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4.8 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. V ZB 197/14
  4. vom
  5. 12. März 2015
  6. in der Abschiebungshaftsache
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. AufenthG § 72 Abs. 4
  14. Nach dem rechtskräftigen Abschluss eines gegen den Ausländer gerichteten
  15. Strafverfahrens bedarf es für die Abschiebung nicht mehr des Einvernehmens der
  16. Staatsanwaltschaft im Sinne von § 72 Abs. 4 AufenthG; aus § 456a StPO ergibt
  17. sich nichts anderes.
  18. BGH, Beschluss vom 12. März 2015 - V ZB 197/14 - LG Stuttgart
  19. AG Nürtingen
  20. -2-
  21. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. März 2015 durch die
  22. Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, den Richter Dr. Roth, die Richterinnen
  23. Dr. Brückner und Weinland und den Richter Dr. Kazele
  24. beschlossen:
  25. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer
  26. des Landgerichts Stuttgart vom 20. Oktober 2014 wird auf Kosten
  27. des Betroffenen zurückgewiesen.
  28. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
  29. 5.000 €.
  30. Gründe:
  31. I.
  32. 1
  33. Der Betroffene, ein algerischer Staatsangehöriger, reiste im Jahr 2009 in
  34. die Bundesrepublik Deutschland ein. Sein Asylantrag wurde im Jahr 2010 unter
  35. Androhung der Abschiebung abgelehnt. Ab dem 31. Oktober 2012 befand er
  36. sich in Untersuchungshaft und wurde am 9. Januar 2013 rechtskräftig zu einer
  37. Freiheitsstrafe verurteilt. Diese wurde bis zum 7. Mai 2013 vollstreckt und der
  38. Strafrest sodann zur Bewährung ausgesetzt. Der für den 23. August 2013
  39. geplanten Abschiebung entzog sich der Betroffene durch Flucht. Am 6. März
  40. 2014
  41. wurde
  42. rücküberstellt.
  43. er
  44. aus
  45. Schweden
  46. an
  47. die
  48. Bundesrepublik
  49. Deutschland
  50. -3-
  51. 2
  52. Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht am 6. März 2014
  53. Sicherungshaft bis zum 15. April 2014 angeordnet. Die Beschwerde, die nach
  54. der
  55. am
  56. 9.
  57. April
  58. Rechtswidrigkeit
  59. 2014
  60. der
  61. zurückgewiesen.
  62. erfolgten
  63. Inhaftierung
  64. Dagegen
  65. Abschiebung
  66. gerichtet
  67. wendet
  68. sich
  69. auf
  70. Feststellung
  71. ist,
  72. hat
  73. das
  74. der
  75. Betroffene
  76. der
  77. Landgericht
  78. mit
  79. der
  80. Rechtsbeschwerde.
  81. II.
  82. 3
  83. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
  84. 4
  85. 1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war der Haftantrag
  86. zulässig. Insbesondere bedurfte es keiner Ausführungen zu dem Einvernehmen
  87. der Staatsanwaltschaft (§ 72 Abs. 4 AufenthG).
  88. 5
  89. a) Das gegen den Betroffenen gerichtete Strafverfahren war bereits vor
  90. der Anordnung der Abschiebungshaft mit der rechtskräftigen Verurteilung zu
  91. einer Freiheitsstrafe beendet worden. Da § 72 Abs. 4 AufenthG auf die
  92. Erhebung der öffentlichen Klage und die Einleitung des Ermittlungsverfahrens
  93. Bezug nimmt, ist das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft nur bis zu dem
  94. rechtskräftigen
  95. Abschluss
  96. des
  97. Strafverfahrens
  98. erforderlich.
  99. Dies
  100. soll
  101. gewährleisten, dass Strafverfahren abgeschlossen werden können, bei denen
  102. das öffentliche Strafverfolgungsinteresse das Interesse an der sofortigen Aboder Zurückschiebung überwiegt (vgl. Senat, Beschluss vom 24. Februar 2011
  103. - V ZB 202/10, FGPrax 2011, 146 Rn. 22).
  104. -4-
  105. 6
  106. b) Nach diesem Zeitpunkt bedarf es des Einvernehmens nicht mehr.
  107. Allerdings kann die Staatsanwaltschaft gemäß § 456a StPO - nunmehr
  108. allerdings als Vollstreckungsbehörde (§ 451 StPO) - von der Vollstreckung einer
  109. Freiheitsstrafe, einer Ersatzfreiheitsstrafe oder einer Maßregel der Besserung
  110. und Sicherung unter anderem dann absehen, wenn der Verurteilte aus dem
  111. Bundesgebiet ausgewiesen wird. Dies ist jedoch von dem in § 72 Abs. 4
  112. AufenthG
  113. geregelten
  114. Einvernehmen
  115. zu
  116. unterscheiden.
  117. Während
  118. einer
  119. laufenden Vollstreckung setzt die Abschiebung notwendigerweise voraus, dass
  120. die Vollstreckungsbehörde beteiligt wird und von der weiteren Vollstreckung
  121. absieht. Ungeachtet dessen kann Abschiebungshaft parallel zu der Strafhaft
  122. angeordnet werden, wenn deren formelle und materielle Voraussetzungen
  123. vorliegen (Senat, Beschluss vom 4. Dezember 2014 - V ZB 77/14 Rn. 7 f., juris,
  124. vorgesehen zum Abdruck in BGHZ). Dass die Vollstreckungsbehörde erklärt,
  125. von der weiteren Vollstreckung nicht abzusehen, kann der Anordnung von
  126. Abschiebungshaft nur unter dem Gesichtspunkt der Undurchführbarkeit der
  127. Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate entgegenstehen (vgl. § 62
  128. Abs. 3 Satz 4 AufenthG).
  129. 7
  130. c) Wird - wie hier - die Strafhaft im Zeitpunkt der Anordnung der
  131. Abschiebungshaft nicht (mehr) vollstreckt, weil der Strafrest zur Bewährung
  132. ausgesetzt worden ist, oder wird von vornherein eine Bewährungsstrafe
  133. verhängt, muss die Vollstreckungsbehörde ohnehin nicht beteiligt werden, und
  134. zwar auch dann nicht, wenn Gründe für einen Widerruf der Strafaussetzung zur
  135. Bewährung vorliegen. Die gegenteilige Auffassung der Rechtsbeschwerde
  136. findet keine Grundlage im Gesetz.
  137. -5-
  138. 8
  139. 2. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
  140. Stresemann
  141. Roth
  142. Weinland
  143. Brückner
  144. Kazele
  145. Vorinstanzen:
  146. AG Nürtingen, Entscheidung vom 06.03.2014 - 511 XIV 229/14 LG Stuttgart, Entscheidung vom 20.10.2014 - 19 T 114/14 -