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233 lines
12 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. XII ZB 39/01
  4. vom
  5. 7. Dezember 2005
  6. in der Familiensache
  7. Nachschlagewerk: ja
  8. BGHZ:
  9. nein
  10. BGHR:
  11. ja
  12. VAHRG § 3 a
  13. Enthält eine Versorgungsordnung die Regelung, dass ein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung wegfällt, wenn der Witwer oder die Witwe wieder heiratet
  14. (sog. Wiederverheiratungsklausel), kann ein geschiedener, wieder verheirateter
  15. Ehegatte von dem Träger der Versorgung nicht die Zahlung einer Ausgleichsrente im Wege des verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs gemäß § 3 a VAHRG verlangen (hier: Versorgungsordnung der Volkswagen AG).
  16. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2005 - XII ZB 39/01 - OLG Braunschweig
  17. AG Wolfsburg
  18. -2-
  19. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Dezember 2005 durch die
  20. Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
  21. Dr. Ahlt und Dose
  22. beschlossen:
  23. Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des 2. Senats für
  24. Familiensachen
  25. des
  26. Oberlandesgerichts
  27. Braunschweig
  28. vom
  29. 4. Januar 2001 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
  30. Beschwerdewert: 1.826 € (= 3.571,56 DM).
  31. Gründe:
  32. I.
  33. 1
  34. Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin im Wege des verlängerten
  35. schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs auf Zahlung einer Ausgleichsrente in
  36. Anspruch.
  37. 2
  38. Sie war mit einem früheren Werksangehörigen der Antragsgegnerin verheiratet. Die Ehe wurde durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - vom
  39. 2. Februar 1984 geschieden. Mit Beschluss vom 26. Februar 1986 wurde der
  40. Versorgungsausgleich geregelt; dabei blieb der Ausgleich der betrieblichen Altersversorgung des Ehemannes bei der Antragsgegnerin dem schuldrechtlichen
  41. Versorgungsausgleich vorbehalten.
  42. -3-
  43. 3
  44. Nach dem Renteneintritt der geschiedenen Ehegatten hat das Amtsgericht auf Antrag der Antragstellerin dem Ehemann aufgegeben, im Wege des
  45. schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs eine monatliche Ausgleichsrente in
  46. Höhe von 297,63 DM ab 1. Januar 1998 zu zahlen.
  47. 4
  48. Die Antragstellerin hat im Jahre 1990 wieder geheiratet; ihr zweiter Ehemann ist am 16. September 1999 verstorben. Auch der erste Ehemann ist eine
  49. zweite Ehe eingegangen; er ist am 14. Juni 1999 verstorben.
  50. 5
  51. Im vorliegenden Verfahren hat die Antragstellerin beantragt, gemäß § 3 a
  52. VAHRG anzuordnen, dass die Antragsgegnerin als Trägerin der auszugleichenden Versorgung aus der Hinterbliebenenversorgung einen Betrag von monatlich 297,63 DM an sie zu zahlen habe. Die Versorgungsordnung der Antragsgegnerin enthält insofern folgende Regelung:
  53. §5
  54. VW.-Hinterbliebenenrente
  55. (1) VW.-Hinterbliebenenrente wird im Falle des Todes von Werksangehörigen (= vorzeitiger Versorgungsfall) oder im Falle des Todes von
  56. Beziehern einer VW.-Rente (= Versorgungsfall) gezahlt, im ersten
  57. Fall jedoch nur, wenn die Wartezeit (§ 2) erfüllt ist.
  58. (2) Hinterbliebene sind die Witwe oder der Witwer …
  59. (3) …
  60. (4) …
  61. (5) VW.-Hinterbliebenenrente für eine Witwe oder einen Witwer wird bei
  62. Wiederverheiratung letztmals für den Monat der Wiederverheiratung
  63. gezahlt.
  64. (6) Lebt für eine Witwe oder einen Witwer die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach Nichtigkeitserklärung oder Auflösung
  65. -4-
  66. der nachfolgenden Ehe durch Tod des Ehegatten oder Scheidung
  67. wieder auf, so gilt dies auch für die VW.-Hinterbliebenenrente.
  68. (7) …
  69. 6
  70. Das Amtsgericht hat den Antrag abgewiesen, da nach der Versorgungsordnung der Antragsgegnerin für den Fall der Wiederverheiratung kein Anspruch einer Witwe auf Hinterbliebenenversorgung bestehe. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin blieb erfolglos. Mit der - zugelassenen weiteren Beschwerde verfolgt sie ihr Begehren auf Zahlung einer Ausgleichsrente weiter.
  71. II.
  72. 7
  73. Das Rechtsmittel ist nicht begründet. Der Antragstellerin steht gegen die
  74. Antragsgegnerin kein Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichsrente im Wege
  75. des verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs gemäß § 3 a
  76. VAHRG zu.
  77. 8
  78. 1. a) Nach der vorgenannten Bestimmung kann der Berechtigte nach
  79. dem Tod des Verpflichteten in den Fällen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs von dem Träger der auszugleichenden Versorgung, von dem er,
  80. wenn die Ehe bis zum Tode des Verpflichteten fortbestanden hätte, eine Hinterbliebenenversorgung erhielte, die Ausgleichsrente nach § 1587 g Abs. 1
  81. Satz 2 BGB verlangen. § 3 a Abs. 1 Satz 1 VAHRG sieht demnach nur dann
  82. einen Leistungsanspruch vor, wenn bei - angenommenem - Fortbestehen der
  83. Ehe der Ausgleichsberechtigte von dem Träger der Versorgung eine Hinterbliebenenversorgung als Witwe oder Witwer erhielte.
  84. -5-
  85. 9
  86. b) Diese Voraussetzung hat das Oberlandesgericht als nicht erfüllt angesehen. Zur Begründung hat es ausgeführt: In § 5 Abs. 5 der insofern maßgebenden Versorgungsordnung der Antragsgegnerin sei bestimmt, dass die Hinterbliebenenrente für eine Witwe bei Wiederverheiratung letztmals für den Monat der Wiederverheiratung gezahlt werde. Eine derartige allgemeine Beschränkung der Hinterbliebenenversorgung durch die jeweilige Versorgungsordnung des Versorgungsträgers in Form einer so genannten Wiederverheiratungsklausel sei zulässig. Sie wirke sich auch zu Lasten des geschiedenen
  87. Ausgleichsberechtigten aus und berühre demnach auch den verlängerten
  88. schuldrechtlichen Versorgungsausgleich. Infolge der im Jahre 1990 erfolgten
  89. Wiederverheiratung der Antragstellerin sei demnach ein Anspruch auf Durchführung des verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs nach dem
  90. Tode des geschiedenen Ehemannes nicht gegeben. Daran ändere auch der
  91. Umstand, dass der zweite Ehemann der Antragstellerin am 16. September
  92. 1999 verstorben sei, nichts. Gemäß § 5 Abs. 6 der Versorgungsordnung lebe
  93. zwar die betriebliche Hinterbliebenenrente nach Auflösung der nachfolgenden
  94. Ehe u.a. durch Tod des Ehegatten wieder auf, dies jedoch nur, wenn auch die
  95. Rente für eine Witwe oder einen Witwer aus der gesetzlichen Rentenversicherung wieder auflebe. Das sei vorliegend mit Rücksicht auf die Durchführung des
  96. öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs nach der Scheidung von dem früheren Ehemann aber nicht der Fall.
  97. 10
  98. Diese Auffassung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
  99. 11
  100. 2. Die Ausgestaltung der Hinterbliebenenregelung in § 5 Abs. 5 und 6 der
  101. Versorgungsordnung der Antragsgegnerin steht einem Anspruch der Antragstellerin auf Fortzahlung der schuldrechtlichen Ausgleichsrente entgegen.
  102. -6-
  103. 12
  104. a) Die Regelung des § 3 a VAHRG soll die schwache Stellung des aufgrund schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs ausgleichsberechtigten Ehegatten durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Trägers der schuldrechtlich auszugleichenden Versorgung so weit wie möglich beseitigen. Mit dem
  105. Tod des Verpflichteten erlischt der Anspruch auf die schuldrechtliche Ausgleichsrente nach § 1587 g Abs. 1 BGB. Da dieser Anspruch auch nicht als
  106. Nachlassverbindlichkeit auf die Erben übergeht, bleibt der Berechtigte in diesem Fall unversorgt. Zweck der Regelung des § 3 a VAHRG ist es, diese Versorgungslücke zu schließen (vgl. BT-Drucks. 10/5447 S. 10 f.).
  107. 13
  108. b) Der gegen den Versorgungsträger gerichtete Anspruch ist von dem
  109. Bestehen einer Hinterbliebenenversorgung abhängig. Der schuldrechtlich Ausgleichsberechtigte hat nach dem Tod des Ausgleichspflichtigen nur dann einen
  110. Zahlungsanspruch gegen den Versorgungsträger, wenn er im Falle des Fortbestehens der Ehe als Witwer oder Witwe von diesem eine Hinterbliebenenversorgung verlangen könnte. Bei der zugesagten - generellen - Hinterbliebenenversorgung muss es sich um eine Witwen- oder Witwerversorgung handeln
  111. (Johannsen/Henrich/Hahne
  112. Eherecht
  113. 4. Aufl.
  114. §3a
  115. VAHRG
  116. Rdn. 12;
  117. MünchKomm/Glockner 4. Aufl. § 3 a VAHRG Rdn. 5; Soergel/Häußermann
  118. BGB 13. Aufl. § 3 a VAHRG Rdn. 5; RGRK/Wick 12. Aufl. § 3 a VAHRG Rdn. 7;
  119. Borth Versorgungsausgleich 3. Aufl. Rdn. 692; Grün FPR 2000, 332, 333 f.).
  120. 14
  121. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine Hinterbliebenenversorgung
  122. zugesagt wird und welchen Umfang diese hat, kann der Versorgungsträger frei
  123. bestimmen. Enthält eine Versorgungsordnung die Regelung, dass ein Anspruch
  124. auf Hinterbliebenenversorgung nicht (mehr) besteht, so entfällt mithin auch eine
  125. Zahlungspflicht des Versorgungsträgers nach § 3 a VAHRG. Andererseits kann
  126. ein Anspruch nach § 3 a VAHRG nicht isoliert durch eine Bestimmung der Versorgungsordnung ausgeschlossen werden, etwa indem festgelegt wird, dass
  127. -7-
  128. die Witwenrente nur im Fall des Fortbestehens der Ehe bis zum Tod des Ehemannes gezahlt wird. Denn durch eine solche Regelung würde die zwingende
  129. Vorschrift des § 3 a VAHRG umgangen, nach der eine vorgesehene Hinterbliebenenversorgung auch dem - geschiedenen - ausgleichsberechtigten Ehegatten zugute kommen muss (Johannsen/Henrich/Hahne aaO § 3 a VAHRG
  130. Rdn. 12; Soergel/Häußermann aaO § 3 a VAHRG Rdn. 5; Borth aaO Rdn. 692;
  131. RGRK/Wick aaO § 3 a VAHRG Rdn. 7; MünchKomm/Glockner aaO § 3 a
  132. VAHRG Rdn. 5; Grün aaO S. 334 f.; Wagenitz FamRZ 1987, 1, 5 f.; OLG Karlsruhe FamRZ 1988, 1290, 1291; OLG Stuttgart NJW-RR 1996, 259, 260; vgl.
  133. auch BT-Drucks. 10/5447 S. 11).
  134. 15
  135. c) Eine Regelung, durch die der verlängerte schuldrechtliche Versorgungsausgleich allgemein beschränkt wird, stellt auch eine sog. Wiederverheiratungsklausel dar, nach der im Fall der Wiederheirat des hinterbliebenen Ehegatten der Anspruch auf Hinterbliebenenrente ruht oder wegfällt. Solche Regelungen führen im Fall des verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs dazu, dass ein Anspruch entfällt, wenn der ausgleichsberechtigte geschiedene Ehegatte eine neue Ehe eingeht. Denn eine solche Regelung enthält
  136. - anders als eine Scheidungsklausel - keine Umgehung der Regelung des § 3 a
  137. VAHRG. Die dieser Bestimmung zugrunde liegende Fiktion des Fortbestehens
  138. der Ehe würde sich in einem solchen Fall darüber hinwegsetzen, dass bei fiktivem Fortbestand der früheren Ehe eine neue Ehe nicht hätte geschlossen werden können (im Ergebnis ebenso: MünchKomm/Glockner aaO § 3 a VAHRG
  139. Rdn. 9; Soergel/Häußermann aaO § 3 a VAHRG Rdn. 5; RGRK/Wick aaO § 3 a
  140. VAHRG Rdn. 7; Staudinger/Rehme BGB <2004> § 3 a VAHRG Rdn. 9; Erman/Klattenhoff BGB 11. Aufl. § 3 a VAHRG Rdn. 2; Johannsen/Henrich/Hahne
  141. aaO § 3 a VAHRG Rdn. 12; Grün aaO S. 334; OLG Frankfurt EzFamR aktuell
  142. 2001, 188, 189; vgl. auch BT-Drucks. 10/5447 S. 11).
  143. -8-
  144. 16
  145. 3. Danach begegnet die Annahme des Oberlandesgerichts, § 5 Abs. 5
  146. der Versorgungsordnung wirke sich zulasten der Antragstellerin aus, keinen
  147. rechtlichen Bedenken. Aufgrund der eine Wiederverheiratungsklausel enthaltenen Regelung ruht der Anspruch der wiederverheirateten Witwe auf Hinterbliebenenversorgung. Er lebt nach Abs. 6 der Regelung nur dann wieder auf, wenn
  148. für einen Witwer oder eine Witwe auch die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung u.a. nach Auflösung der nachfolgenden Ehe durch Tod eines
  149. Ehegatten wieder auflebt. Das ist, wie das Oberlandesgericht ebenfalls zu
  150. Recht angenommen hat, hier nicht der Fall.
  151. 17
  152. Durch das 1. Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom
  153. 14. Juni 1976 (BGBl I, S. 1421) ist mit dem Rechtsinstitut des Versorgungsausgleichs vielmehr die abgeleitete Hinterbliebenenversorgung durch eine eigenständige Versorgung des ausgleichsberechtigten Ehegatten ersetzt worden
  154. (Kreikebohm/Jörg SGB VI § 243 Rdn. 3; vgl. auch BVerfG SozR 2200 § 1265
  155. Nr. 78). Ein geschiedener, wieder verheirateter Ehegatte hat - entgegen der
  156. Auffassung der Rechtsbeschwerde - deshalb auch nach § 46 Abs. 3 SGB VI
  157. keinen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung nach dem vorletzten Ehegatten. Die genannte Bestimmung gewährt einen solchen Anspruch nur dem überlebenden (also verwitweten), wieder verheirateten Ehegatten, wenn die erneute
  158. Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist. Für einen geschiedenen, wieder verheirateten Ehegatten ergibt sich zwar aus der Übergangsregelung des § 243
  159. Abs. 4 SGB VI ein Anspruch auf Witwen/Witwer-Rente, wenn die neue Ehe
  160. -9-
  161. aufgelöst oder für nichtig erklärt ist. Dies setzt jedoch voraus, dass die erste
  162. Ehe vor dem 1. Juli 1977 geschieden wurde, was hier nicht der Fall ist.
  163. Hahne
  164. Sprick
  165. Ahlt
  166. Weber-Monecke
  167. Dose
  168. Vorinstanzen:
  169. AG Wolfsburg, Entscheidung vom 24.03.2000 - 18 F 1419/99 OLG Braunschweig, Entscheidung vom 04.01.2001 - 2 UF 68/00 -