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178 lines
8.6 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VIII ZR 50/09
  5. Verkündet am:
  6. 20. Januar 2010
  7. Ring,
  8. Justizhauptsekretärin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB § 307 Abs. 1 (Bb)
  19. Bei formularmäßiger Übertragung der Pflicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen wird der Mieter durch die Vorgabe, Fenster und Türen "nur weiß"
  20. zu streichen, unangemessen benachteiligt. Dies führt zur Unwirksamkeit der
  21. Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter insgesamt.
  22. BGH, Urteil vom 20. Januar 2010 - VIII ZR 50/09 - LG Berlin
  23. AG Schöneberg
  24. -2-
  25. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  26. vom 20. Januar 2010 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterin
  27. Dr. Milger, die Richter Dr. Achilles und Dr. Schneider sowie die Richterin
  28. Dr. Fetzer
  29. für Recht erkannt:
  30. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der Zivilkammer 63 des
  31. Landgerichts Berlin vom 27. Januar 2009 wird zurückgewiesen.
  32. Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
  33. Von Rechts wegen
  34. Tatbestand:
  35. 1
  36. Die Beklagte war vom 15. Dezember 2001 bis zum 28. Februar 2006
  37. Mieterin einer Wohnung der Klägerin in B.
  38. . Der Mietvertrag enthält hinsicht-
  39. lich der Schönheitsreparaturen folgende Formularklauseln:
  40. "Der Mieter ist verpflichtet, die während des Mietverhältnisses anfallenden Schönheitsreparaturen auf eigene Kosten durchzuführen. Die
  41. Schönheitsreparaturen sind fachgerecht und wie folgt auszuführen: Tapezieren, Anstreichen der Wände und Decken, das Streichen der Fußböden, der Heizkörper einschließlich der Heizrohre, der Innentüren sowie der Fenster und Außentüren von innen ..."
  42. -3-
  43. 2
  44. § 14 Nr. 1
  45. "Im Allgemeinen werden Schönheitsreparaturen in den Mietshäusern in
  46. folgenden Zeitabständen erforderlich: In Küchen, Bädern und Duschräumen alle drei Jahre, in Wohn- und Schlafräumen, Fluren, Dielen und
  47. Toiletten alle fünf Jahre, in andern Räumen alle sieben Jahre."
  48. 3
  49. Anlage zum Mietvertrag:
  50. "Bei der Ausführung von Schönheitsreparaturen sind die Türblätter, Türrahmen, Fensterflügel und Fensterrahmen (ausgenommen Kunststoff-,
  51. Aluminium-, und Dachfenster, sowie fertig beschichtete Türblätter) nur
  52. weiß zu lackieren ..."
  53. 4
  54. Die Klägerin hat Zahlung von 1.706 € (davon 1.392,99 € wegen unterlassener Schönheitsreparaturen) nebst Zinsen begehrt. Das Amtsgericht hat die
  55. Beklagte zur Zahlung von 80 € nebst Zinsen wegen einer beschädigten Arbeitsplatte verurteilt und die weitergehende Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin die Kaution (712,10 €) mit den von ihr weiter verfolgten Ansprüchen verrechnet und den Rechtsstreit in Höhe dieses Betrages
  56. (einseitig) für erledigt erklärt. Das Landgericht hat die Berufung der Klägerin
  57. zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt
  58. die Klägerin den auf unterlassene Schönheitsreparaturen gestützten Schadensersatzanspruch weiter.
  59. Entscheidungsgründe:
  60. 5
  61. Die Revision hat keinen Erfolg.
  62. -4-
  63. I.
  64. 6
  65. Das Berufungsgericht (LG Berlin, GE 2009, 847) hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
  66. 7
  67. Der Klägerin stehe ein Schadensersatzanspruch wegen unterlassener
  68. Schönheitsreparaturen nicht zu, weil die formularvertraglichen Schönheitsreparaturklauseln wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters gemäß
  69. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam seien. Dem Mieter werde vorgegeben, Innenfenster und Türen nur weiß zu streichen. Darin liege eine Beschränkung der Beklagten bei der Gestaltung der Wohnung während der Dauer des Mietverhältnisses,
  70. für die es kein anerkennenswertes Interesse der Klägerin gebe. Ein Interesse
  71. der Klägerin an einer einheitlichen Gestaltung der Zimmertüren sowie der Außentüre und der Fenster von innen im laufenden Mietverhältnis sei nicht erkennbar. Entgegen der Ansicht der Klägerin betreffe die Farbwahlklausel auch
  72. das laufende Mietverhältnis, denn eine Einschränkung, dass sie für Renovierungen, die der Mieter während der laufenden Mietverhältnisse durchführe,
  73. nicht gelte, sei der Bestimmung nicht zu entnehmen.
  74. 8
  75. Folge der unangemessenen Einengung des Mieters durch die Farbvorgabe bei den Schönheitsreparaturen sei die Unwirksamkeit der Überwälzung
  76. der Schönheitsreparaturen auf den Mieter schlechthin. Zwar ließe sich die den
  77. Mieter unangemessen benachteiligende Beschränkung seiner Gestaltungsmöglichkeiten durch die Streichung der Zusatzklausel beseitigen. Dies wäre indes
  78. eine inhaltliche Veränderung der dem Mieter auferlegten Pflicht zur Vornahme
  79. von Schönheitsreparaturen und damit der Sache nach eine geltungserhaltende
  80. Reduktion. Diese sei auch dann unzulässig, wenn die Verpflichtung als solche
  81. -5-
  82. und ihre inhaltliche Ausgestaltung wie hier in zwei verschiedenen Klauseln geregelt seien.
  83. II.
  84. 9
  85. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen,
  86. dass die in der Anlage des Mietvertrages enthaltene Farbvorgabe ("Weiß")
  87. beim Anstrich der Innentüren sowie der Innenseiten der Fenster und der Außentür den Mieter unangemessen benachteiligt und dies gemäß § 307 Abs. 1
  88. Satz 1 BGB zur Unwirksamkeit der Abwälzung der Schönheitsreparaturpflicht
  89. insgesamt führt.
  90. 10
  91. 1. Eine Formularklausel, die den Mieter auch während der Mietzeit generell zu einer Dekoration in einer ihm vorgegebenen Ausführungsart oder Farbwahl verpflichtet und ihn dadurch in der Gestaltung seines persönlichen Lebensbereichs einschränkt, ohne dass dafür ein anerkennenswertes Interesse
  92. besteht, benachteiligt den Mieter unangemessen (Senatsurteile vom 28. März
  93. 2007 - VIII ZR 199/06, NZM 2007, 398, Tz. 10; vom 18. Juni 2008 - VIII ZR
  94. 224/07, NZM 2008, 605, Tz. 17; vom 18. Februar 2009 - VIII ZR 166/08, NZM
  95. 2009, 313, Tz. 12). Dies ist bei der hier zu beurteilenden Klausel der Fall, denn
  96. sie gibt für die Innentüren sowie die Innenseiten der Fenster und der Außentür
  97. allgemein einen weißen Anstrich vor und enthält keine Beschränkung auf den
  98. im Zeitpunkt der Rückgabe der Wohnung geforderten Zustand.
  99. 11
  100. Entgegen der Auffassung der Revision kommt es nicht darauf an, ob diese Arbeiten seltener anfallen als die Renovierung von Wänden und Decken und
  101. ob das Interesse des Mieters an eigener Gestaltung der Dekoration von Decken
  102. und Wänden größeres Gewicht hat. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf
  103. abgestellt, dass ein anerkennenswertes Interesse des Vermieters an der ein-
  104. -6-
  105. heitlichen Gestaltung der Innentüren und Innenseite der Fenster während des
  106. Mietverhältnisses nicht erkennbar ist und die Einschränkung der Gestaltungsfreiheit seiner Wohnräume während der Dauer des Mietverhältnisses den Mieter deshalb unangemessen benachteiligt.
  107. 12
  108. 2. Die formularmäßige unangemessene Einengung des Mieters in der Art
  109. der Ausführung der Schönheitsreparaturen führt zur Unwirksamkeit der Abwälzung der Pflicht zur Vornahme der Schönheitsreparaturen schlechthin. Entgegen der Auffassung der Revision ist das hier nicht deswegen anders zu beurteilen, weil die unangemessene Farbvorgabe sich nicht auf sämtliche Schönheitsreparaturen, sondern nur auf die Fenster und Türen bezieht.
  110. 13
  111. Nach der Rechtsprechung des Senats handelt es sich bei der dem Mieter
  112. auferlegten Pflicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen um eine einheitliche Rechtspflicht, die sich nicht in Einzelmaßnahmen oder Einzelpakete aufspalten lässt, sondern deren Ausgestaltung durch den Mietvertrag insgesamt zu
  113. bewerten ist (Senatsurteil vom 18. Februar 2009 - VIII ZR 210/08, NZM 2009,
  114. 353, Tz. 15). Stellt sich diese Verpflichtung auf Grund unzulässiger Ausgestaltung - sei es ihrer zeitlichen Modalitäten, ihrer Ausführungsart oder ihres gegenständlichen Umfangs - in ihrer Gesamtheit als übermäßig dar, so ist die Verpflichtung insgesamt unwirksam (Senatsurteil vom 18. Februar 2009, aaO). So
  115. liegt der Fall auch hier. Die Übertragung der Schönheitsreparaturen auf den
  116. Mieter ließe sich nur dann aufrechterhalten, wenn die Pflicht des Mieters entweder im Hinblick auf die Ausführungsart (Wegfall der Farbvorgabe) oder - wie
  117. es die Revision erwägt - im Hinblick auf den gegenständlichen Umfang der Verpflichtung des Mieters (Wegfall der Renovierungspflicht bezüglich der Fenster
  118. und Türen) modifiziert würde. Dies käme aber, wie das Berufungsgericht richtig
  119. -7-
  120. gesehen hat, einer inhaltlichen Umgestaltung der Schönheitsreparaturklausel
  121. und damit einer unzulässigen geltungserhaltenden Reduktion gleich.
  122. Ball
  123. Dr. Milger
  124. Dr. Schneider
  125. Dr. Achilles
  126. Dr. Fetzer
  127. Vorinstanzen:
  128. AG Schöneberg, Entscheidung vom 24.04.2008 - 102 C 192/06 LG Berlin, Entscheidung vom 27.01.2009 - 63 S 215/08 -