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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. XII ZB 587/11
  4. vom
  5. 19. September 2012
  6. in der Familiensache
  7. Nachschlagewerk:
  8. BGHZ:
  9. BGHR:
  10. ja
  11. nein
  12. ja
  13. ZPO § 127 Abs. 3 Satz 1 und 2
  14. a) Die Staatskasse ist gemäß § 127 Abs. 3 Satz 1 und 2 ZPO auch dann zur
  15. Beschwerde befugt, wenn ihrem Vortrag nach der Antragsteller, dem Verfahrenskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung bewilligt worden ist, aufgrund seiner
  16. persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zur Übernahme der Kosten der
  17. Verfahrensführung in der Lage ist.
  18. b) Ziel einer solchen Beschwerde kann allerdings nur sein, eine Zahlungsanordnung nach § 120 ZPO zu erreichen, nicht aber die Versagung der Verfahrenskostenhilfe an sich (im Anschluss an BGH Beschlüsse vom 17. November 2009
  19. - VIII ZB 44/09 - NJW RR 2010, 494 und BGHZ 119, 372).
  20. BGH, Beschluss vom 19. September 2012 - XII ZB 587/11 - OLG Jena
  21. AG Arnstadt
  22. -2-
  23. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. September 2012 durch
  24. die Richter Dr. Klinkhammer, Weber-Monecke, Schilling, Dr. Nedden-Boeger
  25. und Dr. Botur
  26. beschlossen:
  27. Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten wird der Beschluss des 1. Familiensenats des Thüringer Oberlandesgerichts
  28. in Jena vom 13. Oktober 2011 aufgehoben.
  29. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten
  30. des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
  31. Gründe:
  32. I.
  33. 1
  34. Die Staatskasse wendet sich gegen die Verwerfung ihrer Beschwerde im
  35. Rahmen einer Verfahrenskostenhilfebewilligung.
  36. 2
  37. Das Familiengericht hat dem Antragsteller für das Scheidungsverbundverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seiner Rechtsanwältin gewährt. Hiergegen hat die Bezirksrevisorin sofortige Beschwerde mit
  38. dem Antrag eingelegt, dem Antragsteller Verfahrenskostenhilfe (nur) unter der
  39. Auflage einer Einmalzahlung aus seinem Vermögen in Höhe von 932,98 € zu
  40. bewilligen, weil er über ein einzusetzendes Vermögen in Form eines Rückkaufswertes aus seiner Lebensversicherung verfüge, mit dem er die angefallenen Gerichts- und Anwaltskosten bestreiten könne. Das Oberlandesgericht hat
  41. -3-
  42. die Beschwerde als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Bezirksrevisorin mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
  43. II.
  44. 3
  45. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.
  46. 4
  47. 1. Gemäß § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ist die
  48. Rechtsbeschwerde statthaft; sie ist auch im Übrigen zulässig.
  49. 5
  50. 2. Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg.
  51. 6
  52. a) Nach Auffassung des Oberlandesgerichts kann eine Beschwerde der
  53. Staatskasse, die nach § 113 Abs. 1 FamFG, § 127 Abs. 3 Satz 1 ZPO stattfindet, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge
  54. festgesetzt worden sind, nach § 127 Abs. 3 Satz 2 ZPO nur darauf gestützt
  55. werden, dass der Beteiligte nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten habe. Eine von der Staatskasse mit dem Ziel
  56. eingelegte Beschwerde, die Verweigerung von Verfahrenskostenhilfe zu erreichen, sei deshalb nicht statthaft. Es seien nur Beschwerdeanträge zugelassen,
  57. die darauf gerichtet seien, dem Antragsteller die Leistung von Zahlungen auf
  58. die Kosten der Verfahrensführung aufzuerlegen.
  59. 7
  60. Der Antragsteller wäre allerdings mit dem Rückkaufswert aus seiner Lebensversicherung unter Beachtung des Schonvermögens in der Lage, die gesamten Kosten des Verfahrens (hier 932,98 €) zu bestreiten, worauf auch letztlich der Antrag der Staatskasse abziele. Bei dieser Konstellation wäre aber dem
  61. Antragsteller von Anfang an keine Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen gewesen. Soweit nämlich die Einmalzahlung die Höhe der Verfahrenskosten errei-
  62. -4-
  63. che, seien die Voraussetzungen für eine Bewilligung nicht gegeben. Es fehle
  64. insoweit an der Voraussetzung des § 114 ZPO, dass der Beteiligte die Kosten
  65. nur zum Teil (oder in Raten) aufbringen könne. Bereits aus diesem Grund könne die Staatskasse ihre Beschwerde nicht wirksam darauf stützen, dass das
  66. Amtsgericht eine Einmalzahlung hätte anordnen müssen. Auch wenn die Beschwerde nicht ausdrücklich die Zurückweisung des Verfahrenskostenhilfegesuchs verfolge, liege jedoch in der Anordnung der Einmalzahlung in Höhe der
  67. entstandenen Verfahrenskosten wirtschaftlich gesehen eine Verweigerung, da
  68. lediglich pro forma der Bewilligungsbeschluss insoweit aufrecht erhalten bleibe.
  69. Darüber hinaus würde mit dieser Argumentation das eingeschränkte Beschwerderecht der Staatskasse unzulässigerweise ausgedehnt. Eine andere Konstellation wäre allenfalls für Fälle denkbar, in denen die Verwertung des vorhandenen
  70. Vermögens nicht zeitnah erfolgen könne und deshalb der zu zahlende Betrag
  71. unter Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zunächst gestundet werde. Dies
  72. sei vorliegend jedoch nicht der Fall, da eine zeitnahe Verwertung der Lebensversicherung im Regelfall möglich sei.
  73. 8
  74. b) Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
  75. 9
  76. aa) Nach § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 127 Abs. 3 Satz 1 und 2 ZPO findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse gegen die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu
  77. zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf
  78. gestützt werden, dass die Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen
  79. Verhältnissen Zahlungen zu leisten hat.
  80. 10
  81. Dementsprechend ist das Beschwerderecht der Staatskasse auf den Fall
  82. beschränkt, dass Verfahrenskostenhilfe zwar bewilligt, rechtsfehlerhaft jedoch
  83. weder eine Ratenzahlung aus dem Einkommen noch eine Zahlung aus dem
  84. -5-
  85. Vermögen angeordnet worden sind. Dieses Beschwerderecht soll nach der Intention des Gesetzgebers dem Interesse der Länderhaushalte dienen (vgl. BTDrucks. 10/6400 S. 48); es soll die zunächst zu Unrecht unterbliebene Anordnung von Zahlungen nach § 120 ZPO erreicht werden können. Dementsprechend ist der Staatskasse auch nur in diesem beschränkten Umfang ein Beschwerderecht zugebilligt worden, nämlich nur zu einer dahingehenden Kontrolle von Bewilligungsentscheidungen, in denen Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung bewilligt worden ist (BGH Beschluss vom 17. November 2009
  86. - VIII ZB 44/09 - NJW-RR 2010, 494 Rn. 3 mwN). Eine von der Staatskasse mit
  87. dem Ziel eingelegte Beschwerde, die Verweigerung von Prozesskostenhilfe
  88. bzw. Verfahrenskostenhilfe zu erreichen, ist deshalb nicht statthaft (BGH Beschlüsse vom 17. November 2009 - VIII ZB 44/09 - NJW-RR 2010, 494 Rn. 4
  89. und BGHZ 119, 372, 374 f.).
  90. 11
  91. bb) Gemessen hieran hätte das Beschwerdegericht die Beschwerde der
  92. Staatskasse nicht als unzulässig verwerfen dürfen. Die Voraussetzungen des
  93. § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 127 Abs. 3 Satz 1 und 2 ZPO sind vielmehr erfüllt.
  94. 12
  95. Das Amtsgericht hatte dem Antragsteller ratenfreie Verfahrenskostenhilfe
  96. bewilligt. Hiergegen hat die Staatskasse Beschwerde eingelegt mit dem Antrag,
  97. eine Zahlung aus dem Vermögen des Antragstellers anzuordnen.
  98. 13
  99. (1) Dass die Bezirksrevisorin dabei zunächst beantragt hat, die zu zahlende Summe auf den Betrag festzusetzen, der den angefallenen Gerichts- und
  100. Anwaltskosten entspricht, steht der Zulässigkeit der Beschwerde nicht entgegen. Unzulässig wäre dagegen ein Antrag, die bewilligte Verfahrenskostenhilfe
  101. aufzuheben.
  102. 14
  103. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts steht das Begehren
  104. der Staatskasse nicht einer Aufhebung der Verfahrenskostenhilfe gleich. Auch
  105. -6-
  106. wenn der zunächst von der Staatskasse bezifferte Betrag nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts den Kosten der Verfahrensführung entspricht,
  107. bliebe selbst bei einer Zahlungsanordnung in der beantragten Höhe die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe bestehen. Es handelt sich entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts auch nicht nur um eine "pro forma"Aufrechterhaltung des Bewilligungsbeschlusses. Denn die Zahlungsanordnung
  108. lässt die in § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 122 ZPO geregelten Wirkungen der
  109. Verfahrenskostenhilfe unberührt.
  110. 15
  111. (2) Folgte man der Auffassung des Beschwerdegerichts, gelangte man
  112. zu Ergebnissen, die mit Sinn und Zweck des § 127 Abs. 3 Satz 1 und 2 ZPO
  113. nicht in Einklang zu bringen wären. So könnte die Staatskasse zwar in den Fällen, in denen der Antragsteller tatsächlich (nur) einen Teil der Verfahrenskosten
  114. tragen kann, im Beschwerdewege eine Zahlungsanordnung erreichen, in Fällen, in denen seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sogar die
  115. gesamte Übernahme der Kosten zuließen, aber nicht.
  116. 16
  117. c) Die Sache ist nicht entscheidungsreif, weil das Beschwerdegericht die
  118. Beschwerde als unzulässig verworfen und deshalb keine Feststellungen dazu
  119. getroffen hat, ob gemäß § 120 ZPO Zahlungen festzusetzen sind. Damit ist der
  120. Senat an einer abschließenden Entscheidung gehindert. Die Sache ist gemäß
  121. § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen, wobei das Beschwerdegericht die in den Senatsbeschlüssen vom 9. Juni 2010 (XII ZB 120/08 - FamRZ 2010, 1643 und
  122. -7-
  123. - XII ZB 55/08 - VersR 2011, 1028) aufgestellten Grundsätze zu beachten haben wird.
  124. Klinkhammer
  125. Nedden-Boeger
  126. Weber-Monecke
  127. Schilling
  128. Botur
  129. Vorinstanzen:
  130. AG Arnstadt, Entscheidung vom 04.04.2011 - 51 F 28/11 OLG Jena, Entscheidung vom 13.10.2011 - 1 WF 493/11 -