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137 lines
5.2 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. V ZB 119/13
  4. vom
  5. 30. Oktober 2013
  6. in der Abschiebungshaftsache
  7. -2-
  8. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Oktober 2013 durch die
  9. Vorsitzende
  10. Richterin
  11. Dr. Stresemann,
  12. die
  13. Richter
  14. Dr. Lemke
  15. und
  16. Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland
  17. beschlossen:
  18. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass
  19. der Beschluss des Amtsgerichts Schmallenberg vom 20. Juli 2013
  20. und der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg
  21. vom 9. August 2013 ihn in seinen Rechten verletzt haben.
  22. Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur
  23. zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen
  24. des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Hochsauerlandkreis auferlegt.
  25. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
  26. 3.000 €.
  27. Gründe:
  28. I.
  29. 1
  30. Der Betroffene, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste erstmals im Jahr
  31. 1995 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sein Asylantrag blieb ebenso erfolglos wie sein Asylfolgeantrag.
  32. -3-
  33. 2
  34. Mit Verfügung der beteiligten Behörde vom 3. April 2013 wurde der Betroffene aus dem Bundesgebiet ausgewiesen und zur Ausreise aufgefordert.
  35. Ein für den 14. Mai 2013 gebuchter Rückführungsflug konnte nicht durchgeführt
  36. werden, weil der Betroffene nicht erschienen war.
  37. 3
  38. Auf Antrag der beteiligten Behörde vom 20. Juli 2013 hat das Amtsgericht an demselben Tag die Haft zur Sicherung der Abschiebung des Betroffenen bis zum 19. Oktober 2013 angeordnet. Zur Begründung der Haftdauer heißt
  39. es, dass die Zeit erforderlich sei, weil für den Betroffenen noch ein Abschiebungsflug in die Türkei gebucht werden und dieser Flug aufgrund des bei dem
  40. Betroffenen vorhandenen Aggressionspotentials durch mehrere Beamte der
  41. Bundespolizei begleitet werden müsse.
  42. 4
  43. Die Beschwerde gegen die Haftanordnung hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen. Mit
  44. Beschluss vom 14. August 2013 hat der Senat die Vollziehung der Haft einstweilen ausgesetzt. Der Betroffene beantragt nunmehr festzustellen, durch die
  45. Beschlüsse des Amts- und des Landgerichts in seinen Rechten verletzt worden
  46. zu sein.
  47. II.
  48. 5
  49. Nach Ansicht des Beschwerdegerichts lagen die in § 62 Abs. 2 Satz 1
  50. Nr. 2 und 5 AufenthG genannten Haftgründe vor. Der Vortrag des Betroffenen,
  51. er habe freiwillig ausreisen wollen, sei nicht glaubhaft. Es sei nicht davon auszugehen gewesen, dass die Abschiebung innerhalb der angeordneten Haftzeit
  52. nicht habe durchgeführt werden können. In dem Termin zur Anhörung des Betroffenen durch das Beschwerdegericht habe die beteiligte Behörde mitgeteilt,
  53. dass die Abschiebung für den 20. August 2013 vorgesehen gewesen sei. Die-
  54. -4-
  55. ser Umstand habe gezeigt, dass die beteiligte Behörde nicht gegen das Beschleunigungsgebot verstoßen habe.
  56. III.
  57. 6
  58. Die Rechtsbeschwerde ist nach Erledigung der Hauptsache durch den
  59. Ablauf der angeordneten Haftdauer analog § 62 FamFG ohne Zulassung nach
  60. § 70 Abs. 3 Nr. 3 FamFG statthaft (siehe nur Senat, Beschluss vom 29. April
  61. 2010 - V ZB 218/09, InfAuslR 2010, 359, 360). Im Übrigen ist sie form- und
  62. fristgerecht gemäß § 71 FamFG eingelegt. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
  63. 7
  64. 1. Die Haftanordnung war rechtswidrig, weil es an einem zulässigen
  65. Haftantrag fehlte.
  66. 8
  67. a) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des
  68. Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist
  69. der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der
  70. zweifelfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der
  71. Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der
  72. notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3-5 FamFG). Zwar dürfen die
  73. Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein; sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falls wesentlichen Punkte ansprechen. Fehlt es daran, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr., siehe nur Senat, Beschluss vom 10. Mai 2012 - V ZB 246/11,
  74. InfAuslR 2012, 328 Rn. 10; Beschluss vom 6. Dezember 2012 - V ZB 118/12,
  75. juris Rn. 4; Beschluss vom 31. Januar 2013 - V ZB 20/12, FGPrax 2013, 130
  76. Rn. 15 - jeweils mwN).
  77. 9
  78. b) Den genannten Anforderungen genügte der Haftantrag der beteiligten
  79. Behörde nicht, weil er keine ausreichenden Angaben zu der notwendigen Haft-
  80. -5-
  81. dauer enthält. Zur Begründung wird, um bloße Wiederholungen zu vermeiden,
  82. auf den Senatsbeschluss vom 14. August 2013 unter 1. b) verwiesen.
  83. 10
  84. 2. Die Aufrechterhaltung der Haftanordnung durch das Beschwerdegericht war ebenfalls rechtswidrig. Auch hierzu wird zur Begründung auf den Senatsbeschluss vom 14. August 2013, dort unter 2. a) und b), verwiesen.
  85. IV.
  86. 11
  87. Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1, § 83 Abs. 2, § 430
  88. FamFG, Art. 5 EMRK analog, § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO. Die Festsetzung des
  89. Gegenstandswerts für das Rechtsbeschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in
  90. § 128c Abs. 2, § 30 Abs. 2 KostO.
  91. Stresemann
  92. Lemke
  93. Brückner
  94. Schmidt-Räntsch
  95. Weinland
  96. Vorinstanzen:
  97. AG Schmallenberg, Entscheidung vom 20.07.2013 - 10 XIV 2/13 B LG Arnsberg, Entscheidung vom 09.08.2013 - I-6 T 187/13 -