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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. X ZR 107/05
  5. Verkündet am:
  6. 30. Juni 2009
  7. Anderer
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in der Patentnichtigkeitssache
  12. -2-
  13. Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
  14. vom 30. Juni 2009 durch den Vorsitzenden Richter Scharen und die Richter
  15. Dr. Lemke, Asendorf, Gröning und Dr. Berger
  16. für Recht erkannt:
  17. Die Berufung gegen das am 19. Mai 2005 verkündete Urteil des
  18. 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten
  19. der Beklagten zurückgewiesen.
  20. Von Rechts wegen
  21. -3-
  22. Tatbestand:
  23. 1
  24. Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 947 279 (Streitpatents), das am
  25. 25. Februar 1999 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 31. März 1998 angemeldet wurde. Das Patent betrifft eine Widerstandsschweißvorrichtung und umfasst
  26. 12 Patentansprüche, von denen Patentanspruch 1 in der Verfahrenssprache lautet:
  27. "A resistance welding device, comprising:
  28. a welding current source;
  29. a welding current regulating device coupled to said welding current source;
  30. at least one set of replaceable welding tongs that receives current
  31. provided by said welding current source,
  32. characterized in that said set of welding tongs include a local data storage memory that stores data specific for said welding tongs and a first
  33. data interface that transmits said data to said welding current regulating
  34. device."
  35. und die Patentansprüche 1, 2, 7 und 12 in der deutschen Übersetzung gemäß Patentschrift folgenden Wortlaut haben:
  36. "1.
  37. Widerstandsschweißvorrichtung mit:
  38. -
  39. einer Schweißstromquelle;
  40. -
  41. einem an die genannte Schweißstromquelle angeschlossenen
  42. Schweißstrom-Regelgerät;
  43. -4-
  44. -
  45. mindestens einer auswechselbaren Schweißzange, welche mit
  46. von der genannten Schweißstromquelle geliefertem Strom gespeist wird;
  47. dadurch gekennzeichnet, dass die genannte Schweißzange einen
  48. lokalen Datenspeicher aufweist, welcher für die genannte Schweißzange spezifische Daten speichert, und eine erste Datenschnittstelle aufweist, welche die genannten Daten an das genannte
  49. Schweißstrom-Regelgerät überträgt.
  50. 2.
  51. Widerstandsschweißvorrichtung nach Anspruch 1,
  52. dadurch gekennzeichnet, dass das genannte SchweißstromRegelgerät eine zweite Datenschnittstelle umfasst, welche mit der
  53. genannten ersten Datenschnittstelle an der genannten Schweißzange verbindbar ist, sowie einen Programmspeicher, der die für
  54. die Schweißzange spezifischen Daten aufnehmen kann.
  55. 7.
  56. Schweißzange,
  57. dadurch gekennzeichnet, dass sie einen lokalen Datenspeicher
  58. umfasst, welcher für die Schweißzange spezifische Daten speichert
  59. und dass sie eine erste Datenschnittstelle zur Übertragung der genannten Daten an ein Regelgerät, das den Betrieb der Schweißzange steuert, umfasst.
  60. 12. Verfahren zum Betrieb eines Regelgeräts einer Widerstandsschweißvorrichtung,
  61. gekennzeichnet durch:
  62. (a)
  63. Befestigen einer selbstprogrammierbaren Schweißzange, welche einen lokalen Datenspeicher zum Speichern von für die
  64. Schweißzange spezifischen Daten und eine erste Daten-
  65. -5-
  66. schnittstelle zur Übertragung der Daten an ein Regelgerät
  67. aufweist, das den Betrieb der Schweißzange steuert, an der
  68. Schweißanordnung; und
  69. (b)
  70. Übertragen der spezifischen Betriebsparameter an das Steuer- oder Regelgerät."
  71. 2
  72. Patentansprüche 3 bis 6 sind auf Patenanspruch 1, Patenansprüche 8 bis 11
  73. auf Patentanspruch 7 rückbezogen. Wegen deren Wortlauts wird auf die Patentschrift
  74. Bezug genommen.
  75. 3
  76. Mit ihrer Nichtigkeitsklage hat die Klägerin geltend gemacht, das Streitpatent
  77. sei nicht patentfähig, da seine Lehre nicht neu, jedenfalls aber durch den Stand der
  78. Technik nahegelegt sei. Dafür hat sie sich vor allem auf druckschriftlichen Stand der
  79. Technik berufen. Sie hat außerdem geltend gemacht, ihre Programmfortschaltung
  80. PF4 (Anlagen K4 bis K6, K16, K18) stelle eine neuheitsschädliche offenkundige Vorbenutzung dar, weil diese bereits 1997 an Dritte ohne Geheimhaltungsverpflichtung
  81. geliefert worden sei.
  82. 4
  83. Die Klägerin hat beantragt, das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet
  84. der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
  85. 5
  86. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und das Streitpatent hilfsweise mit geänderten Ansprüchen verteidigt; insoweit wird auf das Protokoll der
  87. mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht (Bl. 132 f. NiA) Bezug genommen.
  88. 6
  89. Die Beklagte hat insbesondere geltend gemacht, die Schweißtechnik sei ein
  90. abgeschlossenes technisches Gebiet. Der Fachmann werde daher Schriften, die sich
  91. nicht ausschließlich mit der Schweißtechnik beschäftigen, nicht heranziehen.
  92. -6-
  93. 7
  94. Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt.
  95. 8
  96. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.
  97. 9
  98. Die Beklagte beantragt,
  99. das Urteil des Bundespatentgerichts vom 19. Mai 2005 abzuändern und
  100. die Nichtigkeitsklage abzuweisen,
  101. hilfsweise, das Streitpatent mit der Maßgabe aufrecht zu erhalten,
  102. 1. dass in den Ansprüchen 1 und 7 das Wort "Daten" hinter dem Wort
  103. "spezifischen" bzw. "spezifische" durch folgende Wörter ersetzt wird:
  104. "Steuer- und/oder Regeldatensätze, einschließlich Referenzdatensätze,",
  105. 2. dass in Anspruch 12 das Wort "Daten" hinter dem Wort "spezifischen" durch folgende Wörter ersetzt wird: "Steuer- und/oder Regeldatensätzen, einschließlich Referenzdatensätzen," sowie
  106. 3. in den Patenansprüchen 1, 2, 6, 7, 11 und 12 das weitere Wort "Daten" durch das Wort "Datensätze" ersetzt wird.
  107. 10
  108. Die Klägerin beantragt,
  109. die Berufung zurückzuweisen.
  110. 11
  111. Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens
  112. des Prof. Dr.-Ing. P.
  113. P.
  114. der Technischen Universität C.
  115. . Der Sachver-
  116. ständige hat sein Gutachten in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt.
  117. -7-
  118. Entscheidungsgründe:
  119. Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg, da das Streitpatent
  120. 12
  121. sowohl in der erteilten als auch in der hilfsweise verteidigten Fassung nicht patentfähig ist (Art. 138 Abs. 1 lit. a EPÜ, Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜbkG i.V.m. Art. 56
  122. EPÜ).
  123. 13
  124. I. 1.
  125. Patenanspruch 1 in der erteilten Fassung lehrt eine Widerstands-
  126. schweißvorrichtung mit einer Schweißstromquelle, einem hieran angeschlossenen
  127. Schweißstrom-Regelgerät und mindestens einer auswechselbaren Schweißzange,
  128. die von der Schweißstromquelle mit Strom gespeist wird. Die Nebenansprüche 7 und
  129. 12 betreffen eine Schweißzange und ein Verfahren zum Betrieb dieser Vorrichtung.
  130. 14
  131. Widerstandsschweißvorrichtungen werden zum Verschweißen verschiedener
  132. Bestandteile, häufig zweier oder mehrerer Bleche, eingesetzt, wobei diese Bestandteile miteinander in Kontakt gebracht und Schweißelektroden mittels einer Schweißzange auf die Oberfläche dieser Bestandteile gedrückt werden. Durch den Schweißstrom wird die Kontaktzone zwischen den Bestandteilen aufgeschmolzen und hierdurch ein Schweißpunkt geschaffen. Hierbei - so führt die Patentschrift weiter aus müsse der Verlauf des Schweißstroms in engen Grenzen gesteuert und/oder geregelt werden, damit der Schweißpunkt die erforderliche Qualität aufweise. Zur optimalen Regelung könnten unterschiedliche Verfahren eingesetzt werden. In einem statischen Steuerungsverfahren seien Schweißzeit, Stromstärke des Schweißstroms und
  133. Andrückkraft der Elektroden fest vorgegeben. Komplexere und teurere dynamische
  134. Regelverfahren verwendeten Referenzkurven des dynamischen Schweißstrom- und
  135. Elektroden-Spannungsabfall-Verlaufs. In der Streitpatentschrift heißt es dann in der
  136. Verfahrenssprache (Abs. 0005, Sp. 1, Z. 55 ff.): "Only recently some sophisticated
  137. control devices provided by the applicant take into account control and/or regulating
  138. -8-
  139. parameters (also referred to herein as the reference data sets) that depend upon the
  140. welding tongs used for different welds." und in der Übersetzung (Abs. 0005, Satz 2):
  141. "Erst seit kurzem berücksichtigen einige von der Anmelderin geschaffene hochentwickelte Steuervorrichtungen Steuer- und/oder Regelparameter (hier auch als Referenzdatensätze bezeichnet), welche von den für verschiedene Schweißungen verwendeten Schweißzangen abhängen."
  142. 15
  143. In einer industriellen Fertigungseinrichtung können eine große Anzahl von
  144. Schweißzangen verwendet werden, die über Schnellwechselkupplungen an unterschiedliche Schweißstromquellen angeschlossen werden. Die Streitpatentschrift
  145. schildert als bekannt, die hierzu nötigen Steuer- und Regelparameter in einem zentralen Datenspeicher abzulegen, der entweder in das Steuer- und/oder Regelgerät
  146. integriert oder bei mehreren Schweißstationen innerhalb einer Fertigungsanlage über
  147. ein Datennetzwerk mit den unterschiedlichen Steuer- und/oder Regelgeräten verbunden ist.
  148. 16
  149. Das bezeichnet die Beschreibung als nachteilig, da bei jedem Wechsel der
  150. Zange die Personen, die die Schweißvorrichtungen bedienten, darauf achten müssten, dass vor der Schweißung der zu verwendende Steuer- und Regeldatensatz ordnungsgemäß geladen werde.
  151. 17
  152. Diesem Nachteil soll durch die geschützte Erfindung abgeholfen werden und
  153. damit die Handhabung der Datenverwaltung bei einer Widerstandsschweißvorrichtung vereinfacht und deren Zuverlässigkeit erhöht werden.
  154. 18
  155. 2.
  156. Nach Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung besteht die Lösung in
  157. einer Widerstandsschweißvorrichtung mit
  158. a)
  159. einer Schweißstromquelle,
  160. -9-
  161. b)
  162. einem an die genannte Schweißstromquelle angeschlossenen
  163. Schweißstrom-Regelgerät und
  164. c)
  165. mindestens einer auswechselbaren Schweißzange, welche mit von
  166. der genannten Schweißstromquelle geliefertem Strom gespeist
  167. wird;
  168. d)
  169. die genannte Schweißzange weist einen lokalen Datenspeicher
  170. auf, welcher für die genannte Schweißzange spezifische Daten
  171. speichert,
  172. e)
  173. sie weist ferner eine erste Datenschnittstelle auf, welche die genannten Daten an das genannte Schweißstrom-Regelgerät überträgt.
  174. 19
  175. 3.
  176. Dabei bedürfen einige der verwendeten Begriffe näherer Erläuterung:
  177. 20
  178. a)
  179. Der Begriff des "Regelgeräts" (Merkmal b) umfasst - wie schon das
  180. fachkundig besetzte Bundespatentgericht angenommen hat - ein Gerät, das den
  181. Schweißstrom nicht auch regelt, sondern lediglich steuert, das heißt auch ein solches
  182. Gerät, das den Schweißprozess beeinflusst, ohne hierbei die Istwerte mit vorgegebenen Sollwerten zu vergleichen und Erstere durch eine Rückkopplung anzupassen.
  183. Das ergibt sich auf Grund der Erläuterung, welche die patentgemäße Lehre in der
  184. Beschreibung erfahren hat, sowie daraus, dass in Übereinstimmung damit beispielsweise Anspruch 7 nicht auf die Verwendung eines Regelgeräts im eigentlichen Sinne
  185. gerichtet ist ("regulating device that controls operation…").
  186. 21
  187. Laut Abs. 0001, Satz 1 der Übersetzung heißt es, die Erfindung betreffe eine
  188. Widerstandsschweißvorrichtung mit einem Steuer- und/oder Regelgerät ("a control
  189. and/or regulating device"). Dieser Begriff wird im Folgenden in der Streitpatentschrift
  190. mehrfach wiederholt (z.B. Abs. 0007, Sätze 2 und 3; Abs. 0009, Satz 2; Abs. 0011,
  191. Sätze 2, 3, 4 und 5; Abs. 0012, Satz 4; Abs. 0019, Sätze 1 und 6; Abs. 0021, Sät-
  192. - 10 -
  193. ze 2, 4, 5 und 8 sowie Abs. 0023, Satz 1 der Übersetzung), an anderen Stellen ist
  194. von einem "Steuer- oder Regelgerät" ("control or regulating device") (Abs. 0008,
  195. Satz 1; Abs. 0009, Satz 2 der Übersetzung), einem "Steuer-/Regelgerät" ("control/
  196. regulating device") (Abs. 0022, Satz 1 der Übersetzung) und einer "Steuer- und/oder
  197. Einstellvorrichtung" ("control and/or reference device") (Abs. 0019, Satz 5 der Übersetzung) die Rede, ohne dass erkennbar wäre, diesen Bezeichnungen solle unterschiedliche Bedeutung beigemessen werden.
  198. Außerdem verwenden die Patentansprüche 7 und 12 das Wort "control" zur
  199. 22
  200. Kennzeichnung der Funktion des Regelgeräts. Auch das legt das Verständnis nahe,
  201. dass eine bloße Steuerung erfolgen kann. Denn ausweislich der Beschreibung (z.B.
  202. Abs. 0001, Sp. 1, Z. 7 f.) unterscheidet das Streitpatent zwischen "control" und "regulate". Schließlich ist in Patentanspruch 12 lit. a von einem "Regelgerät" ("a regulating
  203. device") die Rede, während es in lit. b "Steuer- oder Regelgerät" ("control or regulating device") heißt, ohne dass anzunehmen wäre, dass es sich bei den unter lit. a
  204. und lit. b des Anspruchs genannten um unterschiedliche Geräte handelt.
  205. b)
  206. 23
  207. Mit dem Begriff "spezifische Daten" bezeichnet das Streitpatent Be-
  208. triebsparameter, die die Steuerung und/oder Regelung von Schweißverfahren mit der
  209. betreffenden Schweißzange ermöglichen, und damit auch Kenndaten, die - wie z.B.
  210. Größe oder Andrückkraft der Zange - Parameter des Schweißvorgangs darstellen.
  211. Spezifische Daten im Sinne des Streitpatents sind demgegenüber entgegen der Auffassung der Klägerin nicht Daten, die lediglich der Identifizierung der einzelnen
  212. Schweißzange, z.B. mit Typenbezeichnung und individueller Werkzeugnummer, dienen.
  213. 24
  214. Dieses Verständnis ergibt sich bei Berücksichtigung von Patentanspruch 12,
  215. der das Verfahren zum Betrieb eines patentgemäßen (Steuer- und/oder) Regelgeräts
  216. beschreibt und der als Teil des Anspruchssatzes auch zur Auslegung des Patentan-
  217. - 11 -
  218. spruchs 1 herangezogen werden muss. Denn unter lit. a werden zunächst die Daten,
  219. die in dem lokalen Datenspeicher der Schweißzange gespeichert und sodann übertragen werden sollen, - wie auch in den übrigen Ansprüchen - als "spezifische Daten"
  220. ("data specific for the welding tongs") bezeichnet und unter lit. b heißt es sodann,
  221. dass die "spezifischen Betriebsparameter" ("specific operating parameters") an das
  222. Steuer- oder Regelgerät übertragen werden.
  223. 25
  224. Zweifel, dass die Informationen, die nach lit. a in dem lokalen Datenspeicher
  225. der Zange gespeichert werden, mit den Informationen identisch sind, die nach lit. b
  226. an das Steuer- und/oder Regelgerät übertragen werden, ergeben sich aus dem sonstigen Inhalt der Patentschrift nicht. Die vorgenommene Auslegung findet vielmehr
  227. Bestätigung in der Beschreibung. Danach ist es beim Stand der Technik nachteilig,
  228. dass dann, wenn die Daten in einem zentralen Speicher abgelegt sind, die Personen,
  229. die die Schweißvorrichtung bedienen, jeweils darauf achten müssen, dass vor der
  230. Schweißung der der verwendeten Schweißzange entsprechende Steuer- und Regeldatensatz ordnungsgemäß geladen wird (Abs. 0006, Sätze 3 bis 5 der Übersetzung).
  231. Diese in der Beschreibung als nachteilig geschilderte Situation besteht auch dann,
  232. wenn lediglich Adress- oder Identifizierungsdaten in der Zange gespeichert, die spezifischen Betriebsparameter, die die Steuerung und/oder Regelung des Schweißverfahrens ermöglichen, aber weiterhin auf einem zentralen Speicher abgelegt werden.
  233. Außerdem ist nach der Beschreibung (Abs. 0010, Satz 1 der Übersetzung) die patentgemäße lokale Datenspeicherung in verschiedenen Bereichen der WerkzeugSteuersysteme bekannt. Die insoweit in Bezug genommenen Druckschriften betreffen aber nicht die lokale Speicherung von Identifizierungsdaten, sondern von (spezifischen) Betriebsparametern, die die Steuerung und/oder Regelung des jeweiligen
  234. Verfahrens ermöglichen.
  235. 26
  236. Aus den genannten Gründen sind spezifische Daten im Sinne des Streitpatents auch nicht solche Daten, die lediglich der (Vor-)Auswahl eines oder mehrerer
  237. - 12 -
  238. Steuer- und/oder Regelprogramme dienen, wie beispielsweise die Programmanwahlcodierung der behaupteten Vorbenutzung gemäß Anlagen K4 (Programmfortschaltung PF4, Bedienungsanleitung) bis K6, K16 und K18. Nach der Druckschrift K4 wird
  239. durch die Programmanwahlcodierung für eine Schweißzange ein bestimmter sog.
  240. Zangenbereich ausgewählt und damit eine Mehrzahl bestimmter Schweißprogramme, die diesem Zangenbereich zugeordnet sind. Diese Auswahl erfolgt, indem an der
  241. Zange befindliche Anschlusspaare, die zur Aufnahme einsteckbarer Drahtbrücken
  242. ausgelegt sind, entsprechend einer vorgegebenen Zuordnung verschaltet werden
  243. (siehe Tabelle Anlage K4, S. 10 ff.). Die Wahl eines bestimmten Programms unter
  244. den dem ausgewählten Zangenbereich zugeordneten Programmen erfolgt durch Betätigung einer an der Zange befindlichen Taste. Der sich durch Tasteneingabe ergebende Wert wird mit dem Programmanwahlcode (in Form der Verschaltzustände der
  245. Anschlusspaare) von der Schweißzange an die (nicht an der Schweißzange angeordnete) Programmfortschaltung übermittelt, die hieraus eine absolute Programmnummer errechnet, die an den Inverter übermittelt wird (S. 6, Anlage K4). Dieser erhält damit die Information, welches der dort gespeicherten 512 Programme er zu
  246. starten hat.
  247. 27
  248. Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, der Begriff der "spezifischen Daten"
  249. erfordere sogar, dass es sich um Daten handele, die eine Regelung des Schweißstromverlaufs ermöglichten, also insbesondere um Referenzkurven des dynamischen
  250. Schweißstromverlaufs und des dynamischen Elektroden-Spannungsabfall-Verlaufs
  251. (vgl. Abs. 0004, Satz 3 der Übersetzung). Eine solche Einschränkung ergibt sich weder aus den Patentansprüchen, noch weist die Beschreibung auf eine solche Notwendigkeit hin. Zudem können auch (spezifische) Steuerparameter spezifische Daten im Sinne des Streitpatents sein, da die patentgemäße Widerstandsschweißvorrichtung, wie ausgeführt, auch lediglich ein Steuergerät aufweisen kann.
  252. - 13 -
  253. 28
  254. 4.
  255. Der Gegenstand des Streitpatents in der erteilten Fassung ist - wie das
  256. Bundespatentgericht zutreffend angenommen hat - neu (Art. 54 EPÜ). Für den Fall,
  257. dass Adressdaten sowie Daten, die lediglich der (Vor-)Auswahl von Steuer- und/oder
  258. Regelprogrammen dienen, nicht als spezifische Daten im Sinne des Streitpatents
  259. anzusehen sind, hat auch die Klägerin nicht geltend gemacht, der Gegenstand des
  260. Streitpatents sei durch eine der Entgegenhaltungen neuheitsschädlich vorweggenommen.
  261. 29
  262. 5.
  263. Das Streitpatent in der erteilten Fassung beruht allerdings nicht auf er-
  264. finderischer Tätigkeit (Art. 56 EPÜ).
  265. 30
  266. a)
  267. Maßgeblicher Durchschnittsfachmann ist hier entweder ein Ingenieur,
  268. der sich in einem Studiengang der Elektrotechnik, des Maschinenbaus oder einer
  269. verwandten Fachrichtung mit dem Bereich der Automatisierungstechnik vertieft befasst hat, oder ein Schweißfachingenieur, der sich mit der Steuerung und/oder Regelung von Schweißvorgängen befasst.
  270. 31
  271. Genauer eingrenzende Feststellungen zum maßgeblichen Durchschnittsfachmann, d.h. der Person, die mit Entwicklungsarbeiten auf dem jeweiligen technischen
  272. Fachgebiet üblicherweise betraut wird (Sen.Urt. v. 29.2.2000 - X ZR 166/97, BeckRS
  273. 2000 30098745), konnten auf Grund der Verhandlung und der Beweisaufnahme
  274. nicht getroffen werden. Der Karosseriebau in der Automobilherstellung ist, worauf die
  275. Streitpatentschrift hinweist (Abs. 0002, Satz 1 der Übersetzung), einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige für Widerstandsschweißvorrichtungen. Der Senat geht
  276. ferner angesichts des insoweit übereinstimmenden Parteivortrags davon aus, dass
  277. die in der Streitpatentschrift angesprochene "industrielle Fertigungseinrichtung"
  278. (Abs. 0006 der Übersetzung) sich dort insbesondere im Prototypenbau findet. Insbesondere von Automobilherstellern im Bereich des Prototypenbaus wird daher der in
  279. der Streitpatentschrift bei der zentralen Speicherung der spezifischen Daten geschil-
  280. - 14 -
  281. derte Nachteil erkannt, dass bei jedem Wechsel einer Zange sichergestellt werden
  282. muss, dass der zu dieser Zange gehörige Datensatz geladen wird. Der Automobilhersteller, der diesem Nachteil abhelfen möchte, wendet sich entweder an den Hersteller der Schweißstromquelle und -steuerung bzw. -regelung oder den Hersteller
  283. der Schweißzange, bei denen es sich in der Regel um zwei verschiedene Unternehmen handelt, wie die Erörterung in der mündlichen Verhandlung ergeben hat. Es
  284. konnte jedoch nicht geklärt werden, ob - wie die Beklagte behauptet - bei dem jeweils
  285. angesprochenen Unternehmen ein Schweißfachingenieur oder - wie die Klägerin behauptet - ein Automatisierungstechniker damit betraut wird, Abhilfe zu schaffen; denn
  286. der Sachverständige konnte hierzu in der mündlichen Verhandlung keine verlässlichen Angaben machen.
  287. 32
  288. b)
  289. Geht man deshalb zunächst davon aus, dass der Abhilfewunsch an ei-
  290. nen Ingenieur herangetragen wird, der sich in einem Studiengang der Elektrotechnik,
  291. des Maschinenbaus oder einer verwandten Fachrichtung mit dem Bereich der Automatisierungstechnik vertieft befasst hat, so ergibt sich das Naheliegen auf Grund folgender Umstände:
  292. 33
  293. Ein solcher Fachmann wird als Ausgangspunkt seiner Überlegungen auf die
  294. deutsche Offenlegungsschrift 34 00 527 A1 (Anlage K15) zurückgreifen, weil sie unmittelbar das Gebiet der Schweißtechnik betrifft. Diese Schrift offenbart einen programmgesteuerten Industrieroboter, z.B. einen Schweißroboter, mit auswechselbarem Werkzeug wie Punktschweißzangen (Anspruch 1 der Entgegenhaltung), ein Regelgerät im Sinne des Streitpatents (S. 13, Z. 30 f. der Entgegenhaltung) und eine
  295. Schweißstromquelle (S. 11, Z. 14 f. der Entgegenhaltung), bei dem das Werkzeug
  296. mit dem Roboter mittels einer mechanischen Kupplungsvorrichtung verbunden ist.
  297. Diese Entgegenhaltung gibt dem Fachmann jedoch keine Anregung, wie der erkannte Nachteil abgestellt werden kann. Die beschriebenen Impulse, die von der Kupplung den Steuerleitungen und -einheiten zugeleitet werden (S. 13, Z. 29 ff. der Ent-
  298. - 15 -
  299. gegenhaltung), sind schon keine spezifischen Daten, sondern beinhalten lediglich die
  300. Information, dass ein Werkzeug an den Roboter angeschlossen bzw. von diesem
  301. getrennt worden ist.
  302. 34
  303. Auch den weiteren Entgegenhaltungen aus dem Bereich der Schweißtechnik
  304. mangelt es an Anregungen, dass und wie die Verwaltung spezifischer Daten bei
  305. Auswechslung von Schweißzangen zu vereinfachen und zuverlässiger zu machen
  306. sein könnte.
  307. 35
  308. Die deutsche Gebrauchsmusterschrift 1 963 874 (Anlage K7) und die deutsche Patentschrift 43 06 492 (Anlage K8) offenbaren keine auswechselbaren
  309. Schweißzangen. Die US-Patentschrift 5 451 850 (Anlage K19) offenbart u.a. in Bezug auf einen Punktschweißroboter mit einer Schweißpistole ein Verfahren, das die
  310. Position des Werkzeugmittelpunkts korrigiert, wenn sich die Schweißpistolenspitze
  311. durch Abnutzung verbraucht (S. 1, linke Spalte, 2. Abs. der Übersetzung). Der Aufsatz von K. Pöll und U. Matuschek "Widerstandsschweißen mit schnellen Gleichstromquellen und neuen Regelkonzepten" (Anlage E3/E4) betrifft ein Regelverfahren
  312. für das Widerstandsschweißen, bei dem im Rahmen von Kalibrierungsschweißungen
  313. zunächst die Regelungsparameter optimiert und die entsprechenden Schweißstromund -spannungsverläufe abgespeichert werden, die dann als Grundlage zur Bewertung der erfassen Istwerte bei den folgenden Schweißungen dienen (S. 6 f. der Entgegenhaltung). Die Betriebsprogramme (US-Patentschrift 5 451 850) bzw. die
  314. Schweißstrom- und -spannungsverläufe der Kalibrierungsschweißung (Aufsatz von
  315. K. Pöll und U. Matuschek, "Widerstandsschweißen mit schnellen Gleichstromquellen
  316. und neuen Regelkonzepten") sind aber - wie auch nach dem in der Streitpatentschrift
  317. wiedergegebenen Stand der Technik - in dem Regelgerät gespeichert (S. 4, linke
  318. Spalte, Abs. 2, S. 2 und 4 der Übersetzung der US-Patentschrift 5 451 850; S. 5,
  319. Bild 5 und S. 7 des Aufsatzes von K. Pöll und U. Matuschek). Auch die behauptete
  320. Vorbenutzung (Anlagen K4 bis K6, K16, K18) arbeitet schließlich damit, dass die
  321. - 16 -
  322. Schweißprogramme in der Steuerung gespeichert werden (S. 5, Abs. 1, Anlage K4).
  323. Der in der Zange in Form von Verschaltzuständen der Anschlusspaare vorgesehene
  324. Programmanwahlcode, ist, wie ausgeführt, kein spezifisches Datum. Dies gilt auch
  325. für die Trafocodierung, die ebenfalls durch Verschaltung von an der Zange angebrachten Anschlusspaaren bestimmt wird. Diese beinhaltet Adressdaten, die die Erkennung der Zange ermöglichen, nämlich Informationen über die Nennausgangsspannung des an der Schweißzange angebrachten Transformators sowie über Typ
  326. und Anzahl der Dioden.
  327. 36
  328. Ein aus dem Bereich der Automatisierungstechnik kommender Fachmann wird
  329. deshalb geradezu selbstverständlich zu der Meinung gelangen, sich nach Anregungen und Vorbildern bei anderen auswechselbaren Werkzeugen für programmgesteuerte Industrieroboter umsehen zu müssen. Denn zu seinen Aufgaben gehört es,
  330. technische Prozesse unterschiedlicher Art zu automatisieren. Das führt ihn ohne weiteres zu der deutschen Offenlegungsschrift 33 26 615 (Anlage K12), die numerisch
  331. gesteuerte Bearbeitungszentren offenbart, an denen verschiedene auswechselbare
  332. Werkzeuge, insbesondere für die zerspanende Bearbeitung, eingesetzt werden. Diese Schrift gibt ihm die Anregung, bei der Auswechslung von Werkzeugen an einem
  333. programmgesteuerten Industrieroboter die Qualität und Sicherheit der Datenverwaltung dadurch zu erhöhen, dass die Daten in einem am auswechselbaren Werkzeug
  334. selbst angebrachten Speicher gespeichert werden. Die Entgegenhaltung schlägt zur
  335. besseren Sicherung der Speicherung der spezifischen Daten (Schutz vor Verlust
  336. oder Verwechslung, S. 8, Z. 32 bis S. 9, Z. 2) vor, sämtliche Parameter und sonstigen werkzeugspezifischen Daten auf einem an dem Werkzeug angebrachten Datenspeicher zu speichern und sie bei einem Werkzeugwechsel an die Steuerung des
  337. Bearbeitungszentrums zu übertragen (S. 6, Z. 1 bis 6; S. 8, Z. 16 bis 27).
  338. - 17 -
  339. 37
  340. Der sich bei dem Schweißgebiet benachbarten Fertigungen umsehende
  341. Fachmann stößt zudem auf die deutsche Offenlegungsschrift 38 33 072 A1 (Anlage
  342. K9), die eine gesteuerte Schnitt- und Umformpresse mit auswechselbaren Werkzeugen betrifft (Anspruch 1 der Entgegenhaltung), und auf die europäische Patentanmeldung 0 214 666 A2 (Anlage K13), die eine Werkzeugmaschine mit auswechselbaren Werkzeugen offenbart (Anspruch 1 der Entgegenhaltung). Diese Schriften leiten den Fachmann in die gleiche Richtung. Ziel beider Entgegenhaltungen ist die
  343. Vereinfachung und Sicherung der Verwaltung der spezifischen Daten (S. 1, Sp. 1,
  344. Z. 26 bis 43, Anlage K9; S. 3, vorletzter Absatz, Anlage K13). Auch sie schlagen zur
  345. Lösung der Aufgabe vor, die werkzeugspezifischen Daten auf einem an dem jeweiligen Werkzeug selbst angeordneten Speicher zu speichern, von dem aus die Daten
  346. an die Steuerung übertragen werden (Anspruch 1 der deutschen Offenlegungsschrift
  347. 38 33 072 A1 und Anspruch 7 der europäischen Patentanmeldung 0 214 666 A2).
  348. 38
  349. Durchgreifende Zweifel, dass der Fachmann den Nutzen dieser Vorbilder auch
  350. für programmgesteuerte Schweißungen erkennt und deshalb zur Übertragung geführt wird, ergeben sich nicht aus der Behauptung der Beklagten, Pressanlagen und
  351. Bearbeitungszentren für spanende Bearbeitung wiesen in Aufbau und Funktion gegenüber einer (Widerstands-)Schweißvorrichtung erhebliche Unterschiede auf. Denn
  352. Auswirkungen der geltend gemachten Unterschiede auf die Behandlung spezifischer
  353. Daten sind nicht ersichtlich.
  354. 39
  355. Von dem Fachmann der Automatisierungstechnik war mithin nur noch die Realisierung der Übertragung der bekannten Vorbilder gefordert. Das hierzu Nötige lag
  356. aber im handwerklichen Bereich, wie auch die Erörterung mit dem Sachverständigen
  357. ergeben hat. Soweit schweißspezifische Besonderheiten berücksichtigt werden
  358. mussten - beispielsweise Störungen bei der Datenübertragung während des
  359. Schweißvorgangs oder Menge der im lokalen Speicher zu speichernden Daten -, gehörte hierzu auch, gegebenenfalls einen Schweißtechniker hinzuziehen.
  360. - 18 -
  361. 40
  362. c)
  363. Geht man hingegen davon aus, dass es sich bei der Person, an die der
  364. Abhilfewunsch herangetragen wird, um einen Schweißfachingenieur, der sich mit der
  365. Steuerung und/oder Regelung von Schweißvorgängen befasst, handelt, so führt die
  366. das Naheliegen betreffende Würdigung zu demselben Ergebnis.
  367. 41
  368. Auch der Schweißfachingenieur wird auf die deutsche Offenlegungsschrift
  369. 34 00 527 A1 (Anlage K15) als Ausgangspunkt seiner Überlegungen zurückgreifen.
  370. Da er jedoch weder aus dieser noch aus den weiteren Entgegenhaltungen aus dem
  371. Bereich der Schweißtechnik Anregungen zur Lösung des an ihn herangetragenen
  372. Problems erhält, hat auch er allen Anlass, sich für mögliche Anregungen und Vorbilder aus dem benachbarten Bereich der industriellen Fertigung bei anderen auswechselbaren Werkzeugen für programmgesteuerte Industrieroboter zu interessieren.
  373. Dies gilt um so mehr, als er es gewohnt ist, in der Diskussion schweißtechnischer
  374. Problemstellungen auf Entwicklungen und Problemstellungen in anderen Werkzeugbereichen zu stoßen. Denn diese werden in denselben Druckschriften erörtert. Dies
  375. ergibt sich beispielsweise aus der Veröffentlichung von R. Dunkes: "Werkzeugwechselsystem für hydraulische Pressen" (Anlage K10). Im unmittelbaren Anschluss an
  376. den von der Klägerin dem Streitpatent entgegengehaltenen Artikel, der die Optimierung des Werkzeugwechsels bei hydraulischen Pressen betrifft, findet sich in dieser
  377. Zeitschrift ein Artikel mit dem Titel "Schweißmaschine für die Herstellung von Baustahlmatten" (S. 44 der Zeitschrift, Anlage K10), der sich mit der Rationalisierung von
  378. Arbeitsabläufen bei Schweißmaschinen befasst. Dies wird durch die US-Patentschrift
  379. 5 451 850 (Anlage K19) bestätigt. Aus dieser ergibt sich, dass bestimmte Problemstellungen in der Schweißtechnik und in benachbarten Bereichen der industriellen
  380. Fertigung gleichermaßen auftreten, gemeinsam erörtert und einander entsprechende
  381. Lösungen vorgeschlagen werden. Diese Entgegenhaltung offenbart ein Verfahren
  382. zur Korrektur eines Werkzeugmittelpunkts und führt aus, dass sich sowohl bei
  383. Schweißpistolen von Punktschweißrobotern als auch bei Schleifwerkzeugen von
  384. - 19 -
  385. Schleifrobotern der Werkzeugmittelpunkt durch Verbrauch und Verschleiß verändere,
  386. was durch einen Federmechanismus korrigiert werde (S. 1, Sp. 1, 2. und 3. Abs. der
  387. Übersetzung Anlage K19). Zur Lösung des Problems für beide Bereiche der industriellen Fertigung schlägt die Entgegenhaltung ein Verfahren zur Korrektur der Position des Werkzeugmittelpunkts vor, das die Beziehung zwischen Arbeitszeit und dem
  388. Änderungsumfang des Werkzeugmittelpunkts berücksichtigt.
  389. 42
  390. In dem benachbarten Bereich der industriellen Fertigung bei anderen auswechselbaren Werkzeugen für programmgesteuerte Industrieroboter stößt auch der
  391. Schweißfachingenieur auf die deutsche Offenlegungsschrift 33 26 615 (Anlage K12),
  392. die deutsche Offenlegungsschrift 38 33 072 A1 (Anlage K9) und die europäische Patentanmeldung 0 214 666 A2 (Anlage K13). Die Anregung aus diesen Entgegenhaltungen, die Qualität und Sicherheit der Datenverwaltung dadurch zu erhöhen, dass
  393. die Daten auf einem am auswechselbaren Werkzeug selbst angebrachten Speicher
  394. gespeichert und bei einem Werkzeugwechsel an die Steuerung des Bearbeitungszentrums übertragen werden, überträgt der Fachmann in vergleichbarer Weise wie
  395. bereits erörtert ohne erfinderische Tätigkeit auf die Schweißvorrichtung gemäß der
  396. deutschen Offenlegungsschrift 34 00 527 A1 (Anlage K15) und kommt zur streitpatentgemäßen Lösung.
  397. 43
  398. d)
  399. Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, das Streitpatent sei jedenfalls
  400. deshalb als auf erfinderischer Tätigkeit beruhend anzusehen, weil zwischen dem
  401. Zeitpunkt der Offenlegung des Standes der Technik gemäß der deutschen Offenlegungsschrift 33 26 615 (Anlage K12) und der deutschen Offenlegungsschrift
  402. 34 00 527 A1 (Anlage K15), nämlich 1985, und dem Prioritätszeitpunkt des Streitpatents, nämlich 1998, ein langer Zeitraum, nämlich 13 Jahre, liege. Dieses Beweisanzeichen werde durch die Behauptung der Klägerin, die ein führendes Unternehmen
  403. der Schweißtechnik sei, bestätigt, noch 1997 und damit kurz vor dem Prioritätszeitpunkt des Streitpatents die Programmfortschaltung PF4 vertrieben zu haben. Diese
  404. - 20 -
  405. löse die streitpatentgemäße Aufgabe nicht, da sie noch immer vorsehe, dass die
  406. spezifischen Daten in einem zentralen Speicher in der Steuerung abgelegt seien. Der
  407. Senat geht davon aus, dass sich die Beklagte insoweit den Vortrag der Klägerin zur
  408. offenkundigen Vorbenutzung hilfsweise zu eigen macht.
  409. 44
  410. Es kann dahinstehen, ob generell oder auch nur fallweise ein langer Zeitraum,
  411. der bis zur Entstehung der Erfindung verstrichen ist, ein verlässliches Beweisanzeichen für die erfinderische Tätigkeit sein kann. Jedenfalls im konkreten Fall können
  412. hieraus keine entsprechenden Schlüsse gezogen werden. Zwar war die Grundlage
  413. für den in der Streitpatentschrift geschilderten Nachteil bereits 1985 gelegt, da ausweislich der deutschen Offenlegungsschrift 34 00 527 A1 (Anlage K15) bereits zu
  414. diesem Zeitpunkt Schweißvorrichtungen mit auswechselbaren Zangen existierten,
  415. bei denen der im Streitpatent geschilderte Nachteil auftrat, da die spezifischen Daten
  416. in der Programmsteuerung abgelegt waren. Es ist aber anzunehmen, dass Unternehmen, die das geschilderte Problem zu diesem Zeitpunkt erkannten, unter KostenNutzen Gesichtspunkten zunächst eine Abhilfe verwarfen und diese erst später veranlassten. Denn das Bedürfnis für die Lösung des dem Streitpatent zugrundeliegenden Problems stellte sich verstärkt erst kurz vor dem Prioritätstag. Die Beklagte
  417. selbst führt insoweit aus (Tz. 26 der Berufungsbegründung vom 21.11.2005), erst in
  418. der Kombination der Anforderungen - Auswechselbarkeit der Regelungselektronik
  419. bezüglich einer Vielzahl von Schweißzangen unterschiedlicher Typen unter Verwendung zangenspezifischer Daten, insbesondere einschließlich Referenzdatensätze habe sie erkannt, dass die Handhabung der Vielzahl der Datensätze und deren Organisation innerhalb der Regelungsanlage problematisch sein könnten. Referenzdatensätze setzte aber die Beklagte, wie sie selbst vorträgt (Tz. 25 der Berufungsbegründung vom 21.11.2005) und wie sich auch aus der Patentschrift ergibt
  420. (Abs. 0005, Satz 2 der Übersetzung), erst seit kurzem vor dem Prioritätszeitpunkt
  421. des Streitpatents ein. Während sich das Bedürfnis für die Lösung des Problems verstärkte, vereinfachte und verbilligte sich die Umsetzung der Abhilfe durch Anbringung
  422. - 21 -
  423. lokaler Speicher an den Zangen. Denn in der Zeit zwischen 1985 und 1998 entwickelte sich die Speichertechnologie erheblich; die Speicherkapazität der Speicherbausteine stieg und deren Preise sanken. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass für
  424. Unternehmen, die die in der Streitpatentschrift geschilderten Nachteile erkannten, ein
  425. sofortiger oder auch nur alsbaldiger Umbau oder Austausch der vorhandenen
  426. Schweißvorrichtungen mit erheblichen Kosten verbunden gewesen wäre. Regelmäßig werden solche Änderungen erst nach der steuerlichen Abschreibung der Maschinen vorgenommen.
  427. 45
  428. II.
  429. Auch der nebengeordnete Patentanspruch 7, der eine entsprechende
  430. Schweißzange betrifft, beruht aus den genannten Erwägungen nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Dies gilt ebenso für Anspruch 12, der ein entsprechendes Verfahren
  431. zum Betrieb eines Regelgeräts beansprucht. Die auf Ansprüche 1 und 7 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 6 und 8 bis 11 in der erteilten Fassung haben ebenfalls
  432. keinen Bestand; für einen eigenständigen erfinderischen Gehalt ist nichts ersichtlich
  433. und auch nichts geltend gemacht.
  434. 46
  435. III. 1. Patentanspruch 1 in der von der Beklagten hilfsweise verteidigten Fassung unterscheidet sich von der erteilten Fassung dadurch, dass im lokalen Datenspeicher nicht "spezifische Daten" sondern "spezifische Steuer- und/oder Regelparameter, einschließlich Referenzdatensätze" gespeichert und über eine Schnittstelle
  436. an der Zange an Stelle von "Daten" an das Regelgerät "Datensätze" übertragen werden sollen.
  437. 47
  438. 2.
  439. Es kann dahinstehen, ob dieser Patentanspruch unzulässig erweitert ist
  440. oder ob er eine bloße Klarstellung enthält, insbesondere ob die Wortwahl "einschließlich" dahin zu verstehen ist, dass besondere spezifische Steuer- und/oder Regeldatensätze, nämlich Referenzdatensätze verwendet werden müssen oder ob Referenz-
  441. - 22 -
  442. datensätze lediglich als eine Alternative der spezifischen Steuer- und/oder Regeldatensätze genannt sind.
  443. 48
  444. Denn der Beklagten kann nicht darin beigetreten werden, Referenzdatensätze
  445. im Sinne des Streitpatents seien über die Kennzeichnung in Abs. 0005, Sp. 1, Z. 55
  446. bis Sp. 2, Z. 1 hinaus durch solche Parameter gekennzeichnet, die es erlaubten, unterschiedliche Schweißaufgaben mit ein und derselben Schweißzange ohne
  447. Schweißprogrammumschaltung zu erledigen, für die zuvor unterschiedliche Schweißzangen und jeweils für jede Aufgabe eine Schweißprogrammumschaltung erforderlich gewesen seien. Referenzdatensätze würden, wie in dem Aufsatz von K. Pöll und
  448. U. Matuschek, "Widerstandsschweißen mit schnellen Gleichstromquellen und neuen
  449. Regelkonzepten" (Anlage E3), dort auf S. 11 f. beschrieben, erstellt: Es würden mit
  450. einer Zange jeweils Kalibrierungsschweißungen im Bereich der dünnsten Blechkombination vorgenommen und abgespeichert. Mit derselben Schweißzange würden
  451. dann auch andere Blechkombinationen geschweißt, wobei die Regelsteuerung, ausgehend von der abgespeicherten Kalibrierungsschweißung, den Schweißstrom bei
  452. den dickeren Blechkombinationen zurücknehme und die Schweißzeit entsprechend
  453. verlängere.
  454. 49
  455. Dies offenbart die genannte Textstelle der Streitpatentschrift nicht, obwohl sie
  456. den Begriff der Referenzdatensätze definiert. Nach dem Wortlaut der Textstelle werden für mehrere verschiedene Schweißungen ("different welds") mehrere Schweißzangen ("welding tongs") verwendet, woraus sich die Parameter der Referenzdatensätze ergeben. Die genannte Textstelle stellt nicht - beispielsweise durch Einfügung
  457. des Adverbs "each" ("… that depend upon the welding tongs each used for different
  458. welds") - klar, dass jede der mehreren Schweißzangen für verschiedene Schweißungen verwendet würde.
  459. - 23 -
  460. 50
  461. Eine darüber hinausgehende Bedeutung des Begriffs der Referenzdatensätze
  462. ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht aus der weiteren Beschreibung des Streitpatents (Abs. 0004, Sp. 1, Z. 38 bis 45): "In these methods, during welding, measuring devices continously measure the dynamic welding current
  463. and the electrode voltage. If any deviations from the reference curve occur, the control and/or regulating devices adjust the welding current source so that the measured
  464. current and voltage curves match the specified reference curve as closely as possible." Diese Textstelle beschreibt lediglich, wie auch der Sachverständige ausgeführt
  465. hat, das Grundverfahren des dynamischen Regelverfahrens: Während der Schweißung werden der dynamische Schweißstrom und die Elektrodenspannung kontinuierlich gemessen. Bei Abweichung von der Referenzkurve passt das (Steuer- und/oder)
  466. Regelgerät die Schweißstromquelle an, so dass der gemessene Strom- und Spannungsverlauf der vorgegebenen Referenzkurve möglichst genau entspricht.
  467. 51
  468. 3.
  469. Patentanspruch 1 in der hilfsweise verteidigten Fassung beruht eben-
  470. falls nicht auf erfinderischer Tätigkeit (Art. 56 EPÜ). Es gelten die obigen Ausführungen (Ziff. I 5) entsprechend. Auch dann, wenn dem Fachmann daran gelegen ist,
  471. (nur) die Verwaltung solcher spezifischer Daten zu vereinfachen und verlässlicher zu
  472. machen, die von den spezifischen Zangen abhängen, stößt er mangels entsprechender Anregungen im Bereich der Schweißtechnik auf die deutsche Offenlegungsschrift 33 26 615 (Anlage K12), die deutsche Offenlegungsschrift 38 33 072 A1 (Anlage K9) und die europäische Patentanmeldung 0 214 666 A2 (Anlage K13) und
  473. überträgt die dortige Anregung in naheliegender Weise auf die aus der deutschen
  474. Offenlegungsschrift 34 00 527 A1 (Anlage K15) bekannte Schweißvorrichtung in der
  475. Weise, dass die Referenzdatensätze auf einem an der Schweißzange angebrachten
  476. lokalen Speicher gespeichert und bei dem Zangenwechsel auf die (Steuer- und/oder)
  477. Regeleinheit übertragen werden.
  478. - 24 -
  479. 4.
  480. 52
  481. Diese Ausführungen gelten ebenso für die Nebenansprüche 7 und 12 in
  482. der hilfsweise verteidigten Fassung, die sich von den Ansprüchen in der erteilten
  483. Fassung ebenfalls lediglich durch die Spezifikation der spezifischen Daten unterscheiden. Auch die rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 6 und 8 bis 11 in der hilfsweise verteidigten Fassung sind damit nicht patentfähig.
  484. IV.
  485. 53
  486. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 121 Abs. 2 PatG, 97 Abs. 1
  487. ZPO.
  488. Scharen
  489. Lemke
  490. Gröning
  491. Asendorf
  492. Berger
  493. Vorinstanz:
  494. Bundespatentgericht, Entscheidung vom 19.05.2005 - 2 Ni 3/04 (EU) -