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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. IX ZB 33/16
  4. vom
  5. 13. Juli 2017
  6. in dem Insolvenzverfahren
  7. ECLI:DE:BGH:2017:130717BIXZB33.16.0
  8. - 2 -
  9. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
  10. Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Grupp, die Richterin Möhring
  11. und den Richter Dr. Schoppmeyer
  12. am 13. Juli 2017
  13. beschlossen:
  14. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer
  15. des Landgerichts Berlin vom 26. April 2016 wird auf Kosten des
  16. weiteren Beteiligten zurückgewiesen.
  17. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird
  18. auf 1.044 € festgesetzt.
  19. Gründe:
  20. I.
  21. 1
  22. Am 15. September 2014 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das
  23. Insolvenzverfahren eröffnet und der weitere Beteiligte zum Insolvenzverwalter
  24. bestellt. Die Schuldnerin ist aufgrund eines schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehenden Mietverhältnisses Mieterin einer Wohnung. Hierfür leistete sie vor Insolvenzeröffnung eine Mietkaution in Höhe von 1.044 €.
  25. 2
  26. Der weitere Beteiligte gab gegenüber dem Vermieter eine Enthaftungserklärung nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO ab. In seinem Schlussbericht vom
  27. - 3 -
  28. 6. Oktober 2015 beantragte der weitere Beteiligte, im Rahmen des Schlusstermins anzuordnen, dass der Anspruch der Schuldnerin auf Rückerstattung der
  29. Mietkaution bis zum Ablauf der Laufzeit der Abtretungserklärung gemäß § 287
  30. Abs. 2 InsO einer Nachtragsverteilung vorbehalten bleibe. Mit Beschluss vom
  31. 8. Februar 2016 hob das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren auf, bestellte
  32. den weiteren Beteiligten zum Treuhänder für die Wohlverhaltensperiode und
  33. wies den Antrag zurück, hinsichtlich der Mietkaution eine Nachtragsverteilung
  34. anzuordnen. Die gegen die Zurückweisung seines Antrags gerichtete sofortige
  35. Beschwerde des weiteren Beteiligten hat keinen Erfolg gehabt. Mit seiner vom
  36. Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt er sein Begehren
  37. weiter.
  38. II.
  39. 3
  40. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache ist sie jedoch unbegründet.
  41. 4
  42. 1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, wenn der Insolvenzverwalter
  43. oder Treuhänder eine Enthaftungserklärung gegenüber dem Vermieter des
  44. Schuldners abgebe, seien sämtliche Ansprüche aus dem bestehenden Mietverhältnis der Insolvenzmasse entzogen. Mit dem Wirksamwerden der Enthaftungserklärung erlange der Mieter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis
  45. über das Mietverhältnis in vollem Umfang zurück. Gerade der Schutz des Vermieters gebiete es, die Enthaftungserklärung auch auf die Kaution zu erstrecken. Andernfalls könne der Vermieter nach Beendigung des Mietverhältnisses
  46. nicht mit etwaigen Forderungen aus dem Mietverhältnis gegen den Kautions-
  47. - 4 -
  48. rückzahlungsanspruch des Mieters aufrechnen. Der Wille des Gesetzgebers
  49. stehe einer solchen Lösung nicht entgegen.
  50. 5
  51. 2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.
  52. 6
  53. a) Eine Nachtragsverteilung kann nach der hier allein in Betracht kommenden Norm des § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO angeordnet werden, wenn nach
  54. dem Schlusstermin Gegenstände der Masse ermittelt werden. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Wie der Senat mit Beschluss vom 16. März 2017
  55. (IX ZB 45/15, ZInsO 2017, 875) entschieden und näher begründet hat, scheidet
  56. auch der Anspruch des Schuldners auf Rückzahlung einer Mietkaution bis zur
  57. gesetzlich zulässigen Höhe (§ 551 Abs. 1, Abs. 3 Satz 4 BGB) aus der Insolvenzmasse aus, wenn der Insolvenzverwalter für das Wohnraummietverhältnis
  58. des Schuldners eine Enthaftungserklärung nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO abgibt. So liegt der Streitfall.
  59. 7
  60. b) Die mit der Erklärung nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO verbundene
  61. Freigabe erstreckt sich auf dasjenige Vermögen des Schuldners, das der weiteren Durchführung des Mietvertrags zuzuordnen ist. Vom Insolvenzbeschlag frei
  62. werden deshalb insbesondere alle mietvertraglichen Forderungen des Schuldners, die erst nach dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Enthaftungserklärung entstehen. Der Anspruch des Schuldners auf Rückzahlung einer geleisteten Mietkaution entsteht zwar aufschiebend bedingt bereits mit der Leistung der
  63. Kaution. Nach Sinn und Zweck der Mietkaution ist der Anspruch auf Rückzahlung jedoch der Fortsetzung des Mietverhältnisses nach dem Wirksamwerden
  64. der Enthaftungserklärung zuzuordnen (BGH, aaO Rn. 10). Eine solche Auslegung der Erklärung nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO, deren Reichweite nicht zur
  65. Disposition des Insolvenzverwalters steht, widerspricht nicht den in den Geset-
  66. - 5 -
  67. zesmaterialien verlautbarten Vorstellungen des Gesetzgebers (BGH, aaO
  68. Rn. 11).
  69. Kayser
  70. Gehrlein
  71. Möhring
  72. Grupp
  73. Schoppmeyer
  74. Vorinstanzen:
  75. AG Berlin-Mitte, Entscheidung vom 08.02.2016 - 35 IK 81/14 LG Berlin, Entscheidung vom 26.04.2016 - 19 T 31/16 -