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275 lines
10 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. IV ZR 1/14
  5. Verkündet am:
  6. 24. September 2014
  7. Heinekamp
  8. Justizhauptsekretär
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. -2-
  13. Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
  14. Richterin
  15. Mayen,
  16. die
  17. Richterin
  18. Harsdorf-Gebhardt,
  19. die
  20. Richter
  21. Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller auf die
  22. mündliche Verhandlung vom 24. September 2014
  23. für Recht erkannt:
  24. Auf die Rechtsmittel des Beklagten wird das Urteil der
  25. 8. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 17. Dezember 2013 aufgehoben, das Urteil des Amtsgerichts Bonn
  26. vom 14. August 2013 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und insgesamt
  27. neu gefasst:
  28. Die Klage wird abgewiesen. Auf die Widerklage wird die
  29. Klägerin verurteilt, an den Beklagten 1.125,85 € nebst
  30. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 19. Juni 2013 zu zahlen. Im Übrigen wird
  31. die Widerklage abgewiesen.
  32. Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Klägerin 79% und der Beklagte 21%.
  33. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
  34. Von Rechts wegen
  35. -3-
  36. Tatbestand:
  37. 1
  38. Die Klägerin, ein liechtensteinischer Lebensversicherer, fordert
  39. von dem Beklagten Zahlung aus zwei Kostenausgleichsvereinbarungen.
  40. Dieser hat widerklagend Rückzahlung der von ihm auf diese geleisteten
  41. Teilzahlungen sowie Auszahlung des Rückkaufswerts der Versicherung
  42. geltend gemacht.
  43. 2
  44. Der Beklagte stellte am 28. Juni 2011 einen "Antrag auf Fondsgebundene Rentenversicherung" sowie einen gesonderten "Antrag auf Kostenausgleichsvereinbarung". Zu letzterem heißt es im Abschnitt "Tilgungsplan":
  45. "Die Tilgung der Abschluss- und Einrichtungskosten erfolgt
  46. separat vom Versicherungsvertrag und nicht in Form einer
  47. Verrechnung der Kosten mit den Versicherungsbeiträgen.
  48. Die Fälligkeit der Teilzahlungen richtet sich nach § 2 der
  49. Bedingungen für die Kostenausgleichsvereinbarung."
  50. 3
  51. sowie
  52. "Wichtig: Die Auflösung des Versicherungsvertrages führt
  53. grundsätzlich nicht zur Beendigung dieser Kostenausgleichsvereinbarung. Die Kosten sind auch im Falle einer
  54. Beitragsfreistellung oder Kündigung des Versicherungsve rtrages zu bezahlen."
  55. 4
  56. Unmittelbar über der Unterschrift zur Kostenausgleichsvereinb arung findet sich der fettgedruckte Hinweis:
  57. "Mir ist ebenfalls bekannt, dass ich die Kostenausgleichsvereinbarung nicht kündigen kann."
  58. -4-
  59. 5
  60. Die Höhe der Abschluss- und Einrichtungskosten bei 60 monatlichen Raten zu je 52,50 € ist mit insgesamt 3.150 € angegeben. Eine
  61. Verzinsung ist nicht vorgesehen. Die monatliche Prämie für die Versich erung in Höhe von 150 € wurde für die Dauer von 60 Monaten um den
  62. monatlich auf die Kostenausgleichsvereinbarung zu zahlenden Betrag
  63. reduziert.
  64. 6
  65. Am 18. November 2011 beantragte der Beklagte, die Beiträge zu
  66. erhöhen, und schloss mit der Klägerin eine weitere Kostenausgleich svereinbarung, die mit der ersten identische Regelungen zur separaten
  67. Zahlung und fehlenden Kündbarkeit enthält. Auf der Grundlage dieser
  68. Vereinbarung hatte der Beklagte weitere Abschluss- und Einrichtungskosten
  69. von
  70. 2.797,20 €
  71. in
  72. 60
  73. monatlichen
  74. Teilraten
  75. von
  76. 46,62 €
  77. - ebenfalls ohne Verzinsung - zu zahlen.
  78. 7
  79. Die dem Vertrag zugrunde liegenden "Bedingungen für die Kostenausgleichsvereinbarung (KAV)" der Klägerin bestimmen unter anderem:
  80. "§ 1 Gegenstand der Kostenausgleichsvereinbarung
  81. (…)
  82. (2) Das Zustandekommen des vorliegenden Vertrages zur
  83. Kostenausgleichsvereinbarung ist abhängig vom Zustandekommen des genannten Versicherungsvertrages.
  84. (3) Die Auflösung des einmal zustande gekommenen Versicherungsvertrages führt dagegen - ausser bei einem Widerruf - nicht zur Beendigung der Kostenausgleichsvereinbarung. …
  85. -5-
  86. § 5 Vertragsbeendigung
  87. (2) Eine Kündigung der Kostenausgleichsvereinbarung ist
  88. nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich und
  89. führt dazu, dass die Gesamtsumme der noch nicht getilgten
  90. Abschluss- und Einrichtungskosten sofort fällig wird.
  91. (3) Die Auflösung des einmal zustande gekommenen Versicherungsvertrages führt dagegen - ausser bei einem Widerruf - nicht zur Beendigung der Kostenausgleichsvereinbarung. …"
  92. 8
  93. Der Beklagte zahlte in der Zeit von August 2011 bis Juli 2012 die
  94. monatliche Rate von 52,50 € auf die erste Kostenausgleichsvereinbarung
  95. sowie von Dezember 2011 bis Juli 2012 die monatliche Rate von 46,62 €
  96. auf die zweite Kostenausgleichsvereinbarung. Ab August 2012 stellte er
  97. die Zahlungen ein. Insgesamt leistete er Zahlungen von 1.002,96 € (12 x
  98. 52,50 € sowie 8 x 46,62 €). Mit Schreiben vom 29. August 2012 kündigte
  99. der Beklagte seine Rentenversicherung mit der Kostenausgleichsverei nbarung mit sofortiger Wirkung. Die Klägerin bestätigte den Eingang der
  100. Kündigung zum 4. September 2012. Sie berechnet ihre Ansprüche wie
  101. folgt:
  102. 9
  103. Abschluss- und Einrichtungskosten
  104. für die Versicherung
  105. 3.150,00 €
  106. zuzügl. Abschluss- und Einrichtungskosten
  107. für die Beitragserhöhung
  108. 2.797,20 €
  109. abzügl. Rückkaufswert
  110. 1.324,09 €
  111. abzügl. Teilzahlungen
  112. 1.002,96 €
  113. gesamt
  114. 3.620,15 €
  115. -6-
  116. Gerichtlich geltend gemacht hat sie einen Betrag von 3.284,55 €
  117. nebst Zinsen. Der Beklagte hat Widerklage in Höhe von 2.327,05 € erhoben. Diese Forderung setzt sich aus den gezahlten Beträgen auf die
  118. Kostenausgleichsvereinbarungen von 1.002,96 € sowie aus dem Rückkaufswert von 1.324,09 € zusammen.
  119. 10
  120. Das Amtsgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin
  121. 3.284,55 € nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszins seit
  122. dem 28. Dezember 2012 sowie vorprozessuale Anwaltskosten von
  123. 302,10 € zu zahlen. Die Widerklage hat es abgewiesen. Die Berufung
  124. des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht
  125. zugelassenen Revision beantragt er, das Urteil des Landgerichts teilweise aufzuheben, das Urteil des Amtsgerichts teilweise abzuändern, die
  126. Klage abzuweisen sowie die Klägerin zu verurteilen, an den Beklagten
  127. 1.324,09 € nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszins ab
  128. Rechtshängigkeit zu zahlen.
  129. Entscheidungsgründe:
  130. 11
  131. Die Revision ist überwiegend begründet.
  132. 12
  133. I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist eine gesonderte Ko stenausgleichsvereinbarung zulässig und wirksam. Insbesondere verstoße
  134. sie nicht gegen § 169 Abs. 5 Satz 2 VVG und stelle keine unzulässige
  135. Umgehung dar. Ferner genügten die geschlossenen Vereinbarungen den
  136. Anforderungen an das Vorliegen eines gesonderten Vertragsschlusses
  137. sowie hinreichender Transparenz. Die Kostenausgleichsvereinbarungen
  138. -7-
  139. verstießen ferner nicht gegen §§ 307 ff. BGB. Insbesondere stelle der
  140. Ausschluss der Kündigungsmöglichkeit des Versicherungsnehmers keine
  141. unangemessene Benachteiligung dar. Der Beklagte habe die Kostenau sgleichsvereinbarungen auch nicht wirksam widerrufen können. Sowohl
  142. der Widerruf in der Klageerwiderung als auch die möglicherweise als W iderruf auszulegende Kündigung mit Schreiben vom 29. August 2012 sei
  143. nicht fristgerecht erfolgt. Die Widerrufsbelehrungen genügten den Anfo rderungen des § 8 Abs. 2 Nr. 2 VVG. Daher sei die Widerklage unbegründet.
  144. 13
  145. II. Das hält rechtlicher Nachprüfung in einem wesentlichen Punkt
  146. nicht stand.
  147. 14
  148. 1. Wie der Senat bereits in seinen - vergleichbare Sachverhalte
  149. betreffenden - Urteilen vom 12. März 2014 entschieden und im Einzelnen
  150. begründet hat, verstoßen die Kostenausgleichsvereinbarungen nicht gegen § 169 Abs. 5 Satz 2, § 171 Satz 1 VVG (IV ZR 295/13, VersR 2014,
  151. 567 Rn. 14-22; IV ZR 255/13, juris Rn. 12-20). Auch eine Unwirksamkeit
  152. wegen fehlender Transparenz gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kommt
  153. nicht in Betracht. Dem Versicherungsnehmer wird unmissverständlich vor
  154. Augen geführt, dass er die Kostenausgleichsvereinbarungen nicht kündigen kann und nur der Widerruf seiner Vertragserklärungen zu deren Beendigung führt, nicht dagegen eine Kündigung des Versicherungsvertr ages oder der Kostenausgleichsvereinbarungen selbst (vgl. Senatsurteil
  155. vom 12. März 2014 - IV ZR 295/13 aaO Rn. 23-25).
  156. 15
  157. 2. Dem Beklagten stand allerdings das Recht zu, die Kostenau sgleichsvereinbarungen zu kündigen, da die vertraglich festgelegte Unab-
  158. -8-
  159. hängigkeit der Kostenausgleichsvereinbarung von einer Auflösung oder
  160. Aufhebung des Versicherungsvertrages sowie der ausdrückliche Au sschluss des Kündigungsrechts in der vorgedruckten Formulierung im Antragsformular wegen unangemessener Benachteiligung des Versich erungsnehmers gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam sind (Senatsurteil vom 12. März 2014 - IV ZR 295/13, VersR 2014, 567 Rn. 26-35; IV
  161. ZR 255/14, juris Rn. 21-30).
  162. 16
  163. Hieran hält der Senat auch in Anbetracht des weiteren Vorbringens
  164. der Klägerin fest. Die unangemessene Benachteiligung des Versich erungsnehmers liegt gerade darin begründet, dass sein Kündigungsrecht
  165. für die Kostenausgleichsvereinbarung für den Fall der Auflösung oder
  166. Aufhebung des Versicherungsvertrages ausgeschlossen werden soll.
  167. Wie im Fall eines Versicherungsnehmers zu entscheiden wäre, der
  168. - anders als in sämtlichen bisher dem Senat vorliegenden Fallgestaltu ngen - nicht ratierlich, sondern in einem Betrag sofort bei Vertragsschluss
  169. zahlt, muss hier nicht entschieden werden. Die Unwirksamkeit des Kü ndigungsausschlusses führt dazu, dass dem Versicherer nach erklärter
  170. Kündigung keine Zahlungsansprüche aus der Kostenausgleichsvereinb arung für die Zukunft mehr zustehen, nicht dagegen zur sofortigen Fälligkeit sämtlicher Abschluss- und Einrichtungskosten.
  171. Hieraus folgt, dass der Beklagte die Kostenausgleichsvereinbaru ngen mit Schreiben vom 29. August 2012, der Klägerin zugegangen am 4.
  172. September 2012, wirksam gekündigt hat. Die Klägerin kann daher nur
  173. Zahlung bis einschließlich September 2012 verlangen. Da der Beklagte
  174. Zahlungen bis Juli 2012 geleistet hat, steht ihr lediglich ein Anspruch auf
  175. restliche Zahlung von 198,24 € zu. Infolge der von der Klägerin durchgeführten Verrechnung mit dem Rückkaufswert der Versicherung in Höhe
  176. -9-
  177. von 1.324,09 € folgt hieraus, dass die Klage abzuweisen und die Klägerin auf die Widerklage unter Abweisung des weitergehenden Klagantrags
  178. zu verurteilen ist, an den Beklagten 1.125,85 € nebst Zinsen zu zahlen.
  179. 17
  180. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
  181. Mayen
  182. Harsdorf-Gebhardt
  183. Lehmann
  184. Dr. Karczewski
  185. Dr. Brockmöller
  186. Vorinstanzen:
  187. AG Bonn, Entscheidung vom 14.08.2013 - 113 C 95/13 LG Bonn, Entscheidung vom 17.12.2013 - 8 S 214/13 -