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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. IX ZB 7/04
  4. vom
  5. 22. September 2005
  6. in dem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung
  7. -2-
  8. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
  9. Dr. Fischer, die Richter Raebel, Vill, Cierniak und die Richterin Lohmann
  10. am 22. September 2005
  11. beschlossen:
  12. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 29. Zivilsenats
  13. des Oberlandesgerichts Hamm vom 19. Dezember 2003 wird auf
  14. Kosten der Antragsgegnerin als unzulässig verworfen.
  15. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf
  16. 2.193,63 € festgesetzt.
  17. Gründe:
  18. I.
  19. Der Antragsteller, ein französischer Rechtsanwalt, ist für die Antragsgegnerin in Frankreich anwaltlich tätig geworden. Der Präsident der Anwaltskammer von Paris hat mit Beschluss vom 19. Juni 2001 eine Honorarforderung
  20. des Antragstellers in Höhe von 15.500 FF abzüglich gezahlter 3.200 FF sowie
  21. zu erstattende Auslagen von 5.210,33 FF abzüglich gezahlter 3.421 FF anerkannt. Dieser Beschluss ist vom Präsidenten des Tribunal des Grande Instance
  22. von Paris am 30. April 2002 für vollstreckbar erklärt worden.
  23. - 3 -
  24. Der Antragsteller begehrt die Vollstreckbarerklärung dieser Beschlüsse.
  25. Der Vorsitzende einer Zivilkammer des Landgerichts hat dem Antrag stattgegeben. Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist erfolglos geblieben. Dagegen
  26. wendet sich diese mit ihrer Rechtsbeschwerde.
  27. II.
  28. Das gemäß § 15 Abs. 1 AVAG, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte
  29. Rechtsmittel ist unzulässig; denn die Rechtssache hat keine grundsätzliche
  30. Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer
  31. einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).
  32. 1. Auf das Verfahren findet die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates
  33. über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung
  34. von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000
  35. (EuGVVO) gemäß Art. 66 Abs. 2 Buchst. a, Art. 76 EuGVVO Anwendung.
  36. 2. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 15 Abs. 1
  37. AVAG, § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) liegt entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht vor. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu,
  38. wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige
  39. Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen
  40. kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGHZ 154, 288, 291
  41. zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Dahinstehen kann, ob die innerhalb der
  42. - 4 -
  43. Frist (§ 16 Abs. 2 Satz 2 AVAG, § 575 Abs. 2, § 551 Abs. 2 Satz 6 a.F. ZPO)
  44. vorgetragene Rechtsmittelbegründung dem Darlegungserfordernis des § 575
  45. Abs. 3 Nr. 2 ZPO, § 16 Abs. 2 AVAG entspricht. Denn die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob hier eine Entscheidung im Sinne des Art. 32
  46. EuGVVO vorliegt, ist in Rechtsprechung und Literatur nicht ernsthaft umstritten
  47. und daher nicht klärungsbedürftig.
  48. Der Begriff der Entscheidung ist in Art. 32 EuGVVO legal definiert. Er
  49. ist autonom auszulegen (Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht 7. Aufl.
  50. Art. 32 EuVVO Rn. 2). Die weit gefasste Definition schließt ausdrücklich Kostenfestsetzungsbeschlüsse eines Gerichtsbediensteten ein. Ein solcher liegt
  51. hier in Form der Vollstreckbarerklärung des Präsidenten des Tribunal des
  52. Grande Instance von Paris vor.
  53. Daher war bereits zu dem im Wesentlichen gleichlautenden Art. 25 des
  54. Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ)
  55. anerkannt, dass die Vollstreckbarerklärung der Vergütung eines französischen
  56. Rechtsanwalts eine gerichtliche Entscheidung darstellt (OLG München IPRspr.
  57. 1992 Nr. 223; LG Karlsruhe IPRax 1992, 92, 93; Reinmüller IPRax 1987, 10 f;
  58. 1989, 142 f; 1992, 73, 74; Hök JBüro 1989, 1333, 1335; Schmidt RIW 1991,
  59. 626, 628; ders., Die internationale Durchsetzung von Rechtsanwaltshonoraren
  60. Diss. Münster 1990 S. 100; Gruber VersRAI 2004, 30, 32; MünchKommZPO/Gottwald, 2. Aufl. Art. 25 EuGVÜ Rn. 12; vgl. auch OLG Koblenz IPRax
  61. 1987, 24, 25). Ebenso verhält es sich zu Art. 32 EuGVVO (Kropholler, aaO
  62. Art. 32 EuGVVO Rn. 9; Zöller/Geimer, ZPO 25. Aufl. Art. 32 EuGVVO Rn. 3;
  63. MünchKomm-ZPO/Gottwald, 2. Aufl. Aktualisierungsband Art. 32 EuGVVO
  64. - 5 -
  65. Rn. 1; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht 2. Aufl. Art. 32 EuGVVO Rn. 4; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 63. Aufl. Art. 32 EuGVVO Rn. 1; Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht Art. 32 EuGVVO Rn. 9; Nagel/
  66. Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht 5. Aufl. § 12 Rn. 27).
  67. Die von der Rechtsbeschwerde angeführte Entscheidung des Landgerichts Hamburg vom 31. August 1987 (IPRax 1989, 162) widerspricht dem
  68. nicht; denn das Landgericht hat die Vollstreckbarerklärung abgelehnt, weil es
  69. - unzutreffenderweise (Art. 31 Abs. 1 EuGVÜ = Art. 38 Abs. 1 EuGVVO, vgl.
  70. Reinmüller IPRax 1989, 142, 143; Hök aaO Sp. 1334; Schmidt, aaO S. 98 ff;
  71. ders. RIW 1991, 626, 628) - davon ausgegangen ist, es werde die Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Exequaturentscheidung begehrt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in seinem Beschluss vom 23. August 1995 (IPRax
  72. 1996, 415) die Frage, ob eine richterliche Vollstreckbarkeitsverfügung nach
  73. Art. 32 des niederländischen Tarifgesetzes als Entscheidung im Sinne des
  74. Art. 25 EuGVÜ anzusehen ist, ausdrücklich offengelassen (bejahend z.B. LG
  75. Hamburg IPRspr. 1978 Nr. 165; Rauscher/Leible, aaO; Schmidt, Diss. aaO
  76. S. 97 und RIW 1991, 626, 628). Der Hinweis von Hüßtege (in: Thomas/Putzo,
  77. ZPO 26. Aufl. Art. 32 EuGVVO Rn. 7), die Vollstreckbarerklärung des anwaltlichen Honorars ohne justizförmiges Verfahren falle nicht unter Art. 32 EuGVVO,
  78. trifft nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts (§ 293 ZPO) auf das hier
  79. angewandte französische Recht nicht zu.
  80. 3. Die Auffassung der Rechtsbeschwerde, der angefochtene Beschluss
  81. "unterlaufe" im Ergebnis die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes
  82. zur Zuständigkeit für Honorarklagen von Rechtsanwälten, geht schon im Blick
  83. auf den Vorrang der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidun-
  84. - 6 -
  85. che Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 fehl.
  86. 4. Im Übrigen wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO, § 17 Abs. 2 Satz 2
  87. AVAG von einer Begründung abgesehen.
  88. Fischer
  89. Raebel
  90. Cierniak
  91. Vill
  92. Lohmann