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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. 1 StR 380/01
  4. URTEIL
  5. vom
  6. 23. Oktober 2001
  7. in der Strafsache
  8. gegen
  9. wegen sexueller Nötigung u.a.
  10. -2-
  11. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
  12. 23. Oktober 2001, an der teilgenommen haben:
  13. Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
  14. Dr. Schäfer
  15. und die Richter am Bundesgerichtshof
  16. Dr. Wahl,
  17. Dr. Boetticher,
  18. Schluckebier,
  19. Dr. Kolz,
  20. Staatsanwalt
  21. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  22. Rechtsanwalt
  23. als Verteidiger,
  24. Justizangestellte
  25. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  26. für Recht erkannt:
  27. -3-
  28. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
  29. Augsburg vom 30. April 2001 wird verworfen.
  30. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
  31. Von Rechts wegen
  32. Gründe:
  33. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei
  34. Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, die auf
  35. die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützt ist, hat keinen Erfolg.
  36. 1. Nach den Feststellungen suchte die 34jährige
  37. B.
  38. - die
  39. spätere Geschädigte - am Abend des 2. September 2000 in einer Augsburger
  40. Wohnanlage, in der sich ihre Wohnung ebenso wie die des Angeklagten befand, das nur für die Bewohner der Anlage zugängliche Schwimmbad auf. Als
  41. sie nach dem Schwimmen in der Damenumkleidekabine ihren Bikini ausgezogen hatte und sich ankleiden wollte, stürmte der Angeklagte - unbekleidet bis
  42. auf eine über den Kopf gezogene Maske - in die Umkleidekabine, wobei er mit
  43. einer Hand an seinem erigierten Glied onanierte. Er packte die erschrockene
  44. und schreiende Frau B.
  45. von vorn und griff sie im Unterleibsbereich und
  46. am Gesäß ab. Sodann zwang er sie durch Ziehen an den Ohrringen auf den
  47. -4-
  48. Boden, wo sie zum Liegen kam. Er wirkte so heftig auf ihren Kopf ein, daß sie
  49. im Stirnbereich von der mit einem Rautenmuster versehenen Bodenmatte gitterförmige Hautverletzungen, Hämatome und eine blutunterlaufene Schwellung
  50. erlitt. Nach einigen Minuten ließ der Angeklagte plötzlich von der weiter um
  51. Hilfe schreienden
  52. B.
  53. ab und verließ die Damenumkleidekabine.
  54. 2. Die Verfahrensrüge ist unbegründet. Der Beschwerdeführer macht mit
  55. der Aufklärungsrüge gemäß § 244 Abs. 2 StPO geltend, das Landgericht hätte
  56. durch Zuziehung eines Sachverständigen feststellen müssen, daß der Angeklagte wegen einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung am rechten Ellenbogengelenk nicht in der Lage gewesen sei, die ihm vorgeworfenen Tathandlungen auszuführen. Es bedurfte jedoch zum einen für das Ziehen an den
  57. Ohrringen, mit dem der Angeklagte die Geschädigte zu Boden zwang, ersichtlich keiner größeren Kraftentfaltung. Zum anderen hat das Landgericht hinsichtlich der anschließenden Gewalteinwirkung auf den Kopf der Geschädigten
  58. seine Auffassung, an der Täterschaft des Angeklagten bestünden keine vernünftigen Zweifel, ausdrücklich damit begründet, "daß die Verletzungen der
  59. Zeugin B.
  60. möglicherweise nicht mit dem rechten, sondern mit dem linken
  61. Arm zuwege gebracht wurden und sich der Täter ... in einem sexuellen Erregungszustand befand, der möglicherweise auftretende Schmerzimpulse beeinflußt haben kann". Stellt man zudem in Rechnung, daß der Angeklagte nach
  62. den getroffenen Feststellungen im September 2000 als Spüler arbeitete und
  63. dabei u.a. auch schwere Töpfe zu spülen hatte, mußte sich die Kammer nicht
  64. zu einer weiteren Beweiserhebung gedrängt sehen.
  65. 3. Auch die Sachrüge hat keinen Erfolg, insbesondere ist die tatrichterliche Beweiswürdigung rechtlich nicht zu beanstanden.
  66. -5-
  67. Allein dem Tatrichter ist die Aufgabe übertragen, ohne Bindung an Beweisregeln eigenverantwortlich zu prüfen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Geschehen überzeugen kann. Beachtet er dabei die ihm gezogenen Grenzen, so hat das Revisionsgericht die so
  68. gewonnene Überzeugung hinzunehmen (vgl. Engelhardt in KK 4. Aufl. § 261
  69. Rdn. 51 m.w.Nachw.). Auch die Revisionsbegründung zeigt nicht auf, daß die
  70. Beweiswürdigung rechtlich fehlerhaft, insbesondere widersprüchlich, unklar
  71. oder nicht erschöpfend ist oder gegen gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (vgl. Engelhardt aaO).
  72. Die Strafkammer zieht für ihre Überzeugung von der Täterschaft des
  73. Angeklagten insbesondere folgende Indizien heran: Die Zeugin B.
  74. habe
  75. den bei der Tat maskierten Angeklagten zwar nicht identifizieren können, jedoch eine passende Personenbeschreibung gegeben. Von den beiden Schülerinnen
  76. H.
  77. und
  78. T.
  79. , die am 15. September 2000 im
  80. Schwimmbad ebenfalls einen nackten Mann mit Maske gesehen hatten, habe
  81. letztere den Angeklagten erkannt, insbesondere weil sie den Mann zuvor
  82. schon ohne Maske nackt schwimmen gesehen hätte. Vor allem aber belaste
  83. den Angeklagten, daß er - wie er selbst einräumt - diejenige Person ist, die in
  84. Videoaufnahmen einer aufgrund der bisherigen Vorfälle Ende September 2000
  85. installierten Überwachungskamera im Schwimmbad zu sehen ist. Der Angeklagte wurde dabei u.a. von der Kamera aufgenommen, als er nackt und maskiert das Innere des Schwimmbads beobachtete, sich mehrfach der Damenumkleidekabine näherte, durch das nicht verschlossene Schlüsselloch dieser Kabine schaute und Masturbationsbewegungen machte. Im übrigen sei das Alibi
  86. des Angeklagten für den Vorfall vom 15. September 2000 widerlegt und das
  87. Alibi für den Tatzeitpunkt jedenfalls nicht belegt.
  88. -6-
  89. Die von der Kammer genannten Umstände stellen eine ausreichende
  90. Tatsachengrundlage für die Gewinnung der tatrichterlichen Überzeugung von
  91. der Täterschaft des Angeklagten dar. Zwar ist das Wiedererkennen einer Person ein Vorgang, der viele Fehlerquellen enthalten kann; das gilt in besonderem Maße, wenn der Täter bei der Tat maskiert war. Der Revision ist auch einzuräumen, daß die Erörterungen des Landgerichts insoweit nicht vollständig
  92. sind. Die Tatsache jedoch, daß der Angeklagte sich zugestandenermaßen im
  93. Oktober 2000 in der nicht öffentlich zugänglichen Schwimmbadanlage bis in
  94. die Einzelheiten übereinstimmend wie der Täter vom September 2000 verhalten hat, stellt ein so gewichtiges Beweisanzeichen dar, daß es im Zusammenhang mit den übrigen Indizien geeignet ist, die vom Tatrichter gezogene
  95. Schlußfolgerung zu stützen, daß der Angeklagte der Täter sei. Dies gilt insb esondere deshalb, weil es sich um Verhaltensweisen handelte - Maskierung in
  96. unbekleidetem Zustand und Ausspähen der Damenkabine in Verbindung mit
  97. -7-
  98. Masturbationsbewegungen und Mitsichführen eines Pornoheftes - die so viel
  99. Eigenart besaßen, daß sich das etwaige Vorhandensein eines Doppelgängers,
  100. der die Tat vom 2. September 2000 begangen haben könnte, vernünftigerweise
  101. ausschließen läßt.
  102. Schäfer
  103. Wahl
  104. Schluckebier
  105. Boetticher
  106. Kolz