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9.4 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. X ZB 27/02
  4. vom
  5. 17. Dezember 2002
  6. in der Rechtsbeschwerdesache
  7. Nachschlagewerk:
  8. BGHZ
  9. :
  10. ja
  11. nein
  12. ZPO § 91 Abs. 1, 2
  13. Beantragt der Prozeßbevollmächtigte des Revisionsbeklagten die Zurückweisung der Revision, bevor die Revision begründet worden ist, so ist dem Revisionsbeklagten nur die halbe Prozeßgebühr zu erstatten.
  14. BGH, Beschl. v. 17. Dezember 2002 - X ZB 27/02 - OLG Hamburg
  15. LG Hamburg
  16. -2-
  17. Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
  18. Richter Dr. Melullis, den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die
  19. Richter Dr. Meier-Beck und Asendorf
  20. am 17. Dezember 2002
  21. beschlossen:
  22. Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluß des
  23. 8. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg
  24. vom 27. Juni 2002 aufgehoben.
  25. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten
  26. der Rechtsbeschwerde, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
  27. Gründe:
  28. I. Das Beschwerdegericht hat mit Urteil vom 31. Oktober 2001 die Berufung der Beklagten gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts zurückgewiesen. Die Klägerin hat hiergegen Revision eingelegt, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt hat. Die Klägerin hat sodann die Revision zurück-
  29. -3-
  30. genommen; auf Antrag der Beklagten hat ihr der Senat die Kosten des Rechtsmittels auferlegt.
  31. Der Rechtspfleger des Landgerichts hat unter Zurückweisung des weitergehenden Kostenfestsetzungsantrags für die in der Revision tätige Prozeßbevollmächtigte der Beklagten eine 10/10-Prozeßgebühr festgesetzt. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde der Beklagten zurückgewiesen.
  32. Hiergegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie die Festsetzung einer 20/10-Gebühr,
  33. hilfsweise die zusätzliche Festsetzung einer vollen Gebühr aus dem Kostenwert
  34. erstrebt.
  35. II. Die nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und gemäß § 575 ZPO
  36. auch im übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat nur mit ihrem Hilfsbegehren
  37. Erfolg.
  38. 1. Das Beschwerdegericht ist davon ausgegangen, daß die Beklagte
  39. nach Einlegung der Revision durch die Klägerin ihrerseits anwaltliche Hilfe in
  40. Anspruch nehmen konnte und nach Rücknahme der Revision grundsätzlich
  41. Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten beanspruchen kann. Das entspricht der Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 17. Dezember 2002
  42. - X ZB 9/02, zur Veröffentlichung vorgesehen).
  43. 2. Das Beschwerdegericht hat jedoch nur eine 10/10-Prozeßgebühr als
  44. erstattungsfähig angesehen. Der Sachantrag der Beklagten, die Revision zurückzuweisen, habe mangels eines Revisionsantrags und einer Revisionsbegründung keinen tatsächlichen Gehalt gehabt und könne deshalb nicht als not-
  45. -4-
  46. wendig im Sinne des § 91 Abs. 1 ZPO angesehen werden. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde sind nicht begründet.
  47. Von der grundsätzlichen Anerkennung der Notwendigkeit der Beauftragung eines Rechtsanwalts ist die Frage zu unterscheiden, welche Maßnahmen
  48. der einmal bestellte Rechtsanwalt zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung für erforderlich halten darf, insbesondere ob die erst bei Stellung eines
  49. Sachantrags endgültig in voller Höhe anfallende Prozeßgebühr auch dann in
  50. dieser Höhe erstattungsfähig ist, wenn der Antrag gestellt wird, bevor feststeht,
  51. daß das Rechtsmittel tatsächlich durchgeführt wird (so insbesondere OLG Düsseldorf, JurBüro 1989, 363; MDR 1995, 857; AnwBl. 1996, 589; zustimmend
  52. Gebauer, in: Gebauer/Schneider, BRAGO, § 32 Rdn. 58), oder ob in diesem
  53. Fall, wie ganz überwiegend angenommen wird, nur eine halbe Gebühr gemäß
  54. § 32 Abs. 1 BRAGO geltend gemacht werden kann (so KG, AnwBl. 1984, 620;
  55. OLG Hamburg, JurBüro 1995, 90; OLG Hamm, JurBüro 1991, 1084; OLG
  56. Karlsruhe, JurBüro 1997, 142; OLG Koblenz, MDR 1995, 968; OLG Köln,
  57. JurBüro 1992, 801; OLG München, JurBüro 1994, 93; OLG Naumburg, AnwBl.
  58. 1999, 56; OLG Nürnberg, MDR 2000, 415; OLG Schleswig, MDR 1999, 381;
  59. Belz in: MünchKomm ZPO, 2. Aufl., § 91 Rdn. 26; von Eicken, in: Gerold/
  60. Schmidt, BRAGO, 15. Aufl., § 31 Rdn. 20; Göttlich/Mümmler/Rehberg/Xanke,
  61. BRAGO, 20. Aufl., S. 287 f.; Meyer, JurBüro 2001, 296, 297; Zöller/Herget,
  62. ZPO, 23. Aufl., § 91 Rdn. 13 "Berufung").
  63. Die Rechtsbeschwerde meint mit den Befürwortern einer Erstattungsfähigkeit der vollen Prozeßgebühr, die Gegenmeinung benachteilige den
  64. Rechtsmittelgegner ohne hinreichende Begründung. Es sei dem Rechtsmittelführer zuzumuten, sich bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist darüber klar zu
  65. werden, ob er das Rechtsmittel durchführen wolle oder nicht. Gegebenenfalls
  66. -5-
  67. könne er eine Vereinbarung mit der Gegenseite dahin herbeiführen, daß sich
  68. der Gegner bis zur Entscheidung über die Durchführung des Rechtsmittels nicht
  69. legitimiere.
  70. Dem kann der Senat nicht folgen. Beantragt der Prozeßbevollmächtigte
  71. des Revisionsbeklagten die Zurückweisung der Revision, bevor die Revision
  72. begründet worden ist, so ist dem Revisionsbeklagten nur die halbe Prozeßgebühr zu erstatten. Das im vorliegenden Zusammenhang vielfach herangezogene Prinzip der "Waffengleichheit" besagt nicht, daß es dem Rechtsmittelgegner
  73. stets möglich sein muß, Anwaltskosten in gleicher Höhe erstattet zu verlangen,
  74. wie sie dem Rechtsmittelführer entstanden sind. Die Erwägung, es sei nicht
  75. einzusehen, warum der Rechtsmittelbeklagte sich kostengünstig verhalten solle, wenn der Rechtsmittelkläger keine Stillhaltevereinbarung herbeiführe oder
  76. wenigstens anstrebe (Gebauer, aaO, § 32 Rdn. 58), vermag deshalb nicht die
  77. Begründung dafür zu ersetzen, warum die Stellung eines Sachantrags vor Begründung des Rechtsmittels zur zweckentsprechenden Verteidigung gegen dieses Rechtsmittel erforderlich sein soll. Eine solche Begründung ist indessen
  78. jedenfalls für den Regelfall nicht erkennbar und wird auch von der Rechtsbeschwerde nicht gegeben. Ihr Vorbringen, dem Rechtsmittelbeklagten sei es
  79. nicht zuzumuten abzuwarten, bis die Begründung des Rechtsmittels vorliege,
  80. ohne bereits zuvor Maßnahmen zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung
  81. zu ergreifen und die hierdurch entstehenden Kosten gegebenenfalls als notwendige Kosten geltend machen zu können, ist deshalb ebenso zutreffend wie
  82. zur Rechtfertigung der Erstattungsfähigkeit von Kosten ungeeignet, die sich aus
  83. gerade nicht zweckentsprechenden prozessualen Maßnahmen ergeben.
  84. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Rechtsbeschwerde herangezogenen Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 13.10.1969 (BGHZ
  85. -6-
  86. 52, 385). Die Entscheidung befaßt sich lediglich bejahend mit der Frage, ob ein
  87. Antrag auf Abweisung der Klage oder eines Antrages einschließlich eines
  88. Rechtmittels als Sachantrag im Sinne des Gebührenrechts anzusehen ist, so
  89. daß dem zum Prozeßbevollmächtigten bestellten Rechtsanwalt des Beklagten
  90. oder Antragsgegners oder Rechtsmittelbeklagten, der einen Schriftsatz mit diesem Inhalt bei Gericht eingereicht hat, auch die volle Prozeßgebühr zusteht.
  91. Über die Erstattungsfähigkeit dieser Gebühr durch die Gegenpartei ist damit
  92. nichts ausgesagt.
  93. Allerdings hat der Bundesgerichtshof in dem angeführten Beschluß auch
  94. darauf hingewiesen, daß das Rechtsanwaltsgebührenrecht allgemein von dem
  95. Gedanken beherrscht wird, daß die Gebühren nach generalisierend bestimmten
  96. und einfach feststellbaren Tatbeständen die Arbeit und Tätigkeit des Rechtsanwalts abgelten sollen, ohne daß dabei im Einzelfall auf den Umfang und das
  97. Maß seiner Arbeit abgestellt oder diese etwa nachgeprüft werden soll (BGHZ
  98. 52, 385, 390 f.). Das besagt jedoch zunächst nur, daß die Entstehung einer
  99. Gebühr nicht davon abhängt, ob die den gesetzlichen Gebührentatbestand
  100. ausfüllenden Maßnahmen erforderlich waren. Dagegen hängt die Erstattungsfähigkeit nach § 91 ZPO grundsätzlich von ihrer Notwendigkeit zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung ab. Zuzugeben ist der
  101. Rechtsbeschwerde lediglich, daß auch in diesem Zusammenhang Zurückhaltung bei der Nachprüfung geboten ist, denn die gesetzlichen Gebühren und
  102. Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind nach § 91 Abs. 2
  103. Satz 1 ZPO regelmäßig ohne weiteres zu erstatten. Der Rechtsanwalt hat
  104. grundsätzlich in eigener Verantwortung zu entscheiden, was er im einzelnen zur
  105. Wahrnehmung der Interessen seines Mandanten für zweckmäßig und notwendig hält. Das schließt jedoch nicht aus, daß die Rechtsprechung für prozessuale
  106. Standardsituationen den Grundsatz konkretisiert, daß der unterlegene Gegner
  107. -7-
  108. mit den Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung
  109. nicht erforderlicher Maßnahmen nicht belastet werden darf. Sofern im Einzelfall
  110. nach anwaltlicher Einschätzung besondere Umstände ein von der Regel abweichendes Vorgehen rechtfertigen, bleibt es der obsiegenden Partei unbenommen, dies im Kostenfestsetzungsverfahren geltend zu machen.
  111. 3. Die Beklagte begehrt hilfsweise die Festsetzung einer vollen Gebühr
  112. aus dem Kostenwert. Da im Streitfall die Verpflichtung, die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen, nach §§ 566, 515 Abs. 3 ZPO in der bis
  113. zum 31.12.2001 geltenden Fassung nur auf Antrag auszusprechen war, kann
  114. die Erstattungsfähigkeit der durch diesen Antrag ausgelösten Gebühr nicht verneint werden. Zur Ermittlung des Kostenwertes und zur Festsetzung der von
  115. diesem zu berechnenden Gebühr ist die Sache daher an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, dem auch die Entscheidung über die Kosten der
  116. Rechtsbeschwerde zu übertragen ist.
  117. Melullis
  118. Keukenschrijver
  119. Meier-Beck
  120. Mühlens
  121. Asendorf