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- BUNDESGERICHTSHOF
- BESCHLUSS
- V ZB 43/13
- vom
- 30. Oktober 2013
- in der Abschiebungshaftsache
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- Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Oktober 2013 durch die
- Vorsitzende
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- Richterin
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- Dr. Stresemann,
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- die
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- Richter
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- Dr. Lemke,
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- Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth und die Richterin Dr. Brückner
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- beschlossen:
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- Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass
- der Beschluss des Amtsgerichts Memmingen vom 11. März 2013
- und der Beschluss des Landgerichts Memmingen - 4. Zivilkammer - vom 2. April 2013 ihn in seinen Rechten verletzt haben.
- Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur
- zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen
- des Betroffenen in allen Instanzen werden der Stadt Memmingen
- auferlegt.
- Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
- 3.000 €.
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- Gründe:
- I.
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- Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 11. März 2013 gegen den Betroffenen, einen nigerianischen Staatsangehörigen, Abschiebungshaft für die
- Dauer von zwei Monaten verhängt. Das Landgericht hat die dagegen gerichtete
- Beschwerde des Betroffenen mit Beschluss vom 2. April 2013 zurückgewiesen.
- Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der er
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- nach seiner am 24. April 2013 erfolgten Abschiebung feststellen lassen will,
- dass ihn die angefochtenen Beschlüsse in seinen Rechten verletzt haben.
- II.
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- Das Beschwerdegericht meint, es reiche aus, dass dem Betroffenen der
- Haftantrag vor seiner Anhörung mündlich übersetzt worden sei. Eine Aushändigung des schriftlichen Haftantrags sei nicht erforderlich gewesen. Dieser sei
- dem Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen überdies vorab per Fax zugeleitet worden.
- III.
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- Die Rechtsbeschwerde ist nach Erledigung der Hauptsache analog § 62
- FamFG ohne Zulassung statthaft (vgl. nur Senat, Beschluss vom 29. April 2010
- - V ZB 218/09, InfAuslR 2010, 359, 360). Sie ist auch im Übrigen zulässig und
- hat in der Sache Erfolg.
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- 1. Der Betroffene ist durch die Haftanordnung jedenfalls deshalb in seinen Rechten verletzt worden, weil die Anhörung seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht ausreichend gewahrt hat; es ist nämlich
- nicht ersichtlich, dass ihm eine Ablichtung des Haftantrags ausgehändigt worden ist.
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- Zwar kann der Haftantrag erst zu Beginn der Anhörung eröffnet werden,
- wenn er einen einfachen, überschaubaren Sachverhalt betrifft, zu welchem der
- Betroffene auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Überraschung ohne
- weiteres auskunftsfähig ist (Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 222/09,
- BGHZ 184, 323, 330 Rn. 16; Beschluss vom 14. Juni 2012 - V ZB 284/11,
- InfAuslR 2012, 369 Rn. 9). Ihm muss aber in jedem Fall eine Ablichtung des
- Antrags ausgehändigt und erforderlichenfalls (mündlich) übersetzt werden; dies
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- muss in dem Anhörungsprotokoll oder an einer anderen Aktenstelle schriftlich
- dokumentiert werden. Der Betroffene ist schon auf Grund der Situation zumeist
- nicht in der Lage, einen ihm nur mündlich übermittelten Haftantrag zu erfassen.
- Er muss im weiteren Verlauf der Anhörung in ein Exemplar des Haftantrags
- einsehen und dieses gegebenenfalls später einem Rechtsanwalt vorlegen können (näher Senat, Beschluss vom 14. Juni 2012 - V ZB 284/11, InfAuslR 2012,
- 369 Rn. 9).
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- Die Aushändigung des Haftantrags war nicht - wie das Beschwerdegericht offenbar meint - deshalb entbehrlich, weil der Verfahrensbevollmächtigte
- des Betroffenen ihn per Fax erhalten hat. Dieser war weder bei der Anhörung
- anwesend noch hat er Gelegenheit gehabt, den Inhalt des Haftantrags vor der
- Anhörung mit dem Betroffenen zu erörtern.
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- 2. Die Aufrechterhaltung der Haftanordnung durch das Beschwerdegericht hat den Betroffenen ebenfalls in seinen Rechten verletzt, jedenfalls deshalb, weil die verfahrensfehlerhafte Anhörung durch das Amtsgericht nicht - für
- die Zukunft - geheilt worden ist. Zwar konnte sein Verfahrensbevollmächtigter
- Kenntnis von dem vollständigen Haftantrag erlangen; weitere Voraussetzung für
- eine Heilung der verfahrensfehlerhaften Anhörung wäre jedoch eine erneute
- Anhörung des Betroffenen durch das Beschwerdegericht gewesen, die unterblieben ist (vgl. Senat, Beschluss vom 30. März 2012 - V ZB 59/12, juris
- Rn. 12).
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- Im Übrigen rügt die Rechtsbeschwerde auch zu Recht, dass das Beschwerdegericht den Haftgrund auf einen Aktenvermerk der beteiligten Behörde
- gestützt hat, obwohl eine Anhörung des Betroffenen zu diesem Vermerk durch
- das Amtsgericht nicht aktenkundig war; auch aus diesem Grund wäre eine erneute Anhörung zwingend geboten gewesen.
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- IV.
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- Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83
- Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 EMRK analog. Die Festsetzung des
- Beschwerdewerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO.
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- Stresemann
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- Lemke
- Roth
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- Schmidt-Räntsch
- Brückner
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- Vorinstanzen:
- AG Memmingen, Entscheidung vom 11.03.2013 - XIV 25/13 (B) LG Memmingen, Entscheidung vom 02.04.2013 - 45 T 355/13 -
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