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13 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. V ZB 126/14
  4. vom
  5. 22. Oktober 2015
  6. in der Grundbuchsache
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. BGB §§ 741, 1008, 2033 Abs. 1
  14. Übertragen Miterben ihre Anteile am Nachlass jeweils zu gleichen Bruchteilen auf
  15. mehrere Erwerber, entsteht eine Bruchteilsgemeinschaft nur an den Erbteilen. Hinsichtlich des Nachlasses bleiben die Inhaber der Erbteile gesamthänderisch verbunden.
  16. Befindet sich im Nachlass ein Grundstück, werden die Erwerber deshalb mit dem
  17. Zusatz „in Erbengemeinschaft“ als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Ihre
  18. Eintragung als Miteigentümer ist nur nach entsprechender Auflassung möglich.
  19. BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2015 - V ZB 126/14 - OLG Jena
  20. AG Jena
  21. -2-
  22. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Oktober 2015 durch die
  23. Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. SchmidtRäntsch und Dr. Brückner, den Richter Dr. Göbel und die Richterin Haberkamp
  24. beschlossen:
  25. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats
  26. des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 16. Juni 2014 wird
  27. zurückgewiesen.
  28. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
  29. 5.000 €.
  30. Gründe:
  31. I.
  32. 1
  33. Der 1948 verstorbene P. W. wurde von Dr. R. und A. W. beerbt, die in
  34. das Grundbuch als Eigentümer des zum Nachlass gehörenden Grundstücks „in
  35. Erbengemeinschaft“
  36. eingetragen
  37. wurden.
  38. Mit
  39. notarieller
  40. Urkunde
  41. vom
  42. 25. Februar 2013 übertrug jeder der beiden Miterben seinen Erbanteil jeweils
  43. zur Hälfte auf die Beteiligten zu 1 und 2. Diese wurden ebenfalls mit dem Zusatz „in Erbengemeinschaft“ in das Grundbuch eingetragen. Sie haben beantragt, das Grundbuch dahin zu berichtigen, dass sie unter Wegfall des Zusatzes
  44. „in Erbengemeinschaft“ als Miteigentümer zu je 1/2 eingetragen werden.
  45. 2
  46. Das Grundbuchamt hat den Berichtigungsantrag zurückgewiesen mit der
  47. Begründung, zur Entstehung einer Miteigentümergemeinschaft bedürfe es einer
  48. -3-
  49. Erbauseinandersetzung nebst Auflassung. Die dagegen gerichtete Beschwerde
  50. hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen die Beteiligten zu 1 und 2 ihren Antrag auf Grundbuchberichtigung weiter.
  51. II.
  52. 3
  53. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung u.a. in MittBayNot 2015,
  54. 323 veröffentlicht ist, meint, die Veräußerung sämtlicher Miteigentumsanteile an
  55. die Beteiligten habe die gesamthänderische Bindung des Eigentums nicht entfallen lassen, so dass es zur Begründung von Bruchteilseigentum an dem zum
  56. Nachlass gehörenden Grundstück einer Auflassung bedürfe. Ein derartiger Erwerb führe zur Entstehung einer Bruchteilsgemeinschaft an den erworbenen
  57. Erbanteilen innerhalb der bestehenden Gesamthandsgemeinschaft, die auch
  58. bei vollständiger Auswechslung ihrer Mitglieder fortgesetzt werde.
  59. III.
  60. 4
  61. Der nach § 78 GBO statthaften und auch im Übrigen zulässigen Rechtsbeschwerde bleibt in der Sache der Erfolg versagt. Die Erwägungen des Beschwerdegerichts halten einer rechtlichen Überprüfung stand.
  62. 5
  63. 1. Zutreffend legt das Beschwerdegericht zugrunde, dass über einen
  64. Erbteil auch in Bruchteilen verfügt werden kann (ganz hM, vgl. nur Senat, Urteil
  65. vom 28. Juni 1963 - V ZR 15/62, NJW 1963, 1610, 1611; Staudinger/Werner,
  66. BGB [2010], § 2033 Rn. 7; Lange, Erbrecht, 2011, § 56 Rn. 23; jeweils mwN;
  67. skeptisch Otto, NotBZ 2015, 26, 27 mwN) und dass die Überführung eines im
  68. Gesamthandseigentum stehenden Nachlassgrundstücks in Bruchteilseigentum
  69. der Auflassung bedarf (vgl. Senat, Beschluss vom 9. Juli 1956 - V BLw 11/56,
  70. BGHZ 21, 229, 231; OLG München, FamRZ 2012, 154 f. mwN).
  71. -4-
  72. 6
  73. 2. Mit Recht geht das Beschwerdegericht auch davon aus, dass die gesamthänderische Bindung vorliegend nicht mit der Folge erloschen ist, dass die
  74. Beteiligten an dem Grundstück Bruchteilseigentum erworben haben.
  75. 7
  76. a) Allerdings ist umstritten, ob bei Übertragung aller Erbteile zu gleichen
  77. Bruchteilen auf mehrere Erwerber die Erbengemeinschaft fortbesteht (so
  78. BayObLG, NJW 1968, 505; KGJ 46, 181, 184 ff.; KG, NJW-RR 1999, 880, 882;
  79. Palandt/Weidlich, BGB, 74. Aufl., § 2033 Rn. 2; Lange/Kuchinke, Erbrecht,
  80. 5. Aufl., S. 1090; Tiedtke, JuS 1977, 158, 160 f; Lehmann, NJW 1976, 263, 264;
  81. Haegele, Rpfleger 1968, 173, 177; vgl. auch OLG Köln, Rpfleger 1974, 109 f.;
  82. zumindest der Sache nach nunmehr auch BFHE 117, 270, 271 f.) oder ob sie
  83. erlischt mit der Folge, dass die Erwerber ohne vorherige Auflassung als Bruchteilseigentümer des zum Nachlass gehörenden Grundstücks eingetragen werden können (so Staudinger/Werner, BGB [2010], § 2033 Rn. 7; ders., ZEV
  84. 2014, 604 f.; Soergel/Wolf, BGB, 13. Aufl., § 2033 Rn. 15; Bayer/Scholz, ZErb
  85. 2015, 149, 150 ff.; Werner, ZEV 2014, 604; wohl auch MüKoBGB/Schmidt,
  86. 6. Aufl., § 1008 Rn. 11).
  87. 8
  88. b) Der Senat teilt die zuerst genannte Auffassung.
  89. 9
  90. aa) Der Gesetzgeber hat die Miterbengemeinschaft als Gesamthandsverhältnis mit der Folge ausgestaltet, dass ein Miterbe nach § 2033 Abs. 2 BGB
  91. über „seinen Anteil“ an einzelnen Nachlassgegenständen nicht verfügen kann
  92. (vgl. Prot. Bd. V, 1899, S. 835 f. u. 838); das gilt selbst dann, wenn der Nachlass nur (noch) aus einem einzigen Vermögensgegenstand besteht (vgl. BGH,
  93. Urteil vom 14. Oktober 1969 - III ZR 73/66, NJW 1969, 92). Um die daraus resultierenden Härten abzumildern, hat er dem Miterben allerdings gemäß § 2033
  94. Abs. 1 BGB die Befugnis eingeräumt, über seinen Anteil am Nachlass zu verfügen, um auf diese Weise eine alsbaldige Verwertbarkeit des Erbteils sicherzu-
  95. -5-
  96. stellen (vgl. Prot. Bd. V, 1899, S. 835 f. u. 838). Wird ein Erbteil veräußert, führt
  97. dies dazu, dass der Veräußerer aus der mit dem Erbfall kraft Gesetzes zwischen ihm und den übrigen Miterben entstandenen Gesamthandsgemeinschaft
  98. ausscheidet und die Gemeinschaft mit dem Erwerber fortgeführt wird (vgl. nur
  99. Senat, Beschluss vom 9. Juli 1956 - V BLw 11/56, BGHZ 21, 229, 231; Urteil
  100. vom 28. Juni 1963 - V ZR 15/62, NJW 1963, 1610, 1611; BayObLG, NJW 1968,
  101. 505; KG, NJW-RR 1999, 880, 882). Das gilt nach der Wertung des § 2037 BGB
  102. zumindest grundsätzlich selbst dann, wenn keine Miterben mehr beteiligt sind,
  103. sondern nur noch Dritte Erbteile halten. Ansonsten litte die Verkehrsfähigkeit
  104. des Erbteils, weil ein Erwerber in Rechnung stellen müsste, dass der Anteil von
  105. dem Ausscheiden des letzten Miterben an nicht mehr als solcher übertragen
  106. werden könnte. Dass die durch den Erbfall begründete Gesamthandsgemeinschaft im Grundsatz auf Auseinandersetzung und damit auf Beendigung angelegt ist, ändert daran nichts.
  107. 10
  108. bb) Der Fortbestand der durch den Erbfall begründeten Gesamthandsgemeinschaft kann nur ausnahmsweise verneint werden, weil nicht nur die erbrechtliche, sondern auch die sachenrechtliche Zuordnung in Rede steht, die mit
  109. Blick auf die Erfordernisse des Rechtsverkehrs in erhöhtem Maße der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit bedarf. Vor diesem Hintergrund kann eine teleologische Reduktion nur in zweifelsfreien Fällen und bei typisierender Betrachtung zum Tragen kommen, praktische Gründe allein rechtfertigen sie nicht (aA
  110. MüKoBGB/Schmidt, aaO, § 1008 Rn. 11, der trotz rechtsdogmatischer Bedenken das Vorliegen „rechtspraktischer“ Gründe für ausreichend hält).
  111. 11
  112. (1) So ist es anerkannt, dass die Gesamthandsgemeinschaft erlischt,
  113. wenn ein Miterbe oder ein Dritter sämtliche Erbanteile erwirbt und sich damit
  114. sämtliche Erbteile in ein und derselben (natürlichen oder juristischen) Person
  115. vereinigen. Die Rechtslage ist dann keine andere als bei dem Erwerb des
  116. -6-
  117. Nachlasses durch einen Alleinerben (vgl. nur BGH, Urteil vom 19. März 1992
  118. - IX ZR 14/91, NJW-RR 1992, 733 mwN). Der rechtsgeschäftlich Erwerbende
  119. ist so zu stellen, wie er als Alleinerbe stünde. Ein Bedürfnis, über den Nachlass
  120. als Ganzes zu verfügen, besteht in beiden Fällen nicht (mehr). Eine Auseinandersetzung
  121. mit
  122. Mitberechtigten
  123. findet
  124. nicht
  125. statt.
  126. Sowohl
  127. der
  128. Alleinerbe als auch der Erwerber sämtlicher Erbteile kann ohne weiteres die
  129. rechtlichen Voraussetzungen für eine Verfügung über Einzelgegenstände
  130. schaffen; der Abstimmung mit Mitberechtigten bedarf es hierzu von vornherein
  131. nicht. Der Grund für die Einräumung der Möglichkeit, über den Erbteil zu verfügen, besteht in solchen Fällen nicht oder nicht mehr. Der mit dem Modell der
  132. gesamthänderischen Bindung verbundene Nachteil, wonach der Mitberechtigte
  133. nicht über seinen Anteil an einzelnen Nachlassgegenständen verfügen kann
  134. (§ 2033 Abs. 2 BGB), braucht nicht (mehr) durch die Möglichkeit der Verfügung
  135. über den Erbteil abgefedert zu werden.
  136. 12
  137. (2) Hier hat kein Erwerb sämtlicher Erbanteile durch einen Erwerber
  138. stattgefunden. Wird der Erbteil anteilig auf mehrere Erwerber übertragen, bilden
  139. die Erwerber eine Gemeinschaft nach Bruchteilen (§ 741 BGB). Die Bruchteilsgemeinschaft gibt es aber nicht als solche, sondern nur bezogen auf das Recht,
  140. das den Mitgliedern der Gemeinschaft gemeinschaftlich zusteht. Handelt es
  141. sich um mehrere Erbteile, besteht an diesen jeweils eine Bruchteilsgemeinschaft. Hinsichtlich des Nachlasses bleiben die Inhaber der Erbteile gesamthänderisch verbunden; eine Vereinigung der Erbteile zu einer Bruchteilsgemeinschaft am Nachlass tritt nicht ein (vgl. Lohmann, MittBayNot 2015, 324).
  142. 13
  143. (3) Für den Fortbestand der Erbengemeinschaft gibt es darüber hinaus
  144. gute Gründe: Bei dem anteilsmäßigen Erwerb sämtlicher Erbteile durch eine
  145. Mehrzahl von Erwerbern wird diesen bei der gebotenen typisierenden Betrachtung mit Blick auf die ansonsten eintretende verschärfte Miterbenhaftung (vgl.
  146. -7-
  147. § 2059 Abs. 1 Satz 1, § 2060 BGB) regelmäßig daran gelegen sein, vor einer
  148. Aufteilung des Nachlasses zunächst die Nachlassverbindlichkeiten zu berichtigen (Tiedtke, JuS 1977, 158, 161). In aller Regel kann auch erst nach Klärung
  149. der Passivseite des Nachlasses eine sachgerechte Entscheidung darüber getroffen werden, ob und ggf. hinsichtlich welcher Nachlassgegenstände eine
  150. Auseinandersetzung stattfindet, ob sie in Allein- oder Bruchteilseigentum überführt werden sollen oder ob es zweckmäßig erscheint, die Gesamthandsbindung bis auf weiteres aufrechtzuerhalten. Das gilt auch dann, wenn ein Grundstück der einzige Nachlassgegenstand ist. Es steht weiterhin im Gesamthandseigentum.
  151. 14
  152. Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob die Beendigung der gesamthänderischen Bindung zudem zu einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der Nachlassgläubiger führte (bejahend Tiedtke, aaO; aA Bayer/Scholz,
  153. ZErb 2015, 149, 151 f.), die über dasjenige Maß hinausgehen, welches die
  154. Gläubiger bei Vereinigung aller Anteile in einer Hand hinzunehmen hätten.
  155. 15
  156. c) Die Voraussetzungen für eine Vorlage an den Gemeinsamen Senat
  157. der obersten Gerichtshöfe des Bundes nach § 2 Abs. 1 RsprEinhG liegen nicht
  158. vor. Zwar weicht der Senat von der in dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom
  159. 11. Juni 1975 (NJW 1975, 2119) zugrunde gelegten Rechtsauffassung ab, wonach die durch den Erbfall begründete Gesamthandsgemeinschaft bei Erbteilsübertragungen der vorliegenden Art ihr Ende findet. Jedoch entfällt die Vorlagepflicht, wenn die frühere Entscheidung überholt ist (vgl. nur Kissel/
  160. Mayer, GVG, 7. Aufl., zu § 132 GVG Rn. 20). Davon ist hier schon deshalb
  161. auszugehen, weil der Bundesfinanzhof nunmehr in ständiger Rechtsprechung
  162. davon ausgeht, dass schon die Übertragung eines Erbteils den Tatbestand des
  163. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEstG verwirklicht, sofern zu dem Nachlass ein Grundstück
  164. gehört (vgl. nur BFHE 117, 270, 271 ff.; BFHE 178, 468; BFHE 246, 222
  165. -8-
  166. Rn. 9 f. mwN). Davon abgesehen liegt eine zur Vorlage führende Abweichung
  167. auch dann nicht (mehr) vor, wenn die zur Divergenz führende Rechtsauffassung mittlerweile aufgegeben worden ist (vgl. nur BFH, Beschluss vom 22. Juli
  168. 2014 - XI B 29/14, juris Rn. 11 mwN, zu § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO; Kissel/Mayer,
  169. aaO). So liegt es hier. In der Entscheidung vom 17. Juli 1975 (BFHE 117, 270)
  170. hat der Bundesfinanzhof nicht nur seine steuerliche Rechtsauffassung geändert. Er ist zudem von der früheren zivilrechtlichen Beurteilung zur Beendigung
  171. der Gesamthandsgemeinschaft durch Erwerb sämtlicher Erbteile abgerückt,
  172. indem er ausführt, dass nach der Erbteilsübertragung Eigentum zur gesamten
  173. Hand bestehe (aaO, S. 271), dass die Erbengemeinschaft nicht erloschen sei,
  174. weil die Erbanteile niemals in einer Hand zusammengefasst worden seien
  175. (aaO, S. 271) und dass die Überführung gesamthänderisch gebundenen Eigentums in Bruchteilseigentum der (rechtsgeschäftlichen) Übertragung bedürfe
  176. (aaO, S. 272).
  177. -9-
  178. IV.
  179. 16
  180. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 36 Abs. 3 GNotKG.
  181. Stresemann
  182. RinBGH Prof. Dr. Schmidt-Räntsch
  183. Brückner
  184. ist infolge einer Dienstreise an der Unterschrift
  185. gehindert.
  186. Karlsruhe, den 12. November 2015
  187. Die Vorsitzende
  188. Stresemann
  189. Göbel
  190. Haberkamp
  191. Vorinstanzen:
  192. AG Jena - Grundbuchamt -, Entscheidung vom 14.04.2014 - JE-2094 OLG Jena, Entscheidung vom 16.06.2014 - 3 W 184/14 -