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25 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. V ZR 133/08
  5. Verkündet am:
  6. 16. Januar 2009
  7. Weschenfelder
  8. Justizhauptsekretärin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. ja
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB § 280 Abs. 1 Satz 1, § 241 Abs. 2
  19. a) Eine Vertragspartei, die von der anderen Vertragspartei etwas verlangt, das nach
  20. dem Vertrag nicht geschuldet ist, oder ein Gestaltungsrecht ausübt, das nicht besteht, verletzt ihre Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB und handelt
  21. im Sinne von § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB pflichtwidrig.
  22. b) Im Sinne von § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB zu vertreten hat die Vertragspartei diese
  23. Pflichtwidrigkeit aber nicht schon dann, wenn sie nicht erkennt, dass ihre Rechtsposition in der Sache nicht berechtigt ist, sondern erst, wenn sie diese Rechtsposition auch nicht als plausibel ansehen durfte.
  24. BGH, Urteil vom 16. Januar 2009 - V ZR 133/08 - OLG Köln
  25. LG Köln
  26. -2-
  27. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  28. vom 16. Januar 2009 durch den Vorsitzender Richter Prof. Dr. Krüger und die
  29. Richter Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth
  30. für Recht erkannt:
  31. Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 26. Mai 2008 wird auf Kosten der Beklagten
  32. und Widerklägerin zurückgewiesen.
  33. Von Rechts wegen
  34. Tatbestand:
  35. 1
  36. Die beklagte Bauträgerin kaufte mit notariellem Kaufvertrag vom 8. September 2005 von dem Kläger ein mit einem abzubrechenden Gebäude bebautes Grundstück für 351.000 €. Das Grundstück sollte parzelliert und nach Bebauung mit sechs Einfamilienhäusern weiterverkauft werden. Die Beklagte sollte nach Vertragsschluss eine Bauvoranfrage einreichen. Weiter heißt es in dem
  37. Vertrag:
  38. "Sobald die Baugenehmigung zur Errichtung der Häuser nebst der
  39. Genehmigung zur Teilung des Grundbesitzes insgesamt in die
  40. entsprechende Zahl Baugrundstücke erteilt sind, ist der Kaufvertrag wirksam und die Vertragsbeteiligten zur Erbringung der ihnen
  41. obliegenden Leistung verpflichtet."
  42. -3-
  43. 2
  44. Der Vollzug des Vertrags stockte, weil ein Nachbar gegen den der Beklagten erteilten Bauvorbescheid Widerspruch einlegte. Außerdem machte, was
  45. dem Kläger zunächst unbekannt blieb, die zuständige Behörde mit einem
  46. Schreiben vom 13. Februar 2006 die Erteilung der für die vorgesehene Teilung
  47. des Grundstücks erforderlichen Genehmigung von dem vorherigen Abbruch der
  48. vorhandenen Bebauung auf dem Grundstück abhängig. Mit Rücksicht auf den
  49. Nachbarwiderspruch vereinbarten die Parteien am 20. Februar 2006 in einem
  50. notariell beurkundeten Ergänzungsvertrag eine Stundung des Kaufpreises bis
  51. zur Erteilung der Baugenehmigung und weiter "ohne Anerkennung einer
  52. Rechtspflicht seitens des Käufers", dass "der aus abzuschließenden Weiterverkäufen zu zahlende Kaufpreis in voller Höhe vorzeitig an den Verkäufer zu zahlen ist". Zu diesem Zeitpunkt war die Baugenehmigung noch nicht beantragt.
  53. 3
  54. Nach einem Schriftwechsel der Parteien wegen der Zahlung des Kaufpreises ließ der Kläger die Beklagte mit anwaltlichen Schreiben vom 21. Juli
  55. 2006 und vom 3. August 2006 auffordern, den Kaufpreis bis zum 16. August
  56. 2006 zu zahlen. Dem leistete die Beklagte mit der Begründung nicht Folge, die
  57. Baugenehmigung sei wegen des schwebenden Widerspruchsverfahrens und
  58. der fehlenden Teilungsgenehmigung noch nicht erteilt worden. Die Erteilung der
  59. Teilungsgenehmigung setze den vorherigen Abriss der Gebäude voraus.
  60. 4
  61. Mit Schreiben vom 23. August 2006 teilte die Bauaufsichtsbehörde dem
  62. Kläger auf dessen Anfrage hin mit, dass ein Bauantrag noch nicht gestellt worden sei. Die Beklagte ließ ihm mit einem Schreiben vom 5. September 2006
  63. mitteilen, die Bauanträge seien selbstverständlich eingereicht. Daraufhin erklärte der Kläger mit Schreiben vom 12. September 2006 unter Hinweis auf treuwidriges Verhalten der Beklagten den Rücktritt vom Grundstückskaufvertrag.
  64. -4-
  65. 5
  66. Gegen die auf Rückabwicklung des - inzwischen vollzogenen - Kaufvertrags und auf Löschung eines Grundpfandrechts zugunsten eines Gläubigers
  67. der Beklagten gerichtete, rechtskräftig abgewiesene Klage hat die Beklagte Widerklage erhoben und von dem Kläger Ersatz der Kosten für ihre Verteidigung
  68. gegen sein Zahlungsverlangen in Höhe von 3.301,20 € und gegen seinen Rücktritt in Höhe von 1.660,60 € verlangt. Das Landgericht hat die Widerklage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die von dem Oberlandesgericht zugelassene Revision
  69. der Beklagten, mit welcher diese ihre Ansprüche weiterverfolgt. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
  70. Entscheidungsgründe:
  71. I.
  72. 6
  73. Das Berufungsgericht hält die Widerklage für unbegründet. Ein allein in
  74. Betracht kommender Anspruch aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB scheitere an einer
  75. Pflichtverletzung des Klägers. Zwar seien sowohl die Zahlungsaufforderung des
  76. Klägers als auch sein Rücktritt in der Sache nicht gerechtfertigt gewesen, weil
  77. der Kaufpreis weder zum ersten noch zum zweiten Zeitpunkt fällig gewesen sei.
  78. Das begründe aber allein eine Pflichtverletzung nicht. Zwar habe der Bundesgerichtshof anerkannt, dass die unberechtigte Geltendmachung gewerblicher
  79. Schutzrechte Schadensersatzansprüche auslösen könne. Das lasse sich aber
  80. nicht verallgemeinern. Die Geltendmachung unberechtigter Ansprüche löse in
  81. anderen Fällen ohne Hinzutreten besonderer Umstände keine Schadensersatzverpflichtung aus. Wäre es anders, würde die Geltendmachung von Ansprüchen mit einem hohen Haftungsrisiko belastet und damit unzumutbar erschwert.
  82. Dieser Wertung stehe auch das Urteil des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichts-
  83. -5-
  84. hofs vom 23. Januar 2008 (VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147) nicht entgegen.
  85. Darin habe der Bundesgerichtshof zwar entschieden, dass eine unberechtigte
  86. Aufforderung zur Beseitigung von Mängeln eine Schadensersatzhaftung auslösen könne. Er habe aber offen gelassen, ob das auch in anderen Fallgestaltungen gelte. Hier sei der Kläger nicht gehalten gewesen, von seinem Zahlungsverlangen Abstand zu nehmen. Nach den ihm bekannten Umständen habe er
  87. annehmen dürfen, die Beklagte vereitele die Erteilung der Baugenehmigung. Im
  88. Ergebnis genauso liege es bei dem unberechtigten Rücktritt. Eine unberechtigte
  89. Kündigung werde zwar als Pflichtverletzung angesehen. Diese Rechtsprechung
  90. sei aber für Mietverhältnisse entwickelt worden, bei denen eine unberechtigte
  91. Kündigung häufig ein existentielles Problem darstelle. Sie lasse sich nicht verallgemeinern. In anderen Fällen löse auch der unberechtigte Rücktritt nur bei
  92. Hinzutreten besonderer Umstände eine Schadensersatzhaftung aus. Daran
  93. fehle es hier.
  94. II.
  95. Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung im Ergebnis
  96. 7
  97. stand.
  98. 8
  99. 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass sich ein Anspruch der Beklagten auf Ersatz ihrer vorprozessualen Rechtsverteidigungskosten nur aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Verletzung
  100. vertraglicher Pflichten ergeben kann. Die Geltendmachung unberechtigter Ansprüche und nicht bestehender Rechte kann zwar unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten zu einem Ersatzanspruch führen (dazu BGH, Urt. v.
  101. 12. Dezember 2006, VI ZR 224/05, NJW 2007, 1458). Liegt sie aber - wie hier darin, dass der eine Partner eines (gegenseitigen) Vertrags aus diesem Vertrag
  102. Ansprüche gegen den anderen Partner und Gestaltungsrechte ableitet, die ihm
  103. -6-
  104. nach dem Vertrag nicht zustehen, kommt allein ein Anspruch aus der Verletzung vertraglicher Pflichten in Betracht.
  105. 9
  106. 2. Zu Unrecht verneint das Berufungsgericht schon die für eine Haftung
  107. des Klägers nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderliche Pflichtverletzung. Diese liegt vor.
  108. 10
  109. a) Zutreffend geht es allerdings davon aus, dass der Kläger von der Beklagten weder am 21. Juli 2006 noch am 3. August 2006 Zahlung des Kaufpreises verlangen konnte. Er war deshalb auch zu dem am 12. September 2006
  110. erklärten Rücktritt von dem Kaufvertrag nicht berechtigt. Das lässt sich zwar nur
  111. hinsichtlich des Rücktritts schon aus der rechtskräftigen Abweisung der (auf
  112. Zustimmung zur Aufhebung des Kaufvertrags und Löschung eines von der Beklagten bestellten Grundpfandrechts gerichteten) Klage ableiten, folgt aber auch
  113. im Übrigen daraus, dass die Klage zu Recht abgewiesen worden ist. Der Kaufpreis war nicht fällig, weil die Baugenehmigung noch nicht erteilt und ihre Erteilung von der Beklagten nicht treuwidrig hintertrieben worden war. Das wird von
  114. den Parteien nicht angegriffen.
  115. 11
  116. b) Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht aber in seiner weiteren Überlegung, es fehle dennoch schon an einer Pflichtverletzung, weil der
  117. Kläger Grund zu der Annahme gehabt habe, ihm stehe der Kaufpreis zu und er
  118. dürfe wegen des Ausbleibens der Zahlung zurücktreten. Beides ändert an der
  119. Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens nichts.
  120. 12
  121. aa) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist, das ist dem Berufungsgericht zuzugeben, anerkannt, dass allein in der Erhebung einer Klage
  122. oder in der sonstigen Inanspruchnahme eines staatlichen, gesetzlich geregelten
  123. Rechtspflegeverfahrens zur Durchsetzung vermeintlicher Rechte weder eine
  124. unerlaubte Handlung im Sinne der §§ 823 ff. BGB (BGHZ 36, 18, 20 f.; 74, 9, 15
  125. -7-
  126. f.; 95, 10, 18 ff.; 118, 201, 206; 148, 175, 181 f.; 154, 269, 271 ff.; 164, 1, 6;
  127. BGH, Urt. v. 23. Januar 2008, VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147, 1148) noch
  128. eine zum Schadensersatz verpflichtende Vertragsverletzung gesehen werden
  129. kann (Senat, BGHZ 20, 169, 172; BGH, Urt. v. 20. März 1979, VI ZR 30/77,
  130. NJW 1980, 189, 190, insoweit in BGHZ 75, 1 nicht abgedruckt; Urt. v. 4. November 1987, IVb ZR 83/86, NJW 1988, 2032, 2033; Senat, Urt. v. 12. November 2004, V ZR 322/03, NJW-RR 2005, 315, 316; BGH, Urt. v. 23. Januar 2008,
  131. aaO; vgl. auch Zeiss, NJW 1967, 703, 706 f., a.A. Becker-Eberhard, Grundlagen der Kostenerstattung, 1985, S. 99 ff.; Haertlein, Exekutionsintervention und
  132. Haftung, 2008, S. 352 ff.; Kaiser NJW 2008, 1709, 1710 f.). Für die Folgen einer
  133. nur fahrlässigen Fehleinschätzung der Rechtslage haftet der ein solches Verfahren Betreibende außerhalb der im Verfahrensrecht vorgesehenen Sanktionen grundsätzlich nicht, weil der Schutz des Prozessgegners regelmäßig durch
  134. das gerichtliche Verfahren nach Maßgabe der gesetzlichen Ausgestaltung gewährleistet wird (BGH, Urt. v. 23. Januar 2008, VIII ZR 246/06, NJW 2008,
  135. 1147, 1148). Ein dadurch nicht abgedeckter Schaden ist damit auch materiellrechtlich nicht ersatzfähig (Senat, BGHZ 20, 169, 172; BGHZ 74, 9, 15; 118,
  136. 201, 206). Diese Rechtsprechung wird wesentlich von der Überlegung bestimmt, dass andernfalls der freie Zugang zu staatlichen Rechtspflegeverfahren,
  137. an dem auch ein erhebliches öffentliches Interesse besteht, in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise eingeschränkt würde.
  138. 13
  139. bb) Richtig ist weiter, dass diese Überlegung teilweise auf die außergerichtliche Geltendmachung einer nicht bestehenden Forderung übertragen wird
  140. (KG, Urt. v. 18. August 2005, 8 U 251/04, juris, Rdn. 142, im Ergebnis bestätigt
  141. durch BGH, Beschl. v. 7. Dezember 2006, IX ZR 167/05, juris; OLG Düsseldorf
  142. NJW-RR 1999, 746; Bamberger/Roth/Grüneberg/Sutschet, BGB, 2. Aufl., § 241
  143. Rdn. 54), und zwar auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH,
  144. Urt. v. 25. Oktober 1995, VIII ZR 258/94, NJW 1996, 389, 390; Beschl. v.
  145. -8-
  146. 7. Dezember 2006, aaO; vor allem aber im Vorlagebeschluss v. 12. August
  147. 2004, I ZR 98/02, NJW 2004, 3322, 3323). Für diese Gleichstellung, die nicht
  148. immer näher begründet wird, werden im Wesentlichen zwei Argumente angeführt: Zum einen könne die außergerichtliche Geltendmachung von in Wirklichkeit nicht bestehenden Ansprüchen und Rechten nicht anders behandelt werden als deren gerichtliche Geltendmachung. Zum anderen gebe es auch in bestehenden Schuldverhältnissen ein Recht, in subjektiv redlicher Weise - wenn
  149. auch unter fahrlässiger Verkennung der Rechtslage - Ansprüche geltend zu
  150. machen, die sich als unberechtigt erwiesen (KG aaO).
  151. 14
  152. cc) Das erste Argument hat der Große Senat für Zivilsachen des Bundesgerichtshofs in seinem Beschluss vom 15. Juli 2005 (BGHZ 164, 1) zurückgewiesen. Anlass war der erwähnte Vorlagebeschluss des I. Zivilsenats vom
  153. 12. August 2004 (I ZR 98/02, aaO), mit welchem dieser die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur unberechtigten Schutzrechtsverwarnung in Frage gestellt hat. Nach dieser Rechtsprechung kann eine unberechtigte außergerichtliche Schutzrechtsverwarnung einen rechtswidrigen Eingriff in
  154. eine nach § 823 Abs. 1 BGB geschützte Rechtsposition sowohl des Verwarnten
  155. als auch desjenigen Gewerbetreibenden darstellen, dessen Kundenbeziehungen durch die unberechtigte Geltendmachung eines Ausschließlichkeitsrechts
  156. gegenüber dem verwarnten Abnehmer schwerwiegend beeinträchtigt werden
  157. (BGHZ 2, 387, 393; 38, 200, 204 ff.; 62, 29, 31ff.; 164, 1, 5 f.; BGH, Urt. v.
  158. 23. Februar 1995, I ZR 15/93, NJW-RR 1995, 810, 811; Urt. v. 30. November
  159. 1995, IX ZR 115/94, NJW 1996, 397, 398, insoweit nicht in BGHZ 131, 233 abgedruckt; Urt. v. 13. April 2000, I ZR 220/97, NJW 2000, 3716, 3717; RGZ 58,
  160. 24, 30 f.). Erfolgt der Eingriff unmittelbar durch Anrufung der Gerichte, entfällt
  161. - wie auch sonst - die Haftung (BGHZ 164, 1, 6). Diese Privilegierung findet ihrer Rechtfertigung zum einen in einer förmlichen Beteiligung des zu Unrecht in
  162. Anspruch Genommenen an dem gerichtlichen Verfahren und zum anderen in
  163. -9-
  164. der verschuldensunabhängigen Haftung des Klägers nach §§ 717 Abs. 2, 945
  165. ZPO für den Fall einer Vollstreckung aus einem später geänderten vorläufig
  166. vollstreckbaren Urteil (BGHZ 164, 1, 7 f.). An beidem fehlt es, wenn eine unberechtigte Verwarnung außergerichtlich erfolgt. Bei der unberechtigten Geltendmachung von Ansprüchen liegt es nicht anders.
  167. 15
  168. dd) Das teilweise angenommene, von dem Berufungsgericht so genannte "Recht auf Irrtum" bei der unberechtigten Geltendmachung von Ansprüchen
  169. und Rechten erkennt der Bundesgerichtshof bei bestehenden Schuldverhältnissen nicht an. Er geht im Gegenteil davon aus, dass sie gerade hier im Grundsatz pflichtwidrig ist.
  170. 16
  171. (1) Anerkannt ist das, was auch das Berufungsgericht nicht übersieht, für
  172. die unberechtigte Kündigung. Kündigt der Vermieter das Mietverhältnis, ohne
  173. dass ein Kündigungsgrund besteht, kann er zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet sein (BGHZ 89, 296, 301 ff.; BGH, Urt. v. 14. Januar
  174. 1988, IX ZR 265/86, NJW 1988, 1268, 1269; Urt. v. 18. Mai 2005, VIII ZR
  175. 368/03, NJW 2005, 2395, 2396). Entsprechendes gilt, wenn der Vermieter, ohne zu kündigen, unberechtigt Räumung verlangt (BGH, Urt. v. 28. November
  176. 2001, XII ZR 197/99, NJW-RR 2002, 730, 731). Das ergibt sich in diesen Fallkonstellationen allerdings schon daraus, dass der Vermieter mit der Kündigung
  177. bzw. dem Räumungsverlangen das Besitzrecht des Mieters in Frage stellt und
  178. damit zugleich seine eigene vertragliche Leistungspflicht zur Überlassung der
  179. Mietsache verletzt. Ähnlich liegt es bei dem Käufer, der den Vertrag unberechtigt "annulliert" (RGZ 57, 105, 113), oder dem Verkäufer, der sich unberechtigt
  180. weigert, den Käufer weiter zu beliefern (RGZ 67, 313, 317). Auf einen solchen
  181. - bei der Geltendmachung von nicht bestehenden Ansprüchen fehlenden - Bezug zu der Nichterfüllung eigener Leistungspflichten kommt es aber nicht entscheidend an. Vielmehr kommt eine Haftung auf Schadensersatz nach § 280
  182. - 10 -
  183. Abs. 1 Satz 1 BGB auch dann in Betracht, wenn eine Vertragspartei, ohne eigene Leistungspflichten zu verletzen, unberechtigte Ansprüche an die andere
  184. Vertragspartei stellt (BGH, Urt. v. 12. Dezember 2006, VI ZR 224/05, NJW
  185. 2007, 1458 f.; ebenso OLG Braunschweig, OLG-Report 2001, 196, 198; LG
  186. Zweibrücken NJW-RR 1998, 1105, 1106; AG Münster NJW-RR 1994, 1261,
  187. 1262 [für cic]; Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 280 Rdn. 27; Hösl, Kostenerstattung bei außerprozessualer Verteidigung gegen unberechtigte Rechtsverfolgung, 2004, S. 85 f.; Kaiser, NJW 2008, 1709, 1711). Dies hat der Bundesgerichtshof bei einem unberechtigten Mängelbeseitigungsverlangen angenommen
  188. (Urt. v. 23. Januar 2008, VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147, 1148). Für ein unberechtigtes Zahlungsverlangen gilt nichts anderes.
  189. 17
  190. (2) Eine Vertragspartei, die von der anderen Vertragspartei etwas verlangt, das ihr nach dem Vertrag nicht geschuldet ist, oder ein Gestaltungsrecht
  191. ausübt, das nicht besteht, verletzt ihre Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241
  192. Abs. 2 BGB (BGH, Urt. v. 23. Januar 2008, aaO; a.A. Hösl, aaO, S. 34:
  193. Leistungstreuepflicht). Danach hat jede Vertragspartei auf die Rechte und Interessen der anderen Partei Rücksicht zu nehmen. Zu diesen Rechten und Interessen gehört auch das Interesse des Schuldners, nicht in weitergehendem
  194. Umfang in Anspruch genommen zu werden als in dem Vertrag vereinbart. Wie
  195. der Gläubiger von dem Schuldner die uneingeschränkte Herbeiführung des
  196. Leistungserfolgs beanspruchen kann, darf der Schuldner von dem Gläubiger
  197. erwarten, dass auch er die Grenzen des Vereinbarten einhält (im Ergebnis
  198. ebenso Hösl aaO; Haertlein, MDR 2009, 1, 2; zu dem Argument der Waffengleichheit auch derselbe in Exekutionsintervention und Haftung, 2008, S. 362 f.,
  199. 383 ff.).
  200. 18
  201. ee) Nach diesen Maßstäben waren sowohl die Aufforderung des Klägers
  202. an die Beklagte zur Zahlung des Kaufpreises als auch sein Rücktritt vom Ver-
  203. - 11 -
  204. trag nicht nur sachlich unbegründet, sondern auch im Sinne von § 280 Abs. 1
  205. Satz 1 BGB pflichtwidrig.
  206. 19
  207. 3. Eine Haftung des Klägers aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB scheidet aber
  208. nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB aus, weil er nicht fahrlässig gehandelt und die
  209. Verletzung seiner Pflichten nach § 276 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB nicht zu vertreten hat.
  210. 20
  211. a) Fahrlässig handelt der Gläubiger nämlich nicht schon dann, wenn er
  212. nicht erkennt, dass seine Forderung in der Sache nicht berechtigt ist. Die Berechtigung seiner Forderung kann sicher nur in einem Rechtsstreit geklärt werden. Dessen Ergebnis vorauszusehen kann von dem Gläubiger im Vorfeld oder
  213. außerhalb eines Rechtsstreits nicht verlangt werden. Das würde ihn in diesem
  214. Stadium der Auseinandersetzung überfordern und ihm die Durchsetzung seiner
  215. Rechte unzumutbar erschweren (Haertlein, MDR 2009, 1, 2 f.). Der im Verkehr
  216. erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) entspricht der Gläubiger nach der
  217. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vielmehr schon dann, wenn er prüft,
  218. ob die Vertragsstörung auf eine Ursache zurückzuführen ist, die dem eigenen
  219. Verantwortungsbereich zuzuordnen, der eigene Rechtsstandpunkt mithin plausibel ist (vgl. BGH, Urt. v. 23. Januar 2008, VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147,
  220. 1148). Mit dieser Plausibilitätskontrolle (ähnlich Kaiser, NJW 2008, 1709, 1712:
  221. Evidenzkontrolle) hat es sein Bewenden. Bleibt dabei ungewiss, ob tatsächlich
  222. eine Pflichtverletzung der anderen Vertragspartei vorliegt, darf der Gläubiger
  223. die sich aus einer Pflichtverletzung ergebenden Rechte geltend machen, ohne
  224. Schadensersatzpflichten wegen einer schuldhaften Vertragsverletzung befürchten zu müssen, auch wenn sich sein Verlangen im Ergebnis als unberechtigt
  225. herausstellt (BGH, Urt. v. 23. Januar 2008, aaO; Haertlein, MDR 2009, 1, 2).
  226. - 12 -
  227. 21
  228. b) Gemessen an diesen Anforderungen hat der Kläger weder sein unberechtigtes Zahlungsverlangen noch seinen unberechtigten Rücktritt zu vertreten, weil er weder im einen noch im anderen Fall fahrlässig gehandelt hat.
  229. 22
  230. aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der Kläger
  231. Grund zu der Annahme, die Beklagte führe die Erteilung der Baugenehmigung
  232. als Voraussetzung der Fälligkeit des Kaufpreisanspruchs treuwidrig nicht herbei. Er habe auch angesichts der ihm berichteten Bekundung von Erwerbsinteresse durch vier Käufer annehmen dürfen, der Nachbarwiderspruch habe in den
  233. seit der Änderung des Kaufvertrags verstrichenen Monaten erledigt werden
  234. können. Auf das Erfordernis seiner Zustimmung zum Abbruch der vorhandenen
  235. Bebauung sei er erst im Anschluss an seine Zahlungsaufforderungen hingewiesen worden, obwohl dies schon seit Monaten bekannt gewesen sei. Die Auskunft der Beklagten in ihrem Schreiben vom 5. September 2006, der Bauantrag
  236. sei "selbstverständlich" gestellt, habe den Verdacht des Klägers, die Erteilung
  237. der Baugenehmigung werde von der Beklagten hintertrieben, verstärken müssen. Durch eine Mitteilung der zuständigen Behörde vom 23. August 2006 sei
  238. er nämlich darüber unterrichtet worden, dass der Antrag bis dahin in Wirklichkeit nicht gestellt worden war. Das genügt der gebotenen Plausibilitätskontrolle.
  239. 23
  240. bb) Diese Feststellungen hat das Berufungsgericht zwar nicht unter dem
  241. Gesichtspunkt der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt getroffen. Das ist aber
  242. unerheblich, weil es unter dem Gesichtspunkt besonderer Umstände, die aus
  243. seiner - von dem Senat nicht geteilten - Sicht für die Annahme einer Pflichtverletzung erforderlich sind, eine inhaltlich entsprechende Prüfung angestellt hat.
  244. 24
  245. cc) Diese tatrichterliche Würdigung ist revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar (dazu: BGH, Urt. v. 14. Oktober 2003, VI ZR 425/02,
  246. NJW-RR 2004, 425, 426; Senat, Urt. v. 26. November 2004, V ZR 119/04, Mitt-
  247. - 13 -
  248. BayNot 2005, 395; Urt. v. 5. Mai 2006, V ZR 236/05, NJW-RR 2006, 1242). Sie
  249. ist in diesem Rahmen entgegen der Annahme der Revision nicht zu beanstanden.
  250. 25
  251. (1) Das Berufungsgericht habe, so meint die Revision, nicht gewürdigt,
  252. dass sich der Kläger in seiner Zahlungsaufforderung im Schreiben vom 21. Juli
  253. 2006 nicht darauf beschränkt habe, seine Ansicht darzustellen oder die Beklagte nur zur Zahlung aufzufordern. Vielmehr habe er der Beklagten eigene Obliegenheits- und Pflichtverletzungen vorgeworfen und mit der Rückabwicklung des
  254. Vertrags gedroht. Damit habe er sie bei ihren Vermarktungsbemühungen massiv behindert. Dabei übergeht die Revision, dass der Kläger die Beklagte in seinem Schreiben zunächst nur mit einem - durch das Schweigen der Beklagten
  255. zur Baugenehmigung zudem begründeten - Verdacht konfrontiert und ihr Gelegenheit gegeben hat, diesen Verdacht zu zerstreuen. Die Rückabwicklung des
  256. Vertrags war auch nur für den Fall angekündigt, dass sich die Beklagte weiterhin zum Stand des Baugenehmigungsverfahrens ausschweige. Damit genügte
  257. der Kläger der gebotenen Sorgfalt.
  258. 26
  259. (2) Das Berufungsgericht habe, so rügt die Revision weiter, unberücksichtigt gelassen, dass die Auslegung der Fälligkeitsregelung im Kaufvertrag
  260. der Parteien nicht einfach zu durchschauen sei. Es habe sich auch nicht mit der
  261. Auslegung dieser Klausel befasst. Diese Überlegung stellt die Würdigung des
  262. Berufungsgerichts nicht in Frage; es bestätigt sie vielmehr. Wenn nämlich die
  263. Rechtslage schwierig zu überblicken und die eigene Rechtsposition jedenfalls
  264. vertretbar ist, muss sich der Gläubiger nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerade nicht zurückhalten; es kann ihm nicht vorgehalten werden,
  265. seinen eigenen Standpunkt zu vertreten (Urt. v. 23. Januar 2008, VIII ZR
  266. 246/06, NJW 2008, 1147, 1148). Dass dies mit - hier zudem nicht übertriebenem - Nachdruck geschieht, ändert daran nichts. Schon deshalb kam es nicht
  267. - 14 -
  268. darauf an, wie die Klausel auszulegen ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht,
  269. wenn auch aus prozessualen Gründen, in Übereinstimmung mit der Sichtweise
  270. der Beklagten davon ausgegangen, dass die Fälligkeit nicht eingetreten war.
  271. (3) Schließlich habe das Berufungsgericht die Rücksichtslosigkeit und
  272. 27
  273. Beharrlichkeit außer Betracht gelassen, mit der der anwaltlich vertretene Kläger
  274. an seiner Rechtsauffassung festgehalten habe. Diese Bewertung stützt die Revision auf den Umstand, dass der Kläger der Bitte der Beklagten um Verlängerung der im Schreiben vom 21. Juli 2006 gesetzten Äußerungsfrist nicht entsprochen, sondern sie erneut, diesmal unter Fristsetzung, zur Zahlung aufgefordert hat. Ob dieser Umstand die Bewertung der Revision trägt, ist zweifelhaft,
  275. kann aber offen bleiben. Es kommt nämlich nicht darauf an, in welcher Form
  276. der Kläger sein Anliegen vertritt, sondern darauf, ob er seinen Rechtsstandpunkt in der Sache für vertretbar halten durfte. Das ist nach den nicht zu beanstanden Feststellungen des Berufungsgerichts der Fall.
  277. 4. Die von der Beklagten geltend gemachten Rechtsberatungskosten
  278. 28
  279. könnten schließlich auch nur ersatzfähig sein, wenn sie durch die Pflichtverletzung des Klägers adäquat kausal verursacht worden sind. Das kann wiederum
  280. nur angenommen werden, wenn damit zu rechnen war, dass die Beklagte
  281. Rechtsrat einholte, bevor sie sich mit dem von dem Kläger zur Begründung seines Vorgehens angeführten Verdacht befasste, sie hintertreibe die Erteilung der
  282. Baugenehmigung (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Senat, Urt. v. 18. Januar 2008,
  283. V ZR 174/06, NJW 2008, 1658, 1660). Das ist zweifelhaft, bedarf aber keiner
  284. Entscheidung, da eine Haftung des Klägers schon dem Grunde nach ausscheidet.
  285. - 15 -
  286. III.
  287. 29
  288. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
  289. Krüger
  290. Klein
  291. Schmidt-Räntsch
  292. Lemke
  293. Roth
  294. Vorinstanzen:
  295. LG Köln, Entscheidung vom 11.05.2007 - 4 O 548/06 OLG Köln, Entscheidung vom 26.05.2008 - 12 U 73/07 -