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11 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. V ZR 125/11
  5. Verkündet am:
  6. 20. Januar 2012
  7. Lesniak
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. WEG § 13 Abs. 2
  19. Eine Regelung in der Teilungserklärung, durch die sich der teilende Eigentümer
  20. vorbehält, an Flächen des Gemeinschaftseigentums nachträglich Sondernutzungsrechte zu begründen, muss dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz genügen.
  21. BGH, Urteil vom 20. Januar 2012 - V ZR 125/11 - LG Berlin
  22. AG Schöneberg
  23. -2-
  24. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  25. vom 20. Januar 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die
  26. Richterin Dr. Stresemann, den Richter Dr. Czub und die Richterinnen
  27. Dr. Brückner und Weinland für Recht erkannt:
  28. Die Revision gegen das Urteil der Zivilkammer 85 des Landgerichts Berlin vom 3. Dezember 2010 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
  29. Von Rechts wegen
  30. Tatbestand:
  31. 1
  32. Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft,
  33. welche infolge der Teilung eines Grundstücks durch den Beklagten entstanden
  34. ist. Diesem gehören unter anderem die im Erdgeschoss gelegenen Wohnungsund Teileigentumseinheiten Nr. 1, 2, 11, 20, 21 und 34. Die Kläger sind Eigentümer einer Wohnung im zweiten Obergeschoss.
  35. 2
  36. Nach der - am 24. Juli 2000 geänderten - Teilungserklärung ist der Beklagte unwiderruflich befugt, den im Erdgeschoss gelegenen Wohnungen Teile
  37. der Gartenflächen als Terrassen zur Sondernutzung zuzuordnen. Die Befugnis
  38. erlischt für das jeweilige Sondernutzungsrecht nach dessen Eintragung in das
  39. Grundbuch des begünstigten Wohnungs- bzw. Teileigentums.
  40. -3-
  41. 3
  42. Mit notarieller Urkunde vom 10. August 2009 wies der Beklagte den Einheiten Nr. 1, 11, 20 und 34 jeweils ein Sondernutzungsrecht an näher bezeichneten und in einem Lageplan eingezeichneten Hofflächen zu. Eine weitere Zuweisung von Sondernutzungsflächen ist für die Einheiten Nr. 2 und 21 geplant.
  43. 4
  44. Die Kläger verlangen von dem Beklagten, es zu unterlassen, künftig
  45. Sonderrechtszuweisungen in Bezug auf die im Gemeinschaftseigentum stehenden Freiflächen vorzunehmen. Ferner beantragen sie die Feststellung, dass
  46. die vorgenommene Zuweisung von Sondernutzungsrechten zu den Einheiten 1,
  47. 11, 20 und 34 unwirksam ist.
  48. 5
  49. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Kläger beantragen, verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
  50. Entscheidungsgründe:
  51. I.
  52. 6
  53. Das Berufungsgericht hält den Unterlassungs- und den Feststellungsantrag für begründet, weil der Beklagte ohne Zustimmung der übrigen Miteigentümer nicht berechtigt sei, Flächen des Gemeinschaftseigentums einzelnen
  54. Einheiten als Sondernutzungsrecht zuzuordnen. Der Vorbehalt in der Teilungserklärung sei wegen Verstoßes gegen das sachenrechtliche Bestimmtheitsgebot unwirksam, da Festlegungen zu Anzahl, Größe und Lage der zu begründenden Sondernutzungsrechte fehlten.
  55. -4-
  56. II.
  57. 7
  58. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
  59. 8
  60. 1. a) Im Ausgangspunkt zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass
  61. sich der teilende Eigentümer in der Teilungserklärung ermächtigen kann, bei
  62. Verkauf der Wohnungseigentumseinheiten dem jeweiligen Erwerber das Sondernutzungsrecht an bestimmten Flächen einzuräumen und dessen Inhalt näher zu bestimmen. Eine solche Gestaltung ist rechtlich unbedenklich, sofern
  63. und solange der dadurch Begünstigte Eigentümer einer Wohnungs- oder Teileigentümereinheit ist (vgl. Senat, Urteil vom 2. Dezember 2011 - V ZR 74/11,
  64. NJW 2012, 676, 677 Rn. 9 ff.). Das gilt nicht nur für die Ermächtigung, bereits
  65. bestehende Sondernutzungsrechte zu konkretisieren oder zu ändern, sondern
  66. auch für einen Vorbehalt, der es dem teilenden Eigentümer ermöglicht, die Teile des Gemeinschaftseigentums, von deren Mitgebrauch die übrigen Wohnungseigentümer ausgeschlossen und an denen Sondernutzungsrechte begründet werden sollen, zu einem späteren Zeitpunkt festzulegen (vgl. dazu
  67. BayObLG, DNotZ 2005, 390 sowie KG, ZMR 2007, 384, 387 r. Sp.).
  68. 9
  69. b) Richtig ist ferner, dass ein solcher Vorbehalt dem sachenrechtlichen
  70. Bestimmtheitsgrundsatz genügen muss.
  71. 10
  72. aa) Das Bestimmtheitserfordernis des Sachen- und Grundbuchrechts gilt
  73. auch für das als Inhalt des Sondereigentums nach § 10 Abs. 3 WEG in das
  74. Grundbuch einzutragende Sondernutzungsrecht (zur dinglichen Wirkung dieses
  75. Rechts: Senat, Beschluss vom 24. November 1978 - V ZB 11/77, BGHZ 73,
  76. 145, 148). Regelungen in Teilungserklärungen, mit denen Sondernutzungsrechte verbindlich festgelegt werden, müssen daher hinreichend bestimmt sein
  77. (Senat, Urteil vom 2. Dezember 2011 - V ZR 74/11, NJW 2012, 676, 677
  78. -5-
  79. Rn. 13). Einer verbindlichen Festlegung steht es gleich, wenn die Wohnungseigentümer durch die Teilungserklärung von dem Mitgebrauch einer im Gemeinschaftseigentum stehenden Fläche - sogleich oder aufschiebend bedingt - ausgeschlossen werden (negative Komponente des Sondernutzungsrechts) mit der
  80. Folge, dass ihre Mitwirkung bei der späteren Zuweisung eines Sondernutzungsrechts an dieser Fläche entbehrlich ist (BayObLGZ 1985, 124, 128; BayObLG,
  81. Rpfleger 2001, 587; DNotZ 2005, 390, 391; OLG Hamm, NZM 1998, 673, 674;
  82. OLG Düsseldorf, NJW-RR 1987, 1491, 1492).
  83. 11
  84. bb) Auch eine Ermächtigung, durch die sich der teilende Eigentümer
  85. vorbehält, Sondernutzungsrechte zu einem späteren Zeitpunkt zu begründen,
  86. muss dem sachenrechtlichen Bestimmtheitserfordernis genügen (ebenso: OLG
  87. Frankfurt, NJW-RR 1998, 1707, 1708; Armbrüster, ZMR 2005, 244, 245; Krause, NotBZ 2001, 433, 439). Denn dieses verlangt, dass jedermann den Inhalt
  88. eines dinglichen Rechts anhand der Eintragungen im Grundbuch eindeutig erkennen kann (vgl. Senat, Beschluss vom 28. April 2011 - V ZB 194/10, NJW
  89. 2011, 1958 Rn. 10; Beschluss vom 26. Januar 2006 - V ZB 143/05, NJW 2006,
  90. 1341 Rn. 12); das gilt für den Inhalt des Sondereigentums entsprechend. Zu
  91. diesem Inhalt gehören alle Regelungen der Teilungserklärung mit Vereinbarungscharakter (vgl. § 10 Abs. 3 WEG sowie Klein in Bärmann, WEG, 11. Aufl.,
  92. § 10 Rn. 132 und Bauer/v. Oefele, GBO, 2. Aufl., AT V Rn. 102 ff.) und damit
  93. auch Ermächtigungen, durch die Entscheidungen, welche nach dem Gesetz
  94. einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer bedürfen, auf den teilenden Eigentümer übertragen werden. Da Sondernutzungsrechte nach Entstehen der
  95. werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft nur durch eine Vereinbarung
  96. der Wohnungseigentümer begründet werden können (Senat, Beschluss vom
  97. 20. September 2000 - V ZB 58/99, BGHZ 145, 158, 167 f.), hat eine Regelung,
  98. mit der diese Kompetenz dem teilenden Eigentümer vorbehalten bleibt, Verein-
  99. -6-
  100. barungscharakter und gehört, wenn sie in das Grundbuch eingetragen wird, zu
  101. dem Inhalt des Sondereigentums.
  102. 12
  103. cc) Ohne Rechtsfehler nimmt das Berufungsgericht an, dass der hier zu
  104. beurteilende Vorbehalt dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz nicht
  105. genügt. Die Formulierung, der Beklagte sei befugt "Teile der Gartenflächen als
  106. Terrassen zur Sondernutzung" zuzuordnen, lässt offen, auf welche Flächen des
  107. Gemeinschaftseigentums sich die Befugnis bezieht. Diese sind weder aus einem Lageplan ersichtlich noch in anderer Form beschrieben. Infolge der Begrenzung auf "Teile" der Gartenflächen kann der Vorbehalt auch nicht als Befugnis verstanden werden, an sämtlichen Gartenflächen Sondernutzungsrechte
  108. zu begründen (zu weitgefassten Änderungsvorbehalten vgl. OLG Frankfurt,
  109. NJW-RR 1998, 1707, 1708 f. sowie Krause, NotBZ 2001, 433, 440); dem Bestimmtheitsgrundsatz wäre auch dann allerdings nur genügt, wenn zweifelsfrei
  110. feststünde, welche Teile des Gemeinschaftseigentums als Gartenflächen anzusehen sind. Ein bestimmter Inhalt der Ermächtigung lässt sich deshalb - auch
  111. im Wege der Auslegung - nicht feststellen.
  112. 13
  113. c) Das Berufungsgericht hat allerdings versäumt, Feststellungen dazu zu
  114. treffen, ob die am 24. Juli 2000 vorgenommene Änderung der Teilungserklärung, die den maßgeblichen Änderungsvorbehalt enthält, in das Grundbuch
  115. eingetragen worden ist. Nur dann ist er Inhalt des Sondereigentums geworden
  116. und muss dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz genügen.
  117. 14
  118. 2. Dieser Rechtsfehler hat sich indes nicht ausgewirkt (§ 561 ZPO).
  119. 15
  120. a) Ist die Änderung der Teilungserklärung weder in das Grundbuch eingetragen noch mit schuldrechtlicher Wirkung zwischen den Parteien vereinbart
  121. worden, fehlt es im Verhältnis zu den Klägern von vornherein an einer Berechtigung des Beklagten, Sondernutzungsrechte zu begründen.
  122. -7-
  123. 16
  124. b) Wäre der Änderungsvorbehalt (nur) schuldrechtlich vereinbart worden,
  125. stünde seiner Wirksamkeit der - von dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgebot zu trennende - Grundsatz entgegen, dass die Übertragung einer nach dem
  126. Gesetz den Wohnungseigentümern vorbehaltenen Kompetenz auf einzelne
  127. Wohnungseigentümer einer Ermächtigung bedarf, die Ausmaß und Umfang der
  128. daraus folgenden Belastungen für die Wohnungseigentümer zweifelsfrei erkennen lässt (vgl. Senat, Beschluss vom 20. September 2000 - V ZB 58/99, BGHZ
  129. 145, 158, 164; kritisch: Häublein, Sondernutzungsrechte und ihre Begründung
  130. im Wohnungseigentumsrecht, S. 295 ff.). Ein Vorbehalt, der den teilenden Eigentümer berechtigt, einzelnen Wohnungen nachträglich Sondernutzungsrechte zuzuordnen, ist demnach nur wirksam, wenn er erkennen lässt, welche Flächen für die Begründung von Sondernutzungsrechten herangezogen werden
  131. können.
  132. 17
  133. Die Festlegung des betroffenen Gemeinschaftseigentums kann zwar
  134. weit gefasst sein, also große Teile des Gemeinschaftseigentums umfassen.
  135. Denn der Bestimmtheitsgrundsatz soll nur gewährleisten, dass Inhalt und Umfang der Kompetenzübertragung zweifelsfrei feststehen, nicht aber die - einer
  136. gesonderten Prüfung vorbehaltenen - Inhaltskontrolle der Klausel (vgl. zu einer
  137. solchen: Senat, Urteil vom 2. Dezember 2011 - V ZR 74/11, NJW 2012, 676,
  138. 677 Rn. 14 ff.) ersetzen. Unerlässlich ist aber, dass der Vorbehalt dem unbefangenen Betrachter eine klare Vorstellung davon vermittelt, welche Teile des
  139. Gemeinschaftseigentums durch einseitige Erklärung des Berechtigten dem Mitgebrauch der Eigentümer (§ 13 Abs. 1 WEG) entzogen werden können (vgl.
  140. BayObLGZ 1974, 294, 298; Armbrüster, ZMR 2005, 244, 247).
  141. 18
  142. Diesen Anforderungen genügt der hier zu beurteilende Vorbehalt nicht.
  143. Wie bereits dargelegt (oben zu II. 1. b) cc), lässt er die für die Begründung von
  144. Sondernutzungsrechten vorgesehenen Flächen nicht erkennen. Auch der Be-
  145. -8-
  146. griff der "Terrasse" (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 2009 - VIII ZR 218/08, NJW
  147. 2009, 2880 Rn. 12) eignet sich nicht dazu, den Umfang der Ermächtigung einzugrenzen, da es Terrassen unterschiedlichster Größen gibt. Andere Anhaltspunkte, anhand deren sich bestimmen ließe, in welchem Ausmaß die im Gemeinschaftseigentum stehenden Gartenflächen - insgesamt oder je Wohnungseinheit - aufgrund der Ermächtigung der Sondernutzung zugeführt werden können, enthält die Teilungserklärung nicht.
  148. III.
  149. 19
  150. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
  151. Krüger
  152. Stresemann
  153. Brückner
  154. Czub
  155. Weinland
  156. Vorinstanzen:
  157. AG Schöneberg, Entscheidung vom 10.03.2010 - 77 C 480/09 WEG LG Berlin, Entscheidung vom 03.12.2010 - 85 S 97/10 WEG -