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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VII ZR 151/08
  5. Verkündet am:
  6. 23. Juli 2009
  7. Schick,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. ja
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB § 651
  19. a) Kaufrecht ist auf sämtliche Verträge mit einer Verpflichtung zur Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen anzuwenden, also auch auf
  20. Verträge zwischen Unternehmern.
  21. b) Verträge, die allein die Lieferung von herzustellenden beweglichen Bau- oder Anlagenteilen zum Gegenstand haben, sind nach Maßgabe des § 651 BGB nach
  22. Kaufrecht zu beurteilen. Die Zweckbestimmung der Teile, in Bauwerke eingebaut
  23. zu werden, rechtfertigt keine andere Beurteilung.
  24. c) Eine andere Beurteilung ist auch dann nicht gerechtfertigt, wenn Gegenstand des
  25. Vertrages auch Planungsleistungen sind, die der Herstellung der Bau- und Anlagenteile vorauszugehen haben und nicht den Schwerpunkt des Vertrages bilden.
  26. BGH, Urteil vom 23. Juli 2009 - VII ZR 151/08 - OLG Nürnberg
  27. LG Weiden i.d. OPf.
  28. -2-
  29. Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  30. vom 16. April 2009 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka, den Richter Dr. Kuffer, den Richter Bauner, die Richterin Safari Chabestari und den
  31. Richter Dr. Eick
  32. für Recht erkannt:
  33. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats
  34. und Kartellsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 17. Juni
  35. 2008 aufgehoben.
  36. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  37. über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  38. Von Rechts wegen
  39. Tatbestand:
  40. 1
  41. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Nacherfüllung aus einem Vertrag, in dem sich die Beklagte verpflichtete, die für die Errichtung einer Siloanlage benötigten Bauteile herzustellen und zu liefern. Außerdem begehrt sie die
  42. Feststellung, dass die Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet ist.
  43. 2
  44. Die Klägerin hatte für einen Auftraggeber in Russland eine Siloanlage zur
  45. Einlagerung von Graspellets zu erstellen und auf einem von diesem zu errichtenden Fundament zu montieren. Die Siloanlage besteht aus 14 unmittelbar
  46. -3-
  47. nebeneinander befindlichen Boxen, die jeweils 6 Meter hoch, 20 Meter lang und
  48. 5 Meter breit sind. Die Boxen sind jeweils durch eine Dammwand voneinander
  49. getrennt, die aus mehreren Stützen, zwischen denen Trapezbleche montiert
  50. sind, bestehen. Die für die Erstellung der Siloanlage erforderlichen Teile und
  51. Materialien bestellte die Klägerin am 2. März 2004 einschließlich einer prüffähigen Statik bei der Beklagten. Diese stellte die Teile (u.a. Dammwände, Stützen
  52. und Zugstangen) her und lieferte sie an die Klägerin aus. Die Anlage wurde von
  53. der Klägerin in Russland errichtet.
  54. 3
  55. Zwischen den Parteien steht inzwischen nach Einholung eines Gutachtens im selbständigen Beweisverfahren außer Streit, dass die von der Beklagten gelieferten Silozellen eine zu geringe Blechdicke aufweisen und deshalb
  56. nicht hinreichend beulsicher sind.
  57. 4
  58. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten
  59. hatte keinen Erfolg. Mit der Revision, die das Berufungsgericht zur Klärung der
  60. Frage, ob § 651 BGB außerhalb von Verbrauchsgütergeschäften Anwendung
  61. findet, zugelassen hat, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Sie macht geltend, auf das Vertragsverhältnis der Parteien sei entweder
  62. unmittelbar oder über § 651 BGB Kaufrecht anzuwenden. Für die Klägerin habe
  63. daher gemäß §§ 377, 381 Abs. 2 HGB eine Untersuchungs- und Rügepflicht
  64. bestanden, der sie nicht nachgekommen sei.
  65. -4-
  66. Entscheidungsgründe:
  67. 5
  68. Auf die Revision der Beklagten ist das Berufungsurteil aufzuheben und
  69. die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
  70. zurückzuverweisen.
  71. I.
  72. 6
  73. Das Berufungsgericht sieht das Vertragsverhältnis der Parteien als
  74. Werkvertrag an. Verpflichte sich ein Unternehmer dazu, eine bestimmte Sache
  75. herzustellen und an seinen Vertragspartner zu übereignen, sei Werkvertragsrecht und nicht Kaufrecht anzuwenden, wenn die Herstellung einer konkreten
  76. Sache den Schwerpunkt der Pflichten des Unternehmers bilde und daneben der
  77. für einen Kaufvertrag typische Warenumsatz in den Hintergrund trete. Einer
  78. Herstellungsverpflichtung komme besonderes Gewicht zu, wenn sie ganz wesentlich von geistigen Planungs-, Konstruktions- und Implementierungsleistungen begleitet oder geprägt sei. Das sei regelmäßig der Fall, wenn der Unternehmer die Verpflichtung übernehme, eine technisch komplexe Sache eigens
  79. für die im Wesentlichen funktional definierten Bedürfnisse des Bestellers zu
  80. konzipieren und herzustellen. Eine solche Verpflichtung habe die Beklagte
  81. übernommen. Sie habe auf der Grundlage der von der Klägerin erfolgten Angaben zur Abmessung des Objekts und dessen Verwendungszwecks eine Siloanlage zu projektieren und zu liefern gehabt, wobei die Dimensionierung der einzelnen Bauteile nach Maßgabe der Berechnungen des von der Beklagten beauftragten Statikers vorgenommen worden sei. § 651 BGB finde auf die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung keine Anwendung. Diese Vorschrift sei einschränkend auszulegen, um die rechtliche Einordnung gewerblicher Lieferverträge außerhalb des Endkundenvertriebs weiterhin sachgerecht
  82. -5-
  83. danach vornehmen zu können, wo der Schwerpunkt der vertraglichen Leistungen liege. Sie erfasse den hier in Rede stehenden Umsatz von Investitionsgütern außerhalb des Endkundenvertriebs nicht.
  84. II.
  85. 7
  86. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
  87. 8
  88. Nach § 651 BGB finden auf einen Vertrag, der die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen zum Gegenstand hat, die Vorschriften über den Kauf Anwendung. Soweit es sich dabei um nicht vertretbare
  89. Sachen handelt, ordnet § 651 Satz 3 BGB die Anwendung der §§ 642, 643,
  90. 645, 649, 650 BGB mit der Maßgabe an, dass an die Stelle der Abnahme der
  91. nach §§ 446, 447 BGB maßgebliche Zeitpunkt des Gefahrübergangs tritt.
  92. Werkvertragsrecht tritt insoweit also nur ergänzend neben das Kaufrecht und
  93. nicht verdrängend an dessen Stelle.
  94. 9
  95. Die Voraussetzungen dieser durch das Gesetz zur Modernisierung des
  96. Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) neu gefassten Vorschrift liegen vor. Die Beklagte hat mit der Klägerin einen Vertrag geschlossen,
  97. in dem sie sich zur Lieferung von noch herzustellenden Teilen einer Anlage
  98. verpflichtet hat.
  99. 10
  100. 1. Diese Teile sind entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung
  101. bewegliche Sachen im Sinne des § 651 BGB.
  102. 11
  103. a) Der Senat muss nicht entscheiden, ob der Begriff der beweglichen
  104. Sache im Sinne des § 651 Satz 1 BGB nach sachenrechtlichen Kriterien des
  105. nationalen Rechts zu ermitteln ist. Dagegen werden besonders im Hinblick auf
  106. -6-
  107. die Errichtung von Bauwerken, die als Scheinbestandteile von Grundstücken zu
  108. bewerten sind, Bedenken erhoben. Daher könnte einer Auslegung der Vorzug
  109. zu geben sein, die sich am natürlichen Sprachgebrauch unter Berücksichtigung
  110. tatsächlicher Abgrenzungskriterien orientiert. Für eine sich am natürlichen
  111. Sprachgebrauch orientierende Betrachtung spricht, dass mit § 651 BGB auch
  112. die Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
  113. 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (Verbrauchsgüterkaufrichtlinie) umgesetzt werden
  114. sollte
  115. (Begründung
  116. des
  117. Gesetzentwurfs,
  118. BT-Drucks.
  119. 14/6040,
  120. S. 268).
  121. Verbrauchsgüter im Sinne dieser Richtlinie sind bewegliche körperliche Gegenstände mit Ausnahme von bestimmten, näher bezeichneten Gütern, Art. 1
  122. Abs. 2 lit. b) Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Anhaltspunkte dafür, dass der autonom auszulegende Begriff des beweglichen körperlichen Gegenstandes nach
  123. Kriterien des nationalen deutschen Sachenrechts zu beurteilen ist, sind nicht
  124. ersichtlich (vgl. Messerschmidt/Voit-Messerschmidt/Leidig, § 651 Rdn. 17;
  125. Thode, NZBau 2002, 360, 362; Voit, BauR 2009, 369, 370; Sienz, BauR 2002,
  126. 181, 191; Preussner, BauR 2002, 231, 241; Konopka/Acker, BauR 2004, 251,
  127. 253; Nitschke, BauR 2004, 1340, 1341; Leistner, JA 2007, 81, 82; Metzger; AcP
  128. 204 (2004) 231, 245, 254).
  129. 12
  130. Nach jeder in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeit hatte die Beklagte bewegliche Sachen zu liefern. Die Beklagte schuldete lediglich die Anlieferung der Anlagenteile, so dass sie keine feste Verbindung mit einem Grundstück herzustellen hatte.
  131. 13
  132. b) Der Einordnung als bewegliche Sache im Sinne des § 651 BGB steht
  133. nicht entgegen, dass die Anlagenteile dazu bestimmt waren, zu einer Anlage
  134. zusammengesetzt und dann auf einem Grundstück fest installiert zu werden.
  135. Maßgeblich ist, ob die Sachen im Zeitpunkt der Lieferung beweglich sind
  136. -7-
  137. (Schumann, ZGS 2005, 250, 251 m.w.N.; Rudolph, Die Abgrenzung zwischen
  138. Kauf- und Werkvertragsrecht gemäß § 651, S. 82 ff.).
  139. 14
  140. Verträge, die allein die Lieferung von herzustellenden Bau- oder Anlagenteilen zum Gegenstand haben, sind gemäß § 651 BGB nach Kaufrecht zu
  141. beurteilen (Dauner-Lieb/Langen-Raab, Schuldrecht Teilband 2, § 651 Rdn. 14;
  142. Messerschmidt/Voit-Messerschmidt/Leidig, Privates Baurecht, § 651 Rdn. 28;
  143. Leupertz, BauR 2006, 1648 f.; Voit, BauR 2009, 369, 370). Inwieweit etwas anderes gilt, wenn der Lieferant eine Verpflichtung zum Einbau der Teile in ein
  144. Bauwerk eingegangen ist oder die Teile selbst nach den von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien als Bauwerk zu beurteilen sind, ist hier nicht zu
  145. klären.
  146. 15
  147. Soweit erwogen wird, die Lieferung herzustellender beweglicher Sachen
  148. nicht nach Kauf-, sondern nach Werkvertragsrecht zu beurteilen, wenn sie zum
  149. Einbau in Bauwerke bestimmt sind (Mankowski, MDR 2003, 854, 856;
  150. Schudnagies, NJW 2002, 396, 398; Ulbrich/Ulbrich, Festschrift für Thode,
  151. S. 149, 157), kann dem nicht näher getreten werden. Für eine solche, sich an
  152. der Zweckbestimmung der beweglichen Sache orientierende Einschränkung
  153. ergeben sich weder nach nationalem deutschem Recht noch aus der
  154. Verbrauchsgüterkaufrichtlinie Anhaltspunkte (Rudolph, aaO, S. 82 ff.). Unmaßgeblich ist, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach altem Recht
  155. Verträge über die Lieferung von unvertretbaren Sachen, die erkennbar für ein
  156. Bauwerk bestimmt waren, nach Werkvertragsrecht beurteilt hat (BGH, Urteil
  157. vom 27. März 1980 - VII ZR 44/79, BauR 1980, 355). Denn die Einordnung als
  158. Werkvertrag beruhte auf der Anwendung des nicht mehr maßgeblichen, durch
  159. die Neufassung des § 651 BGB überholten Rechts. Ebenfalls ohne jede Bedeutung ist entgegen der Auffassung der Revision, dass diese Verträge und auch
  160. solche Verträge, bei denen ein Handwerker Werkleistungen an beweglichen
  161. -8-
  162. Sachen erbrachte, die - wie ihm bekannt war - in ein bestimmtes Bauwerk eingebaut werden sollten, als Verträge über Arbeiten „bei Bauwerken“ im Sinne
  163. des § 638 BGB a.F. angesehen wurden (BGH, aaO; Urteil vom 12. Oktober
  164. 1978 - VII ZR 220/77, BGHZ 72, 206, 209; Urteil vom 26. April 1990 - VII ZR
  165. 345/88, BauR 1990, 603, 604 = ZfBR 1990, 222). Es ist zwar richtig, dass dabei
  166. die sachenrechtliche Zuordnung nach altem Recht keine Rolle spielte, sondern
  167. allein auf die Zweckbestimmung der Leistung abgestellt wurde. Das lässt jedoch keinerlei Rückschlüsse auf die Frage zu, unter welchen Voraussetzungen
  168. bewegliche Sachen im Sinne des § 651 BGB anzunehmen sind.
  169. 16
  170. c) Allerdings hat die Anknüpfung an den Begriff der beweglichen Sache
  171. in der Literatur erhebliche Kritik erfahren, soweit sie sich auf Verträge im Zusammenhang mit der Errichtung von Bauwerken auswirkt. Dem Gesetzgeber,
  172. der die Änderung des § 651 BGB auch mit der durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vorgenommenen Angleichung von Werk- und Kaufvertragsrecht begründet hat (BT-Drucks. 14/6040, S. 268), wird vorgeworfen, er
  173. habe nicht sämtliche Aspekte bei der Unterscheidung zwischen Werkvertrag
  174. und Kaufvertrag berücksichtigt (Thode, NZBau 2002, 360, 361 f.; Mankowski,
  175. MDR 2004, 854 ff., Schudnagies, NJW 2002, 396, 398; Ott, MDR 2002, 361,
  176. 363 ff.; Leistner, JA 2007, 81 ff.; Konopka/Acker, BauR 2004, 251 ff.; Sienz,
  177. BauR 2002, 181, 190 f.). Diese Kritik vermag nichts daran zu ändern, dass der
  178. Wille des Gesetzgebers eindeutig dahin geht, diejenigen Werklieferungsverträge, die nach altem Recht noch dem Werkvertragsrecht unterstellt waren, nunmehr als Kaufverträge einzuordnen, was auch mit einer Angleichung an das
  179. UN-Kaufrecht begründet worden ist (BT-Drucks. 14/6040, S. 268). Dieser Wille
  180. ist durch die unmissverständliche Formulierung des Gesetzes ausreichend zum
  181. Ausdruck gekommen. Das Gesetz kann nicht unter Hinweis darauf umgangen
  182. werden, dass die alte Rechtslage vermeintlich zu angemessenen Ergebnissen
  183. geführt hat (so auch Messerschmidt/Voit-Messerschmidt/Leidig, aaO, Rdn. 28).
  184. -9-
  185. Auch ist ohne jede Bedeutung, dass die Verträge über die Lieferung von Bauteilen in der Begründung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts nicht
  186. erwähnt werden (vgl. Mankowski, aaO). Selbst wenn der Gesetzgeber diese
  187. Verträge nicht vor Augen gehabt haben sollte, ändert das nichts an seinem Willen, allein die Beweglichkeit der Sache als neues Abgrenzungskriterium einzuführen. Eine teleologische Reduktion des § 651 BGB, die die Verträge über die
  188. Lieferung herzustellender beweglicher Sachen, die für den Einbau in ein Bauwerk vorgesehen sind, von seinem Geltungsbereich ausnimmt, ist schon deshalb nicht veranlasst, weil das mit der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nicht zu
  189. vereinbaren wäre. Es ist nicht erkennbar und wird auch von keiner Seite geltend
  190. gemacht, dass Verträge über die Lieferung von Bauteilen vom Geltungsbereich
  191. dieser Richtlinie im Hinblick darauf ausgenommen sein sollten, dass die Teile
  192. später in ein Bauwerk eingefügt werden (Rudolph, Die Abgrenzung zwischen
  193. Kauf- und Werkvertragsrecht, S. 68, 84).
  194. 17
  195. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass die von der Literatur angeführten Wertungswidersprüche systematisch in der Regelung des § 651 Satz 1
  196. BGB angelegt sind (Rudolph, aaO). Es mag als Wertungswiderspruch empfunden werden, dass ein Vertrag mit demjenigen, der die Errichtung des Bauwerks
  197. schuldet und dazu die Bauteile herstellt und anliefert, nach Werkvertragsrecht
  198. zu beurteilen ist, während ein Vertrag mit demjenigen, der die Bauteile herstellt
  199. und lediglich anliefert, grundsätzlich nach Kaufrecht zu beurteilen ist. Dieser
  200. vermeintliche Wertungswiderspruch ist jedoch allgemein in § 651 BGB angelegt, weil die Anwendung von Kaufrecht auf im Kern erfolgsbezogene Verträge
  201. angeordnet und vom Gesetzgeber in der Meinung akzeptiert worden ist, Kaufund Werkvertragsrecht unterschieden sich nicht wesentlich. Das mag anders
  202. gesehen werden können, ändert aber nichts an der Entscheidung des Gesetzgebers. Gleiches gilt für die zunächst bestehenden Schwierigkeiten der Vertragsgestaltung, die durch eine vertragstypologische Einordnung entstehen, die
  203. - 10 -
  204. sich von einer auf erfolgsbezogene Verträge passenden Typologie entfernt (vgl.
  205. Schumann, ZGS 2005, 250, 251).
  206. 18
  207. 3. Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, § 651 BGB sei nicht anwendbar, weil die Beklagte wesentliche Planungsleistungen erbracht habe und in
  208. diesem Fall die Vorschrift den hier in Rede stehenden Umsatz von Investitionsgütern außerhalb des Endkundenvertriebs nicht erfasse.
  209. 19
  210. a) Kaufrecht ist auf sämtliche Verträge mit einer Verpflichtung zur Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen anzuwenden
  211. (BT-Drucks. 14/6040, S. 268), also auch auf solche Verträge zwischen Unternehmern. Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts sollte nicht nur
  212. die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie umgesetzt werden. Vielmehr hat der Gesetzgeber einen Mangel der alten Rechtslage beseitigen wollen, den er in der Unterscheidung zwischen der Herstellung und Lieferung von vertretbaren und unvertretbaren Sachen mit einer unübersichtlichen Verweisung auf einzelne Vorschriften des Kauf- und Werkvertragsrechts gesehen hat. Der Gesetzgeber
  213. wollte eine starke Vereinfachung des Rechts über die Werklieferung, die für
  214. sämtliche Verträge der in § 651 BGB bezeichneten Art gelten soll (BT-Drucks.
  215. 14/6040, S. 267 f.).
  216. 20
  217. Dem Gesetz kann keine Beschränkung derart entnommen werden, dass
  218. lediglich Verträge über die Lieferung von typischen Massengütern oder zum
  219. Verbrauch bestimmten Gütern erfasst sein sollten (so aber Erman/Schwenker,
  220. BGB, 12. Aufl., § 651 Rdn. 5). Der Wortlaut des § 651 BGB und die dargestellten Motive geben dafür nichts her. Die Beschränkung lässt sich auch nicht aus
  221. einer autonomen Auslegung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie entnehmen, die
  222. für die Auslegung des Gesetzes bei einer Lieferung an einen Verbraucher zu
  223. berücksichtigen wäre. Die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie findet allerdings nur auf
  224. - 11 -
  225. Verträge Anwendung, die die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender
  226. Verbrauchsgüter an Verbraucher zum Gegenstand haben. Daraus ergibt sich
  227. jedoch ausweislich der Richtlinie keine Einschränkung der dargestellten Art.
  228. Denn Verbrauchsgüter sind gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. b) der Richtlinie bewegliche
  229. körperliche Gegenstände mit Ausnahme der dort benannten Gegenstände. Eine
  230. weitere Einschränkung enthält die Legaldefinition der Richtlinie nicht. Sie ergibt
  231. sich auch nicht aus dem Verfahren zur Richtlinie (vgl. Rudolph, aaO, S. 67).
  232. Insbesondere liegt kein Anhaltspunkt dafür vor, dass die schwierige Abgrenzung von typischen Massengeschäften oder zum Verbrauch bestimmten Gütern
  233. von anderen Gütern in irgendeiner Weise durch die Richtlinie eröffnet sein sollte. Auch nach Sinn und Zweck der Richtlinie ist eine Einschränkung auf typische Massengüter oder zum Verbrauch bestimmte Güter nicht veranlasst. Denn
  234. die Vereinheitlichung des Verbraucherschutzes mit den damit verbundenen
  235. Schutzgarantien der Richtlinie ist bei allen Verbrauchergeschäften geboten.
  236. 21
  237. Von dem Anwendungsbereich des Werkvertragsrechts erfasst bleiben
  238. damit ausweislich der Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts im Wesentlichen die Herstellung von Bauwerken, reine
  239. Reparaturarbeiten und die Herstellung nicht-körperlicher Werke, wie zum Beispiel die Planung von Architekten oder die Erstellung von Gutachten
  240. (BT-Drucks. 14/6040, S. 268).
  241. 22
  242. b) Das alles stellt das Berufungsgericht nicht in Frage. Es meint vielmehr
  243. auf der Grundlage einer in der Literatur vertretenen Meinung zur Einordnung
  244. von Verträgen zwischen Unternehmern über die Lieferung eines herzustellenden typischen Investitionsgutes Werkvertragsrecht anwenden zu müssen. In
  245. der Literatur wird geltend gemacht, § 651 BGB sei nicht anzuwenden, wenn der
  246. Vertrag zwischen Unternehmern über die Lieferung eines herzustellenden typischen Investitionsgutes andere zusätzliche wesentliche Leistungen enthalte, zu
  247. - 12 -
  248. denen etwa Planungs-, Konstruktions-, Integrations- und Anpassungsleistungen
  249. gezählt werden. Dabei sind vor allem Leistungen im Zusammenhang mit der
  250. Lieferung von in den Produktionsprozess einzupassenden Maschinen oder Industrieanlagen oder Projektverträge im Mittelpunkt der Diskussion (vgl.
  251. Leistner, JA 2007, 81, 88; Metzger, AcP 204 (2004), 231, 232 f.; Schumann,
  252. ZGS 2005, 250; Bamberger/Roth/Voit, BGB, 2. Aufl., § 651 Rdn. 12; Lapp in
  253. jurisPK-BGB, 3. Aufl., § 651 Rdn. 1). Seien diese Leistungen für den Gesamterfolg des Vertrages von wesentlicher Bedeutung, bildeten sie den Schwerpunkt
  254. des Vertrages (MünchKomm-Busche, BGB, 5. Aufl., § 651 Rdn. 31) oder gäben
  255. ihm das Gepräge (Palandt/Sprau, BGB, 68. Aufl., § 651 Rdn. 4), so sei Werkvertragsrecht anwendbar. Werkvertragsrecht sei auch dann anwendbar, wenn
  256. ein Prototyp einer Maschine entwickelt werde, weil die dafür erforderliche geistige Leistung den Schwerpunkt des Vertrages bilde, während die Maschine
  257. selbst nur das Substrat dieser Leistung sei (Staudinger/Peters/Jacoby (2008),
  258. § 651 Rdn. 8, 16; Palandt/Sprau, aaO).
  259. 23
  260. b) Der Senat muss nicht entscheiden, ob in den dargestellten Fällen
  261. § 651 BGB nicht anwendbar ist. Denn ein solcher Fall liegt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht vor.
  262. 24
  263. Allerdings geht auch der Senat davon aus, dass die Beklagte im vom Berufungsgericht festgestellten Umfang Planungsleistungen übernommen hat. Die
  264. dagegen gerichteten Verfahrensrügen der Klägerin hat er geprüft, jedoch nicht
  265. für durchgreifend erachtet, § 564 Satz 1 ZPO.
  266. 25
  267. Jedoch sind die Leistungen der Beklagten nicht von solchem Gewicht,
  268. dass die Anwendung des Werkvertragsrechts gerechtfertigt wäre. Das Berufungsgericht verkennt die Bedeutung der Planungsleistung im Anwendungsbereich des § 651 BGB. Danach können solche Planungsleistungen, die als Vor-
  269. - 13 -
  270. stufe zu der im Mittelpunkt des Vertrages stehenden Lieferung herzustellender
  271. Anlagenteile anzusehen sind, der Beurteilung des Vertrages nach den Vorschriften über den Kauf regelmäßig nicht entgegenstehen. Wäre es anders,
  272. würde die Vorschrift des § 651 BGB weitgehend leer laufen, denn jeder Herstellung
  273. geht
  274. eine
  275. gewisse
  276. Planungsleistung
  277. voraus
  278. (Messerschmidt/Voit-
  279. Messerschmidt/Leidig, aaO, § 651 Rdn. 49; Motzke, in Bauträger-, Bau- und
  280. Maklervertrag in der Praxis der Wohnungsunternehmen und Immobilienverwaltungen, S. 22). Eine Ausnahme kann deshalb allenfalls dann gelten, wenn die
  281. Planungsleistung so dominiert, dass sie den Schwerpunkt des Vertrages bildet
  282. und deshalb die Anwendung des Werkvertragsrechts erfordert. Das kann z.B.
  283. dann der Fall sein, wenn es bei der Beauftragung im Wesentlichen um die allgemein planerische Lösung eines konstruktiven Problems geht.
  284. 26
  285. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die von der Beklagten zu liefernde prüffähige Statik sollte als Grundlage für die von dem Kunden der Klägerin auszuführenden Erd- und Betonarbeiten dienen. Für die Beklagte war sie
  286. dazu bestimmt, ausreichend dimensionierte Bauteile aus ihrem Sortiment für
  287. die von der Klägerin an deren Abnehmer zu liefernde Siloanlage zusammenzustellen. Schwerpunkt des Vertrags war damit nicht eine allgemein planerisch
  288. und konstruktiv zu ermittelnde Problemlösung für die Lagerung von Graspellets,
  289. sondern die Lieferung ausreichend dimensionierter Bauteile zur Erstellung einer
  290. den Anforderungen der Klägerin entsprechenden Siloanlage. Dies ergibt sich
  291. mittelbar - und nicht ausschlaggebend - auch aus der von den Parteien getroffenen Preisvereinbarung. Danach wurden für die prüffähige Statik nur 1.500 €
  292. netto berechnet, für die zu liefernden Bauteile dagegen 166.500 € zuzüglich
  293. Mehrwertsteuer.
  294. - 14 -
  295. III.
  296. 27
  297. Das Berufungsurteil war daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird nunmehr zu prüfen haben, ob die
  298. Klägerin ihrer Untersuchungs- und Rügepflicht gemäß § 381 Abs. 2, § 377 HGB
  299. rechtzeitig nachgekommen ist.
  300. Kniffka
  301. Kuffer
  302. Safari Chabestari
  303. Bauner
  304. Eick
  305. Vorinstanzen:
  306. LG Weiden i.d. OPf., Entscheidung vom 19.11.2007 - HKO 21/07 OLG Nürnberg, Entscheidung vom 17.06.2008 - 1 U 148/08 -