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9.1 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. VIII ZB 26/17
  4. vom
  5. 9. Januar 2019
  6. in dem Rechtsstreit
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. BGB § 566 Abs. 1
  14. Bei Vermietung einer Wohnung durch zwei Miteigentümer bleiben beide auch
  15. dann Vermieter - und ist eine Kündigung gegenüber dem Mieter demgemäß
  16. von beiden Vermietern auszusprechen -, wenn der eine seinen Miteigentumsanteil später an den anderen veräußert. Auf einen solchen Eigentumserwerb findet § 566 Abs. 1 BGB weder direkte noch analoge Anwendung.
  17. BGH, Beschluss vom 9. Januar 2019 - VIII ZB 26/17 - LG Nürnberg-Fürth
  18. AG Neumarkt
  19. ECLI:DE:BGH:2019:090119BVIIIZB26.17.0
  20. -2-
  21. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Januar 2019 durch die
  22. Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richterinnen Dr. Hessel und Dr. Fetzer
  23. sowie die Richter Dr. Bünger und Kosziol
  24. beschlossen:
  25. Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des
  26. Landgerichts Nürnberg-Fürth - 7. Zivilkammer - vom 20. März
  27. 2017 aufgehoben.
  28. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
  29. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.800 € festgesetzt.
  30. Gründe:
  31. I.
  32. 1
  33. Die Klägerin und ihr Ehemann waren Miteigentümer eines Zweifamilienhauses. Mit Vertrag vom 1. Oktober 2013 vermieteten sie eine der beiden Wohnungen an den Beklagten zu 1. Später wurde die Klägerin, welche die andere
  34. Wohnung im Haus bewohnt, durch Übertragung des Miteigentumsanteils ihres
  35. Ehemanns Alleineigentümerin des Anwesens. Sie kündigte das Mietverhältnis
  36. mit Schreiben vom 18. Februar 2016 gemäß § 573a Abs. 1 BGB und nahm den
  37. Beklagten zu 1 sowie seinen volljährigen Sohn, den Beklagten zu 2, auf Räumung und Herausgabe der Wohnung in Anspruch.
  38. -3-
  39. 2
  40. Nach dem Auszug der Beklagten aus der streitgegenständlichen Wohnung haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend
  41. für erledigt erklärt. Das Amtsgericht hat die Kosten des Rechtsstreits den Beklagten auferlegt. Deren hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde ist erfolglos
  42. geblieben. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde
  43. begehren die Beklagten, der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
  44. II.
  45. 3
  46. Das Rechtsbeschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung
  47. ausgeführt, dass die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 a ZPO den Beklagten aufzuerlegen gewesen seien, da sie ohne die übereinstimmende Erledigungsklärung voraussichtlich unterlegen wären. Zwar habe eine Kündigung bei
  48. mehreren Vermietern grundsätzlich durch alle Vermieter zu erfolgen. Auch greife § 566 Abs. 1 BGB, nach dessen Wortlaut eine Veräußerung an einen Dritten
  49. zu erfolgen habe, nicht ein, da die Veräußerung hier an einen der bisherigen
  50. Eigentümer und Vermieter erfolgt sei. Allerdings komme § 566 Abs. 1 BGB analog zur Anwendung, da der Vermieter, der den (hälftigen) Miteigentumsanteil
  51. des anderen Vermieters erworben habe, dergestalt in den Mietvertrag eintrete,
  52. dass die Kündigung allein durch den Erwerber des hälftigen Miteigentums wirksam sei. Zwar verliere der Mieter dadurch mit der Veräußerung einen seiner
  53. Schuldner. Einen Ausgleich hierfür sehe jedoch die Regelung in § 566 Abs. 2
  54. BGB vor.
  55. 4
  56. Die Rechtsbeschwerde sei gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen,
  57. da die Frage der analogen Anwendung von § 566 Abs. 1 BGB auf den Fall des
  58. Erwerbs eines Miteigentumsanteils bislang höchstrichterlich nicht entschieden
  59. sei.
  60. -4-
  61. III.
  62. 5
  63. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
  64. 6
  65. 1. Die von dem Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist
  66. nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig.
  67. 7
  68. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, ist für den Senat nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO
  69. unabhängig davon bindend, ob es die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO
  70. zutreffend beurteilt hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. Januar 2018
  71. - VIII ZB 74/16, WuM 2018, 151 Rn. 6; vom 8. Mai 2012 - VIII ZB 91/11,
  72. WuM 2012, 332 Rn. 3 mwN; vom 7. Oktober 2008 - XI ZB 24/07, NJWRR 2009, 425 Rn. 9 mwN). Es ist daher unschädlich, dass - was das Beschwerdegericht verkannt hat - gegen eine Kostenentscheidung die Rechtsbeschwerde nicht aus materiell-rechtlichen Gründen zugelassen werden darf, da
  73. es nicht Zweck des Kostenverfahrens ist, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären oder das Recht fortzubilden, soweit es - wie im Streitfall - um
  74. Fragen des materiellen Rechts geht (st. Rspr.; vgl. Senatsbeschlüsse vom
  75. 30. Januar 2018 - VIII ZB 74/16, aaO; vom 8. März 2011 - VIII ZB 65/10,
  76. WuM 2011, 242 Rn. 7; vom 8. Mai 2012 - VIII ZB 91/11, aaO Rn. 7; jeweils
  77. mwN). Ebenso ist es für die Wirksamkeit der Zulassung der Rechtsbeschwerde
  78. ohne Bedeutung, dass das Berufungsgericht irrig das Vorliegen eines Zulassungsgrundes angenommen hat, obwohl die von ihm als Grund für die Zulassung genannte Frage sich in der vorliegenden Fallgestaltung ohne weiteres anhand der - von ihm allerdings nicht berücksichtigten - Rechtsprechung des
  79. Bundesgerichtshofs beantwortet und eine vereinzelte entgegenstehende Literaturmeinung kein Bedürfnis zu einer höchstrichterlichen Klärung zu begründen
  80. vermag.
  81. -5-
  82. 8
  83. 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
  84. 9
  85. Nach der übereinstimmenden Erledigterklärung der Parteien waren die
  86. Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO der Klägerin aufzuerlegen. Denn die Klägerin wäre bei Fortführung des Rechtsstreits voraussichtlich
  87. in der Sache unterlegen, weil das Mietverhältnis durch die allein von ihr ausgesprochene Kündigung vom 18. Februar 2016 nicht wirksam beendet worden ist
  88. und ihr deshalb der von ihr geltend gemachte Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung nicht zustand. Die Kündigung hätte vielmehr auch von
  89. dem früheren Ehemann der Klägerin erklärt werden müssen, der die Wohnung
  90. zusammen mit ihr an den Beklagten zu 1 vermietet hatte. Die vom Beschwerdegericht vorgenommene analoge Anwendung des § 566 Abs. 1 BGB kommt in
  91. der vorliegenden Konstellation, dass einer von zwei Miteigentümern, die eine
  92. Wohnung vermietet haben, später Alleineigentümer wird, nicht in Betracht.
  93. 10
  94. a) Gemäß § 566 Abs. 1 BGB tritt bei einer Veräußerung des vermieteten
  95. Wohnraums nach der Überlassung an den Mieter von dem Vermieter an einen
  96. Dritten der Erwerber anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein.
  97. Nach dem Wortlaut des § 566 Abs. 1 BGB muss die Veräußerung an einen Dritten erfolgen, das heißt, der veräußernde Eigentümer und der Erwerber müssen
  98. personenverschieden sein, der Erwerber darf bis zum Erwerb nicht Vermieter
  99. gewesen sein (vgl. Senatsbeschluss [Rechtsentscheid] vom 6. Juli 1994
  100. - VIII ARZ 2/94, BGHZ 126, 357, 363 f. - noch zu der Vorgängerregelung in
  101. § 571 BGB aF). Eine direkte Anwendung des § 566 BGB kommt damit, wie das
  102. Beschwerdegericht im Ansatz noch zutreffend gesehen hat, nicht in Betracht.
  103. 11
  104. b) Eine Analogie ist - was das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft nicht
  105. geprüft hat - zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke aufweist und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem
  106. -6-
  107. Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung,
  108. bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem
  109. Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen. Die Lücke muss sich also aus einem unbeabsichtigten
  110. Abweichen des Gesetzgebers von seinem - dem konkreten Gesetzgebungsvorhaben zugrundeliegenden - Regelungsplan ergeben (st. Rspr.; siehe nur Senatsurteil vom 14. Dezember 2016 - VIII ZR 232/15, BGHZ 213, 136 Rn. 33
  111. mwN). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
  112. 12
  113. Sinn und Zweck des § 566 BGB ist der Schutz des Mieters vor einem
  114. Verlust des Besitzes an der Wohnung gegenüber einem neuem Erwerber im
  115. Falle der Veräußerung der Mietsache (BGH, Urteil vom 12. Juli 2017 - XII ZR
  116. 26/16, NZM 2017, 847 Rn. 29 mwN). Dieser Schutzzweck ist von vornherein
  117. nicht berührt, wenn - wie hier - einer von zwei vermietenden Miteigentümern
  118. seinen Eigentumsanteil auf den anderen überträgt, so dass dieser Alleineigentümer der Mietsache wird. Denn der nunmehrige Alleineigentümer ist (weiter)
  119. an den Mietvertrag gebunden und ein Verlust des Besitzes auf Seiten des Mieters infolge des Veräußerungsvorgangs ist somit nicht zu besorgen. Damit
  120. scheidet eine analoge Anwendung des § 566 BGB auf einen solchen Fall aus.
  121. 13
  122. Soweit in der vom Berufungsgericht herangezogenen Kommentarstelle
  123. allgemeine Erwägungen dazu angestellt werden, es sei auch im Hinblick auf
  124. mögliche weitere Veräußerungsvorgänge "praktikabler, das Ausscheiden des
  125. veräußernden Miteigentümers aus der Vermieterstellung sogleich zu vollziehen"
  126. (so Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 13. Aufl., § 566 BGB Rn. 77; dagegen
  127. -7-
  128. zutreffend MünchKommBGB/Häublein, 7. Aufl., § 566 Rn. 22), ergibt sich daraus offensichtlich keine tragfähige Grundlage für eine Analogie.
  129. Dr. Milger
  130. Dr. Hessel
  131. Dr. Bünger
  132. Dr. Fetzer
  133. Kosziol
  134. Vorinstanzen:
  135. AG Neumarkt, Entscheidung vom 08.02.2017 - 3 C 623/16 LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 20.03.2017 - 7 T 1367/17 -