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22 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VIII ZR 346/12
  5. Verkündet am:
  6. 6. November 2013
  7. Ermel,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB § 558d Abs. 1, 3
  19. Zu den Anforderungen an das Vorliegen eines qualifizierten Mietspiegels (Bestätigung des Senatsurteils vom 21. November 2012 - VIII ZR 46/12, NJW 2013, 775).
  20. BGH, Urteil vom 6. November 2013 - VIII ZR 346/12 - LG Berlin
  21. AG Berlin-Mitte
  22. -2-
  23. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren mit
  24. Schriftsatzfrist bis zum 9. Oktober 2013 durch den Vorsitzenden Richter Ball,
  25. den Richter Dr. Frellesen, die Richterinnen Dr. Milger und Dr. Fetzer sowie den
  26. Richter Dr. Bünger
  27. für Recht erkannt:
  28. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der Zivilkammer 63
  29. des Landgerichts Berlin vom 5. Oktober 2012 aufgehoben.
  30. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  31. über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  32. Von Rechts wegen
  33. Tatbestand:
  34. 1
  35. Die Beklagte ist Mieterin einer Drei-Zimmer-Wohnung der Klägerin in
  36. Berlin. Die Nettokaltmiete belief sich seit (mindestens) Mai 2006 auf 413,17 €.
  37. Mit Schreiben vom 28. Januar 2010 forderte die Klägerin die Beklagte unter
  38. Benennung von sechs Vergleichswohnungen auf, der Erhöhung der Nettokaltmiete ab dem 1. April 2010 um 52,26 € auf 465,43 € zuzustimmen. Dies entspricht einer Erhöhung der Nettokaltmiete von 4,34 € je qm auf 4,89 € je qm.
  39. Das Schreiben enthielt auch Angaben für die Wohnung nach dem Berliner
  40. Mietspiegel 2009. Die Beklagte stimmte der Mieterhöhung nicht zu.
  41. 2
  42. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zustimmung zur Mieterhöhung entsprechend ihrem Erhöhungsverlangen vom 28. Januar 2010 in Anspruch. Die
  43. -3-
  44. Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zustimmungsbegehren
  45. weiter.
  46. Entscheidungsgründe:
  47. 3
  48. Die Revision hat Erfolg.
  49. I.
  50. 4
  51. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit
  52. für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:
  53. 5
  54. Das Erhöhungsverlangen der Klägerin sei zwar formell wirksam. Der
  55. Klägerin stehe aber nach §§ 558 ff. BGB kein Anspruch gegen die Beklagte auf
  56. Zustimmung zu einer Erhöhung der Nettokaltmiete zu.
  57. 6
  58. Da die Beklagte die von der Klägerin geltend gemachte Höhe der vermeintlich ortsüblichen Vergleichsmiete in Abrede stelle, müsse die Berufungskammer die ortsübliche Vergleichsmiete eigenständig ermitteln. Hierbei sei sie
  59. nicht an das vom Vermieter in seinem Erhöhungsverlangen verwendete Begründungsmittel gebunden. Die Kammer dürfe vielmehr den Berliner Mietspiegel 2009 verwenden, bei dem es sich um einen qualifizierten Mietspiegel im
  60. Sinne des § 558d BGB handele. Aufgrund der in § 558d Abs. 3 BGB enthaltenen Vermutung sei davon auszugehen, dass die innerhalb der maßgeblichen
  61. Spanne liegenden Mietwerte die ortsübliche Miete für die Wohnungen des jeweiligen Mietspiegelfeldes widerspiegelten. Diese Vermutungswirkung könne
  62. nur durch den Beweis des Gegenteils widerlegt werden. Hierfür sei ein substan-
  63. -4-
  64. tieller Angriff gegen die Erstellung des Mietspiegels nach den anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erforderlich.
  65. 7
  66. Einen solchen Angriff habe die Klägerin nicht geführt. Ihre Rüge, die Einteilung der Wohnlagen im Berliner Mietspiegel 2009 sei unzureichend, weil dieser im Gegensatz zu anderen Großstädten nicht zusätzlich die Kategorie "beste
  67. Wohnlage" vorsehe, begründe nicht die Annahme, die Eingruppierung sei fehlerhaft erfolgt. Die Klägerin habe bereits nicht dargelegt, inwiefern der repräsentative Charakter der Einordnung in Wohnlagen allein deshalb nicht gewahrt sein
  68. solle, weil in verschiedenen Mietspiegeln unterschiedliche Einordnungen existierten. Fehlerhaft wäre die im Berliner Mietspiegel 2009 vorgenommene Einteilung nur dann, wenn es lediglich eine einzige statistisch zutreffende Einteilung
  69. der Wohnlagen für alle Städte gebe oder gerade in Berlin die vermisste Kategorie "beste Wohnlage" erforderlich sei. Dafür wiederum bedürfte es eines Abgleichs der in der Kategorie "gute Wohnlage" erfassten Wohnungen in Berlin,
  70. der zu dem Ergebnis führen müsste, dass sich in diesem Bestand eine statistisch relevante Menge von Wohnungen befinde, die sich in ihrem Marktpreis
  71. nicht nur unerheblich von den übrigen Wohnungen in guter Wohnlage unterschieden. Dies sei ausweislich der im Endbericht über die Grundlagendaten für
  72. den empirischen Mietspiegel 2009 enthaltenen Angaben nicht der Fall. Der Anteil der Wohnungen in guter Wohnlage, für die eine Nettokaltmiete ab 8,50 € pro
  73. Quadratmeter erzielt werde, liege unter 1 % und sei daher zu vernachlässigen.
  74. Eine - wie die Klägerin meine - "willkürliche Einteilung" in Wohnlagen weise der
  75. Berliner Mietspiegel 2009 damit nicht auf.
  76. 8
  77. Dass die Klägerin ihr Erhöhungsverlangen zulässigerweise auf die bei
  78. den benannten Vergleichswohnungen gezahlten Mieten gestützt habe, hindere
  79. das Gericht nicht daran, auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens
  80. zu verzichten und stattdessen die ortsübliche Vergleichsmiete unter Verwen-
  81. -5-
  82. dung eines qualifizierten Mietspiegels zu bestimmen. Dabei könnten bei Einordnung der betroffenen Wohnung in die maßgebliche Spanne auch im Mietspiegel enthaltene Orientierungshilfen als Schätzungsgrundlage herangezogen
  83. werden. Denn solche - auch im Berliner Mietspiegel 2009 enthaltene - Orientierungshilfen seien vom umfassenden Sachverstand der an der Mietspiegelerstellung beteiligten Experten getragen. Wenn auch bei Vorliegen eines qualifizierten Mietspiegels in der Regel ein Sachverständigengutachten zur Spanneneinordnung eingeholt werden müsste, würde die Vermutungswirkung des § 558d
  84. Abs. 3 BGB weitgehend ihre verfahrensvereinfachende Funktion verlieren. Die
  85. Verwendung eines qualifizierten Mietspiegels nebst Schätzung der Spanneneinordnung durch das Gericht gemäß § 287 ZPO garantiere im Interesse beider
  86. Parteien eine rasche Entscheidung und vermeide den Anfall von Gutachterkosten, die im Falle eines Teilunterliegens den Mieterhöhungsbetrag erheblich
  87. schmälern oder sogar aufzehren könnten.
  88. 9
  89. In Anwendung des Berliner Mietspiegels 2009 und der dort für die konkrete Einordnung der Wohnung in die Spanne des Mietspiegelfelds "J 2" vorgesehenen Orientierungshilfen ergebe sich vorliegend eine ortsübliche Nettokaltmiete, die unterhalb der von der Beklagten bereits gezahlten Miete liege. Dabei
  90. sei die als Orientierungshilfe dienende Merkmalgruppe 5 (Wohnumfeld) negativ
  91. zu bewerten; die in der T. straße gelegene Wohnung befinde sich nicht in einer
  92. "bevorzugten Citylage", denn diese setze eine Lage in einem zentral gelegenen
  93. Teilraum der Großstadt Berlin voraus, der sich durch eine besondere Dichte
  94. von Einkaufsmöglichkeiten, Kultureinrichtungen und Restaurants sowie anderen
  95. Einrichtungen auszeichne, die eine über die typische Infrastruktur eines Wohngebiets hinausgehende Bedeutung und Anziehungskraft insbesondere auch für
  96. in- und ausländische Besucher und Touristen habe.
  97. -6-
  98. II.
  99. 10
  100. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom
  101. Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin nach
  102. §§ 558 ff. BGB auf Zustimmung zu der von ihr verlangten Mieterhöhung nicht
  103. verneint werden.
  104. 11
  105. 1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht noch angenommen, dass
  106. die Klägerin ihr Mieterhöhungsverlangen ordnungsgemäß nach § 558a BGB
  107. begründet hat. Die Klägerin hat sich zur Begründung der angestrebten Mieterhöhung auf die Benennung von sechs Vergleichswohnungen gestützt (§ 558a
  108. Abs. 2 Nr. 4 BGB; vgl. auch Senatsurteil vom 28. März 2012 - VIII ZR 79/11,
  109. NJW-RR 2012, 710 Rn. 10 f.) und - seine Eignung als qualifizierter Mietspiegel
  110. unterstellend - zusätzlich die im Berliner Mietspiegel 2009 vorgesehenen Angaben zur Wohnung mitgeteilt (§ 558a Abs. 3 BGB).
  111. 12
  112. 2. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur materiellen Berechtigung
  113. des Mieterhöhungsverlangens sind hingegen von Rechtsfehlern beeinflusst.
  114. Der Senat hat - nach Erlass des Berufungsurteils - im Urteil vom 21. November
  115. 2012 (VIII ZR 46/12, NJW 2013, 775 ff.) in einer vergleichbaren Sachverhaltsgestaltung grundlegend zu der Frage Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen ein qualifizierter Mietspiegel gegeben ist, der die Vermutungswirkung des § 558d Abs. 3 BGB auslöst. Gemessen an diesen Maßstäben hätte
  116. das Berufungsgericht auch im Streitfall die ortsübliche Vergleichsmiete nicht
  117. allein unter Verweis auf die in § 558d Abs. 3 BGB einem qualifizierten Mietspiegel zugeschriebene Vermutung feststellen dürfen.
  118. 13
  119. a) Bei der dem Tatrichter obliegenden Prüfung, ob die konkret vom Vermieter verlangte Mieterhöhung nach § 558 BGB tatsächlich berechtigt ist, darf
  120. die ortsübliche Vergleichsmiete nur auf der Grundlage von Erkenntnisquellen
  121. -7-
  122. bestimmt werden, die die tatsächlich und üblicherweise gezahlten Mieten für
  123. vergleichbare Wohnungen in einer für die freie tatrichterliche Überzeugungsbildung (§ 286 ZPO) hinreichenden Weise ermittelt haben (Senatsurteile vom
  124. 16. Juni 2010 - VIII ZR 99/09, NZM 2010, 665 Rn. 9; vom 21. November 2012 VIII ZR 46/12, aaO Rn. 13; vgl. BVerfGE 37, 132, 143). Dabei ist der Tatrichter
  125. im Rahmen seiner freien Überzeugungsbildung nicht auf das im Erhöhungsverlangen des Vermieters genannte Begründungsmittel im Sinne des § 558a
  126. Abs. 2 BGB beschränkt. Existiert ein ordnungsgemäßer Mietspiegel (§ 558c
  127. BGB, § 558d BGB), der Angaben für die in Rede stehende Wohnung enthält, so
  128. darf dieser vom Tatrichter berücksichtigt werden.
  129. 14
  130. b) Dabei kommt bei einem Mietspiegel, der nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt und von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter anerkannt worden ist (§ 558d Abs. 1
  131. BGB; qualifizierter Mietspiegel), die in § 558d Abs. 3 BGB vorgesehene Vermutungswirkung zur Anwendung. Der Gesetzgeber misst einem solchen Mietspiegel eine besondere Gewähr für die Richtigkeit und Aktualität der in ihm enthaltenen Daten und breite Akzeptanz zu (BT-Drucks. 14/4553, S. 57). Aus diesen
  132. Gründen wird von Gesetzes wegen (§ 292 ZPO) vermutet, dass die in einem
  133. qualifizierten, die zeitlichen Vorgaben des § 558d Abs. 2 BGB einhaltenden
  134. Mietspiegel bezeichneten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben
  135. (Senatsurteil vom 21. November 2012 - VIII ZR 46/12, aaO Rn. 15).
  136. 15
  137. c) Voraussetzung für das Eingreifen der gesetzlichen Vermutung des
  138. § 558d Abs. 3 BGB ist jedoch, dass der vom Tatrichter herangezogene Mietspiegel die Tatbestandsmerkmale des § 558d Abs. 1 BGB unstreitig, offenkundig (§ 291 ZPO) oder nachweislich erfüllt (Senatsurteil vom 21. November 2012
  139. - VIII ZR 46/12, aaO Rn. 21 mwN). Auf eine Prüfung dieser Anforderungen kann
  140. nicht schon deswegen verzichtet werden, weil der Mietspiegel von seinem Er-
  141. -8-
  142. steller als qualifizierter Mietspiegel bezeichnet oder von der Gemeinde und/oder
  143. von den Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter als solcher anerkannt und veröffentlicht worden ist. Denn diese Umstände beweisen noch nicht,
  144. dass die Anforderungen des § 558d Abs. 1 BGB auch tatsächlich vorliegen, der
  145. Mietspiegel also nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt
  146. worden ist (Senatsurteil vom 21. November 2012 - VIII ZR 46/12, aaO Rn. 19
  147. mwN). Einwendungen gegen die Wissenschaftlichkeit der Datenerhebung und
  148. -auswertung ist daher - anders als das Berufungsgericht meint - nicht erst im
  149. Rahmen der Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des § 558d Abs. 3 BGB
  150. nachzugehen, sondern schon bei Prüfung, ob die - für das Eingreifen der Vermutung erforderlichen - Voraussetzungen des § 558d Abs. 1 BGB gegeben
  151. sind.
  152. 16
  153. aa) Von der Partei, die das Vorliegen eines qualifizierten Mietspiegels in
  154. Abrede stellt, ist allerdings zu verlangen, dass sie im Rahmen des Möglichen
  155. substantiierte Angriffe gegen den Mietspiegel vorbringt, sofern die Erstellung
  156. des Mietspiegels in allgemein zugänglichen Quellen dokumentiert ist (Senatsurteil vom 21. November 2012 - VIII ZR 46/12, aaO Rn. 22 mwN). Hierbei ist zu
  157. beachten, dass der Gesetzgeber des Mietrechtsreformgesetzes bei Einführung
  158. des qualifizierten Mietspiegels davon ausgegangen ist, dass dessen Erstellung
  159. dokumentiert wird (BT-Drucks. 14/4553, S. 57). Informationen, die sich aus einer derartigen Dokumentation ergeben, kann die Partei, die den qualifizierten
  160. Mietspiegel nicht anerkennen will, nicht mehr mit Nichtwissen bestreiten. Sie
  161. muss sich vielmehr mit dem Inhalt der Dokumentation substantiiert auseinandersetzen, soweit dies ohne Fachkenntnisse - etwa auf dem Gebiet der Statistik - möglich ist (Senatsurteil vom 21. November 2012 - VIII ZR 46/12, aaO
  162. Rn. 23).
  163. -9-
  164. 17
  165. bb) Im Falle eines substantiierten Bestreitens der Voraussetzungen des
  166. § 558d Abs. 1 BGB ist über deren Vorliegen - soweit diese nicht offenkundig
  167. sind - nach allgemein gültigen Regeln Beweis zu erheben.
  168. 18
  169. (1) Anders als die Revisionserwiderung meint, kann hierbei nicht schon
  170. unter Hinweis auf die Beweiskraftwirkung des § 418 Abs. 1 ZPO von einer (weiteren) Prüfung der Voraussetzungen des § 558d Abs. 1 BGB abgesehen werden. Die Revisionserwiderung macht insoweit geltend, der Berliner Mietspiegel
  171. 2009 erbringe als "verkörperte Gedankenerklärung in Form einer statistischen
  172. Datenauswertung und Interpretation", die die Stadt Berlin als Ausstellerin erkennen lasse, gemäß § 418 Abs. 1 ZPO vollen Beweis dafür, dass es sich um
  173. einen qualifizierten Mietspiegel handele.
  174. 19
  175. Es ist bereits fraglich, ob der Berliner Mietspiegel 2009 eine öffentliche
  176. Urkunde im Sinne des § 418 Abs. 1 ZPO darstellt. Dies kann letztlich offen bleiben. Denn die Stadt Berlin hat die im Mietspiegel enthaltenen Daten weder erhoben noch ausgewertet, sondern lediglich die darin getroffenen Aussagen als
  177. zutreffend anerkannt (Amtsblatt für Berlin 2009, S. 1409). Die Beweiskraftwirkung des § 418 Abs. 1 ZPO reicht aber nur so weit, wie gewährleistet ist, dass
  178. die zur Beurkundung berufene Amtsperson die Tatsachen selbst verwirklicht
  179. oder aufgrund eigener Wahrnehmungen zuverlässig festgestellt hat (BVerfG,
  180. NJW-RR 1992, 1084, 1085; BGH, Beschluss vom 6. Mai 2004 - IX ZB 43/03,
  181. NJW 2004, 2386 unter II 2 b). Eine eventuelle Beweiskraft des Berliner Mietspiegels 2009 könnte sich damit nur auf den Umstand erstrecken, dass die
  182. Stadt Berlin ihn als einen nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen
  183. erstellten Mietspiegel akzeptiert hat. Dass der Mietspiegel tatsächlich unter Beachtung allgemein anerkannter wissenschaftlicher Methoden erstellt worden ist,
  184. wäre dagegen von einer möglichen Beweiskraftwirkung des § 418 Abs. 1 ZPO
  185. nicht umfasst.
  186. - 10 -
  187. 20
  188. (2) Wird das Vorliegen eines qualifizierten Mietspiegels, also dessen
  189. Ausrichtung an anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen, substantiiert bestritten, muss das Gericht daher - gegebenenfalls unter Einholung amtlicher
  190. Auskünfte gemäß § 273 Abs. 2 Nr. 2 oder § 358a Nr. 2 ZPO - über das Vorliegen der in § 558d Abs. 1 BGB genannten Voraussetzungen Beweis erheben.
  191. Die Einhaltung/Nichteinhaltung anerkannter wissenschaftlicher Grundsätze wird
  192. sich, sofern sie sich nicht bereits - etwa aufgrund der im Mietspiegel oder den
  193. hierzu veröffentlichten Erläuterungen enthaltenen (aussagekräftigen) Angaben
  194. zum Verfahren der Datengewinnung und -auswertung sowie zu den einzelnen
  195. Bewertungsschritten - als offenkundig darstellt oder vom Gericht in eigener
  196. Sachkunde beurteilt werden kann - häufig nur durch ein Sachverständigengutachten klären lassen (vgl. Senatsurteil vom 21. November 2012 - VIII ZR 46/12,
  197. aaO Rn. 19 mwN).
  198. 21
  199. Es wird aber durchaus auch Fälle geben, in denen eine ausreichende
  200. Klärung aufgrund ergiebiger Erläuterungen im Mietspiegel und ergänzend eingeholter amtlicher Auskünfte, durch Anhörung sachverständiger Zeugen (§ 414
  201. ZPO) - etwa von Experten, die an der Erstellung des Mietspiegels maßgeblich
  202. beteiligt waren - oder kraft eigener Sachkunde des Gerichts erreicht werden
  203. kann (Senatsurteil vom 21. November 2012 - VIII ZR 46/12, aaO Rn. 19, 24).
  204. 22
  205. Ob im Bestreitensfall ein Sachverständigengutachten erforderlich ist,
  206. hängt vorrangig von der Art der gegen den Mietspiegel vorgebrachten Einwendungen, der Aussagekraft der vorhandenen und zugänglichen Dokumentation
  207. der Datenerhebung und Datenauswertung, dem Inhalt der Erläuterungen zu der
  208. im Mietspiegel angewandten Methodik und der eigenen Sachkunde des Gerichts ab (Senatsurteil vom 21. November 2012 - VIII ZR 46/12, aaO Rn. 19). In
  209. den Fällen, in denen für eine ausreichende Klärung der Streitfragen die Einschaltung eines Sachverständigen unumgänglich ist, wird unter Umständen die
  210. - 11 -
  211. Möglichkeit bestehen, auf bereits existierende Gutachten zurückzugreifen. Ein
  212. in einem anderen Verfahren über die Frage der Einhaltung anerkannter wissenschaftlicher Methoden erhobenes Gutachten kann gegebenenfalls entweder
  213. nach § 411a ZPO als Sachverständigenbeweis oder nach §§ 415 ff. ZPO als
  214. Urkundenbeweis verwertet werden (Senatsurteil vom 21. November 2012
  215. - VIII ZR 46/12, aaO Rn. 25).
  216. 23
  217. cc) Gemessen an den vorstehenden Grundsätzen hätte das Berufungsgericht im Streitfall die ortsübliche Vergleichsmiete nicht allein unter Heranziehung der in § 558d Abs. 3 BGB einem qualifizierten Mietspiegel zugeschriebenen Vermutungswirkung feststellen dürfen, sondern hätte dem Einwand der
  218. Klägerin nachgehen müssen, der Mietspiegel 2009 der Stadt Berlin sei nicht
  219. nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden. Dieses Bestreiten war - unabhängig von der Frage, ob der vom Berufungsgericht herangezogene Endbericht über die Grundlagendaten für den Mietspiegel 2009 nicht,
  220. so die Rüge der Revision, allgemein zugänglich ist - auch hinreichend substantiiert. Die Klägerin hat moniert, die Einordnung der Wohngebiete im Berliner
  221. Mietspiegel 2009 beruhe nicht auf überprüfbaren anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen und Erhebungen, sondern auf einer willkürlichen und realitätsfremden, nicht am tatsächlichen Mietniveau orientierten Einteilung einzelner
  222. Straßen und Gebiete in die drei Wohnlagen "einfach", "mittel" und "gut", wobei
  223. die im Münchener Mietspiegel vorgesehene Kategorie "beste Wohnlage" gar
  224. nicht vorgesehen sei. Hierbei hat sie insbesondere die Einordnung der streitgegenständlichen Wohnung in die Kategorie "einfache Wohnlage" bemängelt und
  225. dazu vorgetragen, die Wohnung liege in einem - vor allem wegen seiner Infrastruktur - besonders beliebten Innenstadtgebiet (Berlin-Mitte), in dem deutlich
  226. über dem einschlägigen Höchstwert des Berliner Mietspiegels 2009 gezahlte
  227. Mieten erzielt würden. Dies werde exemplarisch dadurch belegt, dass von 42
  228. Wohnungen im Bestand der Klägerin (T. straße
  229. und
  230. ) nur vier innerhalb
  231. - 12 -
  232. der im einschlägigen Mietspiegelfeld ausgewiesenen Spanne lägen. Dass für
  233. Wohnungen in der T. straße das gleiche Mietniveau gelten solle wie für Wohnungen in den Randgebieten Berlins - etwa dem Märkischen Viertel, MahrzahnWaltersdorf oder Neukölln -, die ebenfalls der einfachen Wohnlage zugeordnet
  234. würden, sei auch deswegen lebensfremd, weil in diesen Stadtteilen andere Mieter- und Infrastrukturen sowie eine gänzliche andere Bauweise (keine Altbauten) vorhanden seien und auch ansonsten andere Verhältnisse herrschten. Die
  235. Klägerin hat damit die Richtigkeit und Repräsentativität des dem Mietspiegel
  236. zugrunde gelegten Datenmaterials substantiiert in Frage gestellt. Mit diesen
  237. Einwänden hat sich das Berufungsgericht in seinen Urteilsgründen nicht hinreichend befasst. Es ist lediglich auf die Rüge der Klägerin eingegangen, der Berliner Mietspiegel 2009 sehe nicht die Kategorie "beste Wohnlage" vor. Dass das
  238. Berufungsgericht sämtliche Einwendungen der Klägerin aus eigener Sachkunde
  239. und ausschließlich unter Verwertung ordnungsgemäß in den Prozess eingeführter Unterlagen hätte widerlegen können, ist weder dem Berufungsurteil zu entnehmen noch sonst ersichtlich. Das Berufungsgericht hätte daher den Berliner
  240. Mietspiegel 2009 nicht ohne Durchführung einer Beweisaufnahme als qualifizierten Mietspiegel im Sinne des § 558d BGB bewerten dürfen.
  241. 24
  242. 3. Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich auch nicht aus
  243. anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).
  244. 25
  245. a) Zwar hätte das Erhöhungsbegehren der Klägerin nach ihrem bisherigen Vortrag auch dann keinen Erfolg gehabt, wenn das Berufungsgericht nicht
  246. oder jedenfalls nicht unter Heranziehung der Vermutungswirkung des § 558d
  247. Abs. 3 BGB auf den Berliner Mietspiegel 2009 zurückgegriffen hätte. Denn die
  248. Klägerin hat für ihre von der Beklagten in Abrede gestellte Behauptung, die begehrte Miete von 4,89 € pro Quadratmeter sei ortsüblich, keinen Beweis angeboten. Sie hat sich insofern lediglich auf die bereits im Erhöhungsverlangen ge-
  249. - 13 -
  250. nannten sechs Vergleichswohnungen bezogen. Abgesehen davon, dass die
  251. Beklagte die Vergleichbarkeit der benannten Wohnungen bestritten hat, stellen
  252. sechs Wohnungen im Regelfall eine zu geringe Datengrundlage dar, um im
  253. Prozess die ortsübliche Vergleichsmiete zu beweisen (vgl. Senatsurteil vom
  254. 21. November 2012 - VIII ZR 46/12, aaO Rn. 28 [zu vier Vergleichswohnungen]
  255. mwN); dies gilt insbesondere, wenn man bedenkt, dass sie alle aus dem Bestand der Klägerin stammen (vgl. Senatsurteil vom 3. Juli 2013 - VIII ZR 354/12,
  256. NJW 2013, 2963 Rn. 22).
  257. 26
  258. b) Allerdings hat dieser Gesichtspunkt im bisherigen Prozessverlauf keine Rolle gespielt, weswegen - falls das Berufungsgericht im weiteren Verfahren
  259. diesen Weg wählen wollte - der Klägerin gegebenenfalls Gelegenheit zu geben
  260. wäre, einen entsprechenden Beweisantritt nachzuholen (vgl. Senatsurteil vom
  261. 21. November 2012 - VIII ZR 46/12, aaO Rn. 28). Bei der Würdigung eines zur
  262. Ortsüblichkeit der verlangten Miete eingeholten Sachverständigengutachtens
  263. wird der Tatrichter aber zu berücksichtigen haben, dass in den Fällen, in denen
  264. ein qualifizierter Mietspiegel für das betroffene Wohngebiet vorliegt, diesem eine besondere Gewähr für die Richtigkeit und Aktualität der in ihm enthaltenen
  265. Daten
  266. zukommt
  267. (vgl.
  268. BT-Drucks.
  269. 14/4553,
  270. 21. November 2012 - VIII ZR 46/12, aaO Rn. 29).
  271. S.
  272. 57;
  273. Senatsurteil
  274. vom
  275. - 14 -
  276. III.
  277. 27
  278. Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es
  279. ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist, da der Rechtsstreit nicht zur
  280. Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit
  281. die Parteien ihren Vortrag ergänzen können und das Berufungsgericht die danach gegebenenfalls erforderlichen Feststellungen treffen kann (§ 563 Abs. 1
  282. Satz 1 ZPO).
  283. Ball
  284. Dr. Frellesen
  285. Dr. Fetzer
  286. Dr. Milger
  287. Dr. Bünger
  288. Vorinstanzen:
  289. AG Berlin-Mitte, Entscheidung vom 15.12.2011 - 12 C 172/10 LG Berlin, Entscheidung vom 05.10.2012 - 63 S 36/12 -