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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. XI ZR 227/02
  5. Verkündet am:
  6. 25. März 2003
  7. Herrwerth,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. BGHR:
  16. ja
  17. _____________________
  18. BGB §§ 171, 172; RBerG Art. 1 § 1;
  19. a) Ist ein umfassender Geschäftsbesorgungsvertrag auf eine unzulässige Rechtsberatung gerichtet und daher wegen Verstoßes gegen Art. 1 § 1 RBerG i.V. mit
  20. § 134 BGB nichtig, so ist davon nach dem Schutzzweck grundsätzlich auch die
  21. vom Auftraggeber dem Geschäftsbesorger erteilte Vollmacht betroffen.
  22. b) § 171 und § 172 BGB sowie die
  23. dungs- und Anscheinsvollmacht
  24. wenn die Bevollmächtigung des
  25. RBerG i.V. mit § 134 BGB nichtig
  26. allgemeinen Grundsätze über die Dulkommen auch dann zur Anwendung,
  27. Geschäftsbesorgers gemäß Art. 1 § 1
  28. ist.
  29. BGH, Urteil vom 25. März 2003 - XI ZR 227/02 - OLG Nürnberg
  30. LG Regensburg
  31. -2-
  32. Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. März 2003 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe und
  33. die Richter Dr. Bungeroth, Dr. Müller, Dr. Wassermann und Dr. Appl
  34. für Recht erkannt:
  35. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des
  36. 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom
  37. 15. Mai 2002 aufgehoben.
  38. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  39. Von Rechts wegen
  40. Tatbestand:
  41. Die klagende Bank verlangt vom Beklagten die Rückzahlung zweier Darlehen, die sie ihm zur Finanzierung des Kaufpreises einer Eigentumswohnung gewährt hat. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
  42. Der Beklagte wurde am 5. November 1992 von einem Anlagevermittler geworben, ohne Einsatz von Eigenkapital ein Studentenappartement im Rahmen eines Steuersparmodells zu kaufen. Noch am gleichen
  43. Tag unterbreitete er der ... Steuerberatungsgesellschaft mbH (im folgen-
  44. -3-
  45. den: Geschäftsbesorgerin) ein notarielles Angebot auf Abschluß eines
  46. umfassenden Geschäftsbesorgungsvertrages zum Erwerb der Eigentumswohnung. Zugleich erteilte er ihr eine unwiderrufliche Vollmacht zur
  47. Vornahme aller Rechtsgeschäfte, Rechtshandlungen und Maßnahmen,
  48. die für den Eigentumserwerb und gegebenenfalls die Rückabwicklung
  49. erforderlich oder zweckdienlich erschienen. Unter anderem wurde die
  50. Geschäftsbesorgerin bevollmächtigt, namens und für Rechnung des Beklagten den Kauf- und Werklieferungsvertrag, Darlehensverträge und alle
  51. erforderlichen Sicherungsverträge abzuschließen. Die Geschäftsbesorgerin nahm das Angebot mit notarieller Erklärung an. Sie schloß namens
  52. des Beklagten am 17. Dezember 1992 mit dem Bauträger einen notariellen Kaufvertrag über die Eigentumswohnung ab und nahm zur Finanzierung des Kaufpreises von 82.551 DM sowie der Nebenkosten am gleichen Tag bei der Klägerin einen Zwischenkredit über 97.744 DM auf. Die
  53. endgültigen Darlehensverträge über 16.881 DM und 91.723 DM wurden
  54. von
  55. der
  56. Geschäftsbesorgerin
  57. für
  58. den
  59. Beklagten
  60. am
  61. 27. September/6. Oktober 1993 mit der Klägerin geschlossen.
  62. Seit April 1998 bediente der Beklagte die aufgenommenen Darlehen nicht mehr. Die Klägerin kündigte daraufhin mit Schreiben vom
  63. 15. Juli und 30. September 1998 die Darlehensverträge fristlos. Mit der
  64. Klage nimmt sie den Beklagten auf Rückzahlung der Restdarlehen in Anspruch.
  65. Der Beklagte hält dem unter anderem entgegen: Der Geschäftsbesorgungsvertrag und die mit ihm verbundene Vollmacht seien wegen
  66. Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz unwirksam. Die demnach
  67. nichtigen Darlehensverträge seien zudem nach dem Haustürwiderrufsge-
  68. -4-
  69. setz widerrufen worden. Außerdem hafte die Beklagte wegen unterlassener Aufklärung und Fehlberatung auf Schadensersatz.
  70. Die auf Zahlung von 109.686,70 DM zuzüglich Zinsen gerichtete
  71. Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
  72. Entscheidungsgründe:
  73. Die Revision des Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung
  74. des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
  75. I.
  76. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seines Urteils im wesentlichen ausgeführt:
  77. Der Beklagte sei bei Abschluß der streitgegenständlichen Darlehensverträge vom 27. September/6. Oktober 1993 durch die Geschäftsbesorgerin wirksam vertreten worden. Zwar sei der zwischen beiden geschlossene
  78. Geschäftsbesorgungsvertrag
  79. auf
  80. eine
  81. unzulässige
  82. Ge-
  83. schäftsbesorgung im Sinne des Art. 1 § 1 RBerG gerichtet und infolgedessen wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134
  84. BGB nichtig. Die Nichtigkeit erfasse auch die der Geschäftsbesorgerin
  85. erteilte Vollmacht, weil sie mit dem Grundgeschäft ein einheitliches
  86. -5-
  87. Rechtsgeschäft im Sinne des § 139 BGB bilde. Die Vollmacht sei aber
  88. gemäß §§ 171-173 BGB (analog) und nach den allgemeinen Regeln über
  89. die Duldungsvollmacht der Klägerin gegenüber wirksam. Zwar sei wegen
  90. des Bestreitens durch den Beklagten davon auszugehen, daß die notariell beurkundete Vollmacht vom 5. November 1992 der Klägerin bei Abschluß der endgültigen Darlehensverträge nicht in Urschrift oder Ausfertigung, sondern lediglich in Ablichtung vorgelegen habe, so daß § 171
  91. Abs. 1 und § 172 Abs. 1 BGB nicht unmittelbar anwendbar seien. Dies
  92. schließe es aber nicht aus, die Vollmacht in entsprechender Anwendung
  93. der §§ 171 bis 173 BGB oder unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen
  94. Rechtsscheins für wirksam zu erachten.
  95. Indem
  96. der
  97. Beklagte
  98. auf
  99. die
  100. Mitteilung
  101. der
  102. Klägerin
  103. vom
  104. 30. Dezember 1992 über das mit Vertrag vom 17. Dezember 1992 zur
  105. Vorfinanzierung des Kaufpreises errichtete Darlehenskonto geschwiegen, ihr am 5. November 1992 eine Ermächtigung zum Einzug von Forderungen erteilt, Gehaltsnachweis und Steuererklärung vorgelegt sowie
  106. die Sicherungszweckerklärung unterschrieben zurückgesandt habe, habe
  107. er nämlich am Abschluß der endgültigen Darlehensverträge mitgewirkt.
  108. Die Klägerin habe daher davon ausgehen können, daß der Beklagte
  109. auch das sich hierauf beziehende Handeln der Geschäftsbesorgerin in
  110. seinem Namen billige.
  111. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWiG für einen Widerruf der Darlehensverträge seien nicht erfüllt. Auch bestehe kein Schadensersatzanspruch des Beklagten wegen Verletzung einer Aufklärungsund Hinweispflicht. Es stehe weder fest, daß die Klägerin in bezug auf
  112. die speziellen Risiken des finanzierten Geschäfts ihm gegenüber einen
  113. -6-
  114. konkreten Wissensvorsprung gehabt habe, noch hätten sich hinreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, daß sie ihre Rolle als Kreditgeberin
  115. überschritten habe.
  116. II.
  117. Diese Ausführungen halten in einem wesentlichen Punkt rechtlicher Überprüfung nicht stand.
  118. 1. Der Revision kann allerdings nicht gefolgt werden, soweit sie
  119. meint, die Darlehensvertragserklärungen seien vom Beklagten gemäß
  120. § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWiG a.F. wirksam widerrufen worden. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (BGHZ 144, 223, 226 ff. und Urteil
  121. vom 2. Mai 2000 - XI ZR 108/99, WM 2000, 1247, 1248 f.) kommt es bei
  122. der Einschaltung eines Vertreters für die Widerruflichkeit der Vertragserklärung nach dem Haustürwiderrufsgesetz grundsätzlich nicht auf die
  123. Haustürsituation des Vertretenen bei der Vollmachtserteilung, sondern
  124. auf die des Vertreters bei Abschluß des Darlehensvertrages an. Daß sich
  125. in den Fällen, in denen das Rechtsgeschäft aufgrund einer bindenden
  126. Weisung des Vertretenen im Sinne des § 166 Abs. 2 BGB zustande gekommen ist, bei wertender Betrachtung eine andere rechtliche Beurteilung ergeben kann (vgl. Senat BGHZ aaO S. 228 f.), ist hier ohne Bedeutung. Für eine solche Ausnahmesituation ist nichts ersichtlich; die
  127. Revision vermag eine vergleichbare Interessenlage auch nicht aufzuzeigen.
  128. -7-
  129. 2. Indessen wendet sich die Revision zu Recht gegen die Ansicht
  130. des Berufungsgerichts, die der Geschäftsbesorgerin erteilte Vollmacht
  131. sei gemäß § 171, § 172 BGB (analog) oder nach den allgemeinen Regeln über die Duldungsvollmacht der Klägerin gegenüber als gültig zu
  132. behandeln.
  133. a) Richtig ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, der der notariellen Vollmachtserteilung zugrunde liegende
  134. umfassende Geschäftsbesorgungsvertrag sei wegen Verstoßes gegen
  135. Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG i.V. mit § 134 BGB nichtig. Nach der
  136. neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bedarf derjenige, der
  137. ausschließlich oder hauptsächlich die Abwicklung des Grundstückserwerbs im Rahmen eines Bauträgermodells für den Käufer besorgt, der
  138. Erlaubnis nach Art. 1 § 1 RBerG. Ein ohne diese Erlaubnis abgeschlossener Geschäftsbesorgungsvertrag ist nichtig (BGHZ 145, 265, 269 ff.;
  139. Senatsurteile vom 18. September 2001 - XI ZR 321/00, WM 2001, 2113,
  140. 2114 f., vom 14. Mai 2002 - XI ZR 155/01, WM 2002, 1273, 1274 und
  141. vom 18. März 2003 - XI ZR 188/02, Urteilsumdr. S. 6; m.w.Nachw.). Auch
  142. im vorliegenden Streitfall oblag der Geschäftsbesorgerin nach dem Vertragsinhalt nicht die Wahrnehmung wirtschaftlicher Belange, wie z.B. die
  143. Prüfung der Rentabilität und Zweckmäßigkeit der Investitionsentscheidung. Vielmehr stellt die ihr eingeräumte Befugnis, ein ganzes Bündel
  144. von Verträgen für den Beklagten abzuschließen, eine gewichtige rechtsbesorgende Tätigkeit dar, die über das hinausgeht, was bei Geschäftsbesorgungen wirtschaftlicher Art üblich ist und gewöhnlich nicht als Betätigung auf rechtlichem Gebiet empfunden wird (vgl. BGH, Urteil vom
  145. 12. März 1987 - I ZR 31/85, NJW 1987, 3005).
  146. -8-
  147. b) Die Nichtigkeit des Geschäftsbesorgungsvertrages erfaßt auch
  148. die der Geschäftsbesorgerin zur Ausführung des Vertrags erteilte Abschlußvollmacht. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kommt es
  149. hierfür nicht entscheidend darauf an, ob Vollmacht und Grundgeschäft
  150. nach dem erkennbaren Willen der Vertragsparteien zu einem einheitlichen Rechtsgeschäft gemäß § 139 BGB verbunden sind.
  151. Welche Auswirkungen die Nichtigkeit des Geschäftsbesorgungsvertrages auf die dem Geschäftsbesorger (Treuhänder) zum Zwecke der
  152. umfassenden Geschäftsbesorgung erteilte Vollmacht hat, ist streitig.
  153. Nach der - dem Berufungsurteil zugrunde liegenden - Auffassung kann
  154. der Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz nur dann - mittelbar auch zur Nichtigkeit der Vollmacht führen, wenn die Nichtigkeit des Geschäftsbesorgungsvertrages gemäß § 139 BGB auf die Vollmacht durchschlägt (Edelmann DB 2001, 687, 688; Ganter WM 2001, 195; Sommer
  155. NotBZ 2001, 28, 29). Dies wird damit begründet, daß sich das Verbot
  156. des Art. 1 § 1 RBerG nur gegen den Rechtsberater richte und mithin
  157. nicht zur Nichtigkeit der Vollmacht führen könne, die als einseitiges
  158. Rechtsgeschäft durch den Vertragspartner des Rechtsberaters erteilt
  159. werde. Nach Auffassung des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes
  160. (Urteil vom 11. Oktober 2001 - III ZR 182/00, WM 2001, 2260, 2261 f.)
  161. führt der Verstoß gegen Art. 1 § 1 RBerG i.V. mit § 134 BGB demgegenüber unmittelbar und ohne weiteres auch zur Nichtigkeit der Vollmacht
  162. (so auch Reiter/Methner VuR 2001, 193, 196 ff.). Zur Begründung hat
  163. der III. Zivilsenat auf den Schutzzweck des Rechtsberatungsgesetzes
  164. abgestellt. Art. 1 § 1 RBerG diene dem Schutz der Rechtsuchenden vor
  165. unsachgemäßer Beratung und Vertretung sowie deren häufig nachteiligen rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen. Dieser sei nur dann zu er-
  166. -9-
  167. reichen, wenn auch die die Vertretung ermöglichende Vollmacht für unwirksam erachtet werde. Der erkennende Senat hat bereits in seinem
  168. Urteil vom 14. Mai 2002 (XI ZR 155/01, WM 2002, 1273, 1274) zum Ausdruck gebracht, daß er mit Rücksicht auf die Zweckrichtung des Rechtsberatungsgesetzes der vom III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes vertretenen Auffassung zuneigt, und sich dieser mit Urteil vom 18. März
  169. 2003 (XI ZR 188/02, Urteilsumdr. S. 8) angeschlossen (ebenso BGH,
  170. Urteil vom 16. Dezember 2002 - II ZR 109/01, WM 2003, 247, 249, zum
  171. Abdruck in BGHZ vorgesehen).
  172. Zwar erfolgt die Vollmachtserteilung durch einseitige Willenserklärung des Vertretenen (siehe z.B. Soergel/Leptien, BGB 13. Aufl. § 167
  173. Rdn. 4; MünchKomm/Schramm, BGB 4. Aufl. § 167 Rdn. 4; differenzierend Müller-Freienfels, Die Vertretung beim Rechtsgeschäft S. 243 ff.).
  174. Dies schließt es aber nicht aus, die Wirksamkeit der Vollmacht nach dem
  175. Schutzzweck des Art. 1 § 1 RBerG zu beurteilen. Die gegenteilige Ansicht berücksichtigt nicht hinreichend, daß die Bevollmächtigung in Fällen der vorliegenden Art fester Bestandteil der von dem Rechtsberater
  176. einseitig vorgegebenen Vertragsbedingungen ist und darüber hinaus regelmäßig nicht frei widerrufen werden kann. Es wäre daher verfehlt, unter diesen besonderen Umständen den Unterschied zwischen "einseitigen" und "mehrseitigen" Rechtsgeschäften und nicht den Schutzzweck
  177. des Art. 1 § 1 RBerG in den Vordergrund zu stellen.
  178. c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die streitige
  179. Vollmacht weder in (entsprechender) Anwendung von § 171 Abs. 1 und
  180. § 172 Abs. 1 BGB noch nach den allgemeinen Regeln über die Duldungsvollmacht der Klägerin gegenüber für wirksam zu erachten.
  181. - 10 -
  182. aa) § 171 und § 172 BGB sowie die Grundsätze über die Duldungsund Anscheinsvollmacht sind allerdings - anders als die Revision meint auch dann anwendbar, wenn die Bevollmächtigung des Geschäftsbesorgers unmittelbar gegen Art. 1 § 1 RBerG verstößt und gemäß § 134 BGB
  183. nichtig ist. Die §§ 171 bis 173 BGB sowie die Grundsätze der Duldungsund Anscheinsvollmacht sind Anwendungsfälle des allgemeinen Rechtsgrundsatzes, daß derjenige, der einem gutgläubigen Dritten gegenüber
  184. zurechenbar den Rechtsschein einer Bevollmächtigung eines anderen
  185. setzt, sich so behandeln lassen muß, als habe er dem anderen wirksam
  186. Vollmacht erteilt (vgl. BGHZ 102, 60, 64; Senatsurteil vom 14. Mai 2002
  187. - XI ZR 155/01, WM 2002, 1273, 1274 f.). Dies gilt, soweit gesetzgeberische Wertungen nicht entgegenstehen, grundsätzlich ohne Rücksicht
  188. darauf, aus welchen Gründen sich die Bevollmächtigung eines anderen
  189. als
  190. nichtig
  191. erweist
  192. (vgl.
  193. BGHZ 144,
  194. 223,
  195. 230;
  196. Senatsurteil
  197. vom
  198. 22. Oktober 1996 - XI ZR 249/95, WM 1996, 2230, 2232). Nur so kann
  199. dem Schutz des Rechtsverkehrs, den die allgemeine Rechtsscheinhaftung
  200. bezweckt, ausreichend Rechnung getragen werden. Dementsprechend ist
  201. der erkennende Senat bereits in seinen Urteilen vom 18. September 2001
  202. (XI ZR 321/00, WM 2001, 2113, 2115) und vom 14. Mai 2002 (XI ZR
  203. 155/01, WM 2002, 1273, 1275) davon ausgegangen, daß der Vertragspartner bei einem Verstoß des Vertreters gegen das Rechtsberatungsgesetz den Schutz von § 171 und § 172 BGB bzw. der allgemeinen Rechtsscheinhaftung genießt.
  204. Die Ausführungen der Revision geben zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlaß. Das Verbot unerlaubter Rechtsberatung richtet
  205. sich nicht gegen den Vertragspartner des vertretenen Rechtsuchenden,
  206. - 11 -
  207. sondern gegen den Vertreter. Es soll den Rechtsuchenden vor sachunkundigen unbefugten Rechtsberatern schützen (BGHZ 15, 315, 317),
  208. betrifft also das Innenverhältnis zwischen dem Vertreter und dem Vertretenen. Dem Vertragspartner gleichwohl den Schutz der §§ 171 ff. BGB
  209. sowie der Grundsätze über die Duldungs- und Anscheinsvollmacht zu
  210. versagen, besteht um so weniger Anlaß, als der Vertretene sich gegebenenfalls an seinen unbefugten Rechtsberater halten kann.
  211. bb) § 172 Abs. 1 BGB setzt - wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat - voraus, daß der Klägerin spätestens bei Abschluß der Darlehensverträge vom 27. September/6. Oktober 1993 entweder das Original
  212. oder
  213. eine
  214. Ausfertigung
  215. der
  216. notariellen
  217. Vollmachtsurkunde
  218. vom
  219. 5. November 1992 vorgelegt worden ist (vgl. BGHZ 102, 60, 63; Senatsurteile vom 22. Oktober 1996 - XI ZR 249/95, WM 1996, 2230, 2232 und
  220. vom 14. Mai 2002 - XI ZR 155/01, WM 2002, 1273, 1274). Die Prozeßparteien haben dazu streitig vorgetragen. Feststellungen hat das Berufungsgericht insoweit nicht getroffen. In der Revisionsinstanz kann die
  221. der Geschäftsbesorgerin erteilte Vollmacht danach nicht gemäß § 172
  222. Abs. 1 BGB als wirksam behandelt werden.
  223. cc) Allerdings kann eine nicht wirksam erteilte Vollmacht über
  224. § 171 und § 172 BGB hinaus aus allgemeinen Rechtsscheinsgesichtspunkten dem Geschäftspartner gegenüber als wirksam zu behandeln
  225. sein (vgl. BGHZ 102, 60, 62, 64 ff.). Das ist der Fall, wenn das Vertrauen
  226. des Dritten auf den Bestand der Vollmacht an andere Umstände als an
  227. die Vollmachtsurkunde anknüpft und nach den Grundsätzen über die
  228. Duldungsvollmacht schutzwürdig erscheint (BGHZ 102, 60, 62, 64; Senatsurteile vom 22. Oktober 1996 - XI ZR 249/95, WM 1996, 2230, 2232
  229. - 12 -
  230. und vom 14. Mai 2002 - XI ZR 155/01, WM 2002, 1273, 1274 f.). In Betracht kommen dabei ausschließlich bei oder vor Vertragsschluß vorliegende Umstände. Denn eine Duldungsvollmacht ist nur gegeben, wenn
  231. der Vertretene es - in der Regel über einen längeren Zeitraum - wissentlich geschehen läßt, daß ein anderer für ihn ohne eine Bevollmächtigung
  232. als Vertreter auftritt und der Vertragspartner dieses bewußte Dulden dahin versteht und nach Treu und Glauben verstehen darf, daß der als
  233. Vertreter Handelnde bevollmächtigt ist (st.Rspr., siehe etwa BGH, Urteile
  234. vom
  235. 10. März
  236. 15. Dezember
  237. 1953
  238. 1955
  239. - I ZR
  240. - II ZR
  241. 76/52,
  242. 181/54,
  243. LM
  244. § 167
  245. WM 1956,
  246. BGB
  247. 154,
  248. Nr. 4,
  249. vom
  250. 155,
  251. vom
  252. 9. November 1989 - VII ZR 200/88, WM 1990, 481, 482 und vom 13. Mai
  253. 1992 - IV ZR 79/91, VersR 1992, 989, 990; Senatsurteil vom 14. Mai
  254. 2002 - XI ZR 155/01, WM 2002, 1273, 1275).
  255. So ist es hier aber nicht: Der Umstand, daß der Beklagte auf die
  256. Mitteilung der Klägerin vom 30. Dezember 1992 über das mit Vertrag
  257. vom 17. Dezember 1992 zur Vorfinanzierung des Kaufpreises errichtete
  258. Darlehenskonto geschwiegen, ihr am 5. November 1992 eine Ermächtigung zum Einzug von Forderungen erteilt, Gehaltsnachweis und Steuererklärung vorgelegt sowie die Sicherungszweckerklärung unterschrieben
  259. zurückgesandt hat, begründet entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts in bezug auf die streitgegenständlichen Darlehensverträge vom
  260. 27. September/6. Oktober 1993 keinen Rechtsschein für eine Duldungsvollmacht. Zwar hat der erkennende Senat in der zitierten Entscheidung
  261. vom 22. Oktober 1996 (XI ZR 249/95, WM 1996, 2230, 2232) eine Anwendung der Regeln über die Duldungsvollmacht in einem Fall bejaht, in
  262. dem der Vertretene auf eine Mitteilung der Bank über die Einrichtung von
  263. Darlehenskonten für ihn geschwiegen, den vollmachtlosen Vertreter an
  264. - 13 -
  265. dem zeitlich unmittelbar danach vorgenommenen Abschluß des Darlehensvertrages nicht gehindert hatte und die kreditgebende Bank dieses
  266. Verhalten des Vertretenen unabhängig von der Wirksamkeit der notariellen Vollmacht dahin werten konnte, der als Vertreter Handelnde habe
  267. Vollmacht. Damit kann aber der vorliegende Streitfall - anders als die
  268. Revisionserwiderung meint - nicht verglichen werden. Die Mitwirkungshandlungen des Beklagten betreffen alle lediglich die Vorfinanzierung
  269. des Kaufpreises und haben keinen Bezug zu den erst rund neun Monate
  270. später von der Geschäftsbesorgerin in seinem Namen abgeschlossenen
  271. Darlehensverträgen. Für die Annahme, daß der Beklagte hinsichtlich dieser Verträge einen rechtlich relevanten Rechtsschein nach den Grundsätzen der Duldungsvollmacht gegenüber der Klägerin hervorgerufen
  272. hat, fehlt daher die notwendige Tatsachengrundlage. Daß die Klägerin
  273. bei Abschluß der endgültigen Darlehensverträge nicht nur auf die notarielle Vollmachtsurkunde vom 5. November 1992 vertraut, sondern die
  274. Mitwirkungshandlungen des Beklagten für ein bewußtes "Dulden" des
  275. Handelns der Geschäftsbesorgerin gehalten und zur Grundlage ihrer
  276. Willensentscheidungen gemacht hat, ist von ihr in den Tatsacheninstanzen auch nicht geltend gemacht worden.
  277. III.
  278. Das Urteil des Berufungsgerichts war daher aufzuheben (§ 562
  279. Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, war sie an
  280. das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
  281. Dieses wird darüber Beweis zu erheben haben, ob der Klägerin bei Ab-
  282. - 14 -
  283. schluß der Darlehensverträge im Herbst 1993 eine notarielle Ausfertigung der Vollmachtsurkunde vom 5. November 1992 vorgelegen hat.
  284. Nobbe
  285. Bungeroth
  286. Wassermann
  287. Müller
  288. Appl