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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. VI ZR 307/04
  4. vom
  5. 20. Dezember 2005
  6. in dem Rechtsstreit
  7. -2-
  8. Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Dezember 2005 durch die
  9. Vizepräsidentin Dr. Müller und die Richter Dr. Greiner, Wellner, Pauge und
  10. Stöhr
  11. beschlossen:
  12. Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen
  13. die Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gewährt.
  14. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird das Urteil
  15. des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 8. November
  16. 2004 aufgehoben.
  17. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  18. über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde,
  19. an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  20. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 305.000 €
  21. festgesetzt.
  22. Gründe:
  23. I.
  24. 1
  25. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 544 ZPO; § 26 Nr. 8 EGZPO). Dem Kläger ist
  26. -3-
  27. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur
  28. Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zu gewähren, weil er nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe die Wiedereinsetzung innerhalb der zweiwöchigen Frist beantragt und zugleich die Nichtzulassungsbeschwerde begründet hat
  29. (§§ 233, 234 ZPO).
  30. II.
  31. 2
  32. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Kläger rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht sein Verfahrensgrundrecht auf
  33. rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat. Deshalb verweist der Senat
  34. den Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils gemäß § 544
  35. Abs. 7 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
  36. zurück.
  37. 3
  38. Nach §§ 285 Abs. 1, 279 Abs. 3 ZPO ist über das Ergebnis der Beweisaufnahme zu verhandeln und der Sach- und Streitstand erneut mit den Parteien
  39. zu erörtern. Findet sich im Protokoll kein Hinweis darauf, dass die Parteien zum
  40. Beweisergebnis verhandelt haben, steht ein Verstoß gegen §§ 285 Abs. 1, 279
  41. Abs. 3 ZPO fest (§§ 165, 160 Abs. 2 ZPO). Dies ist - schon im Hinblick auf die
  42. damit regelmäßig verbundene Verletzung des rechtlichen Gehörs - grundsätzlich als Verfahrensfehler anzusehen (vgl. BGH, Urteile vom 24. Januar 2001
  43. - IV ZR 264/99 - MDR 2001, 830; vom 26. April 1989 - I ZR 220/87 - NJW 1990,
  44. 121, 122). Ein solcher Verstoß liegt hier vor. Im Protokoll über die mündliche
  45. Verhandlung vom 25. Oktober 2004 findet sich kein Hinweis darauf, dass die
  46. Parteien nach Anhörung des Gerichtssachverständigen zum Beweisergebnis
  47. verhandelt haben.
  48. -4-
  49. Dieser Verfahrensfehler stellt zugleich eine Verletzung des Verfahrens-
  50. 4
  51. grundrechts auf rechtliches Gehör dar, weil nicht auszuschließen ist, dass die
  52. Entscheidung des Berufungsgerichts auf ihm beruht. Eine Stellungnahme des
  53. Beschwerdeführers zum Beweisergebnis hätte nämlich zu einer für ihn günstigeren Entscheidung führen können (vgl. BVerfG NJW 1994, 1210). Der Beschwerdeführer hat mit der Nichtzulassungsbeschwerde und in den nicht nachgelassenen Schriftsätzen vom 29. Oktober 2004 und vom 5. November 2004
  54. Umstände vorgetragen, die die Ausführungen des Gerichtssachverständigen,
  55. auf die sich das Berufungsgericht gestützt hat, in Frage stellen, soweit dieses
  56. die hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen Befund verneint hat, der am
  57. 23. März 1995 bereits in der Zeit vor 10.20 Uhr ein sofortiges Handeln erforderlich gemacht hätte. Wenn dem Kläger Gelegenheit zu einer Stellungnahme zum
  58. Beweisergebnis gegeben worden wäre und er diese Gesichtspunkte vorgetragen hätte, hätte sich das Berufungsgericht damit auseinandersetzen und die
  59. Beweisaufnahme ergänzen müssen. Es ist nicht auszuschließen, dass es in
  60. diesem Fall unter Berücksichtigung der hierfür geltenden Kriterien (vgl. Senatsurteile vom 28. Mai 2002 - VI ZR 42/01 - VersR 2002, 1026, 1027 f.; vom 3. Juli
  61. 2001
  62. - VI ZR 418/99 -
  63. - VI ZR 286/00 -
  64. VersR
  65. VersR
  66. 2001,
  67. 2001,
  68. 1115,
  69. 1116,
  70. 1116
  71. 1117;
  72. vom
  73. 19. Juni
  74. 2001
  75. und
  76. vom
  77. 29. Mai
  78. 2001
  79. - VI ZR 120/00 - VersR 2001, 1030, jeweils m.w.N.) einen etwaigen Behandlungsfehler als grob fehlerhaft bewertet hätte und damit zu einer Beweislastumkehr hinsichtlich der Ursächlichkeit des Fehlers für die Behinderung des Klägers
  80. gekommen wäre.
  81. -5-
  82. Das Berufungsgericht wird nach einer Zurückverweisung Gelegenheit
  83. 5
  84. haben, auch die im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde vorgebrachten Einwände des Klägers zu berücksichtigen und in seine Entscheidung
  85. einzubeziehen.
  86. Müller
  87. Greiner
  88. Pauge
  89. Wellner
  90. Stöhr
  91. Vorinstanzen:
  92. LG Hildesheim, Entscheidung vom 28.05.2004 - 4 O 31/02 OLG Celle, Entscheidung vom 08.11.2004 - 1 U 51/04 -