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5.6 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. IX ZB 20/05
  4. vom
  5. 23. März 2006
  6. in dem Insolvenzverfahren
  7. Nachschlagewerk: ja
  8. BGHZ:
  9. nein
  10. InsVV § 3 Abs. 2 Buchst. b
  11. Hat die Geschäftsführung an den Verwalter geringe Anforderungen gestellt,
  12. kann ein Abschlag vom Regelsatz auch dann angezeigt sein, wenn die Masse
  13. nicht groß war.
  14. BGH, Beschl. v. 23. März 2006 - IX ZB 20/05 - LG Stade
  15. AG Tostedt
  16. -2-
  17. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
  18. Dr. Fischer und die Richter Dr. Ganter, Raebel, Kayser und Cierniak
  19. am 23. März 2006
  20. beschlossen:
  21. Die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten und die Anschlussrechtsbeschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss
  22. der 7. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 9. Dezember
  23. 2004 werden zurückgewiesen.
  24. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen die Schuldnerin und der weitere Beteiligte jeweils zur Hälfte.
  25. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf
  26. 4.436,04 € festgesetzt.
  27. Gründe:
  28. I.
  29. 1
  30. In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin wurde
  31. der weitere Beteiligte (Rechtsbeschwerdeführer) mit Beschluss des Amtsgerichts - Insolvenzgerichts - vom 18. Januar 2002 zum Insolvenzverwalter bestellt. Unter dem 25. Juli 2004 erstattete er seinen Schlussbericht und beantragte er die Festsetzung seiner Vergütung nebst Auslagen und Umsatzsteuer auf
  32. - 3 -
  33. insgesamt 8.872,07 €. Dabei legte er die Regelvergütung gemäß § 2 Abs. 1
  34. InsVV bei einer Insolvenzmasse von 14.163,60 € zugunde; daneben begehrte
  35. er pauschalen Auslagenersatz für 30 Monate. Das Amtsgericht hat diesem Antrag in vollem Umfang stattgegeben.
  36. 2
  37. Mit ihrer sofortigen Beschwerde hat die Schuldnerin (Anschlussrechtsbeschwerdeführerin) beantragt, die Regelvergütung um 50 vom Hundert zu kürzen
  38. und die Auslagenpauschale für lediglich zwei Jahre zu bewilligen. Das Landgericht hat dem - unter Zurückweisung im Übrigen - teilweise entsprochen. Es hat
  39. einen Abschlag von der Regelvergütung in Höhe von 25 vom Hundert für gerechtfertigt gehalten und demgemäß die Vergütung auf lediglich 6.654,06 €
  40. festgesetzt. Von einer Kürzung der Auslagenpauschale hat es abgesehen. Dagegen wenden sich der Insolvenzverwalter mit seiner Rechtsbeschwerde und
  41. die Schuldnerin mit ihrer Anschlussrechtsbeschwerde.
  42. II.
  43. 3
  44. Beide Rechtsmittel sind statthaft (§§ 6, 7, 63 Abs. 3 Satz 1 InsO, § 574
  45. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und zulässig (§ 574 Abs. 2, 4 Satz 1 ZPO). Sie haben
  46. indes keinen Erfolg.
  47. 4
  48. 1. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat das Landgericht die
  49. Regelbeispiele des § 3 Abs. 2 InsVV nicht fehlerhaft ausgelegt.
  50. 5
  51. a) Dem Umfang und der Schwierigkeit der Geschäftsführung des Insolvenzverwalters wird durch Abweichungen vom Regelsatz Rechnung getragen
  52. (§ 63 Abs. 1 Satz 3 InsO). § 3 InsVV konkretisiert dies durch die Benennung
  53. - 4 -
  54. von Faktoren, die einen Zuschlag oder Abschlag vom Regelsatz rechtfertigen
  55. können. Die einzelnen Zuschlags- oder Abschlagstatbestände sind lediglich
  56. beispielhaft. Es gibt zahlreiche weitere Umstände, die für die Bemessung der
  57. Vergütung im Einzelfall Bedeutung gewinnen können. Von bindenden Vorgaben
  58. hat der Verordnungsgeber bewusst abgesehen, weil im Einzelfall alle in Betracht kommenden Faktoren umfassend berücksichtigt und gegeneinander abgewogen werden müssen. Entscheidend ist, ob das Insolvenzgericht eine im
  59. Ergebnis angemessene Gesamtwürdigung vorgenommen hat (BGH, Beschl. v.
  60. 24. Juli 2003 - IX ZB 607/02, NZI 2003, 603, 604).
  61. 6
  62. b) Das Ergebnis des Beschwerdegerichts wird durch die Angriffe der
  63. Rechtsbeschwerde nicht zu Fall gebracht. Ein Abschlag vom Regelsatz kann
  64. auch dann angezeigt sein, wenn die Geschäftsführung an den Verwalter geringe Anforderungen stellte, die Masse jedoch nicht groß war und somit eine der
  65. Voraussetzungen des Regelbeispiels gemäß § 3 Abs. 2 Buchst. d InsVV fehlt.
  66. Das Landgericht hat - als Umstände, die gegen einen Abschlag von der Regelvergütung sprechen, mithin tendenziell zugunsten des Insolvenzverwalters - berücksichtigt, dass die Insolvenzmasse klein und die Verfahrensdauer lang war.
  67. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist es nicht sachwidrig, bei dem
  68. zuerst genannten Umstand zu berücksichtigen, dass "wegen der geringen Höhe
  69. der Masse der (höchste) Berechnungsfaktor ... (von) 40 % zum Tragen kommt".
  70. Bei der Gewichtung des zuletzt genannten Umstands ist dem Landgericht zwar
  71. eine Ungenauigkeit unterlaufen. Die Höhe der Vergütung kann nicht durch die
  72. Höhe des Auslagenersatzes beeinflusst werden. Dies entkräftet jedoch nicht
  73. das tragende Argument des Landgerichts, insbesondere bei den Indikatoren
  74. Gläubigeranzahl, Verwertungsaufwand und Höhe der angemeldeten Forderungen bewege "sich das Verfahren im deutlich unterdurchschnittlichen Bereich".
  75. - 5 -
  76. 7
  77. 2. Die Anschlussrechtsbeschwerde der Schuldnerin betont lediglich noch
  78. einmal die Faktoren, die ihres Erachtens "exorbitant hinter den Kriterien eines
  79. Normalverfahrens zurückbleiben". Insofern würdigt sie diese Faktoren lediglich
  80. anders als das Landgericht. Außerdem meint sie, die Zeit "zwischen Januar
  81. 2003 und Oktober 2004" müsse bei der Gewichtung der Verfahrensdauer
  82. außer Betracht bleiben, weil sie auf eine sachlich nicht zu begründende Verzögerung des Verfahrens durch den Insolvenzverwalter entfalle. Diesen Gesichtspunkt hat das Landgericht jedoch gewürdigt und nicht für durchgreifend erachtet. Entsprechendes gilt für die Rüge, der Insolvenzverwalter könne die Auslagenpauschale nur für zwei Jahre beanspruchen.
  83. Fischer
  84. Ganter
  85. Kayser
  86. Raebel
  87. Cierniak
  88. Vorinstanzen:
  89. AG Tostedt, Entscheidung vom 11.08.2004 - 20 IN 72/01 LG Stade, Entscheidung vom 09.12.2004 - 7 T 189/04 -