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25 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. RiZ(R) 4/03
  5. vom
  6. 3. November 2004
  7. in dem Prüfungsverfahren
  8. des Richters
  9. Antragsteller, Berufungskläger,
  10. Revisionskläger und Revisionsbeklagter,
  11. gegen
  12. das Land
  13. Antragsgegner, Berufungsbeklagter,
  14. Revisionsbeklagter und Revisionskläger,
  15. wegen Anfechtung einer Maßnahme der Dienstaufsicht
  16. -2-
  17. Der Bundesgerichtshof, Dienstgericht des Bundes, hat am 3. November
  18. 2004 ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden Richter am
  19. Bundesgerichtshof Nobbe, die Richterin am Bundesgerichtshof SolinStojanovi , die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Kniffka und
  20. Dr. Joeres sowie die Richterin am Bundesgerichtshof Mayen
  21. für Recht erkannt:
  22. Auf die Rechtsmittel des Antragstellers werden das Urteil des Dienstgerichtshofes bei dem Kammergericht
  23. vom 1. Oktober 2003 im Kostenpunkt und insoweit, als
  24. zum Nachteil des Antragstellers entschieden worden
  25. ist, aufgehoben und das Urteil des Dienstgerichts bei
  26. dem Landgericht Berlin vom 19. August 2002 abgeändert:
  27. 1. Der an den Antragsteller gerichtete Bescheid der
  28. Präsidentin des Kammergerichts vom 6. März 2001
  29. ist unzulässig, soweit darin ausgeführt wird: "Angesichts der objektiv beträchtlichen Länge des Verfahrens und Ihrer mitgeteilten Einschätzung, im September 2000 zu entscheiden, durften die Beteiligten
  30. dann aber die Entscheidung erwarten. Daß im übrigen jedenfalls ein Zwischenbescheid geboten gewesen wäre, wenn - was für mich nicht ersichtlich ist unerwartete Hinderungsgründe eingetreten wären,
  31. ergibt sich aus dem Rechtsgedanken von § 3 Abs. 4
  32. Verwaltungsreform-Grundsätze-Gesetz (VGG), das
  33. -3-
  34. gemäß § 12 a AGGVG entsprechend auch auf die
  35. Berliner Gerichte Anwendung findet".
  36. 2. Das an die Rechtsanwälte H.
  37. B.
  38. & Dr. N.
  39. ,
  40. , gerichtete Schreiben der Präsidentin des
  41. Kammergerichts vom 6. März 2001 ist unzulässig,
  42. soweit darin ausgeführt wird: "Diesen Ausführungen
  43. kann ich zwar im allgemeinen, nicht aber in jeder
  44. Hinsicht für den konkreten Fall zustimmen. ... Der
  45. amtierende Richter hat das konkrete Verfahren jedoch nicht in der gebotenen Weise gefördert. Er hat
  46. zwar auf den am 13. Januar 2000 bei Gericht eingegangenen Antrag als erstes Termin zur mündlichen
  47. Verhandlung auf den 7. April 2000 bestimmt und im
  48. Termin eine Entscheidung im Dezernatswege angekündigt. Auf Erinnerung hat er mit Verfügung vom
  49. 4. August 2000 unter Hinweis auf vorrangig zu bearbeitende Verfahren mitgeteilt, daß eine Entscheidung im September 2000 vorliegen dürfte, und eine
  50. Wiedervorlage der Sache auf den 28. August verfügt. Damit hat der Richter die Eilbedürftigkeit der
  51. Sache anerkannt und zum Ausdruck gebracht, sich
  52. im Rahmen der seinerzeitigen Arbeitsbelastung alsbald der Angelegenheit zuwenden zu wollen und zu
  53. sollen. Nach Fristablauf ist er indes nicht mehr tätig
  54. geworden. Insbesondere hat er die Beteiligten nicht
  55. von etwa unvorhergesehenen weiteren Hindernissen
  56. unterrichtet, die der Entscheidungsfindung ange-
  57. -4-
  58. sichts der inzwischen verstrichenen Zeit zwingend
  59. entgegenstehen. Ihre Mandanten hätten deshalb die
  60. angekündigte Entscheidung, mindestens aber einen
  61. Zwischenbescheid, der die Hinderungsgründe erläutert hätte, erwarten dürfen. Ich hoffe, daß der Richter nunmehr alsbald die noch ausstehende Entscheidung trifft."
  62. 3. Der
  63. Widerspruchsbescheid
  64. des
  65. Antragsgegners
  66. vom 18. September 2001 wird aufgehoben.
  67. Die Revision des Antragsgegners gegen das Urteil des
  68. Dienstgerichtshofes
  69. bei
  70. dem
  71. Kammergericht
  72. vom
  73. 1. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.
  74. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
  75. Von Rechts wegen
  76. Tatbestand:
  77. Der Antragsteller ist Richter am Amtsgericht
  78. in B.
  79. . In ei-
  80. nem Verfahren nach dem Wohnungseigentumsgesetz bestimmte er auf
  81. einen am 13. Januar 2000 eingegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung und auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung Termin zur
  82. mündlichen Verhandlung auf den 7. April 2000 und kündigte am Schluß
  83. -5-
  84. der Verhandlung eine Entscheidung im Dezernatswege an. Auf eine Erinnerung teilte er den Verfahrensbeteiligten am 4. August 2000 mit, daß
  85. die Entscheidung wegen Überlastung der Abteilung bisher nicht abgesetzt werden konnte und nach Bearbeitung älterer Verfahren im September vorliegen dürfte. Am 12. April 2001 wies er den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zurück. Die Entscheidung in der Hauptsache traf er am 5. Juli 2001.
  86. Bereits am 17. August 2000 hatten die Prozeßbevollmächtigten der
  87. antragstellenden Partei des WEG-Verfahrens Dienstaufsichtsbeschwerde
  88. wegen verzögerter Sachbearbeitung erhoben. Der Präsident des Amtsgerichts wies diese Beschwerde nach Einholung einer dienstlichen Äußerung des Antragstellers mit Rücksicht auf Art. 97 Abs. 1 GG zurück. Auf
  89. eine weitere Beschwerde holte die Präsidentin des Kammergerichts eine
  90. ergänzende Stellungnahme des Antragstellers ein und teilte den beschwerdeführenden Prozeßbevollmächtigten am 6. März 2001 folgendes
  91. mit:
  92. "Der amtierende Richter hat sich zu Ihrer Eingabe nunmehr ergänzend geäußert. Er vertritt die Ansicht, daß seine Erwägungen zur
  93. Eilbedürftigkeit der Angelegenheit der richterlichen Unabhängigkeit
  94. unterlägen, er dazu habe übergehen können, entscheidungsreife
  95. Sachen in der Reihenfolge ihres Eingangs abarbeiten zu können
  96. und nicht die Beteiligten bevorzugen zu müssen, die sich beim Gerichtsvorstand beschwerten.
  97. Diesen Ausführungen kann ich zwar im allgemeinen, nicht aber in
  98. jeder Hinsicht für den konkreten Fall zustimmen. Zutreffend hebt
  99. der Richter hervor, daß er bei seiner Entscheidung, welche Sachen
  100. eilbedürftig sind und daher bevorzugt verhandelt werden müssen,
  101. nur dem Gesetz und dem Recht unterworfen ist. Ein Gerichtsvorstand ist daher grundsätzlich nicht befugt, dem Richter vorzugeben, welche Sache er wann zu verhandeln und zu entschei-
  102. -6-
  103. den hat. Dies wird selbst dann gelten, wenn - wie hier - ein Richter
  104. die Ansicht vertritt, in Wohnungseigentumssachen werde schon
  105. routinemäßig eine einstweilige Anordnung beantragt, so daß die
  106. Sache allein durch deren Beantragung noch nicht besonders noch
  107. nicht eilbedürftig werde. Hieran kann auch die weitere Erwägung,
  108. der Antragstellerseite werde durch eine Nicht-Entscheidung der
  109. Weg in die Rechtsmittelinstanz versperrt, nichts ändern: Der Richter hat hierzu zutreffend darauf hingewiesen, daß einstweilige Anordnungen nach § 44 Abs. 3 WEG keinem förmlichen Rechtsmittel
  110. unterliegen.
  111. Der amtierende Richter hat das konkrete Verfahren jedoch nicht in
  112. der gebotenen Weise gefördert. Er hat zwar auf den am 13. Januar
  113. 2000 bei Gericht eingegangenen Antrag als erstes Termin zur
  114. mündlichen Verhandlung auf den 7. April 2000 bestimmt und im
  115. Termin eine Entscheidung im Dezernatswege angekündigt. Auf Erinnerung hat er mit Verfügung vom 4. August 2000 unter Hinweis
  116. auf vorrangig zu bearbeitende Verfahren mitgeteilt, daß eine Entscheidung im September 2000 vorliegen dürfte, und eine Wiedervorlage der Sache auf den 28. August verfügt. Damit hat der Richter die Eilbedürftigkeit der Sache anerkannt und zum Ausdruck gebracht, sich im Rahmen der seinerzeitigen Arbeitsbelastung alsbald der Angelegenheit zuwenden zu wollen und zu sollen. Nach
  117. Fristablauf ist er indes nicht mehr tätig geworden. Insbesondere
  118. hat er die Beteiligten nicht von etwa unvorhergesehenen weiteren
  119. Hindernissen unterrichtet, die der Entscheidungsfindung angesichts der inzwischen verstrichenen Zeit zwingend entgegenstehen. Ihre Mandanten hätten deshalb die angekündigte Entscheidung, zumindest aber einen Zwischenbescheid, der die Hinderungsgründe erläutert hätte, erwarten dürfen.
  120. Ich hoffe, daß der Richter nunmehr alsbald die noch ausstehende
  121. Entscheidung trifft."
  122. Eine Ablichtung dieses Schreibens übersandte die Präsidentin des
  123. Kammergerichts dem Antragsteller mit folgendem Anschreiben:
  124. "Mit der Bitte um Kenntnisnahme übersende ich eine Ablichtung
  125. meines dem Einsender erteilten Bescheides vom heutigen Tage.
  126. -7-
  127. Ihrer Einschätzung, daß die Bewertung der Eilbedürftigkeit des
  128. Verfahrens, insbesondere im Verhältnis zu der anderer Verfahren,
  129. Ihrer Beurteilung in richterlicher Unabhängigkeit unterliegt, bin ich
  130. beigetreten. Angesichts der objektiv beträchtlichen Länge des Verfahrens und Ihrer mitgeteilten Einschätzung, im September 2000
  131. zu entscheiden, durften die Beteiligten dann aber die Entscheidung
  132. erwarten. Daß im übrigen jedenfalls ein Zwischenbescheid geboten
  133. gewesen wäre, wenn - was für mich nicht ersichtlich ist - unerwartete Hinderungsgründe eingetreten wären, ergibt sich aus dem
  134. Rechtsgedanken von § 3 Abs. 4 Verwaltungsreform-GrundsätzeGesetz (VGG), das gemäß § 12 a AGGVG entsprechend auch auf
  135. die Berliner Gerichte Anwendung findet."
  136. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Antragstellers vom
  137. 12. April 2001 wies der Antragsgegner am 18. September 2001 zurück.
  138. Hiergegen hat der Antragsteller das Dienstgericht bei dem Landgericht
  139. Berlin mit dem Antrag angerufen festzustellen, daß der Bescheid der
  140. Präsidentin des Kammergerichts vom 6. März 2001 in Verbindung mit
  141. dem Schreiben an die beschwerdeführenden Prozeßbevollmächtigten
  142. vom selben Tag in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Antragsgegners vom 18. September 2001 einen unzulässigen Eingriff in
  143. seine richterliche Unabhängigkeit darstelle. Das Dienstgericht hat diesen
  144. Antrag durch Urteil vom 19. August 2002 zurückgewiesen.
  145. Auf die Berufung des Antragstellers hat der Dienstgerichtshof bei
  146. dem Kammergericht durch Urteil vom 1. Oktober 2003 das Urteil des
  147. Dienstgerichts bei dem Landgericht Berlin teilweise abgeändert und festgestellt, daß der Bescheid der Präsidentin des Kammergerichts vom
  148. 6. März 2001 an den Antragsteller und ihr Schreiben vom selben Tag an
  149. die beschwerdeführenden Prozeßbevollmächtigten mit dem Hinweis auf
  150. das Gebot eines Zwischenbescheides in die richterliche Unabhängigkeit
  151. des Antragstellers eingriffen. Zur Begründung hat der Dienstgerichtshof
  152. -8-
  153. ausgeführt, dieser Hinweis überschreite die Grenzen der nach § 26
  154. Abs. 2 DRiG zulässigen Maßnahmen. Es sei mit der richterlichen Unabhängigkeit unvereinbar, einen Richter zu einer bestimmten Maßnahme
  155. aufzufordern. Die Berufung des Antragstellers habe hingegen keinen Erfolg, soweit er rüge, das Dienstgericht habe keine Feststellungen dazu
  156. getroffen, ob ihm eine verzögerliche Arbeitsweise vorgeworfen werden
  157. könne. Dieser Vorhalt sei im Rahmen der Dienstaufsicht zulässig, ohne
  158. daß dadurch die richterliche Unabhängigkeit tangiert werde. Ob der Vorhalt sachlich richtig sei, habe das Dienstgericht nicht zu prüfen. Soweit
  159. die Präsidentin des Kammergerichts den beschwerdeführenden Prozeßbevollmächtigten mitgeteilt habe, der Antragsteller habe zum Ausdruck
  160. gebracht, sich im Rahmen seiner Arbeitsbelastung alsbald der Angelegenheit zuwenden zu wollen und zu sollen, sei die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers nicht verletzt. Darin liege nur eine Ermahnung
  161. zur beschleunigten Bearbeitung, aber kein Eingriff in die Entscheidungsfreiheit des Antragstellers.
  162. Gegen diese Entscheidung richten sich die zugelassenen Revisionen beider Parteien.
  163. Der Antragsteller vertritt die Auffassung, der Dienstgerichtshof habe nicht ausreichend gewürdigt, daß die angefochtenen Bescheide ihn
  164. dazu hätten veranlassen sollen, das konkrete WEG-Verfahren, abweichend von seinen eigenen Prioritäten, bevorzugt zu bearbeiten. Die Bescheide enthielten zudem eine ausdrückliche Mißbilligung, weil das Verfahren nicht bearbeitet worden sei. Der Dienstgerichtshof habe zu Unrecht nicht geprüft, ob der Vorhalt einer verzögerten Sachbehandlung
  165. angesichts der gesamten Geschäftsbelastung unbegründet sei. Wegen
  166. -9-
  167. weiterer Einzelheiten des Vorbringens des Antragstellers wird auf seine
  168. Revisionsbegründungsschrift vom 14. Januar 2004 Bezug genommen.
  169. Der Antragsteller beantragt,
  170. das Urteil des Dienstgerichtshofes bei dem Kammergericht vom
  171. 1. Oktober 2003 abzuändern und festzustellen, daß der Bescheid
  172. der Präsidentin des Kammergerichts vom 6. März 2001 in Verbindung mit ihrem Schreiben an die beschwerdeführenden Prozeßbevollmächtigten vom selben Tag in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Antragsgegners vom 18. September 2001 im Ganzen einen unzulässigen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit
  173. darstellen, insbesondere auch insoweit als in dem an die beschwerdeführenden Prozeßbevollmächtigten gerichteten Schreiben
  174. ausgeführt wird: "Der amtierende Richter hat das konkrete Verfahren jedoch nicht in der gebotenen Weise gefördert. ... Damit hat
  175. der Richter die Eilbedürftigkeit der Sache anerkannt und zum Ausdruck gebracht, sich im Rahmen der seinerzeitigen Arbeitsbelastung alsbald der Angelegenheit zuwenden zu wollen und zu sollen. ... Ich hoffe, daß der Richter nunmehr alsbald die noch ausstehende Entscheidung trifft."
  176. Der Antragsgegner beantragt,
  177. die Revision des Antragstellers zurückzuweisen.
  178. Mit seiner Revision beantragt der Antragsgegner,
  179. - 10 -
  180. unter Abänderung des Urteils des Dienstgerichtshofes bei dem
  181. Kammergericht vom 1. Oktober 2003 den Antrag des Antragstellers
  182. vom 24. Oktober 2001 im Ganzen zurückzuweisen.
  183. Er ist der Auffassung, der Dienstgerichtshof habe zu Unrecht einen
  184. Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit darin gesehen, daß dem Antragsteller sein Schweigen auf das Verstreichen des avisierten Entscheidungstermins vorgehalten worden sei. Der in dem Vorhalt zum Ausdruck
  185. kommende Wunsch nach Selbstverständlichem, nämlich einem Zwischenbescheid, sei nicht zu beanstanden. Die Verfahrensweise des Antragstellers verletze elementare Rechte der Verfahrensbeteiligten, die
  186. Anspruch darauf hätten zu wissen, wie es um das Verfahren bestellt sei.
  187. Ein angemessenes Verhalten im Umgang mit den Verfahrensbeteiligten
  188. gehöre zum Bereich der äußeren Ordnung und könne zum Gegenstand
  189. von Maßnahmen der Dienstaufsicht gemacht werden.
  190. Der Antragsteller beantragt,
  191. die Revision des Antragsgegners zurückzuweisen.
  192. Beide Parteien haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche
  193. Verhandlung einverstanden erklärt.
  194. - 11 -
  195. Entscheidungsgründe:
  196. Die zulässige Revision (§ 80 Abs. 2 DRiG, § 56 Satz 2 BlnRiG) des
  197. Antragstellers ist begründet. Die Revision des Antragsgegners ist unbegründet.
  198. I. Revision des Antragstellers
  199. 1. Das Urteil des Dienstgerichtshofes hält, soweit die Berufung des
  200. Antragstellers zurückgewiesen worden ist, rechtlicher Überprüfung nicht
  201. stand. Der Bescheid der Präsidentin des Kammergerichts vom 6. März
  202. 2001 an den Antragsteller in Verbindung mit ihrem Schreiben vom selben
  203. Tag an die beschwerdeführenden Prozeßbevollmächtigten stellt im Ganzen eine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit dar. Gegenstand des dienstgerichtlichen Prüfungsverfahrens ist nicht nur der Bescheid an den Antragsteller, sondern auch das Schreiben an die beschwerdeführenden Prozeßbevollmächtigten. Auch dieses stellt eine
  204. Maßnahme der Dienstaufsicht dar (vgl. BGH, Urteil vom 3. Januar 1969
  205. - RiZ(R) 6/68, BGHZ 51, 280, 284). Die Präsidentin des Kammergerichts
  206. hat es dem Antragsteller in Ablichtung mit der ausdrücklichen Bitte um
  207. Kenntnisnahme übersandt.
  208. 2. a) Eine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit liegt
  209. zunächst darin, daß in dem Schreiben vom 6. März 2001 an die beschwerdeführenden Prozeßbevollmächtigten die Auffassung geäußert
  210. wird, der Antragsteller habe das konkrete, noch anhängige Verfahren, in
  211. dem die Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben worden war, nicht in der
  212. - 12 -
  213. gebotenen Weise gefördert. Dies gilt unabhängig davon, ob diese Äußerung einen Vorhalt im Sinne des § 26 Abs. 2 DRiG oder nur eine schwächere Maßnahme der Dienstaufsicht (vgl. BGH, Urteile vom 9. März 1967
  214. - RiZ(R) 2/66, BGHZ 47, 275, 285 und vom 30. März 1987 - RiZ(R) 7/86,
  215. BGHZ 100, 271, 276), etwa einen Hinweis (Kissel, GVG 3. Aufl. § 1
  216. Rdn. 52), darstellt. Die Dienstaufsicht darf sich auch in laufenden Verfahren darüber vergewissern, daß keine Unzuträglichkeiten in der Laufzeit
  217. der Prozesse auftreten (BGH, Urteil vom 19. September 1986 - RiZ (R)
  218. 1/86, DRiZ 1987, 57), und ggf. auch einen Einzelfall zum Anlaß nehmen,
  219. dem Richter die ordnungswidrige Ausübung seiner Tätigkeit vorzuhalten
  220. (vgl. BGH, Urteil vom 3. Januar 1969 - RiZ(R) 6/68, BGHZ 51, 280, 286).
  221. Damit ist eine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit nicht
  222. verbunden, solange das noch anhängige Verfahren als Beleg und Beispiel für den Vorhalt ungenügender Beschleunigung dient und der Vorhalt sich auf "Fälle dieser Art" bezieht (BGH, Urteile vom 27. September
  223. 1976 - RiZ(R) 3/75, BGHZ 67, 184, 190 und vom 16. September 1987
  224. - RiZ(R) 5/87, NJW 1988, 421, 422). Hingegen ist ein solcher Vorhalt aus
  225. Anlaß eines anhängigen Einzelfalles unzulässig, wenn der Richter veranlaßt werden soll, das noch nicht abgeschlossene Verfahren anderen
  226. gleich bearbeitungsbedürftigen Verfahren vorzuziehen (BGH, Urteil vom
  227. 16. September 1987 - RiZ(R) 5/87, NJW 1988, 421, 422). Da nur der
  228. Richter in richterlicher Unabhängigkeit über die Reihenfolge der Bearbeitung seiner Dienstgeschäfte entscheidet, darf die Dienstaufsicht ihn
  229. selbst dann nicht um die umgehende Bearbeitung eines ganz bestimmten
  230. Verfahrens aus seinem Dezernat ersuchen, wenn sie insoweit ein
  231. pflichtwidriges Verhalten des Richters für gegeben erachtet (BGH, Urteil
  232. vom 6. November 1986 - RiZ(R) 4/86, NJW 1987, 1197, 1198). Auch ei-
  233. - 13 -
  234. ner psychologischen Einflußnahme hat sich die Dienstaufsicht zu enthalten (BGH, Urteil vom 31. Januar 1984 - RiZ(R) 3/83, BGHZ 90, 41, 43 f.).
  235. Gemessen hieran war die Äußerung der Auffassung, der Antragsteller habe ein konkretes, noch anhängiges WEG-Verfahren nicht in
  236. der gebotenen Weise gefördert, unzulässig. Sie steht in einem untrennbaren Sinnzusammenhang mit der weiteren Äußerung, der Beschwerdeführer habe die angekündigte Entscheidung, zumindest einen Zwischenbescheid, erwarten dürfen, und mit dem Schlußsatz: "Ich hoffe, daß der
  237. Richter nunmehr alsbald die noch ausstehende Entscheidung trifft." Aus
  238. diesem Kontext geht hervor, daß der Antragsteller auch durch die Äußerung der Auffassung, er habe das konkrete, noch anhängige Verfahren
  239. nicht in der gebotenen Weise gefördert, zu einer alsbaldigen Entscheidung dieses Verfahrens, unabhängig von der von ihm selbst für richtig
  240. befundenen Reihenfolge der Bearbeitung seiner Dienstgeschäfte, veranlaßt werden sollte. An dieser Bedeutung der Äußerung ändert auch die
  241. vorangehende Bemerkung nichts, dem Richter könne nicht vorgegeben
  242. werden, welche Sache er wann zu verhandeln habe. Der darin liegende
  243. Widerspruch nimmt der Äußerung bei objektivem Verständnis nicht den
  244. Charakter einer zumindest psychologischen Einflußnahme auf die Entscheidung des Antragstellers über die Reihenfolge der Bearbeitung seiner Dienstgeschäfte.
  245. b) Dieselbe Wirkung geht von der weiteren Bemerkung in dem
  246. Schreiben vom 6. März 2001 aus, der Antragsteller habe durch seine
  247. Verfügung vom 4. August 2000 und die Verfügung der Wiedervorlage auf
  248. den 28. August 2000 die Eilbedürftigkeit der Sache anerkannt und zum
  249. Ausdruck gebracht, sich im Rahmen seiner Arbeitsbelastung alsbald der
  250. - 14 -
  251. Angelegenheit zuwenden zu wollen und zu sollen. Dieses Verständnis
  252. der Verfügung des Antragstellers vom 4. August 2000 ist sachlich nicht
  253. nachvollziehbar. Der Antragsteller hat in dieser Verfügung lediglich ausgeführt, daß die Entscheidung wegen Überlastung der Abteilung bisher
  254. nicht abgesetzt werden konnte und nach Bearbeitung älterer Verfahren
  255. im September vorliegen dürfte. Von einer Eilbedürftigkeit der Sache ist
  256. hier ebensowenig die Rede, wie davon, sich der Sache alsbald zuwenden zu sollen. Daß der Antragsteller das Verfahren tatsächlich nicht als
  257. eilbedürftig ansah, ging aus seiner zu der Dienstaufsichtsbeschwerde
  258. eingeholten dienstlichen Äußerung vom 11. September 2000 hervor. Darin führt der Antragsteller aus, eine Sache sei nicht allein deshalb eilbedürftig, weil, wie in WEG-Verfahren schon routinemäßig, eine einstweilige Anordnung beantragt worden sei. Falls er diesen Antrag für begründet
  259. gehalten hätte, hätte er schon längst eine solche erlassen. Ergänzend
  260. hat der Antragsteller am 18. Oktober 2000 in einer weiteren von der
  261. Dienstaufsicht eingeholten Äußerung ausgeführt, soweit nicht während
  262. der Bearbeitung weitere ältere entscheidungsreife Verfahrensakten vorgelegt würden, hoffe er, die Entscheidung binnen eines Monats nach
  263. Rückkehr der Akten absetzen zu können. Das gelte jedoch nur vorbehaltlich der weiteren Geschäftsentwicklung. Im November und Dezember
  264. sollten die WEG-Verfahren wegen der Personalknappheit nur von zwei
  265. Richtern bearbeitet werden, da der Direktor des Amtsgerichts den Ausfall
  266. im Nachlaßdezernat vertreten werde. Im November werde er daher das
  267. gesamte WEG-Dezernat für drei Wochen zu bearbeiten haben, da sein
  268. Vertreter Urlaub habe. Aus diesen Äußerungen, die der Präsidentin des
  269. Kammergerichts im Zeitpunkt ihres Schreibens vom 6. März 2001 vorlagen, ging eindeutig hervor, daß der Antragsteller die Angelegenheit nicht
  270. für eilbedürftig hielt und deshalb auch nicht meinte, sich ihr alsbald zu-
  271. - 15 -
  272. wenden zu sollen. Die gegenteilige Äußerung in dem Schreiben vom
  273. 6. März 2001 konnte deshalb bei objektiver Auslegung als psychologische Einflußnahme verstanden werden, die den Antragsteller, unabhängig von seiner eigenen Entscheidung über die Reihenfolge der Bearbeitung, zu einer alsbaldigen Entscheidung in dem noch anhängigen WEGVerfahren veranlassen sollte.
  274. Dies gilt auch für die weitere Bemerkung, die Beschwerdeführer
  275. hätten die angekündigte Entscheidung, zumindest einen Zwischenbescheid, erwarten dürfen, für den Schlußsatz: "Ich hoffe, daß der Richter
  276. nunmehr alsbald die noch ausstehende Entscheidung trifft." und für die
  277. Bemerkung in dem an den Antragsteller gerichteten Schreiben, die Beteiligten hätten angesichts der objektiv beträchtlichen Länge des Verfahrens und der mitgeteilten Einschätzung des Antragstellers, im September
  278. 2000 zu entscheiden, die Entscheidung erwarten dürfen.
  279. II. Revision des Antragsgegners
  280. Das Urteil des Dienstgerichtshofes ist rechtsfehlerfrei, soweit dieser in dem Hinweis der Präsidentin des Kammergerichts auf das Gebot
  281. eines Zwischenbescheides einen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit gesehen hat.
  282. 1. Der Bereich der richterlichen Unabhängigkeit umfaßt nicht nur
  283. die eigentliche Rechtsfindung und die ihr unmittelbar dienenden Sachund Verfahrensentscheidungen (BGH, Urteil vom 8. Mai 1989 - RiZ(R)
  284. 6/88, NJW 1991, 426, 427 m.w.Nachw.), sondern auch nicht ausdrücklich
  285. - 16 -
  286. vorgeschriebene, dem Interesse der Rechtsuchenden dienende richterliche Handlungen, die in einem konkreten Verfahren mit der Aufgabe des
  287. Richters, Recht zu finden und den Rechtsfrieden zu sichern, in Zusammenhang stehen (BGH, Urteil vom 14. April 1997 - RiZ(R) 1/96,
  288. DRiZ 1997, 467, 469).
  289. Zu diesen Handlungen gehört, ebenso wie sonstige Terminbestimmungen (vgl. Schmidt-Räntsch, DRiG 5. Aufl. § 25 Rdn. 8), auch ein
  290. Zwischenbescheid über den voraussichtlichen Termin, zu dem in einem
  291. bestimmten Verfahren eine Entscheidung ergeht. Ein solcher Bescheid
  292. steht mit der Aufgabe des Richters, Recht zu finden, schon deshalb in
  293. engem sachlichen Zusammenhang, weil die Verfahrensbeteiligten ihm
  294. entnehmen können, bis wann sie Schriftsätze einreichen können, um dadurch auf die Entscheidung Einfluß zu nehmen. Der Antragsgegner
  295. macht demgegenüber ohne Erfolg geltend, der Zwischenbescheid betreffe
  296. nicht
  297. die
  298. Rechtsprechungstätigkeit
  299. in
  300. dem
  301. anhängigen
  302. WEG-
  303. Verfahren, sondern nur die hinausgezögerte Bearbeitung der Sache wegen vermeintlicher Überlastung, die zum äußeren Ordnungsbereich der
  304. richterlichen Tätigkeit gehöre und der Dienstaufsicht unterliege. Diese
  305. Auffassung ist unzutreffend, weil ein Zwischenbescheid über den voraussichtlichen Entscheidungstermin in untrennbarem Zusammenhang mit
  306. der Entscheidung über die Reihenfolge der Bearbeitung der einzelnen
  307. Dienstgeschäfte steht, die, wie dargelegt, allein der Richter in richterlicher Unabhängigkeit zu treffen hat.
  308. 2. Das Unterlassen eines Zwischenbescheides war kein offensichtlicher, jedem Zweifel entrückter Fehlgriff, der auch im Kernbereich der
  309. richterlichen Tätigkeit zum Gegenstand dienstaufsichtlicher Maßnahmen
  310. - 17 -
  311. gemacht werden darf (vgl. BGH, Urteile vom 7. Juni 1966 - RiZ(R) 1/66,
  312. BGHZ 46, 147, 150, vom 27. September 1976 - RiZ(R) 3/75, BGHZ 67,
  313. 184, 187, vom 17. Oktober 1977 - RiZ(R) 2/77, BGHZ 70, 1, 4, vom
  314. 5. Februar 1980 - RiZ(R) 2/79, BGHZ 76, 288, 291 und vom 12. Oktober
  315. 1995 - RiZ(R) 2/95, DRiZ 1996, 371, 372). Die gegenteilige Ansicht des
  316. Antragsgegners ist nicht haltbar. Der Hinweis der Präsidentin des Kammergerichts auf § 3 Abs. 4 BlnVGG, der nach § 12 a BlnAGGVG "entsprechend auch auf die Berliner Gerichte Anwendung" finden soll, ist,
  317. wie der Dienstgerichtshof näher ausgeführt hat, schon sachlich unzutreffend. Das für das Ausgangsverfahren maßgebliche Wohnungseigentumsgesetz schreibt die Erteilung eines Zwischenbescheids nicht vor.
  318. Angesichts dieser Rechtslage war das Unterlassen eines Zwischenbescheids keinesfalls ein offensichtlicher Fehlgriff, zumal der Antragsteller
  319. am 4. August 2000 nur mitgeteilt hatte, daß die Entscheidung im September vorliegen "dürfte", und die Verfahrensbeteiligten anschließend
  320. keine weitere Sachstandsanfrage an ihn gerichtet, sondern Dienstaufsichtsbeschwerden erhoben hatten, zu denen der Antragsteller sich wiederholt dienstlich geäußert hat.
  321. III.
  322. Die Kostenentscheidung beruht auf § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG i.V.
  323. mit § 154 Abs. 1 VwGO.
  324. - 18 -
  325. Der Wert des Streitgegenstandes wird für die Revisionsinstanz auf
  326. 4.000 € festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 Abs. 1 Satz 1 GKG).
  327. Nobbe
  328. Solin-Stojanovi
  329. Joeres
  330. Kniffka
  331. Mayen