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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. V ZR 70/07
  5. Verkündet am:
  6. 18. Juli 2008
  7. L e s n i a k,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB §§ 675, 433
  19. Die nach Vertragsschluss einsetzende defizitäre Entwicklung eines Mietpools lässt
  20. allein nicht den Schluss auf einen Beratungsfehler des Verkäufers zu.
  21. BGH, Urt. v. 18. Juli 2008 - V ZR 70/07 - OLG Celle
  22. LG Verden
  23. -2-
  24. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
  25. vom 18. Juli 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter
  26. Dr. Klein, die Richterin Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth
  27. für Recht erkannt:
  28. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des
  29. 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 29. März
  30. 2007 aufgehoben.
  31. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung,
  32. auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  33. Von Rechts wegen
  34. Tatbestand:
  35. 1
  36. Die Beklagte zu 1 (nachfolgend: Beklagte), deren persönlich haftender
  37. Gesellschafter der Beklagte zu 2 ist, kauft Altwohnbestände auf, nimmt an ihnen Renovierungsmaßnahmen vor und veräußert sie nach Aufteilung in Wohnungseigentum weiter. Ende 1998 erwarb sie eine Wohnanlage in E.
  38. und teilte diese im April 1999 in 78 Wohnungen auf.
  39. 2
  40. Mit notariellem Vertrag vom 19. Juli 1999 kauften die Klägerin und ihr
  41. Ehemann, der Drittwiderbeklagte, eine Wohnung dieser Anlage von der Beklagten. Ferner traten sie einer von einer Schwesterfirma der Beklagten verwalteten
  42. Mieteinnahmegemeinschaft (Mietpool) bei. Den Vertragsschlüssen vorange-
  43. -3-
  44. gangen waren Beratungsgespräche, in denen Beauftragte der Beklagten einen
  45. Vorschlag zur Finanzierung des Kaufpreises gemacht und auf dieser Grundlage
  46. in einer sog. Musterrentabilitätsberechnung den monatlichen Eigenaufwand der
  47. Klägerin und ihres Ehemanns errechnet hatten. Als ihnen monatlich zufließende
  48. Mieteinnahmen waren dabei 495 DM (7,50 DM/qm) abzüglich 50 DM Verwaltungskosten angesetzt worden.
  49. 3
  50. In den Jahren 1999 bis 2003 kam es zu Unterdeckungen des Mietpools.
  51. Das Minus des Jahres 1999 in Höhe von 21.783,05 DM wurde von der Beklagten ausgeglichen. Im folgenden Jahr belief sich die Unterdeckung auf 48.021,93
  52. DM. Trotz Nachzahlungen der am Mietpool beteiligten Eigentümer und Verringerung der Mietausschüttungen um 1 DM/qm kam es im Jahr 2001 zu einer
  53. Unterdeckung von 196.999,58 DM. In den Jahren 2002 und 2003 war der Mietpool - nach erneuter Absenkung der Ausschüttungen und weiteren Nachzahlungen - mit 45.013,36 € bzw. 54.113,88 € im Minus.
  54. 4
  55. Die Klägerin, die sich in mehrfacher Hinsicht falsch beraten fühlt, verlangt
  56. aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Ehemanns die Rückabwicklung
  57. des Kaufvertrages sowie die Feststellung, dass die Beklagten zum Ersatz auch
  58. des weiteren Schadens verpflichtet sind. Die Beklagten erstreben mit einer gegen den Ehemann der Klägerin erhobenen Drittwiderspruchsklage die Feststellung, dass diesem keine Schadensersatzansprüche aus dem Kaufvertrag vom
  59. 19. Juli 1999 zustehen.
  60. 5
  61. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Drittwiderklage abgewiesen. Die Berufung der Beklagten zu 1 und 2 ist im Wesentlichen erfolglos
  62. geblieben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgen sie ihre Anträge weiter. Die Klägerin und der Drittwiderbeklagte beantragen die Zurückweisung der Revision.
  63. -4-
  64. Entscheidungsgründe:
  65. I.
  66. Das Oberlandesgericht meint, die Beklagte habe ihre Pflichten aus dem
  67. 6
  68. mit der Klägerin und deren Ehemann zustande gekommenen Beratungsvertrag
  69. verletzt, weil sie ein unzutreffendes, zu positives Bild der Ertragserwartung der
  70. Immobilie gegeben habe. Dies folge daraus, dass sich der Mietpool von Anfang
  71. an im Minus befunden habe. Wenn bereits im ersten Jahr eine Unterdeckung
  72. des Mietpools eintrete, die sich in den Folgejahren fortsetze und sogar verschärfe, müsse daraus geschlossen werden, dass es sich hierbei objektiv um
  73. eine bei Vertragsschluss absehbare Entwicklung gehandelt habe. Zudem belege der im Kaufvertrag nicht vereinbarte Ausgleich des Mietpoolsdefizits für das
  74. Jahr 1999, dass sich die Beklagte der Fehlerhaftigkeit ihrer Kalkulation bewusst
  75. gewesen sei. Soweit sie eine durch die gesamtwirtschaftliche Situation bedingte
  76. drastische Veränderung des Mietmarktes für die Entwicklung des Mietpools
  77. verantwortlich mache, sei nicht ersichtlich, warum diese für sie bei Vertragsschluss nicht vorhersehbar gewesen sei. Die Drittwiderklage sei bereits unzulässig.
  78. II.
  79. 7
  80. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
  81. 8
  82. 1. a) Zutreffend legt das Berufungsgericht allerdings die ständige Rechtsprechung des Senats zugrunde, wonach zwischen Verkäufer und Käufer ein
  83. Beratungsvertrag zustande kommen kann, wenn der Verkäufer im Zuge eingehender Vertragsverhandlungen dem Käufer einen ausdrücklichen Rat erteilt;
  84. -5-
  85. dies gilt insbesondere, wenn der Verkäufer dem Käufer Berechnungsbeispiele
  86. über Kosten und finanzielle Vorteile des Erwerbs vorlegt, die diesen zum Vertragsabschluss bewegen sollen (Senat, BGHZ 156, 371, 374; 140, 111, 115;
  87. Urt. v. 6. April 2001, V ZR 402/99, NJW 2001, 2021; Urt. v. 14. März 2003,
  88. V ZR 308/02, NJW 2003, 1811, 1812; Urt. v. 8. Oktober 2004, V ZR 18/04, NJW
  89. 2005, 820, 821 f.; Urt. v. 15. Oktober 2004, V ZR 223/03, NJW 2005, 983; Urt.
  90. v. 14. Januar 2005, V ZR 260/03, WuM 2005, 205; Urt. v. 13. Oktober 2006,
  91. V ZR 66/06, WM 2007, 174, 175 f.; Urt. v. 10. November 2006, V ZR 73/06, juris).
  92. 9
  93. b) Richtig ist ferner, dass der Verkäufer seine aus dem Beratungsvertrag
  94. folgenden Pflichten verletzt, wenn er ein in tatsächlicher Hinsicht unzutreffendes, zu positives Bild des Wertsteigerungspotentials (Senat, Urt. v. 15. Oktober
  95. 2004, V ZR 223/03, aaO) oder der Ertragserwartung der Immobile (Senat, Urt.
  96. v. 10. November 2006, V ZR 66/06, aaO, S. 176) gibt. Letzteres ist bei unrichtigen Angaben über die erzielbare Miete sowie dann gegeben, wenn das in dem
  97. vorgesehenen Beitritt zu einem Mietpool liegende Risiko, auch die anteiligen
  98. Lasten der Unvermietbarkeit anderer Wohnungen zu tragen, bei der Berechnung des Eigenaufwands nicht angesprochen und nicht in Form von Abschlägen bei den Einnahmen oder von Zuschlägen bei den monatlichen Belastungen
  99. angemessen berücksichtigt wird (Senat, Urt. v. 13. Oktober 2006, V ZR 66/06,
  100. aaO, S. 176 f.; Urt. v. 10. November 2006, V ZR 73/06, aaO).
  101. 10
  102. c) Rechtsfehlerhaft ist aber die Annahme des Berufungsgerichts, eine im
  103. ersten Jahr eintretende und sich in den Folgejahren fortsetzende Unterdeckung
  104. des Mietpools lasse den Schluss zu, dass der Verkäufer die den Käufern in
  105. Aussicht gestellten Mieteinnahmen fehlerhaft kalkuliert habe.
  106. -6-
  107. aa) Ein Beratungsfehler ist nicht schon dann gegeben, wenn sich die
  108. 11
  109. Kalkulation des Verkäufers in der Rückschau, also bei einer ex-postBetrachtung, als unzureichend erweist. Denn der Verkäufer übernimmt in aller
  110. Regel keine Garantie für eine bestimmte Ertragserwartung der Immobilie (vgl.
  111. Senat, Urt. v. 18. Juli 2008, V ZR 71/07, zur Veröffentlichung bestimmt). Er haftet nicht allein deshalb, weil der Eigenaufwand des Käufers höher als von ihm
  112. angegeben oder von diesem erwartet ist (vgl. Senat, Urt. v. 30. März 2007,
  113. V ZR 89/06, BB 2007, 1077; Urt. v. 20. Juli 2007, V ZR 227/06, NJW-RR 2007,
  114. 1660).
  115. 12
  116. Die Annahme eines Beratungsfehlers setzt vielmehr die Feststellung
  117. voraus, dass die Kalkulation nach den im Zeitpunkt des Vertragsschlusses gegebenen Verhältnissen fehlerhaft war. Der Verkäufer muss allerdings sich abzeichnende ungünstige Entwicklungen für den Reinmietertrag - wie absehbare
  118. Instandhaltungskosten oder konkret drohende Leerstände - durch Risikozuschläge berücksichtigen (vgl. Senat, BGHZ 156, 371, 376). Maßgeblich ist, ob
  119. die Information des Käufers zu dem künftigen Mietertrag nach den bei der Beratung bekannten Umständen fachlich vertretbar war (vgl. Czub, ZfIR 2007, 41,
  120. 47 f.). Feststellungen dazu, dass die Kalkulation der Beklagten in diesem Sinne
  121. fehlerhaft war, enthält das angefochtene Urteil nicht.
  122. 13
  123. bb) Das Berufungsgericht stützt sich zwar auch darauf, dass die Ursachen für die negative Entwicklung des Mietpools - ein Überangebot an Mietwohnungen, hohe Arbeitslosigkeit der Mieter und darauf beruhende schlechte
  124. Zahlungsmoral sowie die Entwicklung des Stadtteils B.
  125. zu einem sozia-
  126. len Brennpunkt - im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits erkennbar gewesen seien. Belastbare Feststellungen dazu hat es indessen nicht getroffen.
  127. -7-
  128. 14
  129. Mit dem Verweis darauf, dass der Beklagten aufgrund ihrer Standortanalyse und ihres mehrere Monate dauernden Alleineigentums sämtliche für eine
  130. werthaltige Kalkulation des Mietpools erheblichen Daten bekannt gewesen seien, legt das Berufungsgericht erneut eine unzulässige ex-post-Betrachtung
  131. zugrunde. Es stellt nämlich nicht fest, welche Einschätzung die (unbekannten)
  132. Daten und Analysen bei der gebotenen ex-ante-Betrachtung in Bezug auf die
  133. Mieteinnahmen nahelegten, sondern begnügt sich mit dem Befund, dass sie
  134. sich jedenfalls im Nachhinein als unrichtig erwiesen haben. Dass die Beklagte
  135. im Jahr 2007, also rückblickend, geäußert hat, infolge einer wirtschaftlichen
  136. Depression in Deutschland habe bereits Ende der 90er Jahre eine Veränderung
  137. des Mietmarktes bis hin zu einer völligen Umkehrung der Verhältnisse eingesetzt, lässt ebenfalls nicht den Schluss zu, dass dies 1999 von ihr schon als
  138. längerfristige Entwicklung erkannt worden ist oder bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennbar war. Entsprechendes gilt für die Entwicklung des Stadtteils B.
  139. . Die Straße, in der die streitgegenständliche Wohnanlage liegt,
  140. wurde erst nach Vertragsschluss in das Programm „Soziale Stadt“ aufgenommen; die Fallstudie, auf die sich das Berufungsgericht beruft, stammt aus dem
  141. Jahr 2003. Zwar ist die Annahme nicht fernliegend, dass die negative Entwicklung des Stadtteils schon Mitte 1999 erkennbar war. Dass es sich tatsächlich so
  142. verhält, ist indessen nicht festgestellt. Schließlich folgt aus dem Ausgleich des
  143. Mietpooldefizits des ersten Jahres kein Eingeständnis der Beklagten, die erzielbare Miete von vornherein falsch kalkuliert zu haben. Die Zahlung kann in dem
  144. Bemühen erfolgt sein, einer als vorübergehend eingeschätzten und im Juli 1999
  145. noch nicht absehbaren Entwicklung entgegenzuwirken.
  146. 15
  147. Zudem hätte das Berufungsgericht jedenfalls dem Vortrag der - insoweit
  148. allerdings nicht darlegungs- und beweispflichtigen - Beklagten nachgehen müssen, sie habe die Mieteinnahmen nach den im Zeitpunkt des Vertragsschlusses
  149. gegebenen Verhältnissen und absehbaren Entwicklungen ordnungsgemäß kal-
  150. -8-
  151. kuliert. Denn der Vorwurf der fehlerhaften Kalkulation wäre unberechtigt, wenn
  152. im Juli 1999 - wie das im Mai 1999 im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens für eine vergleichbare Wohnung erstellte Sachverständigengutachten nahelegt – längerfristig mit Mieteinnahmen von 9,09 DM/qm gerechnet werden konnte, sofern diese Einnahmen unter Berücksichtigung der notwendigen
  153. Instandhaltungsrückstellungen und Zuschläge für das Mietausfall- und Leerstandsrisiko (vgl. hierzu Senat, Urt. v. 20. Juli 2007, V ZR 227/06, NJW-RR
  154. 2007, 1660, 1661; Urt. v. 30. November 2007, V ZR 284/06, NJW 2008, 649)
  155. genügt hätten, um den in die Berechnung des Eigenaufwands des Klägers eingestellten Reinertrag von 7,50 DM/qm zu erzielen.
  156. 16
  157. 2. Rechtsfehlerhaft ist ferner die Annahme des Berufungsgerichts, die
  158. gegen den Ehemann der Klägerin gerichtete Drittwiderklage sei unzulässig. Die
  159. Beklagte hat trotz der Abtretung der Ansprüche aus dem Kaufvertrag an die
  160. Klägerin und unbeschadet des Umstands, dass sich der Drittwiderbeklagte keiner eigenen Ansprüche mehr berühmt, ein Interesse an der beantragten Feststellung. Zur Begründung wird auf das Senatsurteil vom 13. Juni 2008 (V ZR
  161. 114/07 – zur Veröffentlichung bestimmt) verwiesen.
  162. III.
  163. 17
  164. Das angefochtene Urteil kann daher insgesamt keinen Bestand haben
  165. (§ 562 Abs. 1 ZPO).
  166. 18
  167. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif. Zwar legen die von dem
  168. Berufungsgericht – allerdings unter einem anderen Gesichtspunkt – angeführten Zahlen, wonach die Beklagte mit einer Grundmiete von 9,09 DM kalkuliert
  169. hat, von der eine Instandhaltungsrücklage für das Gemeinschaftseigentum von
  170. 0,60 DM/qm und für das Sondereigentum von 0,99 DM/qm zu bilden waren,
  171. -9-
  172. nahe, dass ein Leerstandsrisiko nicht berücksichtigt worden ist. Da das Berufungsgericht seine Entscheidung hierauf jedoch nicht gestützt hat und die Beklagte behauptet, ein möglicher Leerstand sei von ihrer Kalkulation abgedeckt
  173. gewesen, sieht sich der Senat nicht in der Lage, insoweit abschließend zu entscheiden. Im Übrigen ist die Klage auf (weitere) Beratungsfehler gestützt worden, zu denen das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus konsequent bislang keine Feststellungen getroffen hat.
  174. Krüger
  175. Stresemann
  176. RiBGH Dr. Klein ist
  177. infolge Urlaubs an der
  178. Unterschrift gehindert.
  179. Karlsruhe, den 22. Juli 2008
  180. Der Vorsitzende
  181. Krüger
  182. Czub
  183. Roth
  184. Vorinstanzen:
  185. LG Verden, Entscheidung vom 24.05.2006 - 8 O 154/05 OLG Celle, Entscheidung vom 29.03.2007 - 8 U 143/06 -