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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. V ZB 16/05
  4. vom
  5. 14. April 2005
  6. in dem Zwangsverwaltungsverfahren
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. ja
  11. BGHR:
  12. ja
  13. ZVG
  14. ZwVwV § 5 Abs. 1;
  15. BGB § 823 Abs. 1 Ai
  16. § 152
  17. Abs.
  18. 1;
  19. Der Zwangsverwalter ist befugt, ein auf dem beschlagnahmten Grundstück geführten grundstücksbezogenen Gewerbebetrieb des Schuldners
  20. fortzuführen, wenn dies zur ordnungsgemäßen Nutzung des Grundstücks
  21. erforderlich ist und er dabei nicht in Rechte des Schuldners an Betriebsmitteln eingreift, die unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu dem Gewerbebetrieb absolut geschützt sind.
  22. BGH, Beschl. v. 14. April 2005 - V ZB 16/05 - LG Stralsund
  23. AG Bergen auf Rügen
  24. -2-
  25. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 14. April 2005 durch den
  26. Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel, die Richter Dr. Klein,
  27. Dr. Schmidt-Räntsch, Zoll und die Richterin Dr. Stresemann
  28. beschlossen:
  29. Auf die Rechtsbeschwerde wird der Beschluß der 2. Zivilkammer
  30. des Landgerichts Stralsund vom 16. Juli 2004 aufgehoben.
  31. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des Amtsgerichts
  32. Bergen auf Rügen vom 3. Mai 2004 wird zurückgewiesen.
  33. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren hat der Schuldner zu tragen.
  34. Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: 3.000 €.
  35. Gründe:
  36. I.
  37. Im Januar 2004 ordnete das Amtsgericht Bergen auf Rügen auf Antrag
  38. der Gläubigerin die Zwangsverwaltung des im Rubrum bezeichneten Grundstücks des Schuldners an, auf dem dieser ein Schloßhotel mit zwei Restaurants betrieb. Der zum Zwangsverwalter bestellte Rechtsanwalt beantragte
  39. nach der Inbesitznahme des Grundstücks die Genehmigung, das Hotel
  40. -3-
  41. - zumindest
  42. vorübergehend - selbst zu betreiben.
  43. Mit Beschluß vom 3. Mai 2004 hat das Amtsgericht dem Verwalter die
  44. beantragte Genehmigung für die Übergangszeit bis zum Abschluß eines Pachtvertrags mit einem Dritten erteilt. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners
  45. hat das Landgericht Stralsund den Beschluß des Amtsgerichts aufgehoben.
  46. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung der
  47. Schuldner beantragt, erstrebt die Gläubigerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
  48. II.
  49. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.
  50. 1. Das Beschwerdegericht hält eine Fortführung des Hotelbetriebs durch
  51. den Zwangsverwalter für unzulässig, weil sich seine Befugnisse auf das beschlagnahmte Grundstück und die mithaftenden Gegenstände beschränkten.
  52. Der Gewerbebetrieb des Schuldners, zu dem auch immaterielle Betriebsmittel
  53. wie Firmenname, Beziehungen zu Kunden und Lieferanten, Betriebsorganisation und Geschäftsbücher gehörten, sei demgegenüber beschlagnahmefrei. Den
  54. Gläubigern gebührten deshalb nur die Einnahmen aus dem Verwaltungsobjekt,
  55. nicht aber die Einnahmen aus dem Gewerbebetrieb. Das gelte auch dann,
  56. wenn sich Grundstück und Gewerbebetrieb, wie hier, praktisch nicht trennen
  57. ließen. Daß der Schuldner dem Zwangsverwalter die Buchungsunterlagen für
  58. das Hotel überlassen habe, sei unmaßgeblich, da dieser auch mit Zustimmung
  59. des Schuldners nicht befugt sei, einen Gewerbebetrieb auf dem beschlag-
  60. -4-
  61. nahmten Grundstück fortzuführen. Einer sinnvollen Zwangsverwaltung seien
  62. damit zwar Grenzen gesetzt, jedoch dürften die Unterschiede zwischen der
  63. Zwangsverwaltung und einem Insolvenzverfahren über das Vermögen des
  64. Schuldners nicht verwischt werden.
  65. 2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
  66. a) Zutreffend geht das Beschwerdegericht allerdings davon aus, daß es
  67. sich bei der Zwangsverwaltung um eine Einzelvollstreckungsmaßnahme handelt und sich die Befugnisse des Zwangsverwalters auf den von der Beschlagnahme erfaßten Teil des schuldnerischen Vermögens beschränken. Betreibt
  68. der Schuldner auf dem beschlagnahmten Grundstück ein gewerbliches Unternehmen, teilt sich sein Vermögen mit der Anordnung der Zwangsverwaltung
  69. deshalb in einen beschlagnahmten, insbesondere das Betriebsgrundstück
  70. nebst Zubehör (§§ 148 Abs. 1, 20 Abs. 2 ZVG, §§ 1120, 94, 97, 98 BGB) umfassenden Teil und in das übrige, von der Beschlagnahme unberührte Betriebsvermögen (vgl. OLG Hamm OLGR 1994, 131 m.w.N.). Der Zwangsverwalter übt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nur hinsichtlich des beschlagnahmten Teils aus, hier also hinsichtlich des Grundstücks, der darauf
  71. befindlichen Gebäude und des dem Schuldner gehörenden Betriebsinventars,
  72. zu dem unter anderem die Einrichtung von Hotel, Restaurants und Küche
  73. sowie Geschirr, Wäsche und Vorräte zählen (vgl. BGHZ 85, 234, 237 f.; Vollkommer, AP BGB § 613a Nr. 19 Bl. 216).
  74. b) Nicht gefolgt werden kann dem Beschwerdegericht aber, soweit es
  75. den Zwangsverwalter deshalb rechtlich gehindert sieht, die bisherige gewerbliche Nutzung des Grundstücks als Hotel aufrechtzuerhalten.
  76. Allerdings erfaßt die Beschlagnahme eines Grundstücks im Zwangsverwaltungsverfahren einen auf dem Grundstück ausgeübten Gewerbebetrieb des
  77. -5-
  78. Schuldners als solchen nicht (allg.M., vgl. OLG Hamm OLGR 1994, 131;
  79. Stöber, ZVG, 17. Aufl., § 152 Anm. 6.6; Vollkommer, AP BGB § 613a Nr. 19
  80. Bl. 216; Hintzen, Rpfleger 1992, 310). Ist dieser von dem Grundbesitz "ablösbar", kann er also auch an einem anderen Ort ausgeübt werden, steht außer
  81. Zweifel, daß der Zwangsverwalter den Betrieb nicht fortführen darf, sondern
  82. dem Schuldner entweder die Räume gegen ein angemessenes Entgelt vermieten oder ihn von dem Grundstück verweisen muß (OLG Celle Rpfleger 1989,
  83. 519,
  84. 520;
  85. OLG
  86. Dresden
  87. MDR 1999,
  88. 889,
  89. 890;
  90. Haarmeyer/Wutzke/
  91. Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, 3. Aufl., § 5 ZwVwV Rdn. 19).
  92. Umstritten sind die Befugnisse des Zwangsverwalters dagegen bei Betrieben, die auf der Grundlage eines für eine bestimmte gewerbliche Nutzung
  93. dauerhaft ausgebauten Grundstücks geführt werden, deren wirtschaftlicher
  94. Schwerpunkt also auf dem Grundstück liegt (vgl. BGHZ 85, 234, 237 f.). Solche
  95. grundstücksbezogenen Unternehmen, wie etwa Hotel, Gaststätte, Freizeitpark
  96. (vgl. OLG Hamm OLGR 1994, 131) oder Kurklinik (vgl. BAG NJW 1980, 2148),
  97. lassen sich einerseits von dem beschlagnahmten Grundstück nicht lösen, andererseits kann auch das Grundstück in der Regel wirtschaftlich sinnvoll nur zu
  98. dem Zweck genutzt werden, für das es besonders eingerichtet ist.
  99. aa) Im Hinblick auf die Verpflichtung, das beschlagnahmte Grundstück in
  100. seinem Bestand und damit auch in seinem besonderen Nutzungswert zu erhalten (§ 152 Abs. 1 ZVG), wird der Zwangsverwalter überwiegend als berechtigt
  101. angesehen, ein grundstücksbezogenes Unternehmen im eigenen Namen fortzusetzen, wenn dies in tatsächlicher Hinsicht möglich und ohne Verletzung anderweitiger gesetzlicher Vorschriften durchführbar ist (RGZ 135, 197, 202; OLG
  102. Celle Rpfleger 1989, 519; OLG Dresden MDR 1999, 889 für eine Tankstelle mit
  103. Waschanlage; FG Saarland EFG 2001, 606, 608; LAG Bremen DB 1987, 1847;
  104. LG Trier Rpfleger 1989, 76; Mohrbutter/Drischler/Radtke/Tiedemann, Die
  105. -6-
  106. Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungspraxis, 7. Aufl., S. 835, 887;
  107. Vollkommer, AP BGB § 613a, Nr. 19; Meyer-Stolte, EWiR 1990, 103; Dauenheimer, BB 1979, 989, 990; Herold, DB 1958, 1063 f.; Berges, KTS 1956, 113,
  108. 115; wohl auch Selke, ZfIR 2002, 622, 624 ff.; vgl. auch RGZ 93, 1, 3).
  109. bb) Nach einer anderen Auffassung soll der Zwangsverwalter ein grundstücksbezogenes Unternehmen des Schuldners dagegen weder verpachten
  110. noch selbst fortführen dürfen. Andernfalls werde in dessen Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und damit in ein selbständiges, von der
  111. Zwangsverwaltung nicht erfaßtes Rechtsgut eingegriffen (OLG Hamm OLGR
  112. 1994, 131; Stöber, ZVG, 17. Aufl., § 152 Anm. 6.6. ff; Haarmeyer/Wutzke/
  113. Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, 3. Aufl., Einl. 37 u. § 5 ZwVwV Rdn. 14 ff.;
  114. Steiner/Hagemann, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 9. Aufl.,
  115. § 152 ZVG Rdn. 81 ff.; Dassler/Muth, ZVG, 12. Aufl., § 152 Rdn. 18; Eickmann,
  116. Zwangsversteigerung- und Zwangsverwaltungsrecht, 2. Aufl., S. 408 f.; Hintzen, Rpfleger 1992, 310). Dies gelte unabhängig davon, ob der Schuldner einer Betriebsfortführung zustimme, denn der in § 152 ZVG festgelegte Aufgabenkreis des Zwangsverwalters könne von den Verfahrensbeteiligten nicht erweitert
  117. werden
  118. (Stöber,
  119. aaO,
  120. § 152
  121. Anm.
  122. 6.8;
  123. Haarmey-
  124. er/Wutzke/Förster/Hintzen, aaO, § 5 ZwVwV Rdn. 13; Steiner/Hagemann, aaO,
  125. § 152 ZVG Rdn. 85; insoweit a.A.: OLG Celle Rpfleger 1989, 519, 520; LG
  126. Bamberg Rpfleger 1992, 309; Richardi, RdA 1976, 56). Wolle der Gläubiger
  127. auf die Einnahmen aus dem Gewerbebetrieb zugreifen, und sei es nur mittelbar
  128. durch Überlassung des Gewerbebetriebs an einen Pächter, könne er dies nur
  129. in einem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners erreichen
  130. (OLG Hamm, aaO, S. 132).
  131. cc) Diese Auffassung überzeugt indessen nicht.
  132. -7-
  133. (1.) Die Aufgaben des Zwangsverwalters bestimmen sich durch den
  134. Zweck der Zwangsverwaltung, die Ansprüche der Gläubiger aus den Nutzungen des beschlagnahmten Grundstücks zu befriedigen. Er hat deshalb das
  135. Recht und die Pflicht, alle Handlungen vorzunehmen, die erforderlich sind, um
  136. das Grundstück in seinem wirtschaftlichen Bestand zu erhalten und ordnungsgemäß zu benutzen (§ 152 Abs. 1 ZVG; vgl. BGH, Beschl. v. 10 Dezember
  137. 2004, IXa ZB 231/03, WM 2005, 244, 245). Dabei soll die bei der Anordnung
  138. der Verwaltung bestehende Art der Grundstücksnutzung beibehalten werden
  139. (§ 5 Abs. 1 ZwVwV).
  140. Sind hierzu gewerbliche Tätigkeiten erforderlich, gehören auch sie zu
  141. den Aufgaben des Zwangsverwalters (allg.M., vgl. Stöber, aaO, § 152
  142. Anm. 6.2; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, aaO, § 5 ZwVwV Rdn. 17; Steiner/Hagemann, aaO, 9. Aufl., § 152 ZVG Rdn. 94; Dassler/Muth, aaO, § 152
  143. Rdn. 19). Wie die umfassende Einbeziehung von Grundstückszubehör in die
  144. Verwaltungsmasse (§ 148 Abs. 1 ZVG) und das Recht zur Hinzuziehung von
  145. Hilfskräften (§ 1 Abs. 2 Satz 4 ZwVwV) deutlich machen, ist der Verwalter dabei nicht auf die reine Bodennutzung beschränkt (Haarmeyer/Wutzke/
  146. Förster/Hintzen, aaO, § 5 ZwVwV Rdn. 11). Auch unternehmerischen Tätigkeiten wie der Betrieb eines Parkhauses, eines Campingplatzes oder einer Tennishalle werden allgemein für zulässig erachtet (vgl. Stöber, aaO, § 152
  147. Anm. 6.3; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, aaO, § 5 ZwVwV Rdn. 17; Steiner/Hagemann, aaO, § 152 Rdn. 100).
  148. (2.) (a.) Die rechtlichen Grenzen einer solchen, zur ordnungsgemäßen
  149. Nutzung des Grundstücks erforderlichen, gewerblichen Tätigkeit des Zwangsverwalters bestimmen sich nicht danach, ob mit ihr eine Betriebsfortführung
  150. verbunden ist. Richtig ist zwar, daß der Zwangsverwalter nicht zur Fortführung
  151. des - nicht beschlagnahmten - Gewerbebetriebs des Schuldners berufen ist.
  152. -8-
  153. Hierauf zielt seine im eigenen Namen und auf Rechnung der Masse ausgeübte
  154. Tätigkeit aber auch nicht ab, wenn er ein grundstücksbezogenes Unternehmen
  155. fortsetzt. Dem Zwangsverwalter kommt es darauf an, das beschlagnahmte
  156. Grundstück seinem besonderen wirtschaftlichen Gepräge gemäß zu nutzen.
  157. Wenn er sich vor diesem Hintergrund entschließt, den Gewerbebetrieb des
  158. Schuldners aufrechtzuerhalten, insbesondere dessen Angestellten und die vorhandene Betriebsorganisation zu übernehmen, maßt er sich nicht die Stellung
  159. eines Insolvenzverwalters an (so aber OLG Hamm OLGR 1994, 131, 132); insbesondere ist mit seiner Entscheidung keine "Universalsukzession" in alle den
  160. Gewerbebetrieb betreffenden Schuldverhältnisse des Schuldners verbunden
  161. (BAG NJW 1980, 2148, 2149). Der Zwangsverwalter greift allein zum Zweck
  162. der ordnungsgemäßen Nutzung des Grundstücks auf die vorhandenen Betriebsstrukturen zurück, weil es in aller Regel unsinnig ist, diese abzuwickeln,
  163. um anschließend einen neuen Betrieb gleicher wirtschaftlicher Prägung einzurichten (so aber der Vorschlag von Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, aaO,
  164. § 5 ZwVwV Rdn. 11). Dies mag sich mittelbar als Verfügung über beschlagnahmtes Vermögen (vgl. Senat, BGHZ 114, 277, 282 f.) und arbeitsrechtlich als
  165. Fortführung des schuldnerischen Betriebs (vgl. BAG, aaO) darstellen. In erster
  166. Line erfüllt der Zwangsverwalter aber die ihm durch § 152 ZVG gesetzlich zugewiesene Aufgabe, die durch das Grundstück nebst Bestandteilen und Zubehör verkörperte wirtschaftliche Sachgesamtheit (vgl. Dauenheimer, BB 1979,
  167. 989, 990) zu erhalten und im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung zum Zwecke der Zwangsverwaltung zu nutzen (vgl. RGZ 135, 197, 202).
  168. (b.) Gehindert an der Fortführung eines grundstücksbezogenen Unternehmens ist der Zwangsverwalter nur insoweit, als er damit in unzulässigerweise Weise in nicht beschlagnahmte Rechte des Schuldners eingreift (so zutreffend Vollkommer, AP BGB § 613a Nr. 19 Bl. 217). Entgegen der unter
  169. -9-
  170. II. 2. b) bb) dargestellten Auffassung ist das nicht deshalb der Fall, weil der
  171. Zwangsverwalter bei Fortführung des schuldnerischen Gewerbebetriebs mittelbar auch dessen - nicht der Beschlagnahme unterliegenden - immaterielle Bestandteile nutzt.
  172. (aa) Es fehlt bereits an einem Eingriff in den Schutzbereich des Rechts
  173. am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.
  174. Geschäftsidee und -organisation, Know-how, good will, Kundenstamm,
  175. Lieferantenbeziehungen und ähnliche immaterielle Betriebsmittel sind für sich
  176. genommen kein sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB. Sie werden
  177. einem solchen nur gleichgestellt, wenn auf ihrer Grundlage ein Betrieb eingerichtet und ausgeübt wird, also nur, soweit sie Teil einer bestehenden wirtschaftlichen Einheit sind (vgl. Erman/Schiemann, BGB, 11. Aufl., § 823
  178. Rdn. 55). Auch kann das Recht am eingerichteten Gewerbebetrieb nur gegen
  179. "betriebsbezogene" Eingriffe, also gegen Beeinträchtigungen in Anspruch genommen werden, die die Grundlagen des Betriebs bedrohen, den Funktionszusammenhang der Betriebsmittel auf längere Zeit aufheben oder die Tätigkeit
  180. des Inhabers als solche in Frage stellen (BGH, Urt. v. 18. Januar 1983, VI ZR
  181. 270/80, NJW 1983, 812, 813). Ein abwehrfähiger Eingriff setzt mithin einen im
  182. Zeitpunkt der Verletzungshandlung noch bestehenden Funktionszusammenhang der Betriebsmittel voraus.
  183. Ein solcher Zusammenhang ist im Zeitpunkt der Entscheidung des
  184. Zwangsverwalters, einen auf dem beschlagnahmten Grundstück geführten
  185. Gewerbebetrieb des Schuldners fortzusetzen, jedoch nicht mehr vorhanden.
  186. Die organisatorische Einheit des Betriebsvermögens ist bereits mit der - durch
  187. die Anordnung der Zwangsverwaltung bewirkte (§§ 20 Abs. 1, 146 Abs. 1
  188. ZVG) - Beschlagnahme des Grundstücks zerfallen (so auch Haarmeyer/
  189. - 10 -
  190. Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, 3. Aufl., § 5 ZwVwV Rdn. 11). Die
  191. Beschlagnahme hat zur Folge, daß der Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Betriebsgrundstück und - weil die einem grundstücksbezogenen Unternehmen zugeordneten Sachen in aller Regel als Zubehör des
  192. Betriebsgrundstücks anzusehen sind (BGHZ 85, 234, 237) - über die gesamten
  193. auf dem Grundstück befindlichen sächlichen Betriebsmittel verliert (§§ 148, 20
  194. Abs. 2 ZVG, §§ 1120, 94, 97, 98 BGB). Damit ist der Schuldner außer Stande,
  195. seinen Gewerbebetrieb aufrechtzuerhalten (vgl. Vollkommer, AP BGB § 613a
  196. Nr. 19 Bl. 216; Herold DB 1958, 1063). Bewirkt aber bereits die Anordnung der
  197. Zwangsverwaltung das Auseinanderfallen der Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis über das materielle und immaterielle Betriebsvermögen, greift die spätere Entscheidung des Zwangsverwalters, den Betrieb im eigenen Namen fortzusetzen, nicht in einen bestehenden Funktionszusammenhang von Betriebsmitteln ein. Sie führt - im Gegenteil - zur Wiederherstellung der wirtschaftlichen
  198. und organisatorischen Einheit.
  199. (bb.) Im übrigen fehlte es auch an der Rechtswidrigkeit eines Eingriffs.
  200. Das Recht am Gewerbebetrieb stellt einen offenen Tatbestand dar, dessen
  201. Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Interessen- und Güterabwägung mit der
  202. im Einzelfall konkret kollidierenden Interessensphäre anderer ergeben
  203. (st. Rspr., vgl. BGHZ 138, 311, 318 m.w.N.). Die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs wird hier nicht indiziert, sondern ist in jedem Einzelfall unter Heranziehung aller Umstände zu prüfen (BGHZ 59, 30, 34). Bei der danach gebotenen
  204. Abwägung der Interessen des Schuldners mit denen der die Vollstreckung
  205. betreibenden Gläubiger stellt sich die Fortführung des Betriebs durch den
  206. Zwangsverwalter nicht als unzulässig dar, sondern erweist sich geradezu als
  207. geboten.
  208. - 11 -
  209. Dürfte der Zwangsverwalter einen grundstücksbezogenen Gewerbebetrieb nicht fortführen und nicht an Dritte verpachten, müßte er ihn schließen
  210. oder das Grundstück dem Schuldner gegen Entgelt überlassen. Die zuletzt genannte Möglichkeit wird häufig unzweckmäßig sein, insbesondere wenn das
  211. Zahlungsverhalten des Schuldners in der Vergangenheit Anlaß zur Zwangsvollstreckung gegeben hat und deshalb zu erwarten ist, daß der Schuldner
  212. auch das Nutzungsentgelt alsbald schuldig bleiben wird. Das Recht am Gewerbebetrieb verpflichtet den Zwangsverwalter auch nicht, dem Schuldner die
  213. Fortführung seines Gewerbebetriebs zu ermöglichen, denn es schützt nicht vor
  214. den Auswirkungen einer rechtmäßigen Zwangsvollstreckung in Teile des Unternehmens (BGHZ 74, 9, 14 f.).
  215. Eine auch nur vorübergehende Schließung des Betriebs führt regelmäßig zu erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen für das Grundstück und für das
  216. Unternehmen; sie liegt daher weder im Interesse der Gläubiger noch des
  217. Schuldners. Für die Zwecke der Zwangsverwaltung läßt sich das Grundstück
  218. dann nur nutzbar machen, wenn sich ein geeigneter Pächter findet, dem es
  219. lohnend erscheint, darauf einen neuen Betrieb zu eröffnen. Das wird vor allem
  220. dann kaum aussichtsreich sein, wenn mit der Zwangsverwaltung - wie häufig,
  221. und so auch hier - die Zwangsversteigerung des Grundstücks eingeleitet worden ist, ein Pächter nach deren Abschluß also mit einer Sonderkündigung des
  222. Erstehers (§ 57a ZVG) rechnen muß (vgl. OLG Celle Rpfleger 1989, 519; Selke, ZfIR 2002, 622, 625).
  223. Aus Sicht des Schuldners ist zu berücksichtigen, daß die Zwangsverwaltung nur als vorübergehende Maßnahme gedacht ist; sie ist aufzuheben, sobald die Ansprüche der Gläubiger befriedigt sind (§ 161 Abs. 2 ZVG). Mit der
  224. Aufhebung der Zwangsverwaltung erlangt der Schuldner wieder die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnisse über sein Grundstück und die von der Be-
  225. - 12 -
  226. schlagnahme erfaßten sächlichen Betriebsmittel. Hiermit ist ihm freilich wenig
  227. gedient, wenn sein Gewerbebetrieb im Rahmen der Zwangsverwaltung eingestellt und so, infolge des Auseinanderlaufens der Belegschaft und des Verlusts
  228. der Kunden, am Boden liegt oder gar zerstört ist. Demgegenüber stellt es die
  229. mildere Belastung dar, wenn der Betrieb im Rahmen einer ordnungsgemäßen
  230. Nutzung des Grundstücks durch den Zwangsverwalter fortgeführt worden ist
  231. (so auch Selke, aaO).
  232. Auch soweit die Zwangsverwaltung in erster Linie mit dem Ziel beantragt
  233. worden ist, die Zwangsversteigerung vorzubereiten (dazu BGH, Beschl. v.
  234. 10. Dezember 2004, IXa ZB 231/03, WM 2005, 244, 245), liegt die Aufrechterhaltung der bisherigen gewerblichen Nutzung des Grundstücks im Interesse
  235. des Schuldners. Sie ist in der Regel eher als eine Betriebsschließung geeignet,
  236. den Versteigerungserlös günstig zu beeinflussen, führt also nicht nur zu höheren Einnahmen der Gläubiger, sondern auch zu einer weitergehenden Rückführung der Verbindlichkeiten des Schuldners (vgl. OLG Celle Rpfleger 1989,
  237. 519).
  238. (c.) Der Fortführung eines Gewerbebetriebs stehen Rechte des Schuldners damit nur entgegen, soweit diese unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zum
  239. Unternehmen durch § 823 Abs.1 BGB geschützt sind, wie etwa gewerbliche
  240. Schutzrechte, Namensrechte oder das Eigentum an Geschäftsbüchern. Ihre
  241. Nutzung kann der Zwangsverwalter aber über vertragliche Regelungen mit dem
  242. Schuldner erreichen (vgl. BAG NJW 1980, 2148, 2149; Vollkommer, AP BGB
  243. § 613a Nr. 19 Bl. 217; für zulässig halten dies im allgemeinen auch Stöber,
  244. ZVG, 17. Aufl., § 152 ZVG Anm. 6.8 und Steiner/Hagemann, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 9. Aufl., § 152 ZVG Rdn. 91).
  245. - 13 -
  246. 3. Nach diesen Grundsätzen ist der Zwangsverwalter hier befugt, den
  247. Hotelbetrieb des Schuldners fortzuführen. Daß er in beschlagnahmefreie und
  248. unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zum Gewerbebetrieb geschützte Rechtspositionen des Schuldners eingegriffen hätte, behauptet der Schuldner nicht;
  249. die Buchungsunterlagen hat er freiwillig an den Zwangsverwalter herausgegeben. Der Schuldner meint lediglich, der Zwangsverwalter dürfe das Hotel nicht
  250. selbst führen, sondern müsse es an einen Dritten verpachten. Hierzu mag der
  251. Zwangsverwalter nach § 5 Abs. 2 ZvVwV gehalten sein, wenn er einen geeigneten Pächter findet. Solange dies nicht gelingt oder aus anderen Gründen
  252. unzweckmäßig erscheint, ist er aus den dargelegten Erwägungen - erforderlichenfalls auch für die gesamte Dauer der Zwangsverwaltung (vgl. RGZ 135,
  253. 197, 202) - befugt, den Betrieb selbst fortzusetzen.
  254. - 14 -
  255. III.
  256. Der angefochtene Beschluß kann somit keinen Bestand haben. Der Senat ist in der Lage, in der Sache selbst zu entscheiden, da auch im übrigen keine Gründe vorliegen, die einer Fortführung des Hotelbetriebs durch den
  257. Zwangsverwalter entgegenstehen (§ 577 Abs. 5 ZPO). Insbesondere besitzt er
  258. die dazu erforderliche öffentlich-rechtliche Genehmigung in Form einer Stellvertretererlaubnis nach § 9 GastG (vgl. Michel/Kienzle/Pauly, Das Gaststättengesetz, 14. Aufl., § 9 Rdn. 3). Das führt zur Wiederherstellung der Entscheidung des Amtsgerichts.
  259. IV.
  260. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
  261. Wenzel
  262. Klein
  263. Zoll
  264. Schmidt-Räntsch
  265. Stresemann