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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. IV ZR 306/14
  5. Verkündet am:
  6. 7. September 2016
  7. Heinekamp
  8. Amtsinspektor
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. ECLI:DE:BGH:2016:070916UIVZR306.14.0
  13. -2-
  14. Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitze nde
  15. Richterin
  16. Mayen,
  17. die
  18. Richterin
  19. Harsdorf-Gebhardt,
  20. die
  21. Richter
  22. Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis zum
  23. 15. August 2016
  24. für Recht erkannt:
  25. Auf die Revision der Klägerseite wird das Urteil des
  26. 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 11. Juli
  27. 2014 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung
  28. und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  29. Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren auf
  30. 7.285 € festgesetzt.
  31. Von Rechts wegen
  32. Tatbestand:
  33. 1
  34. Die Klägerseite (Versicherungsnehmerin: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rüc kzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Rentenversicherung.
  35. 2
  36. Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. November 1998 nach dem so genannten Policenmodell des
  37. § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG
  38. -3-
  39. a.F.) abgeschlossen. D. VN erhielt mit dem Versicherungsschein die
  40. Versicherungsbedingungen und eine Verbraucherinformation nach § 10a
  41. des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) sowie ein Anschreiben, das
  42. eine Belehrung über das Widerspruchsrecht gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1
  43. VVG a.F. enthielt. Mit Schreiben vom 13. Januar 2012 erklärte sie den
  44. Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. und hilfsweise die Kündigung des
  45. Vertrages. Der Versicherer akzeptierte die Kündigung und zahlte den
  46. Rückkaufswert aus.
  47. 3
  48. Mit der Klage verlangt d. VN Rückzahlung aller auf den Vertrag g eleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts.
  49. 4
  50. Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam
  51. zustande gekommen, weil sie zum einen nicht ordnungsgemäß belehrt
  52. worden sei und zum anderen § 5a VVG a.F. mit den Lebensversicherungsrichtlinien der Europäischen Union nicht vereinbar sei.
  53. 5
  54. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht
  55. die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision ve rfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.
  56. Entscheidungsgründe:
  57. 6
  58. Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Z urückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
  59. -4-
  60. 7
  61. I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. Der Versicherer habe d. VN inhaltlich noch hinreichend deutlich über das Widerspruchsrecht belehrt. Die
  62. Belehrung sei auch drucktechnisch ordnungsgemäß. D. VN hätte daher
  63. das Widerspruchsrecht innerhalb von 14 Tagen nach Zugang der Unte rlagen ausüben müssen. § 5a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 VVG
  64. a.F. stehe im Einklang mit europäischem Recht.
  65. 8
  66. II. Die Revision ist begründet.
  67. 9
  68. 1. Ein Anspruch auf Prämienrückzahlung aus § 812 Abs. 1 Satz 1
  69. Alt. 1 BGB kann d. VN nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen
  70. Begründung versagt werden.
  71. 10
  72. a) Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag
  73. schafft keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Er ist infolge des
  74. Widerspruchs d. VN nicht wirksam zustande gekommen. Der Wide rspruch war - ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F.
  75. normierten Jahresfrist - rechtzeitig.
  76. 11
  77. aa) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts belehrte der Versicherer d. VN nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 1
  78. VVG a.F. über das Widerspruchsrecht. Die Widerspruchsbelehrung in
  79. dem maßgeblichen Policenbegleitschreiben genügt diesen inhaltlichen
  80. Anforderungen nicht, weil sie den Fristbeginn nur an die "Überlassung
  81. der Unterlagen" knüpft. Es fehlt eine eindeutige Benennung der nach
  82. § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. fristauslösenden Unterlagen. Danach beginnt der Lauf der Frist erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Vers i-
  83. -5-
  84. cherungsschein und die Unterlagen nach § 5a Abs. 1 VVG a.F. vollständig vorliegen; zu diesen Unterlagen gehören die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation nach § 10a VAG. Diese werden
  85. nicht benannt und entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ergibt
  86. sich für d. VN auch nicht unter Einbeziehung des Gesamtinhaltes des
  87. Policenbegleitschreibens, welche Unterlagen ihm überlassen worden
  88. sein müssen, damit die Widerspruchsfrist in Gang gesetzt wird. Denn
  89. auch dort werden sie nirgends aufgeführt. Insoweit unterscheidet sich
  90. der Streitfall von den Konstellationen, die den Entscheidungen in den
  91. Verfahren IV ZR 16/14 und IV ZR 558/15 zugrunde lagen.
  92. 12
  93. Für einen solchen Fall einer nicht ordnungsmäßen Widerspruchsbelehrung bestimmte § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch
  94. im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.
  95. 13
  96. Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 5a Abs. 2
  97. Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des G erichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (VersR
  98. 2014, 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7. Mai 2014 (IV ZR 76/11,
  99. BGHZ 201, 101 Rn. 17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die
  100. Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert
  101. werden, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Drit ten
  102. Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon e rfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen
  103. zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht,
  104. wenn d. VN - wie hier - nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Wi-
  105. -6-
  106. derspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder
  107. die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.
  108. 14
  109. bb) Die hilfsweise Kündigung des Versicherungsvertrages steht
  110. dem Widerspruch nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO
  111. Rn. 36 m.w.N.). Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits
  112. vollständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl.
  113. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 37 m.w.N.).
  114. 15
  115. b) Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechtswidrigkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sind nicht auf eine Wirkung
  116. ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur e ine Rückwirkung entspricht dem Effektivitätsgebot (dazu im Einzelnen
  117. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 42-44).
  118. 16
  119. 2. Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch nach § 812
  120. Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien.
  121. Vielmehr muss sich d. VN bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwic klung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versicherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes
  122. kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden;
  123. bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 45 m.w.N.).
  124. 17
  125. Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen
  126. Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuve rweisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu
  127. geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 46) und dabei
  128. auch die Vorgaben der Senatsurteile vom 29. Juli 2015 (IV ZR 384/14,
  129. -7-
  130. VersR 2015, 1101 Rn. 35 ff.; IV ZR 448/14, VersR 2015, 1104 Rn. 34 ff.)
  131. sowie vom 11. November 2015 (IV ZR 513/14, VersR 2016, 33 Rn. 31 ff.)
  132. zu beachten haben.
  133. Mayen
  134. Harsdorf-Gebhardt
  135. Lehmann
  136. Dr. Karczewski
  137. Dr. Brockmöller
  138. Vorinstanzen:
  139. LG Köln, Entscheidung vom 19.03.2014 - 26 O 64/13 OLG Köln, Entscheidung vom 11.07.2014 - 20 U 61/14 -