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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. IX ZR 208/08
  4. vom
  5. 22. April 2010
  6. in dem Rechtsstreit
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. InsO § 60 Abs. 1, § 168 Abs. 1
  14. Hat der Insolvenzverwalter den absonderungsberechtigten Gläubiger über die beabsichtigte Veräußerung des vom Absonderungsrecht betroffenen Gegenstands an einen Dritten informiert und der Gläubiger daraufhin seine Bereitschaft erklärt, den Gegenstand selbst zu übernehmen, muss der Verwalter den Gläubiger im Regelfall
  15. nicht erneut informieren, bevor er den Gegenstand auf ein verbessertes Angebot an
  16. den Dritten veräußert.
  17. BGH, Beschluss vom 22. April 2010 - IX ZR 208/08 - OLG Karlsruhe
  18. LG Freiburg
  19. -2-
  20. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
  21. Dr. Ganter und die Richter Raebel, Prof. Dr. Kayser, Dr. Pape und Grupp
  22. am 22. April 2010
  23. beschlossen:
  24. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem
  25. Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe, 9. Zivilsenat in Freiburg,
  26. vom 9. Oktober 2008 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
  27. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 67.998,96 € festgesetzt.
  28. Gründe:
  29. I.
  30. 1
  31. Der Beklagte ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der
  32. Betreiberin einer Gaststätte; die Klägerin war Sicherungseigentümerin eines
  33. Teils des Inventars der Gaststätte. Auf die Mitteilung des Beklagten, er beabsichtige, das Inventar durch Veräußerung an einen Dritten zu verwerten, antwortete die Klägerin, sie trete selbst in die Verwertung ein, und bot einen Preis,
  34. der geringfügig über dem Angebot des Dritten lag. Der Beklagte veräußerte das
  35. Inventar auf ein verbessertes Angebot hin an den Dritten, ohne die Klägerin
  36. erneut zu informieren. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin vom Beklagten per-
  37. - 3 -
  38. sönlich Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen dem von ihr behaupteten Zerschlagungswert des Inventars und dem an sie ausgekehrten Teil des
  39. Verwertungserlöses. Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben.
  40. II.
  41. 2
  42. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision ist
  43. statthaft (§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und zulässig (§ 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2
  44. ZPO). Sie hat jedoch keinen Erfolg. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche
  45. Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
  46. einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543
  47. Abs. 2 Satz 1 ZPO).
  48. 3
  49. 1. Die Frage, ob ein Insolvenzverwalter pflichtwidrig im Sinne von § 60
  50. Abs. 1 InsO handelt, wenn er einen absonderungsberechtigten Gläubiger, der
  51. nach Mitteilung der Veräußerungsabsicht (§ 168 Abs. 1 InsO) seine Bereitschaft
  52. zur Selbstübernahme erklärt hat (§ 168 Abs. 3 InsO), nicht erneut informiert,
  53. bevor er die Sache auf ein nachgebessertes Angebot an einen Dritten veräußert, bedarf keiner höchstrichterlichen Klärung. Sie ist mit der in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und im Schrifttum fast einhellig vertretenen Meinung
  54. im Grundsatz zu verneinen (LG Neubrandenburg ZIP 2006, 1143; MünchKomm-InsO/Lwowski/Tetzlaff, 2. Aufl. § 168 Rn. 20 und 39; Uhlenbruck/Brinkmann, InsO 13. Aufl. § 168 Rn. 7b; HK-InsO/Landfermann, 5. Aufl. § 168 Rn. 5;
  55. HmbKomm-InsO/Büchler, 3. Aufl. § 168 Rn. 4; Flöther in Kübler/Prütting/Bork,
  56. InsO § 168 Rn. 7; Undritz/Fiebig in Breutigam/Blersch/Goetsch, InsO § 168
  57. Rn. 29-31; Haas/Scholl, NZI 2002, 642, 643; Gundlach/Frenzel/Schirrmeister,
  58. DStR 2006, 1188, 1189; Gundlach/Frenzel/Jahn, DStR 2008, 1930, 1932; a.A.
  59. - 4 -
  60. FK-InsO/Wegener, 5. Aufl. § 168 Rn. 11). Zweck der Mitteilungspflicht nach
  61. § 168 Abs. 1 Satz 1 InsO ist es, im Hinblick auf das Verwertungsrecht des Verwalters (§ 166 InsO) das Interesse des absonderungsberechtigten Gläubigers
  62. zu wahren, eine Veräußerung der Sache unter Wert zu verhindern und einen
  63. möglichst hohen, der gesicherten Forderung nahe kommenden Verwertungserlös zu erzielen. Hierfür genügt im Regelfall eine einmalige Information des Gläubigers über die beabsichtigte Veräußerung. Die Mitteilungspflicht des Verwalters hat hingegen nicht den Zweck, dem Gläubiger zu ermöglichen, mit dem
  64. interessierten Dritten in einen Wettstreit einzutreten mit dem Ziel, die Sache
  65. möglichst günstig selbst zu erwerben. Ein solcher Wettstreit könnte zudem zu
  66. einer Verzögerung führen, die durch die Regelung in § 168 InsO gerade vermieden werden soll. Dem Gläubiger ist zuzumuten, auf eine Mitteilung des
  67. Verwalters über eine beabsichtigte Veräußerung sogleich einen Betrag anzubieten, der aus seiner Sicht angemessen ist.
  68. 4
  69. 2. Die damit übereinstimmende Rechtsansicht des Berufungsgerichts
  70. trägt das angegriffene Urteil. Auf die weitere, von der Beschwerde ebenfalls für
  71. rechtsgrundsätzlich gehaltene Frage, ob der vom Insolvenzverwalter im Falle
  72. - 5 -
  73. einer Verletzung der in § 168 Abs. 1 Satz 1 InsO normierten Mitteilungspflicht
  74. nach § 60 InsO zu ersetzende Schaden entsprechend der Ausgleichspflicht der
  75. Masse nach § 168 Abs. 2 InsO zu begrenzen ist, kommt es deshalb nicht an.
  76. Ganter
  77. Raebel
  78. Pape
  79. Kayser
  80. Grupp
  81. Vorinstanzen:
  82. LG Freiburg, Entscheidung vom 30.01.2008 - 8 O 212/07 OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 09.10.2008 - 9 U 147/08 -