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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VIII ZR 310/02
  5. Verkündet am:
  6. 22. Dezember 2003
  7. Potsch,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. -2-
  13. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  14. vom 22. Oktober 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die
  15. Richter Dr. Hübsch, Dr. Beyer, Dr. Leimert und Dr. Frellesen
  16. für Recht erkannt:
  17. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 17. Zivilsenats
  18. des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 10. Oktober 2002 aufgehoben.
  19. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  20. über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  21. Von Rechts wegen
  22. Tatbestand:
  23. Die jetzt unter neuem Namen firmierende Klägerin ist die Nachfolgerin
  24. der R.
  25. AG, die mit der Beklagten, einer Brauerei, am 15./29. Oktober
  26. 1990 einen Vertrag über die Lieferung und den Bezug elektrischer Energie für
  27. die Abnahmestelle I.
  28. geschlossen hatte. Diesen Stromlieferungsvertrag
  29. paßten die Parteien mit Vertrag vom 30. August/14. September 1999 an, wobei
  30. die bisherige Preisregelung durch eine neue "Individualpreisregelung" ersetzt
  31. wurde. Diese enthielt unter Ziff. 4 folgende Bestimmung:
  32. -3-
  33. "Energiesteuern und Abgaben
  34. Das Entgelt gemäß den Ziff. 1. bis 3. erhöht sich um die jeweilige
  35. Stromsteuer aufgrund des Stromsteuergesetzes. ...
  36. Soweit zukünftig weitere Energiesteuern oder sonstige die Beschaffung, die Übertragung, die Verteilung oder den Verbrauch
  37. von elektrischer Energie belastende Steuern oder Abgaben irgendwelcher Art wirksam werden sollten, werden diese in der jeweiligen Höhe vom Kunden getragen."
  38. Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin die Beklagte auf Erstattung von Mehraufwendungen in Anspruch, die ihr durch das Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG) vom 29. März 2000 (BGBl. I 2000, 305), das Gesetz zum
  39. Schutz der Stromerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplung (KWK-G) vom 12. Mai
  40. 2000 (BGBl. I 2000, 703) sowie das Gesetz für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK-AusbauG) vom
  41. 19. März 2002 (BGBl. I 2002, 1092) für den Lieferzeitraum von Oktober 2000
  42. bis Januar 2001 sowie April 2002 in Höhe von 85.247,76
  43. 
  44. 
  45. DM)
  46. entstanden sein sollen. Die Beklagte hat ihre Verpflichtung zur Zahlung dieser
  47. Aufwendungen in Abrede gestellt und die Höhe der geltend gemachten Forderung bestritten.
  48. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat die
  49. hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
  50. Mit ihrer - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt die
  51. Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
  52. -4-
  53. Entscheidungsgründe:
  54. I.
  55. Zur Begründung hat das Berufungsgericht, dessen Urteil in RdE 2003, 74
  56. abgedruckt ist, ausgeführt, das Landgericht habe zu Recht erkannt, daß die
  57. Klägerin den Anspruch auf Mehrvergütung ihrer Stromlieferungen nicht aus
  58. dem Vertrag vom 15./29. Oktober 1990 unter Berücksichtigung des Anpassungsvertrages vom 30. August/14. September 1999 herleiten könne. Die in der
  59. "Individualpreisregelung" enthaltene Preisanpassungsregelung sei eine vorformulierte Klausel, die nach ihrem Wortlaut eine Überwälzung der Kosten, die
  60. Netzbetreibern oder Elektrizitätsversorgungsunternehmen aus den Regelungen
  61. des EEG und des KWK-G sowie des KWK-AusbauG erwüchsen, nicht gestatte,
  62. da es sich hierbei weder um Steuern noch "Abgaben irgendwelcher Art" handele. Die Klägerin könne die begehrte Überwälzung der erhöhten Beschaffungskosten von Strom nicht auf eine erläuternde Vertragsauslegung stützen,
  63. da das von ihr vorgetragene besonders weite Verständnis des Begriffs "Abgabe" für die Auslegung der gegenüber der Beklagten verwandten Geschäftsbedingung nicht maßgeblich sei; abzustellen sei vielmehr auf die objektivierte
  64. Sicht eines durchschnittlichen Industriekunden, der die Begriffe "Energiesteuern
  65. und Abgaben" in dem engeren Sinne einer Geldleistung an den Fiskus verstehe.
  66. Auch eine ergänzende Vertragsauslegung komme nicht in Betracht, da
  67. es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Die Parteien hätten die Möglichkeit, daß sich die Beschaffungskosten der Stromlieferantin in der Vertragslaufzeit aufgrund öffentlich-rechtlicher Belastungen erhöhen könnten, bedacht
  68. und in Form der Preiserhöhungsklausel in Ziff. 4 der Anlage 2 ihres Anpassungsvertrages aus August/September 1999 geregelt. Damit hätten sie be-
  69. -5-
  70. stimmte Kostenpositionen - Steuern und Abgaben - in das Risiko der Beklagten
  71. gestellt und die Gefahr der Preissteigerungen bei der Beschaffung des Stroms
  72. im übrigen bei der Stromlieferantin belassen. Der Umstand, daß die Klägerin
  73. einen bestimmten Kostenfaktor nicht bedacht habe, nämlich die Erhöhung ihrer
  74. Beschaffungskosten durch umwelt-politisch getroffene Regelungen nicht steueroder abgabenrechtlicher Art, rechtfertige nicht, den Vertrag der Parteien als unvollständig anzusehen. Ein Bedürfnis für eine Vertragsanpassung nach Treu
  75. und Glauben bestehe ebenfalls nicht.
  76. Die Klägerin könne ihre Klageansprüche schließlich auch nicht auf gesetzliche Regelungen stützen. Das EEG begründe keine Vergütungspflichten
  77. des Letztverbrauchers und sehe auch keine Abwälzungsregelungen zu seinen
  78. Lasten vor. Das KWK-G und das KWK-AusbauG vermittele dem Elektrizitätsversorgungsunternehmen ebenfalls keinen Anspruch darauf, die Preise in einem bestehenden Stromversorgungsvertrag abzuändern.
  79. II.
  80. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
  81. 1. Zutreffend hat das Berufungsgericht zunächst angenommen, daß sich
  82. aus Ziff. 4 der Individualpreisregelung vom 30. August/14. September 1999 eine
  83. Verpflichtung zur Tragung der von der Klägerin begehrten Aufschläge für die
  84. nach dem EEG, dem KWK-G sowie dem KWK-AusbauG entstandenen Mehraufwendungen nicht unmittelbar ergibt. Dabei unterliegt die in der "Individualpreisregelung" enthaltene Preisanpassungsklausel der Klägerin der uneingeschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht, da die Klägerin diese
  85. Vertragsbedingung nach der nicht angegriffenen Feststellung des Berufungsge-
  86. -6-
  87. richts über den Bereich eines Oberlandesgerichtsbezirks hinaus verwendet
  88. (st.Rspr., vgl. BGHZ 98, 133, 184, 187; Senatsurteil vom 15. November 2000
  89. - VIII ZR 322/99, WM 2001, 1028 = NJW-RR 2001, 987 unter II 1, jew.
  90. m.w.Nachw.).
  91. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und
  92. typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden (st.Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar
  93. 1999 - IX ZR 140/98, WM 1999, 535 = NJW 1999, 1105 unter II 1 a; Senatsurteil vom 15. November 2000 aaO; Senatsurteil vom 9. Mai 2001 - VIII ZR
  94. 208/00, WM 2001, 2008 = NJW 2001, 2165 unter II 2 a, jew. m.w.Nachw.).
  95. a) Bei den von der Klägerin geltend gemachten Aufschlägen für die ihr
  96. durch das EEG, das KWK-G und das KWK-AusbauG entstandenen Mehraufwendungen handelt es sich, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen
  97. hat, weder um Steuern im Sinne von § 3 AO noch um (öffentlich-rechtliche) Abgaben, unter denen neben Steuern auch Gebühren, Beiträge und Sonderabgaben zu verstehen sind (Birk in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung,
  98. § 3 Rdnr. 20 ff.). Wie der Bundesgerichtshof für Leistungspflichten nach dem
  99. Stromeinspeisungsgesetz vom 7. Dezember 1990 (BGBl. I 1990, 2633) entschieden hat, stellten diese nach ihrem materiellen Gehalt keine Abgabenlasten
  100. dar, weil mit der Festlegung des Mindestpreises für den eingespeisten Strom
  101. aus erneuerbaren Energien dieser Strom gefördert werden sollte, ohne daß eine Aufkommenswirkung zugunsten der öffentlichen Hand erreicht wurde; es
  102. handelte sich damit um eine Preisfestsetzung im Rahmen des Austauschverhältnisses der beteiligten Unternehmen (BGHZ 134, 1, 27 f.; siehe auch
  103. BVerfG, NJW 1997, 573). Das gleiche gilt für die Zahlungspflicht der Netzbetreiber nach dem EEG, dem KWK-G sowie dem KWK-AusbauG, die nunmehr
  104. -7-
  105. feste Mindestvergütungen für den eingespeisten Strom sowie eine gesonderte
  106. Ausgleichsregelung unter den Netzbetreibern bestimmt haben, da auch hier
  107. Zahlungen nicht an eine öffentliche Einrichtung, sondern an den Betreiber der
  108. Kraftwerke mit Einsatz regenerativer Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung erfolgen (so auch OLG Düsseldorf, RdE 2002, 187 f.; Gent, RdE 2001, 50, 54;
  109. Ebel, Energiewirtschaftliche Tagesfragen 2001, 812, 814; so auch Büdenbender, Energiewirtschaftliche Tagesfragen 2001, 298, 308).
  110. b) Die Klägerin kann sich für die von ihr befürwortete Vertragsauslegung
  111. nicht darauf berufen, Sinn und Zweck der vereinbarten Steuer- und Abgabenklausel sowie die wirtschaftliche Gleichwertigkeit der in dem EEG, dem KWK-G
  112. sowie KWK-AusbauG gefundenen Finanzierungsform gegenüber einer öffentlichen Subventionierung aus dem staatlichen Haushalt, verbunden mit neu geschaffenen Steuern oder Abgaben, rechtfertigten eine Anwendung der Klausel
  113. auf die aus den genannten Gesetzen resultierenden Mehraufwendungen und
  114. damit eine Abwälzung von dem betroffenen Energieversorgungsunternehmen
  115. auf seine Kunden (Büdenbender aaO S. 310 ff. 321). Da bei der Auslegung von
  116. Allgemeinen Geschäftsbedingungen von der Verständnismöglichkeit der typischerweise von ihr angesprochenen Durchschnittskunden auszugehen ist (siehe auch Senatsurteil vom 13. Mai 1998 - VIII ZR 292/97, WM 1998, 1590
  117. = NJW 1998, 2207 unter II m.w.Nachw.), hätte es der Darlegung bedurft, daß
  118. der durchschnittliche Industriekunde den Begriff "Abgaben" in diesem Sinne
  119. verstanden hat; soweit die Revision auf den unter Sachverständigenbeweis gestellten Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 12. September 2002 verweist,
  120. war dieses nicht nachgelassene Vorbringen vom Berufungsgericht nicht zu berücksichtigen.
  121. 2. Nicht gefolgt werden kann allerdings dem Berufungsgericht insoweit,
  122. als es auch eine ergänzende Vertragsauslegung verneint.
  123. -8-
  124. a) Nach herrschender Meinung ist in Fällen, in denen - wie hier - eine
  125. Lücke in vorformulierten Verträgen nicht auf Einbeziehungs- oder Inhaltskontrollschranken des AGB-Gesetzes (jetzt: §§ 305 ff. BGB) beruht, eine ergänzende Vertragsauslegung zulässig (vgl. BGHZ 92, 363, 370; 103, 228, 234;
  126. 117, 92, 98; Schmidt in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz, 9. Aufl., § 6
  127. Rdnr. 31). Eine derartige Vertragslücke ist durch ergänzende Auslegung der
  128. Bedingungen unter Zugrundelegung eines objektiv-generalisierenden Maßstabs
  129. zu schließen, der sich am Willen und Interesse der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise auszurichten hat (BGHZ 107,
  130. 273, 277; 119, 305, 325; Schmidt aaO § 6 Rdnr. 32, jew. m.w.Nachw.). Eine
  131. Vertragslücke kann auch darauf beruhen, daß sich die bei Vertragsschluß bestehenden wirtschaftlichen oder rechtlichen Verhältnisse nachträglich ändern
  132. (vgl. BGHZ 123, 281, 285; BGH, Urteil vom 20. November 1975 - III ZR 112/73,
  133. WM 1976, 251 unter I 1 b; BGH, Urteil vom 6. Juli 1989 - III ZR 35/88, WM
  134. 1989, 1743 unter II 4 a).
  135. b) Zu Unrecht geht das Berufungsgericht, wie die Revision mit Erfolg
  136. rügt, davon aus, die Parteien hätten bewußt eine abschließende Regelung zur
  137. Erhöhung des Entgelts getroffen, so daß es hinsichtlich der streitigen Kosten an
  138. einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Zwar haben die Parteien nach der
  139. "Individualpreisregelung" vom 30. August/14. September 1999, mit der die
  140. Preisregelung des Vertrags vom 15./29. Oktober 1990 ersetzt wurde, im einzelnen festgelegte Arbeitspreise, verbunden mit einer Preisanpassungsklausel,
  141. vereinbart. Eine Regelung, wer die zusätzlichen Kosten für die Abnahme von
  142. Strom aus erneuerbaren Energien oder aus Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen zu
  143. staatlich bestimmten Festpreisen zu tragen hat, konnte bei Vertragsschluß nicht
  144. getroffen werden, weil es diese staatliche Form der Förderung erneuerbarer
  145. Energien und der Kraft-Wärme-Kopplung unter Ausschluß einer Beteiligung des
  146. -9-
  147. Staatshaushaltes zu diesem Zeitpunkt noch nicht gab und deshalb auch nicht
  148. berücksichtigt werden konnte.
  149. Im übrigen hat die Klägerin unwidersprochen vorgetragen, daß die Regelungen des Stromeinspeisungsgesetzes vom 7. Dezember 1990 (BGBl. I
  150. 1990, 2633), neu gefaßt durch das Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 24. April 1998 (BGBl. I 1998, 730), die eine Abnahme- und
  151. Vergütungspflicht des örtlichen Netzbetreibers und nur in Ausnahmefällen eine
  152. Weitergabe von Teilen der Belastungen an den sogenannten vorgelagerten
  153. Netzbetreiber vorsahen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 StrEG), für sie, die Klägerin, nur
  154. geringe praktische Bedeutung hatten, da dadurch lediglich jährliche Gesamtkosten von ca. 13 Mio. DM ausgelöst wurden, was, auf die einzelne kWh umgelegt, einen Betrag von lediglich 0,02 Pfennig/kWh ausmachte. Demgegenüber verursachten nach dem Vortrag der Klägerin das EEG und KWK-G im Jahre 2001 jährliche Gesamtkosten in Höhe von 700 Mio. DM, was einem Betrag
  155. von 1,15 Pfennig/kWh entsprach. Wenn die Klägerin im Hinblick auf die Regelungen des Stromeinspeisungsgesetzes auch bei der Vertragsanpassung vom
  156. 30. August/14. September 1999 keine Änderung der Preisanpassungsklausel
  157. vorgenommen hat, kann hieraus auf das Fehlen einer Vertragslücke ebenfalls
  158. nicht geschlossen werden. Es erscheint ausgeschlossen, daß die Klägerin bei
  159. Vertragsänderung nicht auf eine Regelung in ihrem Sinne gedrungen hätte,
  160. wenn sie damals gewußt hätte, daß künftig bei Anwendung des Gesetzes für
  161. den Vorrang Erneuerbarer Energien eine so weitgehende Abwälzung der erhöhten Energiekosten auf sie als vorgelagerte Netzbetreiberin stattfinden würde.
  162. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann auch nicht angenommen werden, daß aus der Sicht der Beklagten die Gefahr von Preissteigerungen für die Beschaffung des Stroms, soweit nicht bestimmte Kostenfaktoren
  163. - 10 -
  164. ausgenommen waren, bei der Klägerin allgemein belassen werden sollte. Daß
  165. die Klägerin sämtliche die Beschaffung, Übertragung oder Verteilung von elektrischer Energie belastenden Steuern oder sonstige staatlich angeordnete Abgaben nicht übernehmen, sondern auf den Kunden abwälzen wollte, ergibt sich
  166. aus Ziff. 4 der "Individualpreisregelung". Nichts anderes gilt für die hier in Rede
  167. stehenden Belastungen der Klägerin infolge der Neuregelung der Subventionierung des aus erneuerbaren Energien und aus Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen
  168. gewonnen Stroms. Diese durch staatliche Eingriffe veranlaßten Mehrkosten
  169. sind von sonstigen Änderungen der Beschaffungs- und Vertriebskosten auf
  170. dem Strommarkt zu unterscheiden, deren Veränderung in den Risikobereich
  171. der Klägerin fällt (vgl. Büdenbender aaO S. 313 f.).
  172. c) Die hinsichtlich der durch das EEG, das KWK-G sowie das KWKAusbauG anfallenden Mehrkosten bestehende Vertragslücke ist dahin zu
  173. schließen, daß diese Kosten ebenfalls von der Beklagten als Stromkundin zu
  174. tragen sind; zu einer eigenen ergänzenden Auslegung ist das Revisionsgericht
  175. bei den über den Bereich des Berufungsgerichts hinausgehend verwendeten
  176. Allgemeinen Geschäftsbedingungen befugt (BGHZ 90, 69, 73 f.; BGHZ 117, 92,
  177. 98). Eine ergänzende Vertragsauslegung scheidet auch nicht deshalb aus, weil
  178. zur Ausfüllung der Regelungslücke mehrere Gestaltungsmöglichkeiten in Betracht kämen, ohne daß ein Anhaltspunkt dafür besteht, welche Regelung die
  179. Parteien getroffen hätten (vgl. BGHZ 143, 103, 121 m.w.Nachw.). Vielmehr ist
  180. anzunehmen, daß die Parteien als Beteiligte des geschlossenen Sonderkundenvertrages, wäre ihnen die Vertragslücke bewußt gewesen, ebenso wie die
  181. erwähnten "Energiesteuern oder Abgaben" auch die durch das EEG, das KWKG sowie das KWK-AusbauG bewirkten Eingriffe in das Preissystem und dadurch verbundene Mehrbelastungen der Klägerin der Beklagten als Abnehmerin
  182. auferlegt hätten. Daß der Gesetzgeber selbst von einer Überwälzung der durch
  183. das EEG herbeigeführten Mehrkosten auf den Verbraucher ausging, ergibt sich
  184. - 11 -
  185. aus der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien sowie zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes, in welchem die Erwartung ausgesprochen wird, daß "Auswirkungen
  186. auf das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, ... trotz voraussichtlich geringer Erhöhung der Netznutzungsentgelte nicht in nennenswertem Umfang zu erwarten" seien. Es sei "lediglich mit geringfügigen Steigerungen der Strombezugspreise zu rechnen, die durch die im liberalisierten Markt
  187. sinkenden Strompreise deutlich überkompensiert" würden (BT-Drucks. 14/2341
  188. S. 2; s.a. Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und
  189. Technologie BT-Drucks. 14/2776 S. 2); inwieweit sich diese Annahme des Gesetzgebers in der Folgezeit als richtig erwiesen hat, ist dabei unerheblich (zur
  190. Weitergabe von "nicht vermeidbaren Mehraufwendungen" siehe § 3 Abs. 1
  191. Satz 3 KWK-G sowie nicht erstatteter "Zuschlagszahlungen" und "Ausgleichszahlungen" siehe § 9 Abs. 7 KWK-AusbauG, vgl. hierzu Entwurf des Gesetzes
  192. für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-WärmeKopplung, BT-Drucks. 14/7024 S. 9). Im Tarifkundenbereich sind die diesbezüglichen Kosten anerkennungsfähig und werden gemäß § 12 BTOElt tariflich
  193. anerkannt (Büdenbender aaO S. 301; Britz/Müller RdE 2003, 163, 166). Davon,
  194. daß die Klägerin die in Rede stehenden, auf gesetzgeberischen Maßnahmen
  195. beruhenden Mehrkosten, die ihrem Zweck nach und in ihren Auswirkungen für
  196. die Energieversorgungsunternehmen einer Abgabe gleichstehen, nicht ebenfalls auf die Sonderkunden hätte abwälzen wollen, konnten diese nicht ausgehen.
  197. - 12 -
  198. III.
  199. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben, und die Sache ist, da die
  200. Beklagte die Höhe der geltend gemachten Aufwendungen der Klägerin bestritten hat, an das Berufungsgericht zur weiteren Feststellung zurückzuverweisen.
  201. Dr. Deppert
  202. Dr. Hübsch
  203. Dr. Leimert
  204. Dr. Beyer
  205. Dr. Deppert
  206. für den wegen Erkrankung an der
  207. Unterschriftsleistung verhinderten
  208. Richter am Bundesgerichtshof
  209. Dr. Frellesen
  210. 22. Dezember 2003