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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. IX ZR 216/98
  5. Verkündet am:
  6. 5. April 2001
  7. Preuß
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. ja
  16. a) KO § 29
  17. Hat der Gemeinschuldner eine Forderung sicherungshalber abgetreten,
  18. kann die Aufrechnung ihres Schuldners mit einem Gegenanspruch dennoch
  19. die Konkursgläubiger benachteiligen.
  20. b) KO § 30 Nr. 2
  21. Verkauft der spätere Gemeinschuldner (innerhalb von zehn Tagen vor einem
  22. Eröffnungsantrag) ohne vorherige rechtliche Verpflichtung einem Gläubiger
  23. Ware, so ist die gegenüber der daraus resultierenden Kaufpreisforderung
  24. hergestellte Aufrechnungslage inkongruent.
  25. -2BGH, Urteil vom 5. April 2001 - IX ZR 216/98 - OLG Köln
  26. LG Köln
  27. -3-
  28. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  29. vom 5. April 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter
  30. Kirchhof, Dr. Fischer, Dr. Zugehör und Dr. Ganter
  31. für Recht erkannt:
  32. Auf die Rechtsmittel des Klägers werden die Urteile des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 12. Mai 1998 und der
  33. 22. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 15. Mai 1997 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage wegen eines
  34. über 58.562,26 DM nebst Zinsen hinausgehenden Betrages abgewiesen worden ist.
  35. Das bezeichnete Urteil des Landgerichts wird wie folgt neu gefaßt: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 82.633,64 DM
  36. nebst 4% Zinsen seit 5. März 1997 zu zahlen. Die weitergehende
  37. Klage wird abgewiesen.
  38. Die Kosten des ersten und zweiten Rechtszuges werden dem
  39. Kläger zu 2/5 und der Beklagten zu 3/5 auferlegt. Die Kosten des
  40. Revisionsverfahrens fallen der Beklagten zur Last.
  41. Von Rechts wegen
  42. -4-
  43. Tatbestand:
  44. Der Kläger ist Verwalter im Konkurs über das Vermögen der PAS I.
  45. GmbH (nachfolgend PAS oder Gemeinschuldnerin). Diese schuldete der Beklagten aus deren Fleischlieferungen mehr als 200.000 DM. Zwischen dem 14.
  46. und 18. Oktober 1996 lieferte die PAS der Beklagten Fleisch im Wert von
  47. 141.195,91 DM. Am 22. Oktober 1996 beantragte die PAS die Eröffnung des
  48. Konkurses über ihr Vermögen; das Verfahren wurde später eröffnet. Die Beklagte hat das bezogene Fleisch weiter veräußert und mit ihren älteren Kaufpreisforderungen gegen die Zahlungsschuld aus der letzten Warenlieferung
  49. aufgerechnet.
  50. Ein Teil dieses an die Beklagte verkauften Fleisches im Wert von
  51. 58.562,26 DM hatte die PAS ihrerseits unter Eigentumsvorbehalt von einer
  52. Firma P. gekauft und noch nicht bezahlt. Ferner hatte die PAS sämtliche Forderungen aus ihren Lieferungen und Leistungen an die D. Bank AG (fortan:
  53. Bank) zur Sicherung der von dieser gewährten Darlehen abgetreten. Der Kläger hat mit dieser Bank und den Kreditversicherern von Lieferanten der Gemeinschuldnerin einen Poolvertrag geschlossen, demzufolge er unter anderem
  54. die sicherungshalber abgetretenen Forderungen der Gemeinschuldnerin im
  55. eigenen Namen einziehen darf.
  56. Der Kläger hat den Kaufpreis für die letzte Warenlieferung der Gemeinschuldnerin eingeklagt und sich dazu auch auf die Einziehungsermächtigung
  57. aus dem Poolvertrag gestützt. Gegen den Aufrechnungseinwand der Beklagten
  58. beruft er sich auf Anfechtung. Seine Klage blieb in den Vorinstanzen ohne Erfolg. Mit der Revision verfolgt er sein Klagebegehren nur insoweit weiter, als
  59. -5-
  60. das verkaufte Fleisch - im Wert von 82.633,64 DM - nicht unter Eigentumsvorbehalt der Firma P. stand.
  61. Entscheidungsgründe:
  62. Die Revision führt zur Verurteilung der Beklagten, soweit die Klage noch
  63. weiterverfolgt wird.
  64. I.
  65. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Konkursgläubiger seien durch
  66. die Veräußerung des Fleisches nicht benachteiligt worden, weil die Kaufpreisforderung im voraus wirksam an die Bank abgetreten gewesen sei. Daran ändere es nichts, wenn die Aufrechnung der Beklagten entsprechend § 407 BGB
  67. zum Erlöschen ihrer Kaufpreisschuld geführt habe. Denn anderenfalls hätte die
  68. Bank die Forderung absondern können.
  69. Der Kläger könne die Klageforderung auch nicht im Wege der gewillkürten Prozeßstandschaft für die Bank geltend machen. Sofern die Globalzession wirksam sei, sei die Kaufpreisforderung durch die Aufrechnung der Beklagten gemäß § 407 Abs. 1 BGB erloschen. Abgesehen davon habe der Kläger den genauen Umfang der Forderungen der Bank gegen die Gemeinschuldnerin nicht schlüssig dargetan.
  70. -6-
  71. II.
  72. Dagegen rügt die Revision: Der geltend gemachte Anspruch ergebe sich
  73. aus § 37 i.V. § 30 Nr. 2 KO. Soweit die Ware nicht von der Firma P. geliefert
  74. worden sei, also im uneingeschränkten Eigentum der Gemeinschuldnerin gestanden habe, sei die Konkursmasse um den Bestand der ausgelieferten Ware
  75. geschmälert worden. Die Gläubigerbenachteiligung ergebe sich also nicht aus
  76. dem Verlust der Forderung, sondern aus dem Verlust der Ware.
  77. Die Veräußerung der Ware habe der Beklagten eine inkongruente Sicherung im Sinne von § 30 Nr. 2 KO gewährt. Denn die Beklagte habe bis zum
  78. Zeitpunkt des Vertragsschlusses keinen Anspruch auf die Ware gehabt und sei
  79. erst durch die Auslieferung in die Aufrechnungslage versetzt worden.
  80. III.
  81. Der Kläger hat die Herstellung der Aufrechnungslage durch die Beklagte
  82. angefochten.
  83. 1. Diese ist nicht identisch allein mit dem Abschluß der Kaufverträge, die
  84. vom 14. bis 18. Oktober 1996 erfüllt wurden.
  85. Die Vertragsabschlüsse als solche könnten allenfalls gemäß § 30 Nr. 1
  86. Fall 1 oder § 31 Nr. 1 KO anfechtbar sein. Die erstgenannte Norm ist aber nicht
  87. -7-
  88. erfüllt, weil das verkaufte Fleisch unstreitig den ausgehandelten Preis wert war,
  89. die Gläubiger also durch die Vertragsabschlüsse - wie insoweit gesetzlich vorausgesetzt - nicht unmittelbar benachteiligt wurden. Aus diesem Grunde besteht auch kein Beweisanzeichen für eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht
  90. mit Bezug auf den Inhalt der Kaufverträge (§ 31 Nr. 1 KO).
  91. Der hier angefochtene Vorgang hatte jedoch ein zusätzliches Element,
  92. das über den bloßen Vertragsabschluß hinausging: Die Beklagte war zuvor
  93. schon Gläubigerin der PAS und versetzte sich insoweit durch die späteren
  94. Käufe zugleich in die Schuldnerstellung ihr gegenüber, die die Beklagte dann
  95. erst nach § 387 BGB zur Aufrechnung berechtigen konnte. Die Verknüpfung
  96. der ursprünglichen Gläubigerstellung mit einer eigenen schuldrechtlichen Verpflichtung stellt eine weitere, sichernde und die spätere Erfüllung vorbereitende
  97. Rechtsfolge dar. Angefochten wird die gläubigerbenachteiligende Wirkung, die
  98. durch eine Rechtshandlung verursacht wird (BGH, Urt. v. 21. Januar 1999
  99. - IX ZR 329/97, ZIP 1999, 406; Henckel in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Aufl., S. 813, 847 Rn. 76; Gerhardt, Die systematische Einordnung der
  100. Gläubigeranfechtung, S. 124 ff.). Die Handlung bestimmt zwar den Urheber
  101. und die Verantwortlichkeit mit. Zurückzugewähren ist aber nach Maßgabe des
  102. § 37 Abs. 1 KO der eingetretene Erfolg als solcher. Die Anfechtung richtet sich
  103. gegen diesen in vollem Umfang, soweit ein Anfechtungstatbestand eingreift.
  104. Trifft dies nur für einzelne, abtrennbare Wirkungen sogar einer einheitlichen
  105. Rechtshandlung zu, darf deren Rückgewähr nicht mit der Begründung ausgeschlossen werden, daß die Handlung auch sonstige, für sich nicht anfechtbare
  106. Folgen ausgelöst habe. Einen Rechtsgrundsatz, daß mehrere verursachte Wirkungen nur ganz oder gar nicht anfechtbar seien, gibt es auch für solche Folgen - hier: die Aufrechnungslage - nicht, die im Kausalverlauf einen Schritt fer-
  107. -8-
  108. ner liegen als nähere, unanfechtbare (hier: der Vertragsschluß als solcher). Die
  109. Rückgewähr der Aufrechnungslage besteht gerade nicht in der Rückabwicklung des Kaufvertrages selbst, sondern im Gegenteil in der Durchsetzung der
  110. Kaufpreisforderung unabhängig von der Gegenforderung; diese kann also nicht
  111. im Wege der Aufrechnung zur Erfüllung der Schuld aus § 433 Abs. 2 BGB verwendet werden (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 2000 - VII ZR 372/99,
  112. ZIP 2000, 2207, 2210, z.V.b. in BGHZ; Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 30
  113. Rn. 279-288). Soweit der erkennende Senat in einem früheren Urteil vom
  114. 12. November 1998 (IX ZR 199/97, ZIP 1998, 2165, 2166) entschieden hat, der
  115. Konkursverwalter könne in derartigen Fällen die Wirkungen der Anfechtung
  116. nicht auf die Herstellung der Aufrechnungslage beschränken und den Kaufpreisanspruch gegen den Gläubiger geltend machen, hat er daran schon für
  117. Fallgestaltungen, die dem erwähnten Urteil des VII. Zivilsenats vom 28. September 2000 zugrunde lagen, nicht festgehalten. Er rückt von der Entscheidung
  118. vom 12. November 1998, aaO, nunmehr allgemein ab, soweit es um die Frage
  119. des Anfechtungsgegenstandes geht. Entsprechendes gilt für das Urteil des
  120. VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 26. Mai 1971 (VIII ZR 61/70, WM
  121. 1971, 908, 909); dessen frühere Zuständigkeit für Konkurssachen ist inzwischen auf den IX. Zivilsenat übergegangen.
  122. a) Zwar wird in den früheren Urteilen zutreffend hervorgehoben, statt
  123. des Abschlusses eines Kaufvertrages könne auch die Hingabe des Kaufgegenstandes an Erfüllungs Statt gewollt sein. Ein derartiger Wille ist im Einzelfall im Wege der Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu klären; er kann nicht allgemein unterstellt werden. Im Gegenteil gehen die Parteien - die beide in derselben Branche tätig waren - hier übereinstimmend davon aus, daß die Kaufverträge der PAS mit der Beklagten vom 14. oder 18. Oktober 1996 als solche
  124. -9-
  125. gewollt waren, also nicht etwa eine verschleierte Leistung an Erfüllungs Statt
  126. auf die älteren Kaufpreisforderungen der Beklagten darstellten. Der Beklagten
  127. ging es nach ihrer Darstellung vielmehr auch und gerade darum, das Fleisch
  128. der PAS zu erwerben, weil die Beklagte dafür bessere Absatzmöglichkeiten
  129. gehabt habe.
  130. b) Die Revision beruft sich darauf, daß der Kläger auch die Erfüllung der
  131. vertraglichen Leistungspflicht durch die Gemeinschuldnerin selbst (§ 433
  132. Abs. 1 Satz 1 BGB), also deren Fleischlieferungen, angefochten hat. Als
  133. Grundlage dafür käme aber - neben § 31 Nr. 1 KO - nur § 30 Nr. 1 Fall 2 KO
  134. mit einer für den Kläger ungünstigeren Beweislastverteilung in Betracht. Denn
  135. solange die Kaufverträge selbst rechtlich Bestand behielten, war die
  136. Fleischlieferung als solche deren kongruente Erfüllung.
  137. 2. Auf der dargelegten Grundlage fordert der Kläger gemäß § 433 Abs. 2
  138. BGB von der Beklagten den Kaufpreis für die Lieferungen vom 14. bis
  139. 18. Oktober 1996, soweit nicht Fleisch der Firma P. verkauft wurde. Auch wenn
  140. die Forderung an die Bank abgetreten ist, darf der Kläger sie aufgrund von Abschnitt II Nr. 1 des unter anderem von dieser Bank mit abgeschlossenen Vertrages vom 26. November/5. Dezember/19. Dezember 1996 im eigenen Namen
  141. einziehen. Entgegen den Zweifeln des Berufungsgerichts wäre es unerheblich,
  142. wenn die Höhe der Forderung der Bank nicht "schlüssig dargetan" wäre. Denn
  143. die Abtretung als abstraktes Rechtsgeschäft hängt in ihrer dinglichen Wirkung
  144. nicht vom Bestand der gesicherten Forderung ab. Im übrigen wäre insoweit, als
  145. die Bank nicht Forderungsinhaberin wäre, der Kläger ohnehin für die Konkursmasse verfügungsbefugt. Danach ist es unerheblich, daß der Kläger die von
  146. der Bank angemeldete Forderung in Höhe von 1.083.827,37 DM bestritten hat.
  147. - 10 -
  148. 3. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht den Anfechtungseinwand des Klägers gegen diese Aufrechnung nicht hat durchgreifen lassen, hält
  149. einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Entgegen der im Berufungsurteil
  150. vertretenen Auffassung hat die Herstellung der Aufrechnungslage die Gläubiger objektiv benachteiligt.
  151. a) Eine solche Deckungshandlung kann entweder nach § 30 Nr. 2 oder
  152. § 30 Nr. 1 Fall 2 KO und gegebenenfalls gemäß § 31 Nr. 1 KO anfechtbar sein.
  153. Für alle drei Anfechtungstatbestände reicht schon eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung aus. Diese liegt hier vor:
  154. Ohne die Aufrechnungslage hätte die Beklagte nur eine Konkursforderung gegen die Gemeinschuldnerin gehabt. Auf jene wäre nach Konkurseröffnung allenfalls eine Quote des Nennwerts entfallen. Dagegen hätte die Beklagte den Kaufpreis für die zwischen dem 14. und 18. Oktober 1996 bezogene
  155. Ware in voller Höhe an die Konkursmasse zahlen müssen. Infolge der Aufrechnung gelingt es ihr, diese vollwertige Schuld durch Aufopferung eines minderwertigen Anspruchs zu erfüllen. Hierdurch entgeht der Konkursmasse der
  156. Unterschied zwischen dem Nennwert der Kaufpreisschuld der Beklagten einerseits sowie der bloßen Quote auf deren Gegenforderung andererseits. Auf die
  157. übrigen Insolvenzgläubiger entfällt rechnerisch eine entsprechend geringere
  158. Insolvenzquote, so daß sie insgesamt geschädigt sind.
  159. Hieran ändert die Abtretung der Kaufpreisforderung der Gemeinschuldnerin gegen die Beklagte an die Bank nichts Entscheidendes. Denn eine solche Sicherungsabtretung begründet im Konkursfalle nur ein Absonderungs-
  160. - 11 -
  161. recht; d.h. die Konkursmasse verliert wirtschaftlich nicht die Inhaberschaft der
  162. Forderung, sondern die Bank als Sicherungsnehmerin erlangt lediglich ein
  163. Recht auf vorzugsweise Befriedigung. Erst eine Freigabe der dem Absonderungsrecht unterliegenden Forderung aus der Konkursmasse würde den Weg
  164. für eine Befriedigung gemäß §§ 4 Abs. 2, 127 Abs. 2 KO außerhalb des Konkursverfahrens freimachen (Senatsurteil vom 28. März 1996 - IX ZR 77/95, ZIP
  165. 1996, 842, 843). Das der Konkursmasse verbleibende Recht verkörpert durchweg noch einen selbständigen, im Kern geschützten Vermögenswert. Dies verdeutlichen die §§ 166 Abs. 2, 170, 171 InsO nur sinnfällig für das seit 1. Januar
  166. 1999 geltende Recht, indem sie dem Insolvenzverwalter das Verwertungsrecht
  167. und einen Anspruch auf Kostenbeiträge zuerkennen. Schon vor Inkrafttreten
  168. dieser Gesetzesbestimmungen verschaffte die wirtschaftliche Inhaberschaft als
  169. solche dem Konkursverwalter oft die bevorzugte Verwertungsmöglichkeit, die
  170. dann durchweg mit der Vereinbarung eines Erlösanteils zugunsten der Konkursmasse verbunden war. Dementsprechend haben die Sicherungsnehmer
  171. der Gemeinschuldnerin im vorliegenden Falle durch III des Poolvertrages dem
  172. Kläger für die Konkursmasse einen Anteil von 17,5% des Netto-Verwertungserlöses zugestanden. Dieser Vertrag schuf nicht etwa erst diesen Vermögenswert, sondern füllte ihn nur für die besonderen Umstände des vorliegenden
  173. Falles aus.
  174. b) Dem steht das vom Berufungsgericht zitierte Senatsurteil vom
  175. 5. Dezember 1985 (IX ZR 165/84, ZIP 1986, 452, 454 f. = NJW-RR 1986, 536,
  176. 538 f.) nicht entgegen. In dem damals entschiedenen Fall hatte die Gemeinschuldnerin schon die von ihr später verkaufte Ware selbst an dasselbe Kreditinstitut übereignet, dem dann die Kaufpreisforderung ebenfalls abgetreten
  177. wurde. Damit wurde dessen Absonderungsrecht an der Ware nur vereinba-
  178. - 12 -
  179. rungsgemäß durch dasjenige an der Kaufpreisforderung ersetzt. In einem solchen bloßen Austausch einer konkursbeständigen Sicherung durch eine andere, jedenfalls nicht höherwertige wurde eine objektive Gläubigerbenachteiligung nicht gesehen.
  180. IV.
  181. Das Berufungsurteil beruht danach auf einem Rechtsfehler (§ 564 Abs. 1
  182. ZPO). Es erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig; vielmehr ist
  183. die Klage in dem Umfange, wie sie weiterverfolgt wird, begründet (§ 565 Abs. 3
  184. Nr. 1 ZPO). Der Kläger kann die Herstellung der Aufrechnungslage als inkongruente Deckung gemäß § 30 Nr. 2 KO anfechten.
  185. 1. Die Beklagte hat die Aufrechnungslage durch die Bestellungen frühestens ab 14. Oktober 1986, also innerhalb der letzten zehn Tage vor dem Eröffnungsantrag der PAS begründet. Diesen Antrag nahm das Konkursgericht
  186. am 22. Oktober 1996 auf.
  187. 2. Die Aufrechnungslage wurde in inkongruenter Weise hergestellt, weil
  188. die Beklagte darauf keinen Anspruch hatte (vgl. Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl.
  189. § 30 Rdn. 274; LG Saarbrücken NJW-RR 1996, 1274).
  190. a) Zwar stand es der Beklagten frei, bei der PAS Fleisch zu bestellen.
  191. Diese wäre aber nicht zur Vertragsannahme verpflichtet gewesen. Daran ändert die von der Beklagten behauptete Vereinbarung vom 9. Oktober 1996 mit
  192. - 13 -
  193. der PAS nichts, daß die Forderungen aus deren zunächst fällig werdenden
  194. Rechnungen mit den Außenständen der Beklagten verrechnet werden sollten.
  195. Eine solche Vereinbarung konnte Rechtswirkungen allenfalls auslösen, wenn
  196. die Gemeinschuldnerin einen Kaufantrag der Beklagten angenommen hatte.
  197. Ein Recht darauf, bestimmte Kaufverträge abzuschließen, gewährte die Vereinbarung nicht.
  198. b) Soweit das Landgericht im vorliegenden Fall eine kongruente Dekkung angenommen hat, hat es zu Unrecht auf die Aufrechnungserklärung und
  199. damit auf die Rechtslage nach Entstehen der wechselseitigen Forderungen
  200. abgestellt. Statt dessen ist schon der frühere Zeitpunkt unmittelbar vor Annahme des Kaufangebots maßgeblich, die erst als Folge die Aufrechnungslage
  201. begründete.
  202. Das vom Landgericht zitierte Urteil BGHZ 86, 349, 353 ff. (= WM 1983,
  203. 215 ff.) steht der Annahme einer inkongruenten Deckung hier nicht entgegen.
  204. In jenem Falle hatte zwar der Gläubiger die Aufrechnungslage erst durch die
  205. Nutzung der auf der Baustelle befindlichen Sachen des Schuldners hergestellt,
  206. doch stand ihm jeweils schon vor der kritischen Zeit des § 30 Nr. 1 KO ein
  207. schuldrechtlicher Anspruch gerade auf diese Nutzung aufgrund einer gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung zu. Genauso verhielt es sich in dem durch
  208. Senatsurteil vom 9. März 2000 (IX ZR 355/98, ZIP 2000, 757 f.) entschiedenen
  209. Fall. Aus demselben Grund weicht der Senat mit der vorstehenden Wertung
  210. auch nicht etwa vom Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28. September 2000
  211. (VII ZR 372/99, aaO) ab. In diesem Fall hatte der Gläubiger ebenfalls bereits
  212. gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOB/B einen mit der früheren Anlieferung an der Bau-
  213. - 14 -
  214. stelle konkretisierten Anspruch auf die Nutzung, also eine kongruente Deckung
  215. erlangt.
  216. 3. Die Rechtshandlung hat die Insolvenzgläubiger benachteiligt (s.o. III.
  217. 3. a).
  218. 4. Die Beklagte hat auf der Grundlage ihres eigenen Vorbringens jedenfalls nicht substantiiert dargetan, daß ihr zur Zeit der Bestellung eine Absicht der PAS, sie vor den übrigen Gläubigern zu begünstigen, nicht bekannt
  219. war. Das gereicht ihr zum Nachteil, weil § 30 Nr. 2 KO die Beweislast insoweit
  220. dem Anfechtungsgegner auferlegt.
  221. a) Begünstigungsabsicht ist der Wille des späteren Gemeinschuldners,
  222. einen einzelnen Gläubiger durch eine ihm gewährte Befriedigung oder Sicherung vor anderen zu bevorzugen (BGH, Urteil vom 3. März 1959 - VIII ZR
  223. 176/58, WM 1959, 470, 471 f.; vom 30. April 1959 - VIII ZR 179/58, WM 1959,
  224. 891, 892). Die Begünstigung braucht nicht der ausschließliche Zweck der
  225. Rechtshandlung gewesen zu sein; es genügt, wenn der Gemeinschuldner die
  226. Begünstigung neben anderen Zielen im Auge hatte (BGH, Urteil vom 13. November 1961 - VIII ZR 158/60, WM 1961, 1371 f.; Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze 17. Aufl. § 30 KO Anm. 21). Vorausgesetzt wird das Bewußtsein des
  227. Gemeinschuldners, daß er in Konkurs geraten könne, und sein Wille, auch und
  228. gerade für diesen Fall den Empfänger der anfechtbaren Leistung besserzustellen. Hat der Gemeinschuldner jenes Bewußtsein, so folgt daraus regelmäßig der Begünstigungswille. Lediglich die volle Überzeugung des Gemeinschuldners, daß er in absehbarer Zeit seine Gläubiger werde voll befriedigen
  229. können, schließt dann die Begünstigungsabsicht aus (BGHZ 128, 196, 202;
  230. - 15 -
  231. BGH, Urteil vom 12. Juni 1963 - VIII ZR 30/62, KTS 1963, 177, 178 f.). Die bloße, unrealistische Hoffnung, über eine Finanzierungslücke hinwegzukommen,
  232. genügt nicht (BGH, Urteil vom 26. Juni 1997 - IX ZR 203/96, ZIP 1997, 1509,
  233. 1510; Kilger/K. Schmidt, aaO).
  234. b) Eine derartige Begünstigungsabsicht des Geschäftsführers der PAS
  235. ist hier nicht auszuschließen. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten
  236. standen ihr am 11. Oktober 1996 Forderungen in Höhe von insgesamt
  237. 203.018,48 DM gegen die Gemeinschuldnerin zu. Die Beklagte hatte die Zahlungsweise der PAS als "größeres Problem" erkannt: Statt wie üblich nach vier
  238. bis fünf Wochen, erhielt die Beklagte das Geld von der PAS meist erst nach
  239. acht Wochen. Die Beklagte bemühte sich, den Debitorensaldo zu senken. Beim
  240. Kreditversicherer H. der Beklagten hatte sich der Geschäftsführer der PAS um
  241. eine Deckungssumme von 200.000 DM bemüht; diese hätte die offenstehenden Verbindlichkeiten im wesentlichen abgedeckt. Die Versicherung erteilte
  242. dagegen nur eine Deckungszusage von 30.000 DM. Einer solchen Einschätzung der Kreditwürdigkeit der PAS war, wie der Versicherer später selbst erklärte, "nichts mehr hinzuzufügen". Nur zwei Tage nach dieser geringfügigen
  243. Deckungszusage - am 9. Oktober 1996 - kamen die PAS und die Beklagte
  244. überein, "die zunächst fällig werdenden Rechnungen von der Firma PAS mit
  245. unseren offenen Posten" zu verrechnen. Dem dienten die Lieferungen vom 14.
  246. bis 18. Oktober 1996. Am letztgenannten Tag löste die Hausbank der Gemeinschuldnerin Schecks in Höhe von fast 100.000 DM nicht mehr ein. Vier Tage
  247. später stellte der Geschäftsführer der PAS den Konkursantrag, in dem er die
  248. Verbindlichkeiten mit rund 1,8 Mio. DM angab; ob die nicht eingelösten
  249. Schecks "abredewidrig" vorgelegt worden waren, ist demgegenüber unerheblich.
  250. - 16 -
  251. Was die Beklagte demgegenüber ergänzend vorträgt, ist schon inhaltlich
  252. nicht geeignet, eine Begünstigungsabsicht des Geschäftsführers der PAS auszuräumen. Wenn dieser Ende September 1996 mit der Beklagten noch eine
  253. Ausweitung der Zusammenarbeit vereinbart hatte, erklärt das nicht, warum sofort nach der geringen Deckungszusage des Kreditversicherers vorrangig gerade eine Rückführung des Kreditengagements der Beklagten durch Verrechnungsgeschäfte vereinbart wurde. Dasselbe gilt für die Behauptung der Beklagten, der Debitorensaldo der PAS sei in der letzten Zeit vor dem Verrechnungsgeschäft sogar verringert worden: In den letzten beiden Monaten zuvor
  254. - seit 15. August 1996 - hatte die Beklagte gemäß ihren eigenen Angaben für
  255. 192.808,40 DM an die Gemeinschuldnerin geliefert und Zahlungen in Höhe von
  256. 223.725,36 DM erhalten. Dies verringerte den Sollsaldo nur in verhältnismäßig
  257. geringem Umfange. Im übrigen waren nach den eigenen Angaben der Beklagten zeitliche Schwankungen bei den Einkäufen wegen der besonderen Bedingungen des Fleischhandels durchaus üblich, so daß aus einer zwischenzeitlichen, geringfügigen Rückführung des Sollsaldos allein keine wirtschaftliche
  258. Gesundung abzuleiten war. Die Behauptung, die H. Kreditversicherungs-AG
  259. habe "noch in der Zeit vom 16.10.1996 ... einen neuen Versicherungsvertrag
  260. zugunsten der Kunden der Gemeinschuldnerin abgeschlossen", ist inhaltlich
  261. unerheblich. Denn sie läßt nicht erkennen, daß und in welchem Umfang die
  262. PAS weitergehend kreditfähig gewesen sein soll als vorher angenommen.
  263. c) Die Begünstigungsabsicht kennt derjenige Gläubiger, der weiß, daß
  264. der Schuldner ihn durch die Deckungshandlung besserstellen will als andere
  265. Gläubiger. Im Rahmen des § 30 Nr. 2 KO muß der begünstigte Gläubiger deshalb entweder beweisen, daß er die Tatsachen nicht kennt, aus denen die Be-
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  267. günstigungsabsicht folgt. Gelingt ihm das nicht, so ist bis zum Beweis des Gegenteils auch zu vermuten, daß der Gläubiger den Schluß auf diese Absicht
  268. wenigstens in laienhafter Weise gezogen hat; eine zutreffende rechtliche Bewertung wird nicht vorausgesetzt.
  269. Die Geschäftsleitung der Beklagten kannte alle diejenigen Tatsachen,
  270. die im vorliegenden Fall bis zum 14. Oktober 1996 eingetreten sind und entscheidend auf eine Begünstigungsabsicht hindeuten (s.o. b). Sie war daran
  271. selbst beteiligt. Zusätzlicher Hinweise auf geschäftliche Schwierigkeiten der
  272. PAS - welche die Beklagte bestreitet - bedurfte es nicht. Auch wenn sie als ferneren Erfolg auf eine Ausweitung der Geschäftsbeziehungen gehofft haben
  273. mag, beseitigt das nicht ihre unmittelbare Besserstellung durch die Begründung der Verrechnungslage. Die Beklagte behauptet zudem selbst nicht, sie
  274. habe die bestimmte Vorstellung gehabt, die PAS könne in absehbarer Zeit alle
  275. ihre Gläubiger befriedigen.
  276. Damit hat die Beklagte einen schlüssigen Entlastungsbeweis nicht einmal angetreten. Die von ihr mit hergestellte Aufrechnungslage ist gemäß § 30
  277. Nr. 2 KO anfechtbar und kann deshalb nicht zur Erfüllung der Klageforderung
  278. führen.
  279. - 18 -
  280. Zinsen kann der Kläger erst ab Klagezustellung beantragen. Denn erst
  281. aufgrund einer wirksamen Konkursanfechtung vermochte er den Aufrechnungseinwand der Beklagten auszuräumen.
  282. Kreft
  283. Kirchhof
  284. Zugehör
  285. Fischer
  286. Ganter