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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. IX ZB 264/11
  4. vom
  5. 12. Juli 2012
  6. in dem Insolvenzeröffnungsverfahren
  7. - 2 -
  8. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
  9. Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Fischer, Grupp und die
  10. Richterin Möhring
  11. am 12. Juli 2012
  12. beschlossen:
  13. Auf die Rechtsmittel des Gläubigers werden die Beschlüsse der
  14. 12. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 23. August 2011
  15. und des Amtsgerichts Potsdam vom 26. Juli 2011 aufgehoben.
  16. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten
  17. der Rechtsmittelverfahren - an das Amtsgericht Potsdam zurückverwiesen.
  18. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf
  19. 5.000 € festgesetzt.
  20. Gründe:
  21. I.
  22. 1
  23. Das Finanzamt
  24. (fortan: Gläubiger) hat wegen offenste-
  25. hender Steuerforderungen einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
  26. über das Vermögen des
  27. K.
  28. (fortan: Schuldner) gestellt. Das In-
  29. solvenzgericht hat den Antrag als unzulässig zurückgewiesen. Die sofortige
  30. - 3 -
  31. Beschwerde hat keinen Erfolg gehabt. Mit der Rechtsbeschwerde will der Gläubiger weiterhin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erreichen.
  32. II.
  33. 2
  34. Der angefochtene Beschluss ist nicht mit Gründen versehen; bereits dies
  35. nötigt zu seiner Aufhebung (§ 4 InsO, § 576 Abs. 3, § 547 Nr. 6, § 577 Abs. 4
  36. Satz 1 ZPO).
  37. 3
  38. Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen (§§ 6, 7, 34 Abs. 1
  39. InsO, Art. 103f EGInsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO), müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben. Denn das
  40. Rechtsbeschwerdegericht hat grundsätzlich von demjenigen Sachverhalt auszugehen, den das Beschwerdegericht festgestellt hat (§ 577 Abs. 2 Satz 4,
  41. § 559 ZPO). Fehlen tatsächliche Feststellungen, so ist es zu einer rechtlichen
  42. Überprüfung nicht in der Lage. Ausführungen des Beschwerdegerichts, die eine
  43. solche Überprüfung nicht ermöglichen, sind keine Gründe im zivilprozessualen
  44. Sinne. Dies hat das Rechtsbeschwerdegericht auch ohne Rüge von Amts wegen zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 26. April 2012 - IX ZB 34/11,
  45. Rn. 9; vom 21. Juli 2011 - IX ZB 148/10, NZI 2011, 714 Rn. 6; vom
  46. 15. Dezember 2011 - IX ZB 217/10, Rn. 3).
  47. 4
  48. Das Landgericht hat seinen Rechtsausführungen keinen Sachverhalt
  49. vorangestellt. Eine ausdrückliche Bezugnahme auf die erstinstanzliche Entscheidung ist nicht erfolgt und wäre auch unbehelflich, weil auch die Entscheidung des Insolvenzgerichts keine hinreichenden, aus sich heraus verständlichen Tatbestandsangaben enthält. Im Übrigen bezöge eine solche Verweisung
  50. - 4 -
  51. sich nicht auf den Vortrag des Gläubigers im Beschwerdeverfahren. Insoweit
  52. gilt im Beschwerdeverfahren nichts anderes als gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1
  53. Nr. 1 ZPO im Berufungsverfahren (BGH, Beschluss vom 9. März 2006 - IX ZB
  54. 17/05, NZI 2006, 481 Rn. 7). Auch aus den Rechtsausführungen in der Beschwerdeentscheidung wie auch in der amtsgerichtlichen Entscheidung kann
  55. der maßgebliche Sachverhalt nicht hinreichend sicher erschlossen werden.
  56. III.
  57. 5
  58. Aufgrund des fehlenden Sachverhalts ist der Senat zu einer eigenen
  59. Sachentscheidung nicht in der Lage. Die Sache ist deswegen gemäß § 577
  60. Abs. 4 Satz 1 ZPO zurückzuverweisen, und zwar an das Insolvenzgericht.
  61. Das hält der Senat für sachgerecht, weil eine erschöpfende Prüfung der Zulässigkeit des Eröffnungsantrags sowie der Eröffnungsvoraussetzungen bislang noch nicht stattgefunden hat (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 2004
  62. - IX ZB 161/03, BGHZ 160,176, 185).
  63. 6
  64. Für den weiteren Verfahrensgang weist der Senat auf Folgendes hin:
  65. 7
  66. 1. Grundsätzlich ist der Insolvenzantrag eines Finanzamtes nur zulässig, wenn Steuerbescheide und gegebenenfalls etwaige Steueranmeldungen
  67. des Schuldners (§§ 150, 167 AO, 18 UStG; vgl. Rau/Dürrwächter/Stadie,
  68. UStG, 2011, § 18 Rn. 113) vorgelegt werden. Eine Liste der in der Vollstreckung befindlichen Rückstände reicht regelmäßig nicht aus. Eine Glaubhaftmachung der Forderungen durch das Finanzamt durch Vorlage der Bescheide oder der Steueranmeldungen kann ausnahmsweise entbehrlich sein,
  69. wenn das Finanzamt die ausstehenden Steuern genau beschreibt und der
  70. - 5 -
  71. Schuldner diese Forderungen nicht bestreitet (vgl. BGH, Beschluss vom
  72. 9. Juli 2009 - IX ZB 86/09, ZInsO 2009, 1533 Rn. 3; vom 13. Juni 2006
  73. - IX ZB 214/05, ZInsO 2006, 828 Rn. 8 ff).
  74. 8
  75. 2. Bei der Frage, ob der Steuerschuldner nach den beiden erfolgten
  76. Zahlungsaufforderungen Steuerschulden zurückgeführt hat, wird das Amtsgericht den hierzu wegen eines unterlassenen gerichtlichen Hinweises
  77. (Art. 103 Abs. 1 GG) erst im Rechtsbeschwerdeverfahren erfolgten neuen
  78. Sachvortrag des Gläubigers berücksichtigen müssen, dass die Geltendmachung nur der Umsatzsteuerforderungen im Insolvenzantrag nicht auf einer
  79. Zahlung des Steuerschuldners, sondern darauf beruht, dass für die Eintreibung der rückständigen Einkommensteuer nunmehr ein anderes Finanzamt
  80. zuständig ist.
  81. 9
  82. 3. Die Glaubhaftmachung des Insolvenzgrundes muss nicht notwendig
  83. durch Vorlage einer Bescheinigung über einen fruchtlosen Vollstreckungsversuch oder durch die Erklärung des Finanzamtes, erfolglos gegen den
  84. Steuerschuldner vollstreckt zu haben, erfolgen. Der antragstellende Gläubiger kann den Eröffnungsgrund auch auf andere Weise glaubhaft machen
  85. (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2008 - IX ZB 7/08, WuM 2009, 144
  86. Rn. 3). Die schlichte Nichtbegleichung einer unbestrittenen Forderung kann
  87. im Einzelfall eine weitere Glaubhaftmachung entbehrlich machen (vgl. BGH,
  88. Beschluss vom 28. April 2008 - II ZR 51/07, ZInsO 2008, 1019 Rn. 5; FKInsO/Schmerbach, 6. Aufl., § 14 Rn. 125; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 14
  89. Rn. 81). Ein Indiz für die fehlende Zahlungsfähigkeit kann sein, wenn der
  90. - 6 -
  91. Schuldner auf Zahlungsaufforderungen durch das Finanzamt nicht reagiert
  92. und dem angekündigten Vollstreckungsversuch weder entgegentritt noch den
  93. Zugang zur Wohnung ermöglicht.
  94. Kayser
  95. Gehrlein
  96. Grupp
  97. Fischer
  98. Möhring
  99. Vorinstanzen:
  100. AG Potsdam, Entscheidung vom 26.07.2011 - 35 IN 556/11 LG Potsdam, Entscheidung vom 23.08.2011 - 12 T 406/11 -