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- BUNDESGERICHTSHOF
- BESCHLUSS
- VIII ZB 59/11
- vom
- 20. Dezember 2011
- in dem Rechtsstreit
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- Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Dezember 2011 durch
- den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen, die Richterinnen
- Dr. Milger und Dr. Fetzer sowie den Richter Dr. Bünger
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- beschlossen:
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- Die Rechtsbeschwerde der Kläger gegen den Beschluss des
- 8. Zivilsenats des Kammergerichts vom 4. August 2011 wird als
- unzulässig verworfen.
- Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten
- werden nicht erstattet.
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- Gründe:
- I.
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- Die Kläger haben die Beklagte erfolgreich auf Feststellung der Berechtigung zur Mietminderung wegen Mängeln der von ihnen angemieteten Wohnung
- in Anspruch genommen. Den Streitwert dieser Klage hat das Amtsgericht mit
- 1.320 € bemessen. Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger Beschwerde zum Landgericht eingelegt. Die Beschwerdekammer des Landgerichts hat den Streitwert auf 4.620 € festgesetzt und die weitere Beschwerde
- zum Kammergericht zugelassen. Auf die weitere Beschwerde der Beklagten hat
- das Kammergericht den Streitwert auf 1.320 € herabgesetzt und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Hiergegen richtet sich die von den Klägern beim Bundesgerichtshof eingelegte Rechtsbeschwerde.
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- II.
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- Die ausdrücklich namens der Kläger eingelegte Rechtsbeschwerde ist
- unzulässig.
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- 1. Es stellt sich die Frage, ob dieses Rechtsmittel bereits unstatthaft ist.
- Nach § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG ist gegen die Festsetzung
- des Streitwerts eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes
- nicht eröffnet. Hieran ändert auch die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch
- das Kammergericht nichts (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. April 2009 - VI ZB
- 88/08, Schaden-Praxis 2010, 29 unter II 1; vom 6. Oktober 2009 - VI ZB 19/08,
- AGS 2010, 195; offen gelassen in BGH, Beschluss vom 29. Oktober 2009
- - III ZB 40/09, juris Rn. 2). Eine Bindung des Rechtsbeschwerdegerichts an die
- Zulassung gemäß § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO besteht nicht, weil eine Entscheidung, die vom Gesetz der Anfechtung entzogen ist, auch bei - irriger - Rechtsmittelzulassung unanfechtbar bleibt (BGH, Beschlüsse vom 6. April 2009
- - VI ZB 88/08, aaO; vom 6. Oktober 2009 - VI ZB 19/08, aaO mwN).
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- Jedoch kann auch in Fällen, in denen ein eingelegtes Rechtsmittel nicht
- eröffnet ist, dieses nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung als statthaft zu
- erachten sein. Das Meistbegünstigungsprinzip als Ausprägung der verfassungsrechtlichen Grundsätze der allgemeinen Gleichheit vor dem Gesetz und des
- Vertrauensschutzes greift über die Fälle einer unkorrekten Entscheidungsform
- hinaus immer dann ein, wenn für den Rechtsmittelführer eine Unsicherheit, das
- einzulegende Rechtsmittel betreffend, besteht, sofern diese auf einem Fehler
- oder einer Unklarheit der anzufechtenden Entscheidung beruht (st. Rspr.; vgl.
- Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2002 - VIII ZB 27/02, BGHZ 152, 213, 216;
- Senatsurteil vom 5. November 2003 - VIII ZR 10/03, NJW 2004, 1598 unter II
- 1 b; BGH, Beschluss vom 14. Juli 2011 - V ZB 67/11, NJW 2011, 3306 Rn. 9
- mwN). Ob diese Voraussetzungen vorliegend erfüllt sind, weil die Kläger nach
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- ihrem Vorbringen durch die Zulassung der Rechtsbeschwerde im angefochtenen Beschluss an der fristgerechten Einlegung einer Verfassungsbeschwerde
- gehindert worden sind, kann allerdings auf sich beruhen, denn die Rechtsbeschwerde ist aus einem anderen Grund als unzulässig zu verwerfen.
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- 2. Die Rechtsbeschwerde ist jedenfalls deswegen unzulässig, weil es an
- der erforderlichen Rechtsmittelbeschwer der Kläger fehlt (vgl. BGH, Beschluss
- vom 29. Oktober 2009 - III ZB 40/09, aaO Rn. 3). Dabei kann dahin stehen, ob
- auch im Verfahren der Rechtsbeschwerde die in Streitwertbeschwerdeverfahren grundsätzlich erforderliche Mindestbeschwer von mehr als 200 € (§ 68
- Abs. 1 Satz 1 GKG) erreicht sein muss (offengelassen von BGH, Beschluss
- vom 29. Oktober 2009 - III ZB 40/09, aaO Rn. 3; bejaht von BGH, Beschluss
- vom 22. Juni 2010 - VI ZB 10/10, MDR 2010, 944 für den Fall der Kostenbeschwerde [§ 567 Abs. 2 ZPO]). Denn ungeachtet dessen ist eine Rechtsbeschwerde - wie jedes andere Rechtsmittel auch - stets unzulässig, wenn der
- Rechtsbeschwerdeführer durch die angefochtene Entscheidung nicht beschwert
- wird. So liegen die Dinge hier.
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- Die Rechtsbeschwerde, mit der die Festsetzung eines höheren Streitwerts erstrebt wird, ist namens der Kläger eingelegt und begründet worden;
- hieran lassen die eingereichten Schriftsätze keine Zweifel. Das Rechtsmittel
- wurde ausdrücklich namens der Kläger eingelegt ("Für die Kläger und Rechtsbeschwerdeführer lege ich hiermit […] Rechtbeschwerde ein") und begründet
- ("beantrage ich für die Kläger und Rechtsbeschwerdeführer"). Eine Partei wird
- jedoch - anders als ihr Prozessbevollmächtigter, dem insoweit ein eigenes Beschwerderecht zusteht (§ 32 Abs. 2 Satz 1 RVG) und der im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht beteiligt ist - durch die Festsetzung eines zu niedrigen Streitwerts regelmäßig nicht beschwert (BGH, Beschlüsse vom 29. Oktober 2009
- - III ZB 40/09, aaO; vom 12. Februar 1986 - IVa ZR 138/83, NJW-RR 1986,
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- 737). Besondere Umstände, die eine Beschwer der Kläger wegen der ihrer Ansicht nach zu niedrigen Streitwertfestsetzung begründen könnten, sind nicht
- ersichtlich. Insbesondere kann eine Partei die Streitwertbeschwerde nicht dazu
- nutzen, durch die Erhöhung des Streitwerts das finanzielle Risiko der Gegenpartei an der Prozessführung zu steigern (BGH, Beschluss vom 29. Oktober
- 2009 - III ZB 40/09, aaO).
- Ball
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- Dr. Frellesen
- Dr. Fetzer
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- Dr. Milger
- Dr. Bünger
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- Vorinstanzen:
- LG Berlin, Entscheidung vom 17.06.2011 - 65 T 7/11 KG Berlin, Entscheidung vom 04.08.2011 - 8 W 48/11 -
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