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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. XII ZB 329/12
  4. vom
  5. 17. April 2013
  6. in der Familiensache
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. BGB §§ 242 A, 1606 Abs. 3
  14. Leistet ein geschiedener Elternteil aus freien Stücken den vollen Ausbildungsunterhalt für sein volljähriges Kind, so ist er, solange er gegenüber dem anderen Elternteil
  15. keinen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch verfolgt, diesem gegenüber nicht zur
  16. Auskunft über seine Einkünfte verpflichtet.
  17. BGH, Beschluss vom 17. April 2013 - XII ZB 329/12 - OLG Karlsruhe
  18. AG Bruchsal
  19. -2-
  20. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. April 2013 durch den
  21. Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Weber-Monecke, Dr. Klinkhammer,
  22. Schilling und Dr. Nedden-Boeger
  23. beschlossen:
  24. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 20. Zivilsenats
  25. - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Karlsruhe
  26. vom 15. Mai 2012 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
  27. Von Rechts wegen
  28. Gründe:
  29. I.
  30. 1
  31. Aus der 2004 geschiedenen Ehe der Beteiligten gingen zwei inzwischen
  32. volljährige Kinder hervor, die sich noch in der Ausbildung befinden. Gemäß einer am 3. Juli 2003 zwischen den Beteiligten getroffenen Unterhaltsvereinbarung zahlte der Antragsgegner (Vater) bis zum Eintritt der Volljährigkeit der Kinder Unterhalt in Höhe des jeweils geltenden Höchstbetrages nach der Düsseldorfer Tabelle zu Händen der Antragstellerin (Mutter). Seit dem Erreichen der
  33. Volljährigkeit leistet der Vater den - von der Unterhaltsvereinbarung nicht erfassten - Ausbildungsunterhalt weiterhin allein unmittelbar an die Kinder.
  34. -3-
  35. 2
  36. Mit ihrem Antrag begehrt die Mutter, den Vater zu verpflichten, ihr Auskunft über seine Einkünfte zu erteilen und diese zu belegen, damit sie für den
  37. Fall ihrer späteren Inanspruchnahme ihren Haftungsanteil an dem gesetzlich
  38. gemeinsam geschuldeten Ausbildungsunterhalt berechnen könne. Das Familiengericht hat den Antrag abgewiesen; das Oberlandesgericht hat die Beschwerde der Mutter zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich ihre zugelassene
  39. Rechtsbeschwerde.
  40. II.
  41. 3
  42. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
  43. 4
  44. 1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie
  45. folgt begründet: Eine Auskunftspflicht sei im Verwandtenunterhalt nur gegeben,
  46. soweit dies zur Feststellung einer Unterhaltsverpflichtung erforderlich sei. Ihren
  47. Haftungsanteil müsse die Mutter jedoch nur dann berechnen, wenn sie tatsächlich auf Unterhalt in Anspruch genommen werde. Das sei hier nicht der Fall, da
  48. der Vater den vollen Ausbildungsunterhalt an die gemeinsamen Kinder leiste.
  49. 5
  50. 2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung stand.
  51. 6
  52. a) Die Beteiligten, die als Eltern mit ihren gemeinschaftlichen Kindern
  53. gleich nah verwandt sind, haften für den Ausbildungsunterhalt gemäß § 1606
  54. Abs. 3 Satz 1 BGB anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen.
  55. Wird ein Elternteil von einem gemeinschaftlichen Kind auf Unterhalt in Anspruch
  56. genommen, stellt sich die Frage der Berechnung des Haftungsanteils, wenn
  57. auch der andere Einkommen erzielt und ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts dem volljährigen Kinde ebenfalls Unterhalt gewähren könnte.
  58. Der in Anspruch genommene Elternteil ist zur Berechnung seines Haftungsan-
  59. -4-
  60. teils nur in der Lage, wenn ihm die Einkommens- und Vermögensverhältnisse
  61. des anderen Elternteils bekannt sind. Das zwischen den Eltern gemäß § 1606
  62. Abs. 3 BGB bestehende besondere Rechtsverhältnis reicht danach grundsätzlich
  63. aus,
  64. einen
  65. Auskunftsanspruch
  66. zu
  67. begründen
  68. (Senatsurteil
  69. vom
  70. 9. Dezember 1987 - IVb 5/87 - FamRZ 1988, 268, 269).
  71. 7
  72. Der Senat hat diese Auskunftspflicht der Elternteile untereinander als
  73. Folge der zwischen ihnen bestehenden besonderen Rechtsbeziehung als Eltern
  74. aus § 242 BGB hergeleitet. Denn nach ständiger Rechtsprechung besteht nach
  75. Treu und Glauben dann ein Auskunftsanspruch, wenn zwischen den Beteiligten
  76. besondere rechtliche Beziehungen vertraglicher oder außervertraglicher Art
  77. bestehen, die es mit sich bringen, dass der Auskunftbegehrende entschuldbar
  78. über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Unklaren und deshalb
  79. auf die Auskunft des Verpflichteten angewiesen ist, während dieser die Auskunft unschwer erteilen kann und dadurch nicht unbillig belastet wird (Senatsurteil BGHZ 191, 259 = FamRZ 2012, 200 Rn. 19 f.). Dieser Grundsatz gilt trotz
  80. der im Familienrecht bestehenden Sonderbestimmungen (vgl. §§ 1580 und
  81. 1605 BGB) nach wie vor auch im Familienrecht. Die §§ 1580 und 1605 BGB
  82. regeln nur einen Teilbereich, in dem der Gesetzgeber die gegenseitigen Rechte
  83. und Pflichten präzisieren wollte. Dadurch wird aber eine in besonderen Fällen
  84. aus § 242 BGB herzuleitende Informationspflicht nicht ausgeschlossen (Senatsurteil vom 9. Dezember 1987 - IVb 5/87 - FamRZ 1988, 268 mwN).
  85. 8
  86. b) Ebenso kann die Auskunft erforderlich sein, um einen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch zu berechnen, den der Bundesgerichtshof angenommen hat, um die Unterhaltslast gegenüber Kindern auch im Innenverhältnis
  87. zwischen den Eltern entsprechend ihrem Leistungsvermögen gerecht zu verteilen (BGHZ 31, 329, 332 = FamRZ 1960, 194, 195; BGHZ 50, 266, 270 =
  88. FamRZ 1968, 450, 451; Senatsurteil BGHZ 104, 224 = FamRZ 1988, 831, 833;
  89. -5-
  90. vgl. auch Senatsurteil vom 20. Mai 1981 - IVb ZR 558/80 - FamRZ 1981, 761,
  91. 762). Denn auch die Höhe des Ausgleichsanspruchs richtet sich nach den Haftungsanteilen der Eltern, die nur in Kenntnis beider Einkommensverhältnisse
  92. berechnet werden können.
  93. 9
  94. c) Der Senat hat in seiner bisherigen Rechtsprechung (Senatsurteil vom
  95. 9. Dezember 1987 - IVb ZR 5/87 - FamRZ 1988, 268, 269) offen gelassen, ob
  96. der Auskunftsanspruch auch dann besteht, wenn der in Anspruch Genommene
  97. dem Kind aus freien Stücken vollen Unterhalt leistet und sich nicht darauf beruft, den Unterhalt nur teilweise zu schulden. Dies hat das Oberlandesgericht zu
  98. Recht verneint.
  99. 10
  100. Der aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) begründete Auskunftsanspruch
  101. setzt voraus, dass der Auskunftbegehrende über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Unklaren und deshalb auf die Auskunft des Verpflichteten angewiesen ist. Nur unter dieser Voraussetzung ist es gerechtfertigt, den
  102. anderen Elternteil mit Auskunftspflichten über seine Einkommensverhältnisse
  103. zu belegen. Leistet ein Elternteil jedoch den vollen Kindesunterhalt aus freien
  104. Stücken, ohne auf den anderen Elternteil Rückgriff nehmen zu wollen, fehlt es
  105. an einer den Auskunftsanspruch rechtfertigenden Unklarheit über bestehende
  106. Rechte. Eine solche besteht weder in Bezug auf einen gegen die Mutter zu richtenden Unterhaltsanspruch noch in Bezug auf einen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch des anderen Elternteils. Denn für beide Ansprüche sind die
  107. Voraussetzungen in solchen Fällen nicht gegeben.
  108. 11
  109. aa) Eine Unterhaltsverpflichtung der Mutter gegenüber den gemeinschaftlichen Kindern besteht nicht. Denn deren laufender Bedarf wird bereits
  110. vollständig durch die bereitwilligen und vorbehaltslosen Leistungen des Vaters
  111. gedeckt. Ein darüber hinaus gehender ungedeckter Unterhaltsbedarf besteht
  112. -6-
  113. nicht. Somit besteht auch kein weiterer Unterhaltsanspruch der gemeinschaftlichen Kinder gegenüber der Mutter. Ein solcher ist auch nicht durch die Kinder
  114. geltend gemacht worden (vgl. § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB).
  115. 12
  116. bb) Ebenso ist die Mutter keinem familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs des Vaters ausgesetzt.
  117. 13
  118. Ein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch als selbständiges Rechtsinstitut ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 31, 329 = FamRZ
  119. 1960, 194, 195) näher begründet worden für einen Fall, in dem die Mutter nach
  120. Kriegsende mehrere Jahre lang die gemeinschaftlichen ehelichen Kinder allein
  121. unterhalten hatte. Hier hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, es sei unzweifelhaft, "dass der Klägerin (Mutter) an sich ein Ersatzanspruch gegen den Beklagten (Vater) erwachsen sei, soweit sie mit ihren Unterhaltsleistungen eine dem
  122. Beklagten, und zwar im Verhältnis der Parteien allein dem Beklagten obliegende Unterhaltspflicht erfüllt" habe. Die rechtliche Natur dieses Ersatzanspruchs
  123. ergebe sich aus der gemeinsamen Unterhaltspflicht und aus der naturgegebenen Notwendigkeit, die Unterhaltslast im Innenverhältnis zwischen den Eltern
  124. entsprechend ihrem Leistungsvermögen gerecht zu verteilen. In einer späteren
  125. Entscheidung (BGHZ 50, 266 = FamRZ 1968, 450, 451) hat der Bundesgerichtshof - wiederum in einem Fall, in dem die Ehefrau allein für den Unterhalt
  126. eines gemeinschaftlichen ehelichen Kindes aufgekommen war - den familienrechtlichen Ausgleichsanspruch unter Bezugnahme auf die erstgenannte Entscheidung erneut grundsätzlich bejaht, ihn allerdings - entsprechend § 1360 b
  127. BGB - an die Voraussetzung geknüpft, dass der Elternteil zu der Zeit, als er die
  128. Unterhaltsleistungen erbrachte, die Absicht gehabt haben müsste, von dem anderen Elternteil Ersatz zu verlangen. Ob diese Absicht auch bei Unterhaltsleistungen nach der Scheidung noch zu fordern ist, hat der Senat in späteren Entscheidungen (Senatsurteile vom 9. Dezember 1987 - IVb ZR 5/87 - FamRZ
  129. -7-
  130. 1988, 268, 269 und vom 26. April 1989 - IVb ZR 42/88 - FamRZ 1989, 850,
  131. 852) offen gelassen.
  132. 14
  133. Bei den mit Hilfe des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs geforderten Ersatzbeträgen handelt es sich wirtschaftlich gesehen allerdings um rückständige Unterhaltsleistungen, nämlich um Geldleistungen, die demjenigen zu
  134. erbringen sind, der die Unterhaltslast zunächst auf sich genommen hat. Daher
  135. besteht der Anspruch für die Vergangenheit nur in den Grenzen des § 1613
  136. BGB (Senatsurteil vom 9. Mai 1984 - IVb ZR 84/82 - FamRZ 1984, 775, 776 f.).
  137. Der leistende Elternteil könnte den familienrechtlichen Ausgleichsanspruch also
  138. erst ab seiner Aufforderung zur Auskunft über Einkünfte und Vermögen, ab
  139. Verzug oder ab Rechtshängigkeit beanspruchen. Solche rechtswahrenden
  140. Handlungen sind jedoch bisher nicht ergriffen, so dass jedenfalls für die vergangenen Zeiträume kein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch besteht.
  141. 15
  142. cc) Hinsichtlich des bisher angefallenen Unterhaltsbedarfs droht der Mutter somit weder eine Inanspruchnahme durch ihre Kinder noch durch den Vater.
  143. Bei dieser Ausgangslage gebieten es Treu und Glauben nicht, ihr Auskünfte
  144. über die Einkünfte des bereitwillig für den Unterhalt allein aufgekommenen anderen Elternteils zu erteilen.
  145. -8-
  146. 16
  147. d) Die Mutter hat auch kein rechtlich schützenswertes Auskunftsinteresse
  148. daran, für den möglichen Fall einer späteren Kürzung oder Einstellung der Leistungen des Vaters oder ihrer künftigen Inanspruchnahme auf familienrechtlichen Ausgleich bereits vorsorglich über die jetzigen Einkommensverhältnisse
  149. informiert zu werden. Denn für ihren dann einsetzenden Haftungsanteil sind
  150. nicht die jetzt gegebenen, sondern die dann bestehenden Einkommensverhältnisse maßgebend.
  151. Dose
  152. Weber-Monecke
  153. Schilling
  154. Klinkhammer
  155. Nedden-Boeger
  156. Vorinstanzen:
  157. AG Bruchsal, Entscheidung vom 08.11.2011 - 2 F 327/11 OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 15.05.2012 - 20 UF 215/11 -