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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. VIII ZB 88/15
  4. vom
  5. 1. März 2016
  6. in dem Rechtsstreit
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. ZPO § 511
  14. Eine Zulassung der Berufung muss nicht zwingend im Tenor des amtsgerichtlichen
  15. Urteils ausgesprochen sein. Es genügt, wenn sie lediglich in den Gründen des Urteils
  16. enthalten ist (Anschluss an BGH, Urteil vom 8. März 1956 - III ZR 265/54, BGHZ 20,
  17. 188, 189 [Zulassung der Revision]).
  18. BGH, Beschluss vom 1. März 2016 - VIII ZB 88/15 - LG Berlin
  19. AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg
  20. ECLI:DE:BGH:2016:010316BVIIIZB88.15.0
  21. -2-
  22. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. März 2016 durch die
  23. Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richter Dr. Achilles und Dr. Schneider, die
  24. Richterin Dr. Fetzer und den Richter Dr. Bünger
  25. beschlossen:
  26. Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss der
  27. Zivilkammer 57 des Landgerichts Berlin vom 2. November 2015
  28. aufgehoben.
  29. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten
  30. des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  31. Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht
  32. erhoben.
  33. Wert des Beschwerdeverfahrens: Wertstufe bis 500 €.
  34. Gründe:
  35. I.
  36. 1
  37. Die Parteien streiten um den Bestand von Ansprüchen aus einem
  38. Stromlieferungsvertrag sowie die Rückgewähr von Überzahlungen. Das Amtsgericht, das den Streitwert auf insgesamt 531,07 € festgesetzt hat, hat die Klage abgewiesen. In den Gründen seiner Entscheidung hat es vor der erteilten
  39. Rechtsmittelbelehrung ausgeführt:
  40. -3-
  41. "Die Berufung ist zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung besitzt bzw. die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
  42. eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert, § 511 Abs. 4 Nr. 1
  43. ZPO."
  44. 2
  45. Die hiergegen vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte Berufung hat
  46. das Berufungsgericht unter Festsetzung eines Streitwerts für die Berufungsinstanz auf bis zu 500 € als unzulässig verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € nicht übersteigt. Hiergegen wendet sich der Kläger mit
  47. seiner Rechtsbeschwerde.
  48. II.
  49. 3
  50. 1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1
  51. Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch nach § 574 Abs. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers
  52. zu Unrecht nach § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen. Indem es dabei
  53. dem Beklagten den Zugang zur Berufungsinstanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise versagt hat, hat es zugleich dessen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz
  54. (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) in zulassungsrelevanter Weise verletzt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 8. April 2014 - VIII ZB
  55. 30/13, WuM 2014, 427 Rn. 7; vom 4. Juni 2014 - IV ZB 2/14, NJW-RR 2014,
  56. 1102 Rn. 7; jeweils mwN).
  57. 4
  58. 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
  59. 5
  60. Die Rechtsbeschwerde weist mit Recht darauf hin, dass es im Streitfall
  61. für die Statthaftigkeit der Berufung auf den Wert des Beschwerdegegenstandes
  62. nicht ankommt. Die Berufung ist vielmehr gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuläs-
  63. -4-
  64. sig, weil das Gericht des ersten Rechtszuges - mit Bindungswirkung für das
  65. Berufungsgericht - die Berufung nach § 511 Abs. 4 ZPO zugelassen hat. Diese
  66. Zulassung, die nicht zwingend im Tenor des amtsgerichtlichen Urteils ausgesprochen sein musste, sondern - wie hier - lediglich in den Gründen enthalten
  67. zu sein brauchte (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 1956 - III ZR 265/54, BGHZ 20,
  68. 188, 189 [zur Zulassung der Revision]; vgl. auch BGH, Beschluss vom 15. Juni
  69. 2011 - II ZB 20/10, WM 2011, 1335 Rn. 1), hat das Berufungsgericht nicht zur
  70. Kenntnis genommen und dadurch dem Kläger den Zugang zur Berufungsinstanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise vereitelt.
  71. 6
  72. 3. Die Sache ist danach unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 ZPO), welches
  73. dem Berufungsverfahren mit den sodann zu treffenden Entscheidungen Fortgang zu geben hat.
  74. -5-
  75. 7
  76. 4. Die Entscheidung über die Nichterhebung der Gerichtskosten für das
  77. Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG.
  78. Dr. Milger
  79. Dr. Achilles
  80. Dr. Fetzer
  81. Dr. Schneider
  82. Dr. Bünger
  83. Vorinstanzen:
  84. AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg, Entscheidung vom 25.06.2015 - 14 C 409/14 LG Berlin, Entscheidung vom 02.11.2015 - 57 S 164/15 -