatsentscheidung BGHSt 31, 296
  143. zugrunde lag, unterscheidet sich dieser durch Art. 2 Abs. 9 Nr. 2 des Begleitgesetzes zum Telekommunikationsgesetz (BGBl 1997 I S. 3108) eingeführte
  144. Begriff namentlich dadurch, daß er die Vorgänge des Aussendens, Übermittelns und Empfangens von Nachrichten jeglicher Art, also grundsätzlich den
  145. gesamten Datenverkehr mittels Telekommunikationsanlagen umfaßt (vgl. dazu
  146. Bär CR 1993, 578, 582; CR 1998, 434, 435). Er ist insoweit inhaltsgleich mit
  147. der Legaldefinition des § 3 Nr. 16 TKG.
  148. Hieraus ergibt sich freilich nicht schon ohne weiteres - wie das Landgericht wohl angenommen hat -, daß jeder technische Vorgang des Aussendens,
  149. Übermittelns oder Empfangens von analog oder digital codierten Daten dem
  150. Eingriffsbereich des § 100 a StPO unterfällt. Dieser umfaßt vielmehr, wie auch
  151. die zur Einfügung des § 100 c durch Gesetz vom 15.7.1992 (BGBl I S. 1302)
  152. führende Diskussion zeigt, nur die mit dem Versenden und Empfangen von
  153. Nachrichten mittels Telekommunikationsanlagen in Zusammenhang stehenden
  154. Vorgänge. Voraussetzung für eine der Überwachung nach § 100 a StPO unterfallende Telekommunikation ist daher, daß sich eine Person einer Telekommunikationsanlage bedient, d. h. Kommunikation mittels einer solchen Anlage
  155. vornimmt (vgl. auch BGHSt 31, 296, 297). Dabei sind nicht nur unmittelbare
  156. "Nachrichten"-Inhalte, sondern auch alle sonstigen mit Aussenden, Übermitteln
  157. oder Empfangen verbundenen Vorgänge umfaßt. Voraussetzung des Vorliegens von Telekommunikation in diesem Sinne ist nicht, daß sich der Vorgang
  158. im konkreten Fall mit aktuellem Willen oder Wissen der betroffenen Person
  159. vollzieht. Das ist bei den Vorgängen des Empfangens (z. B. bei auf Anrufbeantworter gesprochenen mündlichen Nachrichten oder bei in einer Mailbox ein-
  160. -9-
  161. gehenden E-Mail-Schreiben) offensichtlich, gilt aber grundsätzlich auch für das
  162. Versenden von Nachrichten. So sind etwa von einem Funktelefon an die
  163. nächstgelegene Funkzelle eines Mobilnetzes übermittelte Standortdaten auch
  164. dann Gegenstand von Telekommunikation, wenn der Benutzer des aussendenden Endgeräts im Einzelfall kein aktuelles Bewußtsein von dem Vorgang
  165. hat; dasselbe gilt bei automatisierten Übertragungen. Telekommunikation im
  166. Sinne von § 100 a Abs. 1 StPO liegt jedenfalls dann vor, wenn der von einer
  167. Überwachungsanordnung Betroffene ein von ihm benutztes Mobiltelefon zum
  168. Aussenden von Nachrichten in Betrieb setzt oder wenn eine betriebsbereit gehaltene Telekommunikationsanlage Nachrichten Dritter empfängt.
  169. Daher handelte es sich hier jedenfalls in der Zeitspanne, in welcher zwischen dem vom Angeklagten Y. benutzten Mobiltelefon und der Mailbox des K.
  170. eine Verbindung bestand, um eine Telekommunikationsverbindung im Sinne
  171. des § 100 a StPO. Es ist anerkannt, daß Überwachungsmaßnahmen nach
  172. § 100 a StPO auch die Übermittlung von Nachrichten zu der Mailbox eines Anschlusses erfassen, die von dem Inhaber der Mailbox - wenn auch zeitverzögert - abgerufen werden können (Nack in KK-StPO 4. Aufl. § 100 a Rdn. 7
  173. m.w.N.; Gercke StraFo 2003, 76, 77; BGH - Ermittlungsrichter - NJW 1997,
  174. 1934 f.).
  175. Auf den Inhalt übermittelter Nachrichten kommt es hierbei nicht an. Liegt
  176. eine Anordnung der Überwachung gemäß §§ 100 a, 100 b StPO vor, so ist für
  177. die mit der Überwachung beauftragte Stelle der Inhalt der Telekommunikation
  178. regelmäßig nicht vorhersehbar und in der Regel nicht erkennbar, ob die Nachrichtenübermittlung willentlich, unbeabsichtigt oder gar gegen den Willen des
  179. Betroffenen vorgenommen wird. Am Charakter der Übertragung als Telekommunikation ändert sich nichts, wenn nach Herstellung einer vom Betroffenen
  180. - 10 -
  181. willentlich oder irrtümlich - etwa durch Falschwahl - hergestellten Telefonverbindung sich die angerufene Person nicht meldet, ein automatisches Aufzeichnungsgerät (Anrufbeantworter, Mailbox) in Gang gesetzt wird oder etwa ohne
  182. Wissen des Anrufenden eine Weiterschaltung erfolgt. Dasselbe gilt für den
  183. Umstand, ob der Anrufende nach Herstellung der Verbindung tatsächlich
  184. mündliche Nachrichten übermittelt oder etwa schweigt. Auch die Frage, ob über eine Telefonverbindung übertragene Nachrichten und Gesprächsinhalte
  185. unmittelbar zur Kenntnisnahme durch die angerufene Person bestimmt sind, ob
  186. es sich um "Hintergrundgespräche", also etwa Rückfragen des Anrufenden bei
  187. anderen anwesenden Personen, oder um sogenannte Raumgespräche, das
  188. heißt Gespräche zwischen Anwesenden ohne Beteiligung an dem Telefongespräch handelt, ist für den Charakter der Übertragung selbst als Telekommunikationsvorgang zunächst ohne Bedeutung.
  189. So hätte etwa hier, wenn Polizeibeamte das vom Mobiltelefon des Angeklagten Y.
  190. ausgehende Gespräch unmittelbar mitgehört hätten, kein Anlaß
  191. bestanden, die Aufzeichnung allein wegen des Schweigens des Angeklagten
  192. auf die Bereitschaftsansage des Mailbox-Automaten abzubrechen. Der Wille
  193. des Angeklagten, die Verbindung zu beenden, war nach außen nicht erkennbar. Das - überdies fremdsprachige - Raumgespräch mit den weiteren anwesenden Personen konnte ohne weiteres etwa der Klärung der Frage dienen, ob
  194. und gegebenenfalls welche Nachricht auf den Mailbox-Speicher gesprochen
  195. werden sollte; es stand dem Angeklagten frei, zu beliebiger Zeit während des
  196. Laufs der Mailbox-Aufzeichnung Nachrichten aufzusprechen.
  197. Etwas anderes würde namentlich dann gelten, wenn die Telekommunikationsanlage von vornherein zielgerichtet ohne oder gegen den Willen des
  198. Betroffenen in Betrieb genommen worden wäre und daher allein die Funktion
  199. - 11 -
  200. einer "Abhöranlage" im Sinne von § 100 c StPO gehabt hätte, denn hierdurch
  201. würde sich die Richtung des Grundrechtseingriffs ändern (vgl. auch BGHSt 34,
  202. 39, 43, 50). So lag es hier indes nicht. Die Verwertbarkeit von Inhalten der Telekommunikation folgt, soweit wie hier eine rechtsfehlerfreie Überwachungsanordnung vorliegt, grundsätzlich ohne Weiteres aus § 100 a StPO. Das gilt nach
  203. Ansicht des Senats auch für den Inhalt eines Raumgesprächs, das nach willentlicher Herstellung einer Telekommunikationsverbindung durch die Zielperson einer Überwachungsanordnung aus deren Sicht versehentlich übertragen
  204. wird. Zu dem in BGHSt 31, 296 entschiedenen Fall besteht insoweit ein Unterschied, als dort weder die Verbindung mit dem Anschluß eines Dritten durch
  205. den Betroffenen selbst hergestellt noch ihre versehentliche Aufrechterhaltung
  206. durch ihn verursacht wurde. Durchgreifende Gesichtspunkte, welche in jenem
  207. Fall für die Annahme eines Verwertungsverbots sprachen, wie der Umstand,
  208. daß dort die abgehörte Unterhaltung zwischen Eheleuten in der ehelichen
  209. Wohnung geführt wurde und deshalb der unantastbare Bereich privater Lebensgestaltung tangiert war, liegen hier nicht vor.
  210. bb) Ob dies, namentlich unter dem Gesichtspunkt eines Zufallsfundes,
  211. ohne Weiteres auch für die Verwertbarkeit hinsichtlich des Angeklagten O.
  212. gilt, kann im Ergebnis offen bleiben. Selbst wenn die Überwachung und Aufzeichnung des Raumgesprächs durch die Anordnung nach §§ 100 a, 100 b
  213. StPO nicht gedeckt war, ergäbe sich hieraus nicht ohne weiteres ein Beweisverwertungsverbot (vgl. BVerfG NJW 2000, 3357; BGHSt 31, 304, 308; 34, 39,
  214. 52; 37, 30, 32; 38, 214, 219; 44, 243). Ob ein solches eintritt, bestimmt sich
  215. nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch Abwägung des staatlichen Interesses an der Aufklärung und Verfolgung von Straftaten gegen das
  216. individuelle Interesse des Bürgers an der Bewahrung seiner Rechtsgüter (vgl.
  217. dazu Meyer-Goßner StPO 46. Aufl. Einleitung Rdn. 55, 56 b m.w.N.), hier am
  218. - 12 -
  219. Schutz der grundrechtlich geschützten Privatsphäre und des nichtöffentlich
  220. gesprochenen Wortes gegen heimliche Eingriffe von außen.
  221. Diese Abwägung ergibt hier kein Überwiegen schutzwürdiger Belange
  222. des Persönlichkeitsrechts der Angeklagten. Das aufgezeichnete Gespräch
  223. hatte die Planung eines schweren Verbrechens zum Gegenstand. Anders als in
  224. dem in BGHSt 31, 296 entschiedenen Fall war es weder örtlich noch nach dem
  225. Kreis seiner Teilnehmer einem engen, als höchstpersönlich zu bezeichnenden
  226. Lebenskreis zuzuordnen, welcher eine besonders hohe Eingriffsschwelle für
  227. staatliche Eingriffe erfordert. Zu berücksichtigen ist überdies die in der Schaffung des § 100 c Abs. 1 Nr. 2 StPO durch Gesetz vom 15. Juli 1992 (BGBl I
  228. 1302) zum Ausdruck gekommene gesetzgeberische Wertung. Danach kann
  229. das nichtöffentlich außerhalb einer Wohnung gesprochene Wort abgehört und
  230. aufgezeichnet werden, um eine in dem Tatbestandskatalog des § 100 a StPO
  231. aufgeführte schwere Straftat aufzuklären. Die Voraussetzungen für eine Anordnung nach § 100 c Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 StPO lagen hier vor; sie hätte, worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat, im Fall unmittelbaren Mithörens des Gesprächs gemäß § 100 d Abs. 1 auch durch Polizeibeamte als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft angeordnet werden können.
  232. Der Einwand der Revisionen, es habe keine im Sinne des § 100 c Abs. 1 Nr. 2
  233. StPO "begangene" Straftat vorgelegen, geht insoweit schon deshalb fehl, weil
  234. nach den Feststellungen des Landgerichts die den Verbrechenstatbestand begründende Verabredung zwischen den Angeklagten schon vor der Fahrt zum
  235. geplanten Tatort getroffen wurde (UA S. 22 f.); darauf, daß die verabredete Tat
  236. später nicht versucht oder vollendet wurde, kommt es nicht an, da die Angeklagten von der Durchführung nicht freiwillig absahen.
  237. - 13 -
  238. Diese Gesichtspunkte ergeben hier ein eindeutiges Überwiegen des
  239. staatlichen Aufklärungsinteresses gegenüber dem Persönlichkeitsrecht der
  240. Angeklagten; mit dem in BGHSt 31, 296 ff. entschiedenen Fall ist die vorliegende Fallgestaltung nicht vergleichbar.
  241. 4. Die auf die Sachrüge gestützten Einwendungen der Revision des Angeklagten O.
  242. gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts haben keinen
  243. Erfolg. Sie erschöpfen sich im wesentlichen darin, den Beweiswert einzelner
  244. vom Landgericht erörterter Indizien in Frage zu stellen oder diese abweichend
  245. zu werten. Der Tatrichter hat seine Überzeugung von der Mittäterschaft des
  246. Angeklagten O.
  247. jedoch nicht auf eine isolierte Betrachtung einzelner - im
  248. übrigen rechtsfehlerfrei gewerteter - Beweisanzeichen, sondern auf eine Gesamtwürdigung aller Indizien gestützt, welche einen Rechtsfehler nicht erkennen läßt. Die vom Landgericht gezogenen Schlüsse sind möglich und jedenfalls
  249. nicht fernliegend; zwingend müssen sie nicht sein (BGHSt 29, 18, 20). Die
  250. Würdigung des widersprüchlichen Aussageverhaltens des Angeklagten durch
  251. das Landgericht begegnet im Ergebnis aus den vom Generalbundesanwalt
  252. dargelegten Gründen keinen rechtlichen Bedenken.
  253. Auch im übrigen hat die Überprüfung des Urteils in sachlich-rechtlicher
  254. Hinsicht einen Rechtsfehler zu Lasten der Angeklagten weder im Schuldspruch
  255. noch im Strafausspruch ergeben.
  256. Rissing-van Saan
  257. Otten
  258. Fischer
  259. Rothfuß
  260. Roggenbuck