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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. NotZ 26/00
  4. Verkündet am:
  5. 26. März 2001
  6. Fitterer
  7. Justizangestellte
  8. als Urkundsbeamtin
  9. der Geschäftsstelle
  10. in dem Verfahren
  11. wegen Bestellung zum Notar
  12. - 2 -
  13. Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat durch den Vorsitzenden
  14. Richter Dr. Rinne, die Richter Dr. Wahl und Streck sowie die Notare Dr. Doyé
  15. und Dr. Toussaint auf die mündliche Verhandlung vom 26. März 2001
  16. beschlossen:
  17. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird unter
  18. Zurückweisung des Rechtsmittels des Antragstellers der Beschluß
  19. des 2. Senats für Notarsachen bei dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Bremen vom 21. September 2000 aufgehoben.
  20. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid
  21. des Antragsgegners vom 30. Mai 2000 wird zurückgewiesen.
  22. Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Verfahrens zu tragen. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.
  23. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf
  24. 100.000 DM festgesetzt.
  25. - 3 -
  26. Gründe
  27. I.
  28. Der 1954 geborene Antragsteller ist seit 1983 als Rechtsanwalt beim
  29. Amts- und Landgericht Bremen zugelassen. Der Antragsgegner schrieb am
  30. 29. Juli 1999 vier Notarstellen mit Bewerbungsfrist zum 30. September 1999
  31. zur Besetzung aus. Er wies im Ausschreibungstext darauf hin, daß es sich um
  32. sog. Altersstrukturstellen handele und sich die Ausschreibung, sofern während
  33. des Bewerbungsverfahrens weitere Notarstellen zu besetzen sein sollten, auch
  34. auf diese erstrecke. Auf die Ausschreibung bewarben sich außer dem Antragsteller weitere 42 Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen. Im Hinblick darauf,
  35. daß im Laufe des Jahres 1999 mehrere Notare im Amtsgerichtsbezirk Bremen
  36. ausgeschieden waren, entschloß sich der Antragsgegner, im Rahmen des Bewerbungsverfahrens insgesamt zehn Notarstellen zu besetzen und diese an
  37. die Erstplazierten einer von ihm aufgestellten Rangordnung nach dem Grad
  38. der fachlichen Eignung zu vergeben. Mit Bescheid vom 30. Mai 2000 eröffnete
  39. der Antragsgegner dem Antragsteller, daß seine Bewerbung keinen Erfolg haben könne, weil er mit 98,6 Punkten lediglich den Rangplatz 30 erreicht habe.
  40. Zugleich wurde dem Antragsteller mitgeteilt, daß beabsichtigt sei, die Bewerber
  41. mit den Rangplätzen 1 bis 10 (mit Punktzahlen von 153,0 bis 124,65) zu Notaren zu bestellen.
  42. Gegen den ablehnenden Bescheid des Antragsgegners hat sich der Antragsteller mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewandt. Er hat gel-
  43. - 4 -
  44. tend gemacht, die von dem Antragsgegner aufgestellte Rangordnung nach § 3
  45. AVNot mit einer nach seiner Auffassung zu starken Gewichtung des Abschlußexamens und der notarspezifischen Fortbildung benachteilige ihn im
  46. Hinblick auf seine 17jährige Berufserfahrung als Rechtsanwalt in unzumutbarer
  47. Weise. Er habe - nach einem wesentlich besseren ersten Examen - die nur mit
  48. durchschnittlichem Erfolg bestandene Zweite juristische Staatsprüfung zu einer
  49. Zeit (1983) abgelegt, als deren Ergebnis noch ohne Bedeutung für den Zugang
  50. zum Anwaltsnotariat gewesen sei. Erst mit der Änderung der Bundesnotarordnung im Jahre 1991 hätten sich die Zugangsbedingungen nachträglich zu Lasten des Antragstellers verändert. Darüber hinaus sei es sachfremd, der Note
  51. des Abschlußexamens ein derartiges (fünffaches) Gewicht zu geben, zugleich
  52. aber die Punktzahl, die durch Berufserfahrung (Dauer der Anwaltszulassung
  53. und Anzahl der Notargeschäfte als Notarvertreter) erzielt werden kann, zu begrenzen.
  54. Der Antragsteller hat beantragt, dem Antragsgegner unter Aufhebung
  55. des Bescheids vom 30. Mai 2000 aufzugeben, ihn zum Notar zu bestellen,
  56. hilfsweise das Auswahlverfahren zur Besetzung der ausgeschriebenen Notarstellen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu durchzuführen. Das Oberlandesgericht (Senat für Notarsachen) hat unter Zurückweisung
  57. des Hauptantrags dem Hilfsantrag des Antragstellers stattgegen. Es hat in der
  58. Multiplizierung des Ergebnisses der Abschlußprüfung bei der einstufigen Juristenausbildung in Bremen mit dem Faktor 5 - bei fünf Mitbewerbern auf Rangplätzen zwischen 1 und 10 - eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber den Bewerbern aus einer zweistufigen Juristenausbildung gesehen,
  59. weil die Abschlußprüfung in der einstufigen Juristenausbildung wesentliche
  60. wissenschaftlich-theoretische Bestandteile enthalten habe, wogegen bei den
  61. - 5 -
  62. Bewerbern aus der zweistufigen Ausbildung nur die Ergebnisse der Zweiten
  63. juristischen Staatsprüfung zählten und etwaige Defizite in dieser Prüfung auch
  64. nicht durch die Ergebnisse eines wesentlich besseren ersten Examens ausgeglichen werden könnten. Zur Vermeidung einer solchen Ungleichbehandlung
  65. sei es erforderlich, bei den nachbewerteten Prüfungsergebnissen der einstufigen Juristenausbildung den üblichen Multiplikationsfaktor zu halbieren. Abgesehen von diesen Besonderheiten hinsichtlich der Anrechnung der einstufigen
  66. juristischen Ausbildung von Mitbewerbern hat das Oberlandesgericht dagegen
  67. das Auswahlverfahren des Antragsgegners als rechtsfehlerfrei angesehen.
  68. Gegen diese Entscheidung richten sich die sofortigen Beschwerden sowohl des Antragsgegners als auch des Antragstellers, der weiterhin die Verpflichtung des Antragsgegners anstrebt, ihn zum Notar zu bestellen, hilfsweise
  69. das Auswahlverfahren zur Besetzung der ausgeschriebenen Notarstellen "unter Beachtung zusätzlicher rechtlicher Gesichtspunkte neu durchzuführen".
  70. II.
  71. Die wechselseitigen sofortigen Beschwerden sind zulässig (§ 111 Abs. 4
  72. BNotO i.V.m. § 42 Abs. 4 BRAO). Das Rechtsmittel des Antragsgegners ist begründet, das des Antragstellers nicht. Das Oberlandesgericht hat zu Unrecht
  73. dem mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellten Hilfsbegehren
  74. des Antragstellers stattgegeben. Der gegen den Bescheid des Antragsgegners
  75. vom 30. Mai 2000 gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist insgesamt unbegründet. Dieser Bescheid, durch den der Antragsgegner mittelbar die
  76. Bewerbung des Antragstellers mit dem Hinweis auf die beabsichtigte ander-
  77. - 6 -
  78. weitige Besetzung der ausgeschriebenen Notarstellen abgelehnt hat, ist rechtmäßig.
  79. 1.
  80. Nach § 6 Abs. 3 BNotO richtet sich die Reihenfolge bei der Auswahl
  81. unter mehreren geeigneten Bewerbern für das Amt des Notars nach der persönlichen und fachlichen Eignung unter Berücksichtigung der die juristische
  82. Ausbildung abschließenden Staatsprüfung und der bei der Vorbereitung auf
  83. den Notarberuf gezeigten Leistungen. Bei der Bestellung eines Anwaltsnotars
  84. können insbesondere in den Notarberuf einführende Tätigkeiten und die erfolgreiche Teilnahme an freiwilligen Vorbereitungskursen, die von beruflichen Organisationen veranstaltet werden, in die Bewertung einbezogen werden; die
  85. Dauer der Zeit, in der der Bewerber hauptberuflich als Rechtsanwalt tätig war,
  86. ist angemessen zu berücksichtigen. Die durch die Justizverwaltung vorgenommene vergleichende Beurteilung des Maßes der Eignung konkurrierender Bewerber anhand dieser Kriterien (unbestimmter Rechtsbegriffe) ist von dem angerufenen Gericht nicht inhaltlich zu wiederholen, sondern nur auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Bei der Festlegung der das Maß der Eignung bestimmenden Merkmale und bei deren Gewichtung steht der Landesjustizverwaltung ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum
  87. zu (Senatsbeschlüsse BGHZ 124, 327 und vom 25. April 1994 - NotZ 19/93 Nds Rpfl 1994, 330). Der Antragsgegner war befugt, die Auswahlkriterien des
  88. § 6 Abs. 3 BNotO im Rahmen des ihm eingeräumten Beurteilungsspielraums
  89. durch eine allgemeine Verwaltungsvorschrift zu interpretieren (vgl. BGHZ 124,
  90. 327, 332). Den ihm insoweit gegebenen rechtlichen Rahmen hat der Antragsgegner entgegen der Auffassung des Antragstellers mit den in § 3 AVNot
  91. - übereinstimmend mit anderen Bundesländern - aufgestellten Regeln über die
  92. - 7 -
  93. Ermittlung der für die Auswahl unter mehreren geeigneten Notarbewerbern
  94. maßgeblichen Punktzahlen nicht überschritten.
  95. a) In dem Ansatz des Ergebnisses der die juristische Ausbildung abschließenden Staatsprüfung mit dem Faktor 5 liegt eine angemessene Ausgestaltung des Gebots des § 6 Abs. 3 Satz 1 BNotO zur "Berücksichtigung" der
  96. die juristische Ausbildung abschließenden Staatsprüfung, im Falle der herkömmlichen zweistufigen Juristenausbildung also (nur) der Zweiten juristischen
  97. Staatsprüfung. Der Senat hat bereits ausgesprochen, daß die Gewichtung, die
  98. der Zweiten juristischen Staatsprüfung als Auswahlkriterium aufgrund des Multiplikators 5 zukommt, der besonderen Bedeutung dieser Abschlußprüfung als
  99. grundlegendes Eignungsmerkmal entspricht (Beschluß vom 25. April 1994
  100. - NotZ 19/93 - NdsRpfl 1994, 330, 332; vgl. auch BGHZ 124, 327, 338). Er hat
  101. auch ausgeführt, daß nach der an § 6 Abs. 3 Satz 1 BNotO ausgerichteten
  102. Auswahlpraxis der Justizverwaltung rechtlich kein Grund besteht, die erste
  103. Staatsprüfung neben der zweiten Staatsprüfung oder mit anderen Merkmalen
  104. einer besonderen Tatbestandsgruppe der Vorbereitungsleistungen für den
  105. Notarberuf zuzuordnen (BGHZ 124, 327, 338). Soweit der Senat in dem Beschluß vom 25. April 1994 (aaO) ausgeführt hat, die auf die berufliche Tätigkeit
  106. nach der Zweiten juristischen Staatsprüfung bezogenen Kriterien ließen mit
  107. den dafür insgesamt vorgesehenen 90 Wertungspunkten (dort: § 3 Abs. 1 Nr.
  108. 2-4
  109. AVNot Nds) auch den Bewerbern mit etwas schwächeren Prüfungsergebnissen
  110. die Chance, das Notaramt in Konkurrenz zu Prüfungsbesseren zu erlangen,
  111. stellt der Antragsteller dies zwar in Abrede. Er berücksichtigt dabei aber nicht
  112. die Kompensationsmöglichkeiten durch erfolgreiche Teilnahme an notarspezifischen Fortbildungskursen (§ 3 Nr. 3 AVNot) die mit bis zu 45 Punkten bewertet
  113. - 8 -
  114. werden kann. Ohne Erfolg verweist der Antragsteller darauf, daß zu der Zeit,
  115. als er sein Zweites Staatsexamen ablegte, die Note dieser Abschlußprüfung
  116. nach der damaligen Praxis der Zulassung von (Anwalts-)Notarbewerbern nicht
  117. von entscheidender Bedeutung war. Maßgeblich kann nur das jetzige Zulassungsrecht mit einer weitgehend am Prüfungsergebnis ausgerichteten Bewerberauswahl sein. Einen in andere Richtung gehenden Vertrauenstatbestand
  118. gibt es für den Antragsteller nicht. Der Senat hat bereits ausgesprochen, daß
  119. die Tätigkeit als Rechtsanwalt für sich genommen noch kein schutzwürdiges
  120. Vertrauen begründete, zum Notar bestellt zu werden, auch wenn das damals
  121. geltende Recht eine Zulassungspraxis legitimiert hatte, die an die Dauer der
  122. anwaltlichen Berufstätigkeit anknüpfte (Beschluß vom 25. April 1994 aaO).
  123. b) Auch ist entgegen der Auffassung des Antragstellers die in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Antragsgegners geregelte Gewichtung zwischen "Ausbildung" und "Berufserfahrung", also vor allem zwischen dem Ergebnis des Zweiten Staatsexamens und dem Auswahlkriterium der Beurkundungstätigkeit im Rahmen von Notarverwesungen und Notarvertretungen, nicht
  124. zu beanstanden. Der Senat hat entsprechende Regelungen der badenwürttembergischen und der niedersächsischen Allgemeinverfügungen in Angelegenheiten der Notare als rechtlich unbedenklich bestätigt (Beschlüsse vom
  125. 13. Dezember 1993 - NotZ 45/92 - NJW 1994, 1870 und vom 25. April 1994
  126. aaO; vgl. auch Beschluß vom 24. November 1997 - DNotZ 1999, 241, 242).
  127. Der Senat hat auch mehrfach ausgesprochen, daß die Bewertungsobergrenze
  128. für das Auswahlkriterium der Beurkundungen im Rahmen der Notarverwesungen und Notarvertretungen geboten ist. Dadurch soll verhindert werden, daß
  129. die übrigen gesetzlichen Auswahlgesichtspunkte, vor allem das besonders bedeutsame Kriterium des Zweiten juristischen Staatsexamens, verdrängt werden
  130. - 9 -
  131. und daß Bewerber unangemessen bevorzugt werden, die im Vergleich zu anderen Bewerbern in weit größerem Maße Gelegenheit hatten, einen Notar zu
  132. vertreten oder dessen Amt zu verwesen (Beschlüsse vom 25. April 1994 aaO
  133. und vom 24. November 1997 aaO).
  134. 2.
  135. Andererseits bekämpft die Beschwerde des Antragsgegners mit Erfolg
  136. die Auffassung des Oberlandesgerichts, die Auswahlentscheidung des Antragsgegners sei im Hinblick auf den Ansatz der (nachträglich notenmäßig eingestuften) Ergebnisse der Abschlußprüfungen der Mitbewerber aus der bremischen einstufigen Juristenausbildung mit dem Multiplikator 5 rechtswidrig.
  137. a) Der Antragsgegner durfte im Rahmen des ihm eingeräumten Beurteilungsspielraums Richtlinien über ein Verfahren zur Ermittlung einer Punktzahl
  138. als Note für die Abschlußprüfungen derjenigen Notarbewerber aufstellen, die
  139. die einstufige Juristenausbildung in Bremen durchlaufen haben (§ 3 Abs. 2
  140. Nr. 2 AVNot). Die betreffende Verwaltungsvorschrift sieht vor, daß eine aus
  141. einem Vertreter des Prüfungsamts (nach dessen Auflösung eines Vertreters
  142. des Senators für Justiz und Verfassung) als Vorsitzendem sowie einem als
  143. Richter, Staatsanwalt oder Verwaltungsbeamten tätigen Praktiker, einem als
  144. Rechtsanwalt tätigen Praktiker und einem Hochschullehrer gebildete Einstufungskommission die Abschlußprüfung auf der Grundlage der Unterlagen aus
  145. dem dem Abschlußzeugnis beigefügten Nachweisheft (§ 44 Abs. 4 BremJAG)
  146. und der Gutachten für die wissenschaftliche Arbeit (§ 39 Abs. 7 BremJAG), gegebenenfalls auch nach Anhörung der Gutachter der wissenschaftlichen Arbeit
  147. und der Prüfer der abgeschichteten Prüfungen und der exemplarischen Prüfung, in bestimmte Qualitätsstufen einordnet und ihr entsprechend dieser Einstufung - unter Umständen mit aus einer Gesamtschau gewonnenen Zusatz-
  148. - 10 -
  149. punkten - eine bestimmte Punktzahl zuerkennt. Nicht anders als die übrigen
  150. Anordnungen über die Bewertung der fachlichen Eignung für die Auswahl unter
  151. mehreren geeigneten Notarbewerbern mit einer Punktzahl (§ 3 Abs. 1, Abs. 2
  152. Nr. 1, Nr. 3-7 AVNot) füllt § 3 Abs. 2 Nr. 2 BremAVNot lediglich die maßgebliche Grundbestimmung des § 6 Abs. 3 BNotO im Sinne der Gewährleistung
  153. gleichmäßigen Verwaltungshandelns, mithin einer für den Adressatenkreis der
  154. Vorschrift Vertrauensschutz begründenden Selbstbindung der Verwaltung, aus.
  155. Eine Grundlage für einen Eingriff in Rechte ist durch diese Verwaltungsvorschrift nicht geschaffen worden. Dem sich aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG ergebenden Erfordernis, daß die Auswahlmaßstäbe und das Auswahlverfahren für
  156. die Vergabe von Notarstellen einer gesetzlichen Grundlage bedürfen (BVerfGE
  157. 73, 280), ist durch die jetzige Fassung des § 6 BNotO Genüge getan (BGHZ
  158. 124, 327, 329).
  159. b) Es ist auch nicht aus sonstigen Rechtsgründen zu beanstanden, daß
  160. der Antragsgegner im Hinblick auf das Gebot der Chancengleichheit der Notarbewerber mit einer nicht benoteten Abschlußprüfung aus der einstufigen
  161. Juristenausbildung in Bremen deren nachträgliche notenmäßige Einstufung im
  162. Rahmen des Bewerbungsverfahrens allgemein angeordnet und hierfür die beschriebene Verfahrensweise vorgeschrieben hat.
  163. aa) Soweit für die Einstufung der fachlichen Eignung mehrerer geeigneter Notarbewerber die die juristische Ausbildung abschließende Staatsprüfung zu "berücksichtigen" ist (§ 6 Abs. 3 Satz 1 BNotO), liegt auf der Hand, daß
  164. nach der Auswahlpraxis der Justizverwaltung Bewerber, die eine Abschlußprüfung nach dem Bremischen Justizausbildungsgesetz abgelegt haben ("bestanden", ohne Note), ohne eine nachträgliche notenmäßige Einstufung ihrer
  165. - 11 -
  166. Abschlußprüfung chancenlos wären. Denn während das Ergebnis einer die
  167. juristische Ausbildung abschließenden Staatsprüfung mit einer nach der Verordnung über eine Noten- und Punkteskala für die Erste und Zweite juristische
  168. Staatsprüfung vom 3. Dezember 1981 (BGBl. I, 1243) festgesetzten Punktzahl
  169. in Bremen wie auch in anderen Bundesländern mit dem Faktor 5 multipliziert
  170. wird (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 AVNot) - was beispielsweise bei der Note vollbefriedigend bis zu 60 Punkten führen könnte -, wäre für eine Abschlußprüfung ohne
  171. eine Punktzahl und ohne Note allenfalls der Ansatz von vier Punkten, bei einem Faktor von 5 also von 20 Punkten, möglich (vgl. für Niedersachsen NdsAVNot § 3 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4). Es ist mithin schon aus verfassungsrechtlichen
  172. Gründen unverzichtbar, diesen Notarbewerbern die Möglichkeit des nachträglichen Nachweises einer höheren Punktzahl einzuräumen. Nur so wird dem Umstand hinreichend Rechnung getragen, daß die Abschlußprüfung im Rahmen
  173. der - zwischenzeitlich wieder abgeschafften - bremischen einstufigen Juristenausbildung nach §§ 33 ff BremJAG anerkanntermaßen eine die juristische
  174. Ausbildung abschließende Staatsprüfung ist, die der Zweiten juristischen
  175. Staatsprüfung im Sinne des § 5 Abs. 1 DRiG gleichsteht. Durch das Bestehen
  176. dieser Abschlußprüfung haben die Absolventen der einstufigen Juristenausbildung die Befähigung zum Richteramt erworben (§ 1 Abs. 2 BremJAG). Bundesrechtliche Grundlage für diesen besonderen Ausbildungsgang war § 5 b DRiG
  177. in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. April 1972 (BGBl. I, 713), wonach das Landesrecht Studium und praktische Vorbereitung in einer gleichwertigen Ausbildung zusammenfassen und die erste Prüfung durch eine Zwischenprüfung oder durch ausbildungsbegleitende Leistungskontrollen ersetzt
  178. werden konnte; die Abschlußprüfung sollte in ihren Anforderungen der in § 5
  179. DRiG vorgesehenen zweiten Prüfung gleichwertig sein. Es ist nicht daran zu
  180. zweifeln, daß der bremische Gesetzgeber durch das Bremische Juristenausbil-
  181. - 12 -
  182. dungsgesetz diese Vorgaben des § 5 b DRiG erfüllen wollte (vgl. § 1 Abs. 1
  183. Satz 1 BremJAG). Zusammenfassend haben die Absolventen der einstufigen
  184. Juristenausbildung in Bremen eine juristische Ausbildung der Art absolviert und
  185. mit einer Prüfung abgeschlossen, daß sie darauf vertrauen konnten, daß ihnen
  186. die Prüfung den gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt eröffnen werde wie
  187. die herkömmliche Zweite juristische Staatsprüfung. § 109 DRiG bekräftigt dies.
  188. Durch diese Vorschrift ist im Zusammenhang mit der Aufhebung des § 5 b
  189. DRiG a.F. durch das Gesetz vom 25. Juli 1984 (BGBl. I, 995) klargestellt worden, daß derjenige, der im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Gesetzesänderung zum Richteramt befähigt war, diese Befähigung behält. Letztere gilt im
  190. übrigen für jedes Bundesland (§ 6 Abs. 2 DRiG).
  191. bb) Es ist auch nicht so, daß es für die nachträgliche Einstufung der Abschlußprüfung nach dem Bremischen Juristenausbildungsgesetz im Falle der
  192. Bewerbung für das Notaramt keine hinreichende tatsächliche Grundlage mehr
  193. gäbe. Die zur Abschlußprüfung gehörenden Prüfungen (§§ 33 ff BremJAG) waren zwar im Ergebnis lediglich mit "bestanden", andernfalls mit "nicht bestanden" zu bewerten. Die Prüfer hatten jedoch die jeweilige Prüfungsleistung des
  194. Rechtspraktikanten im einzelnen zu würdigen und diese Würdigung in einem
  195. schriftlichen Votum festzuhalten (vgl. §§ 10, 18 Abs. 2, 25 Abs. 3 EJAPO). Dem
  196. Zeugnis über das Ergebnis der Abschlußprüfung war ein besonderes Nachweisheft beizufügen, das mindestens die Voten hinsichtlich der abgeschichteten Prüfungen und die Begründungen der Bewertungen der wissenschaftlichen
  197. Arbeit sowie der exemplarischen Prüfung enthielt (§ 44 BremJAG). Gewisse
  198. Unwägbarkeiten, die in einer solchen Nachbewertung naturgemäß liegen
  199. - insbesondere im Hinblick auf die erhebliche Bandbreite der denkbaren Ergebnisse einer Auswertung von Prüferbeurteilungen, die ihrerseits schon weit-
  200. - 13 -
  201. räumigen Wertungsspielräumen entstammen -, müssen unter Berücksichtigung
  202. des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit hingenommen werden.
  203. c) Obwohl das Oberlandesgericht im wesentlichen in Übereinstimmung
  204. mit den vorstehenden Ausführungen die allgemeine Verwaltungsanweisung
  205. des Antragsgegners über die nachträgliche Einstufung der Abschlußprüfungen
  206. der Notarbewerber mit einer juristischen Ausbildung nach dem Bremischen Juristenausbildungsgesetz (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 AVNot) für rechtmäßig hält und auch
  207. die einzelnen Ergebnisse der Nachbewertung der im vorliegenden Fall vorrangigen Mitbewerber als rechtsfehlerfrei ansieht, ist es der Auffassung, die Auswahlentscheidung des Antragsgegners sei rechtswidrig. Es meint, es verstoße
  208. gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), wenn die Ergebnisse der juristischen Abschlußprüfung bei der einstufigen Juristenausbildung ebenso wie die
  209. Ergebnisse der zweiten Staatsprüfung bei der herkömmlichen Juristenausbildung, wie in § 3 Abs. 2 Nr. 1 AVNot allgemein vorgesehen, mit dem Faktor 5
  210. multipliziert würden; unter Berücksichtigung der Strukturunterschiede zwischen
  211. den beiden Ausbildungsformen müsse der Multiplikationsfaktor bei der Abschlußprüfung der einstufigen Juristenausbildung im Wege einer "adäquaten
  212. Reduktion" halbiert werden. Im Gegensatz zur zweistufigen Juristenausbildung,
  213. deren Abschlußprüfung nach ihrem Anforderungsbild, ihrer Praxisbezogenheit
  214. und der bei ihr gewährleisteten Kontrolle der Selbständigkeit der Leistungen in
  215. besonderer Weise geeignet sei, den fachlichen Eignungsnachweis zu erbringen, enthalte die einstufige Juristenausbildung stärker theoretisch-wissenschaftliche Gehalte, die keine geeigneten Kriterien für eine Auswahl unter den
  216. Bewerbern für das Amt des Notars hergäben. Die gewollte Zusammenfassung
  217. einer Universitätsausbildung und einer praktischen Ausbildung zu einem einheitlichen Ausbildungsgang sei vor allem dadurch zum Ausdruck gekommen,
  218. - 14 -
  219. daß die Abschlußprüfung neben den abgeschichteten Prüfungen bei der
  220. Staatsanwaltschaft, einem Zivil- oder Arbeitsgericht, in der Verwaltung und innerhalb des Begleitprogramms zur Stationsausbildung die wissenschaftliche
  221. Arbeit über das von den Absolventen vorgeschlagene Thema und ihre Verteidigung umfaßt habe. Daraus ergebe sich eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber den Bewerbern mit zweistufiger Juristenausbildung, bei
  222. denen nur die Ergebnisse der Zweiten juristischen Staatsprüfung zählten und
  223. die etwaige Defizite in dieser Prüfung auch nicht durch die Ergebnisse eines
  224. wesentlich besseren ersten Examens ausgleichen könnten. Die Halbierung des
  225. Multiplikationsfaktors der Absolventen der einstufigen Juristenausbildung sieht
  226. das Oberlandesgericht auch im Hinblick auf den Vorteil als geboten an, der
  227. darin gelegen habe, daß diese das Thema ihrer wissenschaftlichen Abschlußarbeit vorschlagen und während einer Bearbeitungszeit bis zu fünf Monaten
  228. vertieft hätten bearbeiten können, so daß aufgrund der Nähe zum Thema und
  229. der möglichen Intensität der Durchdringung besonders fundierte Arbeiten mit
  230. überdurchschnittlichem Prüfungsergebnis hätten erstellt werden können.
  231. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Es gibt keinen rechtlichen
  232. Grund, die (nachträglich mit Punktzahlen versehenen) Ergebnisse der Abschlußprüfung der einstufigen Juristenausbildung bei der Auswahl mehrerer
  233. geeigneter Bewerber für das Notaramt mit einem geringeren Gewicht (Multiplikationsfaktor) zu berücksichtigen als die Ergebnisse der Zweiten juristischen
  234. Staatsprüfung anderer Bewerber. Das Gesetz (§ 6 Abs. 3 Satz 1 BNotO) läßt
  235. für eine derartige Differenzierung zwischen die juristische Ausbildung abschließenden Staatsprüfungen, durch die die Bewerber gleichermaßen die
  236. Befähigung zum Richteramt wie auch den Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts erlangt haben, keinen Raum. Es handelt sich hier wie dort um die juristi-
  237. - 15 -
  238. sche Ausbildung abschließende Staatsprüfungen. Mit der im Gesetz geforderten "Berücksichtigung" der betreffenden Abschlußprüfungen ist nach dem Regelungszusammenhang der gleichwertige Ansatz der - gegebenenfalls nach
  239. der Verordnung über eine Noten- und Punkteskala für die Erste und Zweite
  240. juristische Staatsprüfung vom 3. Dezember 1981 (BGBl. I, 1243) umzurechnenden - Examensnoten gemeint. Der Senat hat bereits mehrfach betont, daß
  241. die Gleichwertigkeit der Staatsprüfungen in den einzelnen Bundesländern
  242. durch gewisse, innerhalb bestimmter Bandbreite zugelassene Unterschiede im
  243. Prüfungsverfahren und im Laufe der Jahre eingetretene Veränderungen nicht
  244. in Frage gestellt wird und eine Differenzierung - etwa nach dem Schwierigkeitsgrad der konkreten Prüfungsanforderungen - weder geboten noch praktisch möglich ist (Beschlüsse vom 25. April 1994 aaO S. 332, vom 24. November 1997 - NotZ 11/97 - DNotZ 1999, 241 und vom 16. März 1998 - NotZ 25/97
  245. - NJW-RR 1998, 1596). Diese Entscheidungen betreffen zwar Sachverhalte, in
  246. denen es um die Art der Berücksichtigung des Ergebnisses der Zweiten juristischen Staatsprüfung ging. Für den in allen maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften als gleichwertig behandelten Abschluß der einstufigen juristischen
  247. Ausbildung kann jedoch nichts anderes gelten. Die Aussage (Senatsbeschluß
  248. vom 25. April 1994 aaO S. 332), daß "die abschließende juristische Staatsprüfung ... nach ihrem Anforderungsbild, ihrer Praxisbezogenheit und der bei ihr
  249. gewährleisteten Kontrolle der Selbständigkeit der Leistungen in besonderer
  250. Weise geeignet (ist), das juristische Grundverständnis sowie das juristische
  251. Denkvermögen und damit Eignungsmerkmale des einzelnen Bewerbers auszuweisen, die wesentliche Aussagekraft für alle qualifizierten juristischen Berufe und damit auch für das Notaramt besitzen", kann nicht für diese nach dem
  252. Willen des damaligen Gesetzgebers von der Justizverwaltung - wenn auch im
  253. Sinne einer Erprobungsphase - eingerichteten und praktizierten Art der Juri-
  254. - 16 -
  255. stenausbildung und die auf ihren Gesamtcharakter abgestimmte Abschlußprüfung nachträglich grundlegend in Frage gestellt werden. Die Besonderheit dieser Ausbildung lag abgesehen von ihrer starken sozialwissenschaftlichen Ausrichtung darin, daß Universitätsausbildung und praktische Ausbildung zu einem
  256. einheitlichen Ausbildungsgang zusammengefaßt wurden, was bedeutete, daß
  257. einerseits die Universitätsausbildung praxisbezogen zu gestalten war, andererseits zur praktischen Ausbildung die wissenschaftliche Reflexion des berufspraktischen Handelns von Juristen gehörte (§ 4 JAG). Wenn in Verfolgung
  258. dieses Ausbildungsgangs einer der Schwerpunkte der Abschlußprüfung in einer "wissenschaftlichen Arbeit" und (als Teil der mündlichen Prüfung) ihrer
  259. Verteidigung lag (§§ 38 Abs. 1, 39, 40 JAG), so ist damit nicht gesagt, dieser
  260. Teil der Abschlußprüfung habe keinen Praxisbezug gehabt, und dieser Prüfungsteil läßt sich nicht - wie es das Oberlandesgericht der Sache nach vertritt - bezogen auf eine spätere Notartätigkeit als "nicht eignungsrelevant" aus
  261. dem Gesamtergebnis der einheitlichen Abschlußprüfung eliminieren. Dem steht
  262. bereits entgegen, daß das Thema der wissenschaftlichen Arbeit so zu wählen
  263. war, daß der Rechtspraktikant seine Fähigkeit (u.a.) zu "selbständiger, problemorientierter und praxisbezogener" wissenschaftlicher Arbeit nachweisen
  264. konnte (§ 39 Abs. 2 Satz 1 JAG) und die Verteidigung der wissenschaftlichen
  265. Arbeit (u.a.) Aufschluß über "die Eigenständigkeit der Leistungen" geben sollte
  266. (§ 40 JAG).
  267. Schon aus diesen Zusammenhängen verliert auch die Argumentation
  268. des Oberlandesgerichts, die gleichwertige Anrechnung der Prüfungsergebnisse
  269. der einstufigen Juristenausbildung führe zu einer ungerechtfertigen Ungleichbehandlung der Bewerber mit einer Zweiten juristischen Staatsprüfung, ihre
  270. Grundlage. Der "Stoff" der wissenschaftlichen Arbeit und ihrer Verteidigung in
  271. - 17 -
  272. der Abschlußprüfung der einstufigen Juristenausbildung läßt sich nicht ohne
  273. weiteres mit demjenigen des ersten Examens der herkömmlichen Juristenausbildung vergleichen. Es gibt mithin auch keine Notwendigkeit im Blick auf Art. 3
  274. Abs. 1 GG, eine bei den Bewerbern mit Zweiter juristischer Staatsprüfung
  275. - wegen der Nichtberücksichtigung des Ergebnisses der Ersten juristischen
  276. Staatsprüfung - nicht gegebene "Kompensationsmöglichkeit" durch Herabsetzung des Multiplikators nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 AVNot auszugleichen. Im übrigen
  277. braucht sich die Nichtberücksichtigung der Ersten juristischen Staatsprüfung
  278. für die Absolventen der zweistufigen Ausbildung im Vergleich zu denjenigen,
  279. die einstufig ausgebildet worden sind, auch keineswegs nachteilig auszuwirken. Dies hängt vielmehr im Einzelfall davon ab, mit welchem Erfolg die Erste
  280. juristische Staatsprüfung bestanden worden ist.
  281. Rinne
  282. Wahl
  283. Doyé
  284. Streck
  285. Toussaint